Titel: Beitrag zur praktischen Berechnungsweise der Riemenbreiten im Riemenbetriebe; von Th. Schwartze, Civilingenieur in Leipzig.
Autor: Th. Schwartze
Fundstelle: Band 232, Jahrgang 1879, S. 404
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Beitrag zur praktischen Berechnungsweise der Riemenbreiten im Riemenbetriebe; von Th. Schwartze, Civilingenieur in Leipzig. Schwartze, zur praktischen Berechnungsweise der Riemenbreiten. Indem ich mich an der Besprechung dieses jetzt mit vielem Interesse behandelten Gegenstandes betheilige, knüpfe ich an eine Abhandlung an, welche im Januar 1878 im Journal of the Franklin Institute unter dem Titel erschien: „Transmission of force by belts and pulleys, by Robert Briggs, accompanied by experiments of Henry R. Towne“, um schlieſslich eine daraus von mir abgeleitete, für den praktischen Gebrauch handlich gemachte und vielfach an praktischen Beispielen mit Erfolg probirte Formel den Fachgenossen zur Prüfung und zur Benutzung vorzulegen. Briggs zeigt zuerst in sehr anschaulicher Weise, wie man zu dem bekannten Ausdrucke für das Spannungsverhältniſs der führenden und geführten Strecke des arbeitenden Riemen gelangt und setzt: \frac{T_1}{T_2}=e^{f\,\frac{l}{r}}, . . . . . . . . . . (1) worin e die Basis der natürlichen Logarithmen, r den Rollenhalbmesser, f den Reibungscoefficienten und l die lineare Länge des Umspannungsbogens bedeuten. Indem er für l den Ausdruck a\,\frac{2\,r\pi}{360} einführt und die gemeinen Logarithmen benutzt, gelangt er zu dem Ausdrucke: \frac{T_1}{T_2}=10^{0,00758\,fa}, woraus folgt: f=\frac{log\left(\frac{T_1}{T_2}\right)}{0,00758\,a} . . . . . . . . . . (2) Da nun die wirksame Zugkraft des Riemens oder die von demselben zu überwindende Umfangskraft der Getriebsrolle (im Gegensätze zur Treibrolle) für die Breiteneinheit: P=T_1-T_2 ist, so erhält man durch Einsetzung des Werthes T_2=T_1-P schlieſslich die Formel: P=T_1\,(1-10^{-0,00758\,fa}) . . . . . . . . . . (3) Aus Gleichung (2) kann man für irgend einen gegebenen Werth des Spannungsverhältnisses \frac{T_1}{T_2} den Reibungscoefficienten bestimmen, wenn durch Versuche die gröſste Spannungsdifferenz festgestellt wird, welche ohne Gleiten des Riemens bei einem gegebenen Umspannungsbogen (gemessen durch a in Graden) vorkommen kann. Briggs weist hier auf den wichtigen Umstand hin, welcher – wie er meint – den Schlüssel zu dem ganzen Krafttransmissionssystem durch Riemen abgibt, daſs in der Praxis alle Riemen mit dem Maximalcoefficienten der Reibung arbeiten. Ein Riemen kann, wenn er neu ist oder erst frisch gespannt wurde, unter starkem Zuge und mit einem kleinen Reibungscoefficienten in Wirksamkeit treten; aber im Verlaufe der Zeit wird er schlaff und man spannt ihn nicht eher wieder, als bis die Anstrengung, die er bei Erfüllung seiner Aufgabe zu verrichten hat, gröſser ist als der Werth des Reibungscoefficienten bei einer gegebenen Riemenspannung, wo dann der Riemen zu gleiten beginnt. Man läſst aber in der Praxis die Riemen so schlaff als möglich laufen, so lange sie nicht gleiten. Durch Towne's Versuche ist erwiesen, daſs der Werth des Verhältnisses im Maximum \frac{T_1}{T_2}=3,7764 gesetzt werden kann, wenn man Temperatur und Feuchtigkeit berücksichtigt, woraus folgt: f=\frac{log\ 3,7764}{1,3644}=0,42292. Die Versuche zeigen ferner, daſs 200 Pfund für 1 Zoll engl. (35k,7 für 1cm) als Maximalbelastung zum Zerreiſsen des Riemens an der schwächsten Stelle (wo die Nahtlöcher sind) zu setzen ist. Nimmt man ⅓ dieses Werthes für die wirksame Spannung des Riemens, so erhält man T1 = 66⅔ Pfund auf 1 Zoll engl. Riemenbreite (etwa 12k für 1cm). Der gröſste Umspannungsbogen, der bei einem offenen Riemen ohne Spannrolle zu erreichen, ist 180°; bei gekreuzten Riemen kann man aber bis 270° annehmen. Die folgende Tabelle gibt