Titel: Ueber Mehlverfälschungen; von Dr. J. Skalweit.
Autor: J. Skalweit
Fundstelle: Band 227, Jahrgang 1878, S. 571
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Ueber Mehlverfälschungen; von Dr. J. Skalweit. Skalweit, über Mehlverfälschungen. Unter den anorganischen Stoffen, welche zur Verfälschung des Mehles ganz besonders angewendet werden sollen, nennt man Alaun, Gyps, Schwerspath, Kreide und Thon. Dass diese Beimischungen schon lange die Gemüther aufgeregt, beweisen die Notizen, welche uns aus früherer Zeit hierüber vorliegen. Schon Accum (1820 1 362) klagt im J. 1820: „Wahrlich, es würde schwer fallen, einen einzigen Nahrungsartikel anzugeben, der nicht verfälscht wäre; es gibt einzelne Dinge, welche man kaum jemals echt erhalten kann.“ Bei Mehl und Brod hebt Accum namentlich den Zusatz von Alaun hervor, welcher deshalb geschehe, damit das schlechte Mehl, welches die Londoner Bäcker gewöhnlich zur Brodbereitung verwendeten, dasselbe Ansehen erhalte wie gutes Mehl. Weitere Vortheile, welche in der Anwendung des Alauns beim Brodbacken liegen, sind darin zu finden, dass weniger Handarbeit erforderlich ist, dass der Teig schneller aufgeht und eine grössere Menge Wasser zurückhält, wodurch eine grössere Ausbeute an Brod erzielt wird. Wenn nun auch eine geringe Menge von Alaun im Brod keine direct nachtheiligen Folgen für die Gesundheit haben kann, so liegt doch die Befürchtung nahe, dass der fortgesetzte tägliche Genuss im Laufe der Zeit seine schädlichen Wirkungen äussern wird, und haben sich in Folge dessen zu jeder Zeit Chemiker damit beschäftigt, leicht ausführbare Methoden zur Ermittlung dieser Verfälschung aufzusuchen. Accum selbst (1821 4 241) empfiehlt, das verdächtige Mehl oder Brod mit destillirtem Wasser einige Minuten zu kochen, zu filtriren, einzudampfen und mit Chlorbarium zu versetzen. Kuhlmann (1831 39 439) äschert 200g des betreffenden Brodes ein, zerreibt die Asche, behandelt sie mit Salpetersäure, dampft das Gemenge zur Trockene, nimmt mit Wasser auf, fällt mit Salmiak die Thonerde, trocknet, wiegt und berechnet aus dem Gewicht die zugesetzte Menge Alaun. Eine dritte Methode, mittels welcher sich 1 bis 2 Proc. Alaun im Brod leicht qualitativ nachweisen lassen, ist von Carter Moffat (1872 204 424) ermittelt. Gibt man auf unverfälschtes Brod einen Tropfen Campecheholztinctur, so entsteht ein strohgelber Fleck; ist jedoch Alaun in dem Brod, so tritt eine dunkelrothe Färbung ein. Dieselbe Methode hat Büchner (Bayerisches Industrie- und Gewerbeblatt, 1872 S. 150) auf Mehl auszudehnen versucht und dabei gefunden, dass, wenn man auf Mehl einen Tropfen einer weingeistigen Auflösung von Campecheholzextract fallen lässt, ein braungelber Fleck entsteht, wenn das Mehl alaunfrei ist. Ist aber dem Mehle Alaunpulver beigemengt, so nimmt der durch diese Tinctur erzeugte Fleck, wenn die Alaunmenge nicht weniger als 1 bis 2 Proc. betragt, eine graulichblaue oder graulichviolette Farbe an. Bei 0,5 Proc. Alaungehalt ist der von der Tinctur bewirkte röthlichgelbe Fleck mit einem graublauen Saume umgeben und auf dem Fleck selbst kann man mittels der Loupe deutlich blaue Punkte erkennen. Auch bei 0,25 Proc. sind diese letzteren noch wahrzunehmen; dagegen ist der graublaue Rand nicht mehr deutlich sichtbar. (Vgl. 1872 204 424.) Am vollkommensten ist diese Methode von Horsley (Chemical News, 1872 Bd. 25 S. 238) ausgebildet. Er fand nämlich, dass Eisen, Kupfer u.a. sich ganz ähnlich wie Alaun zu gewöhnlicher Campecheholztinctur verhalten, jedoch ein abweichendes Verhalten zeigen, wenn gleichzeitig eine gesättigte Lösung von kohlensaurem Ammoniak angewendet wird. Horsley setzt nun zu einem Weinglas voll Wasser einen Theelöffel voll Tinctur (bereitet durch Digeriren von 1 Th. Campecheholz mit 20 Th. Holzgeist) und eben so viel Ammoniakcarbonatlösung. Taucht man in diese blassrothe Mischung alaunhaltiges