Titel: Neues Saccharimeter von L. Laurent in Paris.
Fundstelle: Band 223, Jahrgang 1877, S. 608
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Neues Saccharimeter von L. Laurent in Paris. Mit Abbildungen im Text und auf Tafel XIII [c.d/1] Laurent's Saccharimeter. Bei den seither gebräuchlichen Saccharimetern, insbesondere dem Soleil'schen, ergibt sich der Procentgehalt des Zuckers aus der Vergleichung zweier Farbentöne, deren Identität mit Hilfe besonderer Organe des Instrumentes hergestellt werden muß. So lange nun die als Complementärfarben auftretenden Nüancen sehr verschieden sind, lassen sie sich leicht mit einander vergleichen; ist aber der Unterschied nur ein geringer, so wird das Urtheil unsicher und hängt alsdann von der Beschaffenheit der Sehorgane des Beobachters, und für einen und denselben Beobachter von dem Grade der Ermüdung seiner Äugen ab. Außerdem wird das Urtheil durch die Färbung der zu prüfenden Zuckerlösung beeinflußt. Daher jene Unsicherheit, welche als eine erhebliche Fehlerquelle in dem Resultate der Zuckergehaltsbestimmung sich bemerkbar macht. Nachdem bereits Cornu und Dubosq diese Unvollkommenheit durch eine veränderte Construction des Polarisators zu beseitigen versucht haben, ist es in jüngster Zeit Léon Laurent gelungen, dieses Problem mit vielem Geschick und Scharfsinn in sehr befriedigender Weise zu lösen. Beschreibung des Instrumentes. Figur 21 stellt Laurent's Saccharimeter im senkrechten Längendurchschnitte dar. Die Lage der Röhre C, welche die zu untersuchende Auflösung enthält, ist durch punktirte Linien angedeutet; Fig. 22 ist die obere Ansicht des Apparates mit sämmtlichen in ihren Gestellen gelagerten Versuchsröhren; Fig. 23 Verticaldurchschnitt des Brenners, dessen Flamme das homogengelbe Licht liefert; Fig. 24 vordere Ansicht des für das Laboratorium-Modell bestimmten, mit zwei Theilungen versehenen Kreises; Fig. 25 vordere Ansicht des für die Zwecke der Zuckerfabriken und Raffinerien mit einer einzigen Theilung versehenen Kreises; Fig. 26 und 27 Seiten- und Frontansicht der Polarisatorarme mit den Röhren, woran sie befestigt sind. Das optische Instrument (Fig. 21 und 22) wird von der Säule A getragen und liegt in zwei Hülsen, welche an den Enden einer Alhidade A' befestigt sind; letztere ist in einer horizontalen und verticalen Ebene drehbar. Ein zweite Säule B trägt den Brenner. C sind 4 zu den Versuchen dienliche Röhren, wovon die dickste mit einem Ansatz zum Nachfüllen versehen ist. Sie ruhen in Lagern auf der Fußplatte DD des Apparates, um beim Gebrauch in die durch Punktirungen angedeutete Lage gebracht zu werden. Der Brenner E, dessen nähere Beschreibung weiter unten folgen wird, hat eine Einrichtung, welche die Intensität der Flamme bedeutend zu erhöhen gestattet. Das in der vordern Röhre dem Brenner gegenüber angeordnete Diaphragma F enthält eine Platte von doppeltchromsaurem Kali, welche die violetten und blauen Strahlen der Flamme absorbirt, während sie die brauchbaren gelben Strahlen ungeschmälert durchläßt. Das doppeltbrechende Prisma G ist um die Achse des Rohres drehbar; in diesem Prisma wird das zweite Bild (der ordentliche Strahl) abgelenkt und durch die Diaphragmen aufgefangen. Das zweite Diaphragma H enthält eine dünne, parallel zur Achse geschliffene Quarzplatte, deren Dicke dem Gangunterschiede von einer halben Wellenlänge der gelben Strahlen entspricht; diese Platte sitzt fest und bedeckt nur die Hälfte des Diaphragmas H. In der hintern Röhre befindet sich ein Nicol'sches Prisma J, dicht hinter dem dritten Diaphragma I. Das Prisma J, das Objectiv K und das concave Ocular L, welches mit dem Objectiv K ein Galilei'sches Fernrohr bildet, ist an eine Alhidade V befestigt, welche auf einem getheilten Kreise M in einer zur Achse der Röhren senkrechten Ebene drehbar ist. Der Kreis hat zwei Theilungen, die eine speciell für Zucker, die