Titel: Ein neues Verfahren der photographischen Vergrößerung; von Dr. Wilh. Gintl, Professor an der k. k. deutschen technischen Hochschule zu Prag.
Autor: Wilh. Gintl
Fundstelle: Band 223, Jahrgang 1877, S. 527
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Ein neues Verfahren der photographischen Vergrößerung; von Dr. Wilh. Gintl, Professor an der k. k. deutschen technischen Hochschule zu Prag. Gintl, über Winter's Verfahren der photographischen Vergrößerung. Wer jemals in der Lage war, Vergrößerungen in der Solarkammer ausführen zu müssen, wird das Mißliche dieser Arbeiten empfunden haben. Die Abhängigkeit vom Sonnenscheine, die es durch den größten Theil der Winterszeit ganz unmöglich macht, eine Vergrößerung auszuführen; das Wechseln der Lichtstärke an Tagen, wo der Himmel nicht völlig wolkenfrei ist, und die selbst an sonnenhellen Tagen und zur Zeit des Activitätsmaximums relativ lange Dauer der Exposition, namentlich für Bilder von größern Dimensionen, sind Uebelstände, welche das Geschäft der photographischen Vergrößerung sehr erschweren und es begreiflich erscheinen lassen, daß verhältnißmäßig wenige der ausübenden Photographen diesen Zweig der photographischen Praxis cultiviren. Zu dem kommt noch, daß die Erhaltung der constanten Strahlenrichtung, wenn man sich nicht koststpieliger Heliostaten bedienen will, nicht so vollkommen gelingt, als es erforderlich ist, um vollständig scharfe Contourirungen zu bekommen, und es ist daher erklärlich, daß die Herstellung photographischer Vergrößerungen von Landschaften oder Architekturobjecten ganz besondere Schwierigkeiten bereiten muß. Man war darum in den betreffenden Kreisen schon lange bemüht, an dem photographischen Vergrößerungsverfahren Verbesserungen einzuführen. Als solche sind zunächst die Anwendung des, wenn ich nicht irre, zuerst von Th. Sutton (Phot. Soc. Journ., 1855 p. 178 und 197) angeregten Hervorrufungsverfahrens anzusehen, welches sowohl von Monckhofen (vgl. Vogl's Photographische Mittheilungen, 1870 Bd. 6 S. 205), als auch von Harnecker (Vogl's Photographische Mittheilungen, 1870 Bd. 6 S. 262. 1871 Bd. 7 S. 221) und von Schwarz (Vogl's Photographische Mittheilungen, 1871 Bd. 7 S. 29) praktisch verwendet und empfohlen wurde, während man anderseits durch Anwendung der indirecten Vergrößerungsmethode (Herstellung eines Diapositivs, Vergrößerung desselben und Beschaffung eines vergrößerten Negativs) den Uebelständen der relativ langen Exposition auszuweichen suchte. Eine andere Verbesserung suchte man dadurch einzuführen, daß man, um sich so von den Launen des Himmels unabhängig zu stellen, künstliches Licht anwendete. So hat namentlich das Titan-Magnesia-Licht (Monckhofen), dann das Magnesia-Kalklicht (Harnecker) und das Dolomitlicht (Monckhofen), endlich das von T. Rainer empfohlene, durch Verbrennen von Schwefel in schmelzendem Salpeter resultirende Licht hier und da Anwendung gefunden. Alle diese mehr oder weniger beachtenswerthen Verfahrungsarten leiden indeß an nicht unwesentlichen Mängeln. Was zunächst den erwähnten directen Vergrößerungsproceß mit Hervorrufung anbelangt, so liegt in dem Operiren mit nassem Papier eine neuerliche Quelle verschiedener Unannehmlichkeiten, die indeß namentlich da, wo künstliches Licht von Lichtquellen wie die genannten angewendet werden soll, wegen des relativ geringen Actinismus desselben geduldet werden müssen, wenn man nicht wieder auf lange Expositionszeiten hinauskommen will. Ueberdies leidet dieser Proceß, auf Roh- oder Tapiocapapier ausgeführt, an dem Mangel, daß er matte und todte Bilder liefert, welche das Publicum nicht liebt, sowie daß es, selbst bei Anwendung der Goldtonung, meist nicht gelingt, jenen