Brod, zieht es nach 5 Minuten wieder heraus und legt es auf eine Platte zum Trocknen, so nimmt es binnen 1 oder 2 Stunden eine blaue Farbe an; bei Abwesenheit von Alaun hingegen verschwindet die rothe Farbe gänzlich. Wird das Brod beim Trocknen grünlich, so deutet dies auf Kupfer, denn alsdann bewirkt das kohlensaure Ammoniak keine blaue Färbung. Bei Gegenwart von Eisen wird das feuchte, blau gefärbte Brod durch Versetzen mit einigen Tropfen Essigsäure schmutzig weiss, während bei Gegenwart von Alaun rosenrothe oder eine röthlich gelbe Färbung entsteht. Ungefähr denselben für das Aeussere des Brodes vortheilhaften Einfluss wie der Alaun übt das schwefelsaure Kupfer bei der Brodbereitung, und zwar in ganz ausserordentlich schöner Weise, wie Kuhlmann (1831 39 449) ermittelte, wenn ungefähr 1/70000 dem Teig zugesetzt wird. Das grösste Aufgehen bewirkt ein Zusatz von 1/30000 bis 1/15000; aber über dieses Verhältniss hinaus wird das Brod zu feucht und erhält zugleich einen eigenthümlichen, unangenehmen, dem Sauerteig ähnlichen Geschmack. Um solche kleine Mengen von Kupfervitriol zu entdecken, reicht die unmittelbare Reaction mit Ferrocyankalium nicht aus, sondern es muss eine grössere Menge des Brodes eingeäschert und auf geeignete Weise vorbereitet werden. Nach Sarzeau (1832 44 301) treten jedoch erst Symptome der Vergiftung mit Kupfervitriol ein, wenn das Brod 1/5625 von diesem Körper enthält, wie er an sich selbst ausprobirt hat, und hält er demzufolge das Betröpfeln des Brodes mit Ferrocyankaliumlösung für genügend, um eine etwaige Giftigkeit des Brodes festzustellen, da eine sehr deutliche Rothfärbung noch bei einem Zusatz von 1/8700 Kupfervitriol eintritt. Glücklicherweise wird der Gebrauch des Kupfervitrioles in Deutschland keine grosse Bedeutung erlangen können, da bei uns die Weissbrodbäckerei eine untergeordnete Rolle spielt und in überwiegender Weise Roggenbrod consumirt wird, und sind auch in Folge dessen keine Klagen über diese Art der Verfälschung laut geworden. Immerhin kann es zweifelhaft bleiben, ob die bis jetzt genannten Zusätze von Alaun und Kupfervitriol, so lange sie sich in den Grenzen nachgewiesener Unschädlichkeit halten, nicht zu den gewerbegerechten Methoden des Bäckergewerbes gerechnet werden können, grade wie etwa der Zusatz einer geringen Menge Alkohols zu einem nicht zur Ruhe kommenden Wein höchst wahrscheinlich dazu gezählt werden wird. Anders verhält es sich mit den mineralischen Verunreinigungen, welche eine Vermehrung der Masse bezwecken, gleichgültig ob dieselben dem menschlichen Organismus schädlich sind oder nicht, wie Gyps, Schwerspath, Kreide, Thon. Dass der Gyps in England schon sehr früh angewendet wurde und zu Mitteln herausforderte, welche es möglich machten, ihn schnell zu erkennen, geht aus einem Vorschlag hervor, welchen ein Chemiker im J. 1826 im Mechanics' Magazine (vgl. 1826 22 268) macht. Man soll hiernach den Zeigefinger und Daumen in mildes Oel tauchen Und von dem verdächtigen Mehl etwas dazwischen nehmen; ist das Mehl rein, so soll es nicht ankleben, auch wenn man es noch so lange zwischen den Fingern reibt, ist aber Gyps darunter, so wird es bald mörtelartig und fest an den Fingern anhängen. Da nun in letzter Zeit mehrere stark mit Gyps verfälschte Mehle vorlagen, so habe ich diese primitive Methode auch versucht, muss aber gestehen, dass selbst bei einem Gehalt von 12 Proc. Gyps ein wesentlicher Unterschied nicht wahrgenommen werden konnte. Auch die andere Behauptung, dass reines Mehl mit Oel eine dunkle Farbe annimmt, während mit Gyps gemengtes seine Farbe wenig ändert, kann ich nicht bestätigen. Durchaus sachgemäss jedoch Und mit liebenswürdigster Rücksichtnahme auf die Reagentien, welche jeder Hausfrau in ihrer Küche zu Gebote stehen, empfiehlt er, zur Erkennung des kohlensauren Kalkes Citronensaft oder Einmachessig zu wählen. Ein etwaiges Aufbrausen lässt