andere für beliebige Substanzen, welche die Eigenschaft besitzen, die Polarisationsebene zu drehen. Die Figuren 24 und 25 sind Detailansichten dieser graduirten Kreise, wovon unten näher die Rede sein wird. Die Loupe N dient zur Ablesung an der Theilung des Kreises, auf welcher durch einen Spiegel O das Licht des Brenners reflectirt wird; man erspart auf diese Weise die Anwendung einer Hilfslichtquelle. Mit P, Q (Fig. 22, 26 und 27) sind zwei Arme bezeichnet, wovon Q an dem unbeweglichen Ansatzrohre befestigt ist und als Index dient, während der mit einer kurzen Millimetertheilung versehene Arm P an der beweglichen Polarisatorröhre festsitzt. Mittels des geränderten Knopfes R läßt sich die Alhidade A' mit dem ganzen optischen Apparate in einer verticalen Ebene drehen; um den Zapfen 8 kann das Instrument in horizontaler Ebene gedreht werden. Zur Einstellung des Apparates auf Null dient der Knopf T an der hintern Röhre; die Feder U vermeidet hierbei den todten Gang. Beigedruckte perspectivische Abbildung mag einen anschaulichen Begriff des vollständigen Apparates in seiner äußern Erscheinung geben. Textabbildung Bd. 223, S. 610 Von dem in Fig. 21 und 22 mit E bezeichneten Brenner gibt Figur 23 eine in größerm Maßstabe ausgeführte Detailansicht. Er repräsentirt eine neue Methode, homogenes Licht zu erzeugen. Die Flamme besteht aus folgenden 4 Zonen: a weite gelbe Zone, identisch mit derjenigen der gewöhnlichen Brenner. b sehr intensiv leuchtende Zone, lang und schmal, beinahe weiß; sie ist es, auf die man den optischen Theil des Apparates richtet. c violette Zone, hoch, breit und sehr heiß. d innerer conischer Kern, von grünlicher Farbe und geringem Wärmegrad. Durch ein Aufsatzrohr e erhält die Flamme die erforderliche Stabilität. Das Schiffchen f aus Plattingewebe dient zur Aufnahme von Chlornatrium; der vordere Theil desselben ist mit einem schräg aufwärts stehenden Rand versehen und der hintere Theil an einen starken aufwärts gekrümmten, an den Träger des Rohres e befestigten Platindraht gelöthet. Mittels des Hahnes g wird der Gaszutritt regulirt, während der Schieberring h die Bestimmung hat, den Luftzutritt zum Brenner nach Maßgabe des größern oder geringern Gasdruckes zu reguliren. Der in Rede stehende Brenner erzeugt ein weit intensiveres Licht als die gewöhnlichen Brenner und brennt außerdem unter sehr schwachem Drucke. Bei 10mm Wasserdruckhöhe befindet er sich im Maximum seiner Leistung und versieht seinen Dienst noch unter einem Drucke von 3 bis 2mm Wasserhöhe. Wenn das Chlornatrium in dem Schiffchen f zu schmelzen beginnt, so steigt es in Folge der Capillarität längs des sehr heißen Randes hinauf und erzeugt in der Verlängerung bei d eine schmale, äußerst glänzende Flamme. Es ist besser, wenig Salz auf einmal und dieses lieber öfters aufzugeben. Man bedient sich des geschmolzenen und in Form dünner Platten gegossenen Seesalzes, welches man in kleine Stücke zerschlägt. Es ist zur Erzielung des größten Effectes sehr wesentlich, daß sich das Schiffchen nicht in der Mitte, sondern auf der Seite der Flamme befinde, mit dem aufgebogenen Rande in der violetten Lichthülle. Beim Anzünden des Gases dreht man zuerst den Ring h Figur 23 so, daß der Luftzutritt abgesperrt ist, zündet dann das Gas an und dreht den Ring, bis der grünliche Conus d deutlich zum Vorschein kommt. Der für Laboratoriumzwecke bestimmte Kreis M Figur 24 mit den zwei Theilungen hat einen Nonius i, welcher auf der innern, den Zuckergehalt in Procenten angebenden Theilung spielt. Da sich mit diesem Nonius noch 1/10 der Theilung ablesen läßt, so gibt er also den Zuckergehalt in 1/1000 an. Ein zweiter Nonius j, welcher mit der äußern, in halben Graden ausgeführten Theilung correspondirt, gestattet die Ablesung der Drehungswinkel bis auf 2 Minuten genau. Der mit einer einzigen Theilung versehene Kreis M Figur 25 für Zuckerfabriken