Titel: Ueber das Reifen der Früchte.
Fundstelle: Band 233, Jahrgang 1879, S. 168
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Ueber das Reifen der Früchte. Mach, über das Reifen der Früchte. Den umfassenden, in den Annalen der Oenologie, 1879 S. 46 veröffentlichten Untersuchungen von F. Mach über die Vorgänge beim Reifen und sogenannten Nachreifen der Früchte entnehmen wir folgende Schluſsfolgerungen: A) Reife der Fruchte. 1) Das absolute Gewicht nimmt bei der Reife von Aepfeln und Birnen fortwährend zu, bei den Aepfeln anfangs schneller als bei den Birnen, während bei den Trauben nach Eintritt der Färbung und des Weichwerdens der Beeren ein gewisser Stillstand, mindestens eine langsamere Gewichtszunahme stattfindet. 2) Der Trockensubstanzgehalt ist bei den Aepfeln anfangs am gröſsten und sinkt dann ununterbrochen, während er bei den Birnen anfangs steigt, ein gewisses Maximum erreicht, was sich durch ein Steinigwerden der Früchte charakterisirt und dann wieder bis zu Ende fällt. Der in Wasser unlösliche Rückstand (zum gröſsten Theile Rohfaser) steigt und sinkt analog der Trockensubstanz im Ganzen. Gegen Ende der Reife nimmt er nicht blos relativ, sondern auch absolut ab. Der Wassergehalt der Blätter ist anfangs am gröſsten und sinkt später bedeutend herab. 3) Der Aschengehalt sinkt bei Birnen und Aepfeln fortwährend, der absolute Aschengehalt aber, d.h. der Aschengehalt einer bestimmten Anzahl Früchte nimmt fortwährend, wenn auch gegen Ende, nur langsam zu. Der Aschengehalt der Blätter von Apfel- und Birnbäumen ist gröſser als jener der Früchte und nimmt während der Reife im Gegensatz zu den Früchten zu. 4) Der Säuregehalt der Früchte. Bringt man den Gerbsäuregehalt der Früchte von der Gesammtsäure, Aepfelsäure oder Weinsäure entsprechend in Abzug, so findet man sowohl bei Birnen, Aepfeln, als Trauben, daſs, während der anfänglich hohe Gerbsäuregehalt stetig abnimmt und zum Schlusse vollkommen verschwindet, die übrige Säure wenigstens bis zu einer gewissen Periode steigt, um dann gegen die Reife zu mehr oder weniger zurückzugehen. Bei Aepfeln und Birnen ist dieses Zurückgehen aber ein blos relatives, während bei den Trauben sogar ein absolutes Verschwinden von freier Säure beobachtet wurde. Dieses verschiedene Verhalten der Trauben könnte vielleicht darin seinen Grund haben, daſs bei dem durch Neubauer festgestellten absoluten Zunehmen des Kalis im Traubensafte gröſsere Mengen Weinsäure als Weinstein unlöslich werden und dann bei der blosen Mostuntersuchung nicht in Betracht kommen. Ganz auſserordentlich groſs ist der anfängliche Gerbsäuregehalt bei Birnen, bedeutend geringer bei Aepfeln. Derselbe Unterschied zeigt sich zwischen den Blättern der Apfel- und Birnbäumen. Auch die übrigen Früchte zeigen durchaus ein anfängliches Steigen und gegen die Reife hin relative Abnahme an Gesammtsäure. 5) Der Gesammtzuckergehalt steigt bei allen Früchten constant während der ganzen Reifezeit. Bei den Trauben beginnt eine rasche Zunahme des Zuckergehaltes erst mit eintretender Färbung, von welchem Augenblicke an die Beeren in eine ganz andere Entwicklungsperiode zu treten scheinen. Vorher enthalten die Beeren nicht mehr, ja selbst weniger Zucker als die Blätter. Sehr ähnlich zeigte sich hinsichtlich des Zuckers die Entwicklung der Maulbeere. Auch bei Aepfeln und Birnen ist zu Beginn ihrer Entwickelung der Zuckergehalt geringer als in den Blättern, in welch letzteren der Zucker gegen die Reife der Früchte zu fast vollkommen verschwindet. Gehalt der Früchte an Dextrose und Levulose. Während sich der Traubensaft bis zu eintretender Färbung rechts drehend zeigte und bis zur vollen Reife der Gehalt an Dextrose in demselben stets gröſser war als jener an Levulose, konnte Verfasser hingegen bei Aepfeln und Birnen, sowie den anderen untersuchten Früchten ein derartiges Ueberwiegen der Dextrose nie beobachten. Bei Aepfeln und Birnen fand Rechtsdrehung nur bei der ersten Untersuchung statt, welcher die kaum verblühten Fruchtknoten unterworfen wurden. Zur Zeit der Baumreife