angenehm warmen Ton in denselben zu erzielen, der den directen Drucken auf Albuminpapier eigenthümlich ist, und welchen das Publicum fordert. Ebenso unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß die indirecte Vergrößerung wegen des Hantirens mit großen Negativen bei Herstellung lebensgroßer Bilder nicht bequem ist, so vortheilhaft dieses Verfahren auch sonst in Hinsicht auf Vollendung der erzielten Vergrößerungen sein mag. Es dürfte darum von allgemeinerem Interesse sein, wenn ich im Folgenden ein Verfahren mittheile, welches der durch seine Leistungen auf dem Gebiete der ausübenden Photographie rühmlichst bekannte Photograph Hr. W. Winter in Prag in Anwendung gebracht hat, bei dessen Ausbildung ich im Vereine mit Hrn. Jos. Schubert mitzuwirken das Vergnügen hatte. Das Winter'sche Verfahren unterscheidet sich zunächst von den übrigen bisher in Verwendung gekommenen Verfahrungsarten durch die Anwendung des elektrischen Lichtes. Vor der endgiltigen Wahl dieser Lichtquelle schien es erforderlich, den relativen Actinismus der verschiedenen künstlichen Lichter zu prüfen. Es wurde sowohl das Magnesia-Kalklicht, als auch das durch Verbrennen des Schwefels in schmelzendem Salpeter erzeugte und das elektrische Licht, dann aber auch das durch Verbrennen von Phosphor im Sauerstoff resultirende Licht, sowie jenes, welches durch Verbrennung des Schwefelkohlenstoff-Stickoxydgemenges erhalten werden kann, endlich das Magnesiumlicht in den Kreis der Untersuchung gezogen, obwohl eine praktische Verwendbarkeit der letztgenannten Lichtquellen, wie begreiflich, von vornherein nicht angenommen werden konnte. Das Resultat dieser unter Einhaltung völlig gleicher Verhältnisse durchgeführten Versuche, fiel entschieden zu Gunsten des elektrischen Lichtes aus und konnte bei den in meinem Laboratorium angestellten Versuchen, bei welchen ein Dubosque'scher Regulator mit nicht imprägnirten Retortenkohlenspitzen angewendet wurde, bei dem Strome von 50 mittelgroßen Zinkkohlen-Elementen, von einem halbharten Negativ von 10 × 8cm ein lebensgroßes Bild durch eine 1 Minute währende Exposition in allen Details durchgearbeitet erhalten werden; während bei Anwendung des Kalk-Magnesialichtes, bei gleicher Entfernung vom Objective, selbst eine 1/2stündige Exposition, die Anwendung des Schwefel-Salpeterlichtes eine 3/4stündige Exposition nur unterexponirte Bilder gab. Das zur Aufnahme des Bildes dienende Papier war (Dresdener) Arrow-root-Papier, chlor-jod-bromirt und auf schwach saurem Silberbade (Citronensäure) sensibilirt. Es war 4 bis 5 Stunden vor der Exposition gesilbert und wurde völlig trocken exponirt. Nach vollendeter Exposition, nach welcher die tiefsten Schatten schwach ancopirt erschienen, wurde mit Pyrogallussäure entwickelt. Aus diesem im Mai v. J. gemachten Anfängen entwickelte sich allmälig das Verfahren, wie es Winter jetzt anwendet. Als Lichtquelle dient, um der Lästigkeit der Arbeit mit galvanischen Batterien zu entgehen, ein dynamo-elektrischer Apparat von Siemens und Halske in Berlin. Das Vergrößerungsatelier ist zu diesem Ende durch eine Breterscheidewand in zwei Räume abgetheilt; in dem kleinern derselben findet sich der dynamo-elektrische Apparat auf Steinfundament befestigt, der durch eine in einem besondern Maschinenhause aufgestellte Dampfmaschine mittels Riementransmission seinen Antrieb erhält. Für volle Lichtstärke consumirt der Apparat nahezu 2e. In der Scheidewand ist eine Doppelcondensatorlinse eingesetzt, in deren Brennpunkte die Kohlenspitzen der elektrischen Lampe (mit Selbstregulirung) stationirt sind. Das durch diese Anordnung resultirende Bündel paralleler Strahlen fällt hinter der Scheidewand, also