Titel: Polarisationsapparat von Schmidt und Haensch in Berlin.
Fundstelle: Band 232, Jahrgang 1879, S. 135
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Polarisationsapparat von Schmidt und Haensch in Berlin. Mit Abbildungen. Schmidt und Haensch's Polarisationsapparat. Textabbildung Bd. 232, S. 135 Das Gestell des nachstehend abgebildeten Polarisationsapparates gleicht ganz demjenigen des bekannten einfachen Mitscherlich'schen Instrumentes, hat aber zunächst hinter dem Nicol, welches dem Auge zugekehrt ist, dem Analysator, ein kleines Fernrohr und hinter dem zweiten, der Flamme zugekehrten Nicol, dem Polarisator, eine Bergkrystallplatte von bestimmter Wellenlänge. Auf diese Platte, welche zur Hälfte den Polarisator bedeckt, ist das kleine Fernrohr eingestellt. Textabbildung Bd. 232, S. 136Der Analysator ist fest mit dem Zeiger (der Alhidade) vor der getheilten Kreisscheibe verbunden und entspricht demnach die Drehung der Alhidade nach rechts oder links genau der Drehung des Analysators. Bei dem alten Mitscherlich ist die Alhidade mit einem einfachen Indexstrich versehen, welcher bei Nulleinstellung des Analysators genau mit dem Nullpunkt der Kreisscheibe zusammenfällt, und begnügte man sich bei Polarisationsanalysen die Bruchtheile der Ablenkungsgrade nach dem Augenmaſs zu schätzen. Dieser eine weit höhere Sicherheit und Genauigkeit der Beobachtung gestattende Halbschattenapparat dagegen trägt an der Alhidade rechts und links vom Indextrich einen Noniusmaſsstab (mit 10 Theilstrichen = 9 Gradstrichen der Kreisscheibe) und ermöglicht dadurch die directe Ablesung von Zehntelgraden und Schätzung von Zwanzigstelgraden. In beistehender Figur z.B. erreicht der Nullstrich des Nonius nicht ganz den 3. Gradstrich der Kreisscheibe nach rechts und der achte Noniusstrich erst fällt mit einem Gradstrich zusammen; die Alhidade weist also auf + 2,8°. Textabbildung Bd. 232, S. 136Als Lichtquelle für den Halbschatten-Mitscherlich dient ausschlieſslich eine Natriumflamme; man erzeugt sie dadurch, daſs man in der nicht leuchtenden Flamme einer Bunsen-Gaslampe oder einer passenden Spirituslampe auf einem eigens gelieferten Platinkörbchen etwas Chlornatrium, am liebsten Seesalz, weil dieses nicht verknistert, zum lebhaften Glühen bringt, und stellt das Instrument auf den hellsten Theil der gelben Flamme ein, so daſs nach entsprechender Bewegung des Fernrohres die Trennungslinie zwischen Polarisator und Bergkrystallplatte möglichst scharf und deutlich hervortritt. Da die Helligkeit der Natriumflamme im Vergleich mit vollem Tageslicht eine schwache ist, arbeitet man in einem mäſsig hellen Zimmer etwas abseits vom Fenster. Dreht man nun den Analysator 3 bis 4 Grad vom Nullpunkt nach rechts, so erscheint die eine Hälfte des Gesichtsfeldes heller, die andere dunkler; die umgekehrte Erscheinung beobachtet man beim entsprechenden Linksdrehen. Der Punkt, wo beide Hälften gleich stark beleuchtet erscheinen, ist der Nullpunkt des Instrumentes und der Ausgangspunkt und Endpunkt jeder analytischen Beobachtung. Die zu analysirenden Lösungen müssen vor Allem klar, bezieh. geklärt, so weit möglich auch recht hell von Farbe sein. Zu ihrer Aufnahme dient die beigegebene „Beobachtungsröhre“, deren absolute Reinheit und Sauberkeit, bezüglich Durchsichtigkeit der End- oder Deckgläser, als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Nachdem das gefüllte – von Luftblasen freie – Beobachtungsrohr eingelegt ist, stellt man zunächst wieder das Fernrohr auf die gröſste Deutlichkeit der Trennungslinie ein. Enthält die Lösung einen polarisirenden Körper, so erscheinen die beiden Hälften des Gesichtsfeldes der Nulleinstellung verschieden hell; die Gröſse der Ablenkung erfährt man dadurch, daſs man durch Drehen des Analysators die Gleichheit der Helligkeit wieder herstellt und dann die Gradzahl abliest, rechts oder links vom Nullpunkt, wo eben die Gleichheit am nächsten erreicht wird. (Vgl. Laurent * 1877 223 608.) Dem Apparat sind zwei Beobachtungsröhren beigegeben, eine längere von 198mm,4 und eine kürzere von 99mm,2 Rohrlänge; die letztere wird nur für dunkel gefärbte Lösungen benutzt und muſs ihr Polarisationseffect mit 2 multiplicirt werden, um mit der längeren Röhre gleichen Werth zu geben. Die Länge der normalen, 198mm,4 langen Beobachtungsröhre ist nach Wild so gewählt, daſs jeder Grad der Polarisation genau einem Gramm Traubenzucker in 100cc der analysirten Flüssigkeit entspricht. Bei Bestimmung von Rohrzucker muſs demnach eine Reduction auf ¾ des Effectes stattfinden, entsprechend dem umgekehrten Verhältniſs des Rotationsvermögens beider Zuckerarten, Trauben- und Rohrzucker. Beide genannten Zuckerarten polarisiren nach rechts; dem entgegengesetzt muſs man bei Eiweiſslösungen nach links drehen, um die Helligkeitsgleichheit der Gesichtsfeldhälften wieder herzustellen, und zwar 1° für je 1 Proc. Traubenzucker und Eiweiſs drehen also gleich stark, nur in entgegengesetzter Richtung.