finden wir sowohl bei den Aepfeln, besonders aber bei den Birnen ein bedeutendes Vorherrschen der Levulose. Das Vorwiegen der Levulose ist aber durchaus nicht durch ein entsprechendes Verschwinden der Dextrose bedingt, deren Gehalt ebenfalls bis zur Reife absolut zunimmt. Gleich den Früchten unterscheiden sich auch die Blätter der Reben von jenen der Apfel- und Birnbäume dadurch, daſs der Zucker der ersteren lange Zeit eine Rechtsdrehung des wässerigen Auszuges derselben bedingt, während der Zucker der Birn- und Apfelbaumblätter sich stets linksdrehend zeigte. Im Allgemeinen ist der Zuckergehalt der Blätter gröſser als jener der Frucht- und besonders der Blattstiele. Bei den Maulbeeren, Erdbeeren und Kirschen finden wir während der ganzen Entwicklung ziemlich gleiche Mengen von rechts- und linksdrehendem Zucker vor; bei den Johannisbeeren scheint letzterer zu überwiegen. 6) Finden wir nun auch im Allgemeinen, daſs gegen die Reife der Früchte mehrere Bestandtheile, wie Säure und Asche u.s.w. sich relativ vermindern, so findet doch bei keinem derselben, mit Ausnahme des in Wasser unlöslichen Rückstandes (Rohfaser, Pectin u.s.w.), ein absolutes Verschwinden statt; wir müſsen daher annehmen, daſs, so lange die Entwicklung der Früchte im Zusammenhang mit der Mutterpflanze überhaupt fortdauert, die Vermehrung der einzelnen Bestandtheile derselben nur durch beständigen Hinzutritt neuer Substanzen aus den vegetativen Organen der Pflanzen erklärt werden kann. (Während bei 100 Aepfeln der in Wasser unlösliche Rückstand vom 22. Juli bis 9. October blos um 55g abnahm, stieg inzwischen der Zuckergehalt um 714g.) B) Veränderungen der Früchte beim Liegen. 1) Bei der Nachreife der Früchte, (Traube, Kernfrüchte, Erdbeeren, Johannisbeeren) findet nie eine absolute Zunahme oder Neubildung irgend eines Bestandtheiles, vor Allem auch nicht des Zuckers statt. Mit der Trennung der Frucht von der Mutterpflanze beginnt vielmehr deren mehr oder weniger rasche Zerstörung, in Folge welcher sämmtliche organische Bestandtheile derselben sich nach und nach absolut vermindern. 2) Da die Zerstörung der einzelnen Bestandtheile der Früchte in sehr ungleicher Weise stattfindet, so ist es natürlich, daſs der Gehalt an einzelnen derselben beim Liegen der Früchte relativ zunehmen kann. 3) Im. Allgemeinen ist die absolute Abnahme des Zuckers in den Früchten viel geringer als jene der Säuren und des in Wasser unlöslichen Rückstandes. Besonders auffallend zeigt sich dies bei den Kernfrüchten, welche in Folge dessen beim Nachreifen an Zucker zuzunehmen scheinen, während die Gehalte an Säure und in Wasser unlöslichem Rückstand (zumeist Rohfaser und Pectin) hingegen nicht nur absolut, sondern auch relativ wesentlich abnehmen. Bei der Nachreife der Trauben ist der Wasserverlust ein bedeutend gröſserer als bei den Kernfrüchten, wo Wasser und Trockensubstanz ziemlich gleichmäſsig zurückgehen; es ist daher erklärlich, wenn bei den stark einschrumpfenden Trauben auch die Säure und der unlösliche Rückstand relativ zunehmen. Zum Theil mag dieses geringere Zurückgehen der Säure in den reifen Trauben im Verhältniſse zu den Kernfrüchten, wohl auch durch die verschiedene Art der Säure dieser Früchte bedingt sein. 4) Bei der Nachreife der Früchte finden wir stets ein Vortreten des Linkszuckers gegenüber der Dextrose. Es ist dies aber nicht durch eine leichtere Zerstörbarkeit der Dextrose gegenüber der Levulose bedingt, sondern es scheint, daſs eine directe Umwandlung einer Zuckerart in die andere stattfindet. 5) Je unentwickelter, je unreifer die Früchte (besonders Trauben) von der Mutterpflanze entnommen wurden, desto groſser zeigten sich die Verluste, welche dieselben bei der Nachreife erlitten. 6) Das Reifen und Suſswerden der Früchte beim Liegen ist demnach nicht etwa durch Neubildung von Zucker bedingt, es begründet sich vielmehr durch die unverhaltniſsmaſsig groſse Abnahme der Säure und der in Wasser nicht löslichen Substanzen, wie durch die Umwandlung des weniger suſsen Rechtszuckers in die suſsere Levulose.