auf die Gegenwart dieses Körpers schliessen. Des Schwerspathes geschieht im folgenden Jahre schon als eines allgemein üblichen Verfälschungsmittels zum Mehl Erwähnung (vgl. 1829 31 78); ganz besonders wird aber geklagt über die zunehmende Beimischung des Mehles mit Pfeifenthon und zur Beschämung der damaligen Polizeibehörden, welche dem Entrüsteten nicht wachsam genug gewesen sein müssen, auf frühere Zeiten hingewiesen, auf das J. 1814, wo 40 Säcke Pfeifenthon, an einen reichen Müller in der Nähe Londons adressirt, von der wachsamen Polizei Plymouth's mit Beschlag belegt wurden. Es muss freilich dahingestellt bleiben, ob diese 40 Säcke Pfeifenthon nicht der Mythe angehören, denn es fehlt in diesem Falle jeder Name, so wie auch Angabe der Strafe. In Betreff der letzteren pflegt man aber in England sehr scharf und eindringlich zu reden, wie aus folgender Thatsache hervorgeht. Im J. 1837 wurden in Hüll 1407 Säcke Mehl als verdächtig mit Beschlag belegt, versiegelt und der Chemiker Clarke (1838 70 158) mit der Untersuchung dieser 1407 Mehlproben betraut. Es stellte sich bei der Untersuchung heraus, dass mehrere Säcke dieses für den Export nach Spanien stimmten Mehles über ein Drittel eines Gemenges von gepulvertem Gyps und Knochen enthielten. Obgleich damals in England das Aufknüpfen für kleine Diebstähle und untergeordnete Verbrechen ganz an der Tagesordnung war, so begnügte man sich, den Eigenthümer dieses „Kunstmehles“ in eine Geldstrafe von ungefähr 200000 M. zu verurtheilen. Die Verfahren, welche der Chemiker zur Feststellung solcher Vermischungen einzuschlagen hat, sind stets dieselben gewesen und werden wohl auch immer dieselben bleiben. Man äschert das verdächtige Mehl ein und prüft nach bekannter Methode auf die genannten Körper, wenn die Menge der Asche überhaupt so erheblich ist, dass eine Verfälschung angenommen werden muss. In den weitaus meisten Fällen ergibt die nach dem Glühen vorgenommene erste Wägung schon die Grundlosigkeit des Verdachtes oder veranlasst die Richtung, welche bei der weiteren Untersuchung einzuschlagen ist. In den letzten Jahren hat man aber geglaubt, dass diese Methode vereinfacht werden müsse, sowohl um dem Chemiker seine Arbeit zu erleichtern, als auch dem Publicum eine leicht ausführbare Methode in die Hand zu geben, mittels welcher es sich leicht über diese gemeine Verfälschung im Mehle ein Urtheil bilden kann. Das specifische Gewicht des Mehles gegenüber dem Gewicht der mineralischen Verunreinigungen wurde in Berücksichtigung gezogen und demzufolge das Mehl mit einer Flüssigkeit zusammengebracht, welche zwischen diesen beiden Gewichten liegt, d.h. einerseits schwerer als Mehl, andererseits aber leichter als die genannten Mineralien ist. Eine solche Flüssigkeit bot sich in dem Chloroform mit 1,48 sp. G., und der heute so viel genannte Erfinder des verdichteten Sauerstoffes und Stickstoffes, Cailletet, damals Apotheker in Charleville, schlug denn auch schon im J. 1858 folgendes Verfahren vor (vgl. 1858 149 468). In eine 15 bis 20cm lange und 3cm weite Proberöhre bringt man 5 bis 10g des verdächtigen Mehles, giesst auf dasselbe so viel Chloroform, dass die Röhre fast voll wird., verschliesst mit einem Korkstöpsel, schüttelt einige Minuten und stellt hin. Nach ½ Stunde sind organische und unorganische Theile geschieden, man decantirt und prüft den Rückstand. Die Gefährlichkeit des Chloroforms und sein hoher Preis veranlassten K W. Kunis (Die Mühle, 1876 S. 209), eine andere Methode ausfindig zu machen. Das zu untersuchende Mehl wird in einen Probircylinder geschüttet, mit Spiritus übergossen und durch einander geschüttelt 5 hierauf setzt man einige Tropfen Jodtinctur (die käufliche der Apotheken) hinzu, in Folge dessen sich die Mischung mehr oder weniger intensiv gelb färbt. Wird diese Mischung mit Wasser verdünnt, so färbt sie sich dunkelviolett. Man tröpfelt nunmehr eine