Titel: Ueber Zahnräder; von Professor J. F. Radinger.
Autor: J. F. Radinger
Fundstelle: Band 229, Jahrgang 1878, S. 115
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Ueber Zahnräder; von Professor J. F. Radinger.Mit gef. Genehmigung des Verfassers aus dem S. 385 Bd. 228 näher gewürdigten Bericht: Dampfmaschinen und Transmissionen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. (Wien 1878. Faesy und Frick.) Mit Abbildungen. Radinger, über Zahnräder. Groſse verzahnte Schwungräder sind in Amerika äuſserst selten, indem selbst 500e Dampfmaschinen ihren Effect mittels Riemen entsenden. Ich fand nur drei groſse Dampfmaschinen mit Zahnrädern arbeitend, deren Verhältniſse in folgender Tabelle zusammengestellt sind: Corliſs-Ausstellungs-maschine AsmoskeagMfc. Co. Bay State-Mill. Uebertragener Effect 1400 570         400e Durchmesser 9,05 8,54         6m,22 Umdrehungen in der Minute 36 49         48 Secdl. Umfangsgeschwindigkeit 17,06 21,9         15m,17 Umfangskraft 6155 2070         2000k Zähnemezahl 216 204         192 Theilung 131,6 131         102mm Zahnbreite 609 460         460mm Zahndruck auf 1mm Breite 10,1 4,5         4k,34 Secundlich übertragener Effect    auf 1mm Breite 172 131         102mk. Vergleicht man diese Werthe mit jenen europäischer Räder, so fällt vor Allem die hohe Eingriffsgeschwindigkeit auf. Bei uns ist diese nämlich meist 10 bis 13m in der Secunde, erhebt sich nur in seltenen Fällen bis 15m, und in ganz Europa dürfte es kaum ein Rad mit mehr als 17m Eingriffsgeschwindigkeit geben. Wohl ist hier der Zahndruck auf die Breiten-Einheit gleich oder selbst noch höher als in den amerikanischen Rädern; dies ist aber für die langsamere Geschwindigkeit kein Verdienst. Je geringer die Eingriffsgeschwindigkeit, desto höher kann der Druck auf 1mm Zahnbreite sein, und dieser steigt bei den Wasserradzähnen mit etwa 1m Eingriffsgeschwindigkeit häufig bis 24k; aber der übertragene Effect ist dennoch klein und bei diesen Wasserradzähnen etwa 24mk für 1 Secunde und 1mm Radbreite. Mit der steigenden Geschwindigkeit werden aber die Räder breiter bemessen, der Druck nimmt und zwar nach einem hyperbolischen Gesetze ab, welches ich an groſsen europäischen Rädern im Mittel fand mit: p=\frac{60}{2+v}, wobei p den Zahndruck auf 1mm Radbreite und v die secundliche Eingriffsgeschwindigkeit in Meter bedeuten.Die deutschen Werke lieſsen bislang diesen wichtigen Factor völlig unberücksichtigt. Fairbairn gibt in Mill and Millworks nach Tredgold den gröſsten zulässigen Zahndruck unabhängig von der Eingriffsgeschwindigkeit mit 400 Pfund auf 1 Zoll Breite (7k,1 auf 1mm Breite) an und rechnet sämmtliche Räder danach. In seiner Tabelle stehen aber 9m als maximale Eingriffsgeschwindigkeit. Der Zahndruck sinkt also, aber in einem geringeren Maſse, als die Geschwindigkeit steigt, und der auf die Breiten-Einheit der Räder übertragene secundliche Effect in Kilogramm-Meter nimmt mit höherer Geschwindigkeit, und zwar mit den Ordinaten einer flachen Hyperbel zu, deren Abscissen den Eingriffsgeschwindigkeiten entsprechen. Nun gibt es meines Wissens in Europa keine Räder, welche mehr als 88mk in der Secunde auf 1mm Radbreite übertragen, und diese sind bereits sehr vereinzelte Ausnahmen, während die Mehrzahl unserer verzahnten Schwungräder nur 50 bis 60 solcher Arbeitseinheiten leisten. Vergleicht man nun von diesem Standpunkte die amerikanischen mit den europäischen Zahnrädern, so drängt sich wohl die Frage auf, wie