die wirksamen Zugkräfte in Kilogramm für 1cm Riemenbreite bei 4mm dicken Riemen für verschiedene Umspannungsbogen in der Umrechnung nach Towne's Versuchen: Tabelle I. Umspannungs-  bogen 90 100 110 120 135 150 180 210 240 270 300° Umspannungs-  kraft p für 1cm 5,75 6,21 6,60 6,97 7,49 7,95 8,72 9,35 9,85 10,25 11k,50. Hat der Riemen b Centimeter Breite, so ist natürlich die von ihm auf den Rollenumfang zu übertragende Zugkraft gleich bp, und bezeichnet man den Rollendurchmesser mit D (Meter), die Umdrehungszahl in der Minute mit n, die Anzahl der zu übertragenden Pferdestärken mit N, so gilt die Gleichung: N=\frac{D\pi n\times bp}{60\times 75}, woraus folgt: b=\frac{1432\,N}{Dnp}\mbox{ Centimeter} . . . . . . . . . . (4) Für die praktische Benutzung dieser Gleichung ist es zweckmäſsig, die Werthe von p anstatt vom Umspannungsbogen von dem Abstand der Rollenmitten und von den Rollendurchmessern abhängig zu machen. Setzt man die Distanz der Rollenmitten = a, den Durchmesser der gröſseren Rolle = D1, den der kleineren Rolle = D und den Centriwinkel des Umspannungsbogens = α, so findet man durch eine einfache geometrische Untersuchung: für offene Riemen cos\ \frac{\alpha}{2}=\frac{D_1-D}{2\,a}, für gekreuzte cos\ \frac{\alpha}{2}=\frac{D_1+D}{2\,a}. Für offene Riemen wird cos\ \frac{\alpha}{2} für D_1=D Null, d.h. der Umspannungsbogen beträgt in diesem Falle 180°. Nur durch Anwendung einer Spannungsrolle läſst sich bei offenem Riemen ein gröſserer Umspannungsbogen erhalten. Bei Anwendung eines gekreuzten Riemens kann die Gröſse des Umspannungsbogens bis auf 300° steigen. Die folgende Tabelle ist aus der vorhergehenden gebildet, indem an die Stelle der Umspannungsbogen die entsprechenden Werthe von \frac{D_1-D}{2\,a} eingesetzt sind: Tabelle II. \frac{D_1-D}{2\,a} 0,71 0,64 0,57 0,50 0,40 0,26 0 –0,2 –0,5 –0,71 –0,87 Zugkraft p  für 1cm 5,75 6,21 6,60 6,97 7,49 7,95 8,72 9,35 9,85 10,25 11k,50. Für die praktische Rechnung dürfte es ferner noch zweckmäſsig sein, für die Zugkraft p für 1cm Breite bei 4mm Dicke des Riemens, also für je 40qmm Querschnitt, die Zugkraft q für je 1qmm Querschnitt einzuführen und die Riemenbreite b in Millimeter auszudrücken. Zu dem Zwecke sind die Werthe von p in der letzten Tabelle durch 40 zu dividiren und man erhält folgende Zahlen: Tabelle III. \frac{D_1-D}{2\,a} 0,71 0,64 0,57 0,50 0,40 0,26 0 –0,20 –0,50 –0,71 –0,87 Zugkraft q  für 1qmm 0,144 0,130 0,165 0,174 0,187 0,199 0,218 0,234 0,246 0,256 0k,288 Diese Werthe von q sind alsdann in der Gleichung: b=\frac{1432\,N}{Dnqs}\mbox{ Millimeter} . . . . . . . . . . (5) einzusetzen, wobei b die Riemenbreite und s die Riemendicke in Millimeter bedeuten. – Wir gehen nun zur Berechnung einiger Beispiele über. In der Abhandlung „Theorie des Riemenbetriebes“ von Professor Gustav Schmidt (1879 231 406) ist angeführt, daſs nach Director Schlink's Angabe für ein Bandeisen walz werk die Betriebskraft von 164e, wofür jedoch richtiger wohl nur 150e anzunehmen sind, bei 100 Umdrehungen durch ein Schwungrad von 4m,7 Durchmesser mittels eines 47cm breiten Riemens auf die Rolle von 1m,88 Durchmesser übertragen worden ist. Es fehlen hier leider die Angaben über Rollendistanz bezieh. Umspannungsbogen und Riemendicke, wie dies bei den meisten solcher Angaben der Fall ist. Nehmen wir a = 7m und die Riemendicke zu 4mm an, so können wir die Gleichung (4) und die Tabelle II benutzen. Es ist dann \frac{D_1-D}{2\,a}=0,21, so daſs Tabelle II für p den Werth von etwa 8k ergibt und daher ist: b=\frac{1432\times 150}{100\times 4,7\times 8}=57^{cm}, während oben b=47^{cm} gesetzt ist; vielleicht war aber der benutzte Riemen anstatt 4mm, wie wir angenommen haben, 5mm dick, dann erhält man nach Gleichung (5): b=\frac{1432\,N}{Dnqs}=457^{mm}. In derselben Abhandlung kommt noch das folgende