Lösung von Aetznatron hinzu, bis sich die Flüssigkeit entfärbt hat. Jetzt gewahrt man das Mehl in kleineren Flocken in der Flüssigkeit suspendirt, und es würde sich, wenn man letztere der Ruhe überliesse, an den Boden des Cylinders die mineralischen Beimengungen, darüber das Mehl und obenauf die Flüssigkeitssäule dem Auge darstellen. Da aber das Mehl von den mineralischen Stoffen, weil von gleicher Farbe, schwer zu unterscheiden ist, so wird, nachdem die Flüssigkeit durch Aetznatron entfärbt, so lange Schwefelsäure hinzugefügt, bis die ursprüngliche dunkelviolette Farbe wieder vorhanden ist. Nunmehr der Ruhe überlassen, lagern sich am Boden die weissen mineralischen Stoffe, darüber das violett gefärbte Mehl, über dem sich die nahezu entfärbte Flüssigkeitssäule erhebt. Diese Methode sei äusserst einfach; sie erfordere keine complicirten Apparate und sei von einem Jeden ausführbar. Eine weitere Vervollkommnung des in dieser Methode liegenden Principes bringt Nessler (1877 225 99) dadurch in Vorschlag, dass er nicht einen indifferenten Körper, sondern einen solchen wählt, welcher gleichzeitig das Mehl zu lösen im Stande ist. Nach Nessler werden 2g Mehl mit 208 Wasser zu einem dünnen Brei angerührt und nach und nach mit 20cc englischer Schwefelsäure gemischt. Je nachdem die Schwefelsäure rascher oder langsamer zugegossen wird, tritt grösseres oder geringeres Erhitzen der Flüssigkeit ein; in allen Fällen löst sich das reine Mehl vollständig oder doch so weit auf, dass sich kein Satz im Gefäss bildet, während Schwerspath, Gyps und Sand sich am Boden des Gefässes ansammeln und hier leicht erkannt werden. Auch Vohl (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1876 S. 1660) hält eine Vereinfachung der quantitativen Aschenbestimmung bei Mehluntersuchungen dringend geboten und ist der Ansicht, dass man statt dessen die Verpuffung mit reinem schwefelsäurefreiem Kalisalpeter als bequemer und empfehlenswerther bezeichnen könne. Vohl geht dabei von der Voraussetzung aus, dass man mindestens 10 bis 15g Mehl verbrennen müsse und diese Operation in Folge unzulänglicher Platingefässe nur durch mehrmaliges Nachfüllen zu Ende zu führen sei. Auch sei es bei polizeilichen Nachforschungen zuweilen nothwendig, 20 bis 30 Proben binnen wenigen Tagen resp. Stunden zu untersuchen. Es ist nun wirklich nicht einzusehen, weshalb bei Mehl, das sich so leicht in genauer Durchschnittsprobe fassen lässt, mehr als 1g zur Untersuchung nothig sein soll, wenn man auch nur eine Wage hat, welche 1mg gut zieht. Die Verbrennung einer solchen Menge lässt sich jedoch nach vorherigem Trocknen bei 110° in längstens 30 Minuten ausführen, und kann es unmöglich als eine Schwierigkeit bezeichnet werden, auch bei ganz massigen Laboratoriumseinrichtungen mit einigen 30 Untersuchungen in einem Tage fertig zu werden. Ausserdem ist aber der Vortheil, welcher in einer gebundenen Zahl liegt, von ganz anderem Werth, als eine mit Glühprocessen verbundene qualitative Prüfung, welche auch unwesentliche „Mineralverfälschungen mit grosser Sicherheit nachzuweisen“ gestattet und in diesem letzteren Falle eine quantitative Prüfung nicht ausschliesst. Ueberhaupt muss hier betont werden, dass die Verfälschungen mit Gyps, Schwerspath u.a. in Deutschland ungemein selten sind. Hier in Hannover wurden vor 2 Jahren auf Verfügung der Polizeibehörde über 100 Mehluntersuchungen angeordnet; ebenso in Breslau 300 und in Darmstadt 300; in keinem einzigen Mehle fanden sich Mineralische Stoffe. Ebensowenig kann der Kreisverein zu Leipzig von einer solchen Verfälschung aus seiner zweijährigen regen Wirksamkeit berichten. Mir selbst sind nur zwei stark mit Gyps (7,5 und 12,5 Proc.) verfälschte Mehle, beide von demselben Müller, vorgekommen, alle anderen auf dem Untersuchungsamt zu Hannover zur Prüfung gelangten Mehle zeigten sich frei von mineralischen Beimengungen. (Schluss folgt.)