Titel: Einführung der Salpetersäure in die Bleikammern mittels Dampf; von Max Liebig.
Autor: Max Liebig
Fundstelle: Band 233, Jahrgang 1879, S. 61
Download: XML
Einführung der Salpetersäure in die Bleikammern mittels Dampf; von Max Liebig. Mit einer Abbildung. Liebig's Injector zur Einführung der Salpetersäure in die Bleikammern. In der Januarsitzung des Bezirks Vereines an der Lenne des Vereines deutscher Ingenieure (vgl. Wochenschrift, 1879 Nr. 12) berichtete ich über einen Apparat, mittels welchen der oben angedeutete Zweck erreicht wird. Seit mehreren Jahren bereits verfolgte ich diese Idee – nicht erst angeregt durch Burnard's Salpetereinspritzung (vgl. 1877 224 558) – aber erst Mitte vorigen Jahres fand ich einen Apparat, der gegen die Kammergase und gegen Salpetersäure widerstandsfähig genug war, um in der Praxis dauernd Verwendung finden zu können. Seitdem hat der Apparat noch wesentliche Verbesserungen erfahren. Die nachstehend beschriebene und aus der beifolgenden Abbildung in etwa 1/7 n. Gr. ersichtliche Form desselben genügt allen Anforderungen des Betriebes; in der hiesigen Schwefelsäurefabrik des Märkisch-Westfälischen Bergwerksvereines (Rohmaterial ist Zinkblende) z.B. hat derselbe sich durchaus bewährt. Der eigentliche Injector besteht aus einem Dampfrohr von Blei mit Platinmundstück d (Platin, um die Ausströmungsöffnung von beiläufig 4 bis 5mm Durchmesser dauernd zu erhalten) und einem unter diesem angebrachten Glasrohre von etwa 5mm Durchmesser. Letzeres ist vorn aufgebogen und endet in einer feinen Spitze genau vor der Mitte der Dampfausströmungsöffnung. Durch Ueberkleidung des Glasrohres mit Blei wird daſselbe fest mit dem Dampfrohre verbunden. Damit sich das Glasrohr in der Bleiumhüllung nicht bewegen kann, wird daſselbe vor der Flamme an einer Stelle etwas platt gedrückt. Dieser Injector wird 5 bis 10cm tief durch einen an der Kopfwand der Hauptbleikammer befindlichen kurzen Rohrstutzen in das Innere derselben eingeführt. Das aus der Bleiwand hervorragende Dampfrohr ist nach oben aufgebogen und an der Dampfleitung nach Einschaltung eines kleinen Ventiles mittels Flansche befestigt. Das Glasrohr ragt, ein wenig nach unten gebogen, etwa 30cm aus der Bleiwand hervor. Mittels eines etwa 3cm langen Gummiröhrchens ist daſselbe mit dem Zufluſsregulator in der aus der Abbildung ersichtlichen Weise verbunden. Dieser Apparat, welcher den Zufluſs der Salpetersäure zu reguliren ermöglicht, ist auf ein Bretchen r eingelassen und befestigt, um denselben vor Bruch zu schützen. Das Rohrende m ist so weit, daſs es leicht über das Glasrohr des Injectors geschoben werden kann, so daſs letzteres 10cm in das erstere hineinragt. Die Dichtung erfolgt, wie bereits erwähnt, durch ein Stückchen Gummirohr, welches lange haltbar bleibt, da es in Folge des Ineinanderschiebens der Glasrohre durch eine Luftschicht von der Salpetersäure getrennt bleibt. Das Rohr n, welches mit dem Glashahn h versehen ist, ragt einige Centimeter in den erweiterten Glaskörper hinein und endet dort in einer Spitze mit einer etwa 2mm Durchmesser haltenden Ausfluſsöffnung. Diese Weite genügt, um die gröſste Menge Salpetersäure zu liefern, welche der Betrieb erfordert. Ueber das Rohrende n endlich wird ein etwas weiteres Rohr geschoben, welches in die Säureflasche oder besser in ein zweihalsiges groſses Thongefäſs hineinragt, welches als Salpetersäurebehälter dient. Die Dichtung wird hier in derselben Weise erreicht wie bei dem Rohre m. Textabbildung Bd. 233, S. 62 Sobald das Dampfventil geöffnet ist, wird die Luft durch die saugende Wirkung des Dampfstrahles in dem Apparate verdünnt, die Säure daher bei Oeffnung das Glashahnes angesaugt. Die durch die unter dem Hahn befindliche Spitze in den U-förmigen Apparat einflieſsende Säure füllt bald den Schenkel m bis zum eingefügten Saugrohre des Injectors, welches dieselbe dann weiter führt. In dem andern Schenkel bleibt verdünnte Luft eingeschlossen, so daſs der aus der Spitze ausflieſsende Strahl stets sichtbar bleibt und zur Schätzung der zuflieſsenden Säuremenge dient. Der Hahn ist am Schlüssel mit einem langen auf einem getheilten Kreisbogen laufenden Zeiger versehen, so daſs die feinste Einstellung des Hahnes ermöglicht ist. Die Niveaudifferenzen im Salpetersäurebehälter üben auf den Zufluſs der Säure wenig oder gar keinen Einfluſs aus, da die saugende Kraft des Apparates in allen Fällen mehr Säure zu heben vermag, als die Durchgangsöffnung des Hahnes dem Betriebserforderniſs entsprechend zu liefern hat. Die Salpetersäure wird in staubartiger Form unmittelbar unter oder neben dem Eintritt der Röstgase direct in die Hauptkammer eingeführt und augenblicklich in die innigste Berührung mit den Gasen gebracht und zwar, was wesentlich ist, gleichzeitig unter Zuführung des nöthigen Wasserdampfes. Der Erfolg ist ein überraschender, was sich namentlich bei Inbetriebsetzung eines Kammersystemes geltend macht. In wenigen Stunden ist der Betrieb, falls es nicht an schwefliger Säure mangelte, in regelmäſsigstem Gange. Die Vorkammern und Cascaden werden entbehrlich. Nitrose Bodensäure zeigt sich in der Hauptkammer nur noch bei groſser Unachtsamkeit des Aufsehers, obgleich die Salpetersäure direct in die Hauptkammer eingeführt wird.Den Injector kann sich Jedermann, der sich etwas auf Bleilöthen versteht, mit Leichtigkeit herstellen. Den Regulator liefert Franz Müller, Dr. H. Geissler's Nachfolger in Bonn.Ich will nicht unterlassen, schlieſslich anzuführen, daſs ein Injector ganz aus Platin angefertigt nur kurze Zeit der rohen Salpetersäure widerstand, weshalb ich wieder zu dem Glasrohre griff, welches ich zwar zuerst schon angewendet, aber wieder verworfen hatte, weil ich es früher nicht unbeweglich mit dem Bleirohre zu verbinden wuſste. Erst als Platin den Dienst versagte, fand ich das richtige und einfache Mittel. Letmathe (Westfalen), Mai 1879.