besitzt einen einzigen Nonius k, welcher 1/5 der Theilung abzulesen gestattet. Theorie des Instrumentes. Das Neue der optischen Anordnung liegt in dem System des Polarisators. Dieser besteht aus zwei Theilen: dem drehbaren doppeltbrechenden Prisma G (Fig. 21) und dem festen Diaphragma H mit seiner Halbscheibe von Quarz. Die Rolle, welche der letztern angewiesen ist, läßt sich mit Hilfe der in den Text auf S. 612 gedruckten Figuren I bis IV erläutern. Holzschnitt I stellt das Diaphragma H vergrößert und so dar, wie man es in dem Fernrohr sieht. Die linke Hälfte wird durch die Quarzplatte bedeckt, deren Achse der Trennungslinie OA. parallel ist. Die rechte Hälfte ist nackt und läßt das durch den Polarisator G polarisirte Licht ohne Ablenkung hindurch. Wir wollen zunächst die Polarisationsebene parallel zu OA annehmen. Fig. 1–4., Bd. 223, S. 612 Dreht man bei unveränderter Lage derselben den Analysator oder das Nicol'sche Prisma J (Fig. 21), so wird das Gesichtsfeld nach und nach von der totalen Verdunklung zum Maximum der Helligkeit übergehen, und beide Scheibenhälften werden dabei an Intensität stets einander gleich bleiben, wie wenn die Quarzplatte nicht vorhanden wäre. Denken wir uns bei stets unveränderter Lage der Platte den Polarisator so gedreht, daß sein Hauptschnitt in die Richtung OB (Holzschnitt I) gelangt und mit der Achse OA einen beliebigen Winkel α bildet. Stellt nun OB die Polarisationsrichtung und Schwingungsamplitude eines Strahles vor, so läßt sich diese in zwei Komponenten zerlegen, wovon die eine Oy parallel zur Achse OA. der Quarzplatte ist, die andere Ox senkrecht auf derselben steht. Die letztere wird ohne Ablenkung auf der rechten Seite ihren Weg fortsetzen, auf der linken Seite aber wird sie durch die Quarzplatte abgelenkt. Die zur Quarzachse parallele Ordinate Oy wird ihr Zeichen nicht ändern, wohl aber die auf ihr senkrecht stehende Abscisse x. Diese wird in Ox' zu liegen kommen, weil die Platte von einer Dicke ist, welche einen Gangunterschied von 1/2 Wellenlänge erzeugt, so daß also auf der linken Seite die resultirende Schwingung in der Richtung OB' erfolgen wird, welche mit der Achse OA einen Winkel α' = α bildet. Der Zweck dieser Platte besteht also darin, einen Hauptschnitt OB' zu bestimmen, welcher mit dem Hauptschnitte OA der rechten Seite eine symmetrische Lage gegen die Trennungslinie OA hat. Läßt man den Polarisator unverrückt in dieser Lage und dreht den Analysator so, daß sein Hauptschnitt SP, wie Holzschnitt II zeigt, auf OB senkrecht steht, so wird auf der rechten Seite vollständige Dunkelheit und auf der linken Seite Halbdunkel eintreten. Umgekehrt wird, wenn der Hauptschnitt SP des Analysators, wie im Holzschnitt III, senkrecht auf OB' steht, auf der linken Seite totale Dunkelheit, auf der rechten Seite dagegen Halbdunkel herrschen. Richtet man endlich den Hauptschnitt SP auf OA senkrecht – ein Fall, welchen der Holzschnitt IV darstellt, so wird wegen α = α' auf beiden Seiten des Gesichtsfeldes Halbdunkel eintreten. Läßt man nun den Analysator in dieser letzten Lage und dreht den Polarisator so, daß sein Hauptschnitt mit OA den Winkel von 0 bis 45° bildet, so werden die beiden Halbscheiben unter sich stets gleiche Intensität zeigen, während ihre gemeinschaftliche Intensität von der totalen Verdunklung nach und nach zum Maximum der Helligkeit übergeht. Dreht man aber, während der Hauptschnitt des Polarisators einen beliebigen Winkel mit OA bildet, den Analysator um einen kleinen Winkel rechts oder links von SP, so hört die Gleichheit der Töne beider Hälften des Gesichtsfeldes auf; die eine wird dunkler, die andere Heller. Dieser schroffe Wechsel gestattet es, mit großer Genauigkeit die Stellung des Analysators, d.h. die Lage des Nullpunktes des Instrumentes zu bestimmen, wenn keine Substanz eingeschaltet ist. Schaltet man nun eine Substanz ein, welche