Titel: Gerb- und Farbmaterialien; von Dr. Josef Moeller.
Autor: Josef Moeller
Fundstelle: Band 232, Jahrgang 1879, S. 373
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Gerb- und Farbmaterialien; von Dr. Josef Moeller. (Fortsetzung des Berichtes S. 275 dieses Bandes.) Moeller, über Gerb- und Farbmaterialien. Die Curtidor-Rinde ist eine auſserordentlich gerbstoffreiche (24 Proc. enthaltende) Rinde, die schon in Philadelphia Aufmerksamkeit erregt hat. Sie ist fast 1cm dick, rothbraun, auſsen von einer glatten, dünnen, ockergelben Korkschicht bedeckt, innen grobstreifig. Die Bruchflächen sind grobsplittrig und schon mit unbewaffnetem Auge sieht man an ihnen feine, gelbe, seidenglänzende, spieſsige Elemente hervorragen, offenbar dieselben, welche dem Querschnitte ein glänzend punktirtes Aussehen verleihen. Die Mittelrinde ist durch die flach eindringende Borke gänzlich abgeworfen; die Drogue besteht blos aus der Innenrinde, bedeckt von einer einzigen Korkschicht. Bei schwacher Vergröſserung sieht man am Querschnitte in einem unregelmäſsig dünnwandigen Grundgewebe ungewöhnlich groſse, isolirt stehende, durch ihre helle Farbe und durch regellose Gestalt, so daſs eines nicht dem anderen gleicht, hervorstechende sclerenchymatische Elemente. Sie sind bis zum Schwinden des Lumens verdickt, ungeschichtet, scheinbar frei von Porenkanälen und von eigenthümlich barocker Gestalt. Die Länge dieser knorrigen Spindeln, welche als Bastfasern zu bezeichnen sind, schwankt bis zu 3mm. Bei stärkerer Vergröſserung sieht man deutlich eine vom Lumen ausstrahlende zarte Streifung, welche an Längsschnitten, wo sie als Punkte erscheinen, als auſserordentlich feine Porenkanäle erkannt werden.Vgl. die Abbildungen in Pringsheim's Jahrbuch für wissenschaftliche Botanik, 1879. Das Füllgewebe zwischen den meist zweireihigen Markstrahlen besteht aus weiträumigen (0mm,045), achsial gestreckten Parenchymzellen mit groſsen Poren, die durch breite. Intercellularsubstanz von einander getrennt sind. Durch Kalilauge und schwefelsaures Anilin werden die Bastfasern gelb gefärbt. Eisenchlorid färbt alle Zellmembranen mit Ausschluſs der sclerenchymatischen dunkelgrün, fast schwarz. Es ist kaum zweifelhaft, daſs diese neuerlich als Gerbmaterial eingeführte Rinde identisch ist mit der „Chinarinde von Trujillo“, sowie der als Cortex peruvianus und als Huanuco-China und als Beimengung der Carthagena-China hier und da vorkommenden Verfälschung. (Vgl. A. Vogl: Beiträge zur Kenntniſs der sogenannten falschen Chinarinden, in der Festschrift der k. k. geologisch botanischen Gesellschaft in Wien, 1876.) Unter dem Namen „Curtidor“ war auch in Paris eine Rinde von Venezuela ausgestellt und von Weinmannia glabraIn der systematischen Literatur kennt man Weinmannia glabra Lin. aus Martinique, St. Cruc und S. Salvador und Weinmannia glabra Lam. oder W. tinctoria Sm. auf Bourbon. abgeleitet, deren Aussehen es schon unwahrscheinlich machte, daſs sie mit der vorigen identisch sei. Die Rinde ist 4mm dick, braunroth, auſsen ein feinrissiger grauer Kork, innen fein parallelstreifig. Der Bruch ist sehr grobsplittrig, die Querschnittsfläche undeutlich gefeldert. Eine etwa 0mm,5 dicke Lage von kleinzelligem Plattenkork bedeckt die Mittelrinde, Borkebildung hat noch nicht stattgefunden. Die Mittelrinde besteht aus dem gewöhnlichen dünnwandigen, tangential gestreckten Parenchym, in welchem ansehnliche Gruppen von Steinzellen unregelmäſsig zerstreut sind. Die Steinzellen sind rundlich, rechteckig, vorwaltend tangential gestreckt, von sehr verschiedener Gröſse (bis 0mm,15) und ansehnlicher Verdickung (0mm,025). Bemerkenswerth an ihnen sind die ungewöhnlich breiten Porenkanäle. An der Grenze der Innenrinde gesellen sich zu den Steinzellengruppen vereinzelte oder Bändel von Bastfasern. Der Bau der Innenrinde ist nicht sofort klar zu ersehen wegen der Markstrahlen, welche nicht deutlich hervortreten. Sie sind immer einreihig und bestehen aus fast quadratischen, stark verdickten und reich porösen Zellen, wie viele andere querdurchschnittene Parenchymzellen des Grundgewebes. In dieser Gestalt sind die Markstrahlen nur auf kurze Strecken zu verfolgen; alsbald werden sie von den auf beiden Seiten heranrückenden sclerenchymatischen Elementen zusammengedrückt, oder von ihrem Verlaufe abgelenkt, und in diesem Falle ist es mitunter unmöglich, sie von den derbwandigen Parenchymzellen am Querschnitte zu unterscheiden. Auch die Elemente des Gefäſsbündels zeigen eine wenig regelmäſsige Anordnung. Es ist wohl eine tangentiale Schichtung der dünnwandigen und der sclerenchymatischen Elemente unzweifelhaft vorhanden und an manchen Stellen tritt sie auch deutlich genug zur Anschauung* aber an vielen anderen Stellen wird diese Bänderung durch die vielen dazwischen gelagerten kleinen Gruppen von Bastfasern bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Die Bastfasern haben meist eine sehr bedeutende Länge, sind glattwandig und endigen stumpf. Ihre Breite schwankt zwischen 0,03 und 0mm,04. Die Verdickung läſst nur einen engen Kanal als Lumen frei, von dem spärliche, unverzweigte Porenkanäle ausgehen. Ihr Querschnitt ist rundlich, oval oder polygonal abgeplattet, wo sie in gröſseren Gruppen vereinigt sind. Auſser der gewöhnlichen Schichtung ist auch die Primärmembran als verhältniſsmäſsig breiter Saum schon ohne Reagens sichtbar. Den Bastfasern sind derbwandige Krystallkammerfasern angelagert. Der gröſste Theil der dünnwandigen Elemente der Innenrinde besteht aus Siebröhren, deren Wände dicht mit rundlichen Siebplatten bedeckt sind. Neben den oben erörterten, den Steinzellen sich nähernden Parenchymzellen kommen auch solche mit dünnen Membranen vor. Sie dürften sich quantitativ die Wage halten. In dem rothbraunen wässerigen Auszug der Rinde entsteht auf Zusatz von Eisenchlorid ein reichlicher braungrüner Niederschlag. Das alkoholische Extract ist beinahe farblos und wird durch Eisenchlorid nicht getrübt. Die Untersuchung des anatomischen Baues zerstreut jedes Bedenken darüber, daſs die beiden unter gleichem NamenCurtidor bedeutet nach Ernst (Katalog von Venezuela für die Weltausstellung in Wien 1873) „Gerber“. vorkommenden Rinden verschiedener Abstammung sind. Die letztere enthält nach W. Eitner 10,73 Proc. Gerbstoff; ihre Unterscheidung von der ersteren, ungleich gehaltvolleren Rinde ist demnach für die Praxis höchst bedeutsam.