in dem eigentlichen Arbeitsraume, auf das zur Linsenebene parallel gestellte Negativ, und das Bild desselben wird mittels eines Orthoskops (40 Linien) auf den auf Schienen beweglichen Schirm projicirt, welcher mit dem empfindlichen Papiere bespannt ist. Bei regelmäßigem Gange der Maschine bleibt das Licht in Bezug auf seine Intensität und seinen Actinismus völlig unverändert, und beträgt die Expositionsdauer für normale Verhältnisse je nach der beabsichtigten Größe des Bildes und der hiervon abhängigen Entfernung des Schirmes vom Objectiv 1 bis 5 Minuten – gute, nicht zu undurchsichtige Negative vorausgesetzt. Das für die Aufnahmen der vergrößerten Bilder verwendete Papier ist Dresdener Rohpapier, mit einer Lösung von Chlorammonium, Brom- und Jodsalz in dem Verhältnisse von 1 : 3 : 1 Molecülen der betreffenden Verbindungen, entweder unter Mitverwendung von Albumin oder ohne dieses präparirt und auf einer schwach sauren Silbernitratlösung von gewöhnlicher Concentration sensibilirt. Das Papier wird trocken verwendet, und zwar wird der ganze, für die Arbeit eines Tages erforderliche Bedarf am Morgen des Tages vorbereitet. Nach genügend langer Dauer der Exposition erscheinen auf dem Papiere selbst die feinern Details schwach ancopirt. Die exponirt gewesenen Blätter werden sodann in die in einer Schale vorbereitete Hervorrufungsflüssigkeit gebracht; als solche wird eine schwach citronensaure Gallussäurelösung (1 : 1000) verwendet. Das Hervorrufen wird so lange fortgesetzt, bis das Bild kräftig und in allen Details gekommen ist. Sodann wird mit Wasser gewaschen und in einer Tonungsfixage getont und fixirt. Die so erzielten Vergrößerungen stehen den in der Solarkammer durch directes Copiren erzeugten nicht nur nicht im Mindesten nach, sondern übertreffen diese, sowohl in Bezug auf Wärme des Tons, als insbesondere auch in Bezug auf Schärfe der Contourirung. Mit der beschriebenen Einrichtung liefert Winter dermal 25 bis 30 Vergrößerungen pro Tag – eine Leistung, die wohl bisher bei keiner Vergrößerungsmethode mit künstlichem Lichte erreicht worden ist, und welche ihn in den Stand setzt, Vergrößerungen von seitens auswärtiger Photographen eingesendeten Negativen jederzeit binnen wenigen Stunden fertigzustellen, so daß der Besteller meist mit Postwendung in den Besitz der bestellten Vergrößerung gelangt – ein Vortheil, der es dem ausübenden Photographen ermöglicht, Aufträge auf Vergrößerungen zu übernehmen, selbst wenn er, was ja größtentheils der Fall ist, nicht in der Lage wäre, diese selbst herzustellen. Ganz eminente Vortheile gewährt dieses Verfahren in Bezug auf Anfertigung von Gruppenbildern in größerem Formate, die bei directer Aufnahme, abgesehen davon, daß nicht jeder Photograph im Besitze entsprechend großer Objective ist, selbst mit dem besten Instrumente wegen der relativ längern Dauer der Exposition und der hierbei unvermeidlichen Unruhe eines oder des andern Theilnehmers selten vorwurfsfrei ausfallen, während sie sich auf 10 × 10cm-Platten leicht fehlerfrei erhalten lassen und bei der Vergrößerung ebenso fehlerfreie Bilder in beliebig größerm Formate liefern. Augenblicklich ist Winter mit ausgedehnten Versuchen beschäftigt, ein entsprechend modificirtes Verfahren zur Herstellung von photographischen Vergrößerungen auf verschiedenen Geweben in Anwendung zu bringen, und die Resultate der bisherigen Versuche haben gezeigt, daß auf diesem Wege sich nicht nur herrliche Imitationen von Gobbelins, sondern namentlich auch Vorwürfe für Landschafts- und Portraitmaler in überraschend schöner Weise herstellen lassen werden. Ich werde seinerzeit über die Erfolge dieser Versuche ausführlicher berichten. Prag, December 1876.