die Eigenschaft besitzt, die Polarisationsebene zu drehen, so hebt man dadurch die Gleichheit der Töne auf. Der Analysator muß alsdann, behufs der Herstellung dieser Gleichheit, um einen gewissen Winkel gedreht werden, und dieser Winkel ist es, welcher das Drehungsvermögen der Substanz angibt. Handhabung des Instrumentes. Nachdem man den Arm P des Polarisators (Fig. 22, 26 und 27), so weit es geht, gehoben und den Knopf R mäßig angezogen hat, bringt man eine 20cm lange, mit destillirtem Wasser gefüllte Röhre auf die Alhidade A' und richtet die optische Vorrichtung auf die Flamme des Brenners. Dann stellt man die Loupe N genau auf die mit Hilfe des Reflectors O beleuchtete Theilung ein und führt den Nullpunkt des Nonius beiläufig auf den siebenten Theilstrich rechts oder links vom Nullpunkt der Theilung, welche den Procentgehalt des Zuckers repräsentirt (oder auf etwa 1 1/2°, wenn man sich auf die Theilung in halbe Grade beziehen will). Durch das Ocular L erblickt man eine in zwei Hälften getheilte Scheibe, die eine Hälfte hellgelb, die andere dunkelgelb. Man regulirt durch Vor- und Zurückschieben die Stellung der Ocularröhre, bis beide Hälften ganz scharf gegen einander abgegrenzt erscheinen. Je genauer und reiner diese Abgrenzung ist, desto empfindlicher der Apparat. Der geringste zwischen beiden Halbscheiben herrschende Unterschied im Ton macht sich alsdann wahrnehmbar, und wenn die Gleichheit des Tones hergestellt ist, so verschwindet die Trennungslinie vollständig. Man richtet nun das Instrument auf diejenige Gegend der Flamme, bei welcher das Gesichtsfeld am hellsten erscheint, sieht von Neuem durch die Loupe und bringt durch Handhabung des Alhidadenknopfes W den Nullpunkt des Nonius ganz genau mit demjenigen der Theilung in Coïcidenz; dann blickt man wieder durch das Ocular des Fernrohres. Wenn beide Seiten des Gesichtsfeldes dunkel graugelb und unter ganz gleichem Tone sich darstellen, so ist der Apparat gut regulirt; wo nicht, so muß man durch Rechts – oder Linksdrehung der Mikrometerschraube T die vollkommene Gleichheit des Tones beider Gesichtsfeldhälften herstellen. Ist letzteres geschehen, so ersetzt man die Röhre mit dem destillirten Wasser durch die mit der Zuckerlösung gefüllte Röhre, worauf die beiden Seiten des Bildes Heller und ungleich sich präsentiren. Durch Drehung des Alhidadenknopfes W nach der einen oder der andern Richtung stellt man die Gleichheit der Töne leicht wieder her. Mußte zur Erzielung dieses Effectes der Nonius nach der rechten Seite gedreht werden, so ist die Substanz rechts drehend, wie bei dem Rohr- und Runkelrübenzucker, dem Zucker der Diabetes (Harnruhr), dem Traubenzucker, dem rechtsdrehenden Quarz u.s.w. Erfolgte aber die Drehung nach der linken Seite, so ist die Substanz links drehend, wie beim unkrystallisirbaren Zucker, dem linksdrehenden Quarz u.s.w. Es kommen in der Zuckerindustrie öfters farbige Syrupe vor, welche, in den Apparat gebracht, während der Hebel P (Fig. 26 und 27) seinen höchsten Stand einnimmt, für die optische Probe zu dunkel sind. Man kann in diesem Falle durch allmälige Senkung dieses Hebels, so weit es nöthig ist, mehr Licht in den Apparat gelangen lassen und hat auf diese Weise den Vortheil, mit annähernder Genauigkeit seine Messung anstellen zu können, wo man mit einem andern Saccharimeter nichts mehr unterscheiden könnte. Ist eine Flüssigkeit gegeben, so kann man immer mit diesem Apparate den Winkel wählen, welcher das beste Resultat liefert, und die Praxis zeigt, daß dieser Winkel sich mit der Färbung der Flüssigkeit ändert. Deshalb enthält der horizontale Arm Q (Fig. 26 und 27) einen Strich und der andere P Theilstriche in Abständen von 1mm, welche als Merkzeichen dienen. Man kann auf diese Weise denjenigen Theilstrich bestimmen und sich notiren, bei welchem für eine gewisse Färbung das beste Resultat zum Vorschein kommt. P.