denn dort 130 bis 170mk, d. i. doppelt und mehrmal so viel Arbeit auf 1mm Radbreite und Secunde übertragbar wird. Die Antwort lautet aus Corliſs' Mund: Ausbalancirung von Rad und Kolben vor der Eintheilung. Absolut genaue Eintheilung der Zähne und Lücken. Günstige Zahnform, dauernd drei Theilungen im Eingriff. Absolut gleiche Zahnformen mit der Copie. Zähne mit Maschine gehobelt, daher nur Eisen- in Eisenzähne. Ausbalancirung von Rad und Kolben nach der Herstellung. Im Balanciren wurzelt und gipfelt also die Möglichkeit der exacten Arbeit. Alle Zwischenglieder sind uns wohl schon lange bekannt, aber auch sie werden weil nicht oder nur selten mit amerikanischer Arbeitsgüte durchgeführt, und manches Rad mancher ersten europäischen Fabrik sollte als Muster einer jämmerlichen Stümperei und nicht als ein groſses Zahnrad dienen. So bleibt dann allerdings die „erfahrungsmäſsige“ Beanspruchung klein, und ich kenne manches 10000-Gulden-Rad, welches, ohnedies mäſsigst belastet, dennoch schlecht geht, und manchen solchen Krüppel, welcher, als er brach, durch einen breiteren ersetzt wurde. Also genaueste Arbeit und genaues Balanciren sind unabweisliche Bedingungen eines guten Eingriffes. Letzteres insbesondere unterscheidet das amerikanische vom europäischen Rad, welches unbalancirt läuft. Unter der Umdrehung verzieht es sich, und rechnet man den Einfluſs von je 1k Ueberwucht bei 22m Geschwindigkeit am Umfange eines Rades von 8m,5 Durchmesser, so beträgt dieser nahe an 11k, mit welchen das Rad und das Lager nicht nur verzogen, sondern auch federnd gemacht wird. Die Ueberwucht häuft also die Fehler und verwehrt das Zusammentreffen der richtigen Zahnformen. Dies und das Federn des elastischen Materials bringt eine wechselnde Keilwirkung der Zähne ins Spiel, und wenn dies Alles auch mit dem Auge nicht wahrgenommen wird und bei den abgestellten Rädern nicht nachzuweisen ist, so liegt doch darin oft der Grund eines sonst unerklärlich schlechten Ganges. So viel über die eigentlichen Eingriffsglieder; aber auch der übrige Bau des Rades ist von wesentlichem Einfluſs. Unwandelbare Richtigkeit und Steife des Zusammenbaues sind selbstverständliche Bedingungen. Daher werden von Corliſs keine Anzugkeile und warme Ringe, sondern nur kurze dicke, eingedrehte Bolzenschrauben und Kolben aus einem Stück verwendet. Die Fundamente verlangen dabei mächtige Mauermassen und die Steine erhalten nach den Plänen Corliſs' eine Minimallänge gleich dem Halbmesser des Schwungrades. Und wenn man solche Steine nicht erhält? – Dann erhält man auch von Corliſs keine Garantie. Fig. 1., Bd. 229, S. 116 Fig. 2., Bd. 229, S. 116 Flachkantarme. Eine fernere Eigenthümlichkeit amerikanischer Räder findet sich in der Anwendung unversteifter Flachkantrippen zur Uebertragung des Druckes von der Nabe auf den Zahnkranz und umgekehrt. Diese Construction ist weit verbreitet zu finden und nicht etwa Eigenthümlichkeit einer einzelnen Fabrik. Der Zweck derselben ist offenbar, eine gleichmäſsige Beanspruchung des ganzen Kranzes und sämmtlicher Arme zu gewinnen und so der Ueberlastung eines einzelnen durch seine federnde Nachgiebigkeit vorzubeugen. Ein solches Rad ist das in Fig. 1 und 2 S. 116 skizzirte, ausgeführt von der Wood'schen Fabrik in Philadelphia. Die Zähne sind mit hölzernen Schwalbenschwänzen von rückwärts gehalten, was bei Vorhandensein von völlig ausgetrocknetem Material allerdings besser als die Verwendung von Eisenstiften zu diesem Zwecke ist.