Beispiel vor. Es werden 2e von einer Welle mit n=30 Umdrehungen auf eine solche mit n_1=12 Umdrehungen übertragen. Die Rollendurchmesser werden mit D=0^m,8 und D_1=2^m gewählt. Auch hier fehlen Angaben über Rollenabstand und Riemendicke. Bei einer angenommenen Distanz a=5^m ist der Werth \frac{D_1-D}{2\,a}=0,12, so daſs wir nach Tabelle II für p den Werth von etwa 8,5 setzen können. Benutzen wir zur Berechnung von b die Gleichung (4), so ergibt sich: b=\frac{1432\times 2}{0,8\times 30\times 8,5}=14^{cm}. Nehmen wir aber an, daſs der Riemen anstatt 4 nur 3mm Dicke hat, so ist die nöthige Riemenbreite 4/3 × 14 oder rund 19cm. Hat die Distanz der beiden Rollenmitten aber nur etwa 3m betragen, so ist der Werth für \frac{D_1-D}{2\,a}=0,2 und daher nach Tabelle II für p der Werth von etwa 8k zu wählen, wofür die Gleichung (4) ergibt: b=\frac{1432\times 2}{0,8\times 30\times 8}=15^{cm}, und nimmt man anstatt 4mm wieder nur 3mm Dicke an, so ist: b=4/3\times 15 = 20^{cm}. Nach Professor Schmidt's Formel (1879 231 550), worin D in Centimeter, b=\lambda\,\left(\frac{1400}{D}\right)^2\frac{N}{n} . . . . . . . . . . (6) folgt: b=0,865\,\left(\frac{1400}{80}\right)^2\times \frac{2}{30}=20^{cm}. Ich unterlasse hier die Controle meiner Gleichung durch Berechnung weiterer Beispiele, kann aber versichern, daſs ich eine sehr gute Uebereinstimmung der mit derselben berechneten Riemenbreiten bei verschiedenen bestehenden Riementransmissionen gefunden habe.Der charakteristische Unterschied der vielfach befürworteten Methode, die Gröſsen p oder q in Rechnung zu stellen, ohne den Luftdruck zu berücksichtigen – also der Unterschied der Gleichung (4) gegen Gleichung (6) – zeigt sich in folgender vergleichender Zusammenstellung:SeiN=222D1=3,21,60m,8D=1,60,80m,4n1=81632n=163264α=842mso folgt:\frac{D_1-D}{a}=0,10,10,1p=8,48,48k,4λ=0,8540,8540k,854nach (4)b=13,313,313cm,3nach (6)b=8,216,432cm,7Nur wenn der kleinere Rollendurchmesser gerade 1m beträgt, geben die Formeln (4) und (6) immer nahe dasselbe Resultat. Ich empfehle Gleichung (6).Gustav Schmidt. Mit Bezug auf sehr groſse Geschwindigkeiten, wie solche an gewissen Arbeitsmaschinen, insbesondere an Holzbearbeitungsmaschinen vorkommen, ist wahrscheinlicherweise auch die Centrifugalkraft von bedeutendem Einfluſs auf die Vermehrung der Riemenspannung, so daſs man in diesem Falle für p einen sehr niedrigen Werth zu setzen hat. Um darüber Gewiſsheit zu erlangen, berechnete ich für eine gröſsere Zahl von Holzbearbeitungsmaschinen nach den mir von der Sächsischen Stickmaschinenfabrik zu Kappel bei Chemnitz zugegangenen Unterlagen die Riemenspannungen und fand meine Ansicht bestätigt. Ich bin der Meinung, daſs eine brauchbare Berechnungsweise des Riemenbetriebes sich nur auf empirischem Wege erreichen läſst, indem es kaum möglich sein dürfte, alle hier in Frage kommenden Bedingungen in eine bequeme, allgemein giltige Formel zubringen. Die bis jetzt auf theoretischem Wege construirten Formeln ergeben doch nur innerhalb enger Grenzen praktisch brauchbare Werthe. Benutzt man als Kriterium den bekannten Quotienten \frac{N}{Dn}, worin N die Pferdestärkezahl, D der Rollendurchmesser in Meter und n die minutliche Umdrehungszahl ist, so ergibt sich aus den mir vorliegenden Angaben der Betriebskräfte, Rollendurchmessern, Rollenbreiten und Umdrehungszahlen einer groſsen Zahl sehr verschiedenartiger Holzbearbeitungsmaschinen, sowie auch einiger Dampfmaschinen folgendes: Ist \frac{N}{Dn} < 1/300, so ist p=0^k,5. Liegt \frac{N}{Dn} zwischen 1/250 bis 1/100, so ist p =   1k 1/80 1/60 p =   2 1/50 1/30 p =   3 1/25 1/20 p =   4 1/15 1/10 p =   6 1/6 ¼ p =   8 ½ 1 p = 10 Diese Werthe sind in Gleichung (4) einzusetzen. – Die Ausführung von Beispielen muſs ich leider unterlassen, um nicht zu groſsen Raum in Anspruch zu nehmen.