Titel: Neue Azofarbstoffe von J. P. Griess in Stapenhill.
Autor: Kl.
Fundstelle: Band 234, Jahrgang 1879, S. 140
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Neue Azofarbstoffe von J. P. Grieſs in Stapenhill. Grieſs, über neue Azofarbstoffe. Von den verschiedenen Azofarbstoffen, welche mittels des von J. P. Grieſs durch Einwirkung von Kaliumnitrit auf Anilin in saurer Lösung erhaltenen Diazobenzols C6H4N2 und mittels einiger analoger Diazoverbindungen dargestellt worden sind, haben bis jetzt einige derselben eine praktische Anwendung gefunden, wie das Amidoazobenzol C12H9(NH2)N2 (vgl. 1879 232 192) und das Chrysoïdin, die salzsaure Verbindung des Diamidoazobenzols, C12H8(NH2)2K2 (vgl. 1877 225 197), von welchen das erstere durch Einwirkung des salpetersauren Diazobenzols auf Anilin, das letztere auf Metadiamidobenzol oder Phenylendiamin (C6H8N2) entsteht. Hierher gehören auch einige von Grieſs durch Einwirkung von salpetersaurem Diazobenzol und Substitutionsproducten desselben auf tertiäre Amine erhaltene Verbindungen, ferner ein orangegelber Farbstoff des Handels, welcher nach A. W. Hofmann (1877 225 503) aus salpetersaurem Diazobenzol C6H4N2.HNO3 und Naphtolsulfosäure Cl0H8SO4 darstellbar ist. Ferner ist hierher zu rechnen das Orangegelb von Meister, Lucius und Brüning (1879 232 544), sowie das von Witt (1879 232 273) untersuchte Tropäolin OO = KC18H14N3SO3, welches von Williams, Thomas und Dower in London dargestellt wird, derselben Firma, welche auch das Chrysoïdin in den Handel gebracht hat. Grieſs hat sich nicht auf das Diazobenzol und die entsprechenden Diazoderivate der Kohlenwasserstoffe zur Herstellung von Azofarbstoffen beschränkt, sondern er hat hierzu auch die Diazoderivate der Phenole benutzt, deren erste Repräsentanten er selbst aufgefunden. Er beansprucht für sich die Priorität der Entdeckung (D. R. P. Kr. 3224 vom 12. März 1878), daſs die Diazo Verbindungen, welche sich von den nitrirten Phenolen und ihren Chlor-, Brom-, Jod-, Carboxyl- und Sulfosubstitutionsproducten, sowie von den Homologen und Analogen derselben ableiten, bei ihrer Einwirkung auf verschiedene Phenole und deren Substitutionsderivate ebenfalls Azofarbstoffe liefern, deren Eigenschaften eine bedeutende technische Verwendung in Aussicht stellen. Die von Grieſs bisher verwendeten Diazophenole sind der Reihe nach das Diazonitrophenol, dessen einfaches Chlor- sowie Bromsubstitutionsproduct, ferner Diazodichlor-, Diazodinitro- und Diazosulfo-Phenol, sowie das Orthodiazosulfophenol und das einfache Chlor-, Brom-, Jod-substitutionsproduct des Diazosulfophenols, endlich das Diazonitrokresol und Diazosulfokresol, schlieſslich die Diazosalicylsäure und Diazosulfosalicylsäure. Je eines der aufgeführten Diazophenole wurde mit je einem Glied der folgenden Phenolreihe combinirt: mit Phenol, Steinkohlentheerkresol, α und β-Naphtol, α und β-Sulfonaphtol, mit Resorcin, Orcin, Dioxynaphtalin und Dioxysulfonaphtalin, von welchen Phenol, Kresol, Resorcin und Orcin gelbe, orangefarbige oder braune, α und β-Naphtol, sowie Dioxynaphtalin und deren Sulfoderivate braune, violette und rothe Farbstoffe liefern. In allen Fällen wirken gleiche Molecüle des Diazophenols und des Phenolkörpers auf einander ein. Da die Darstellung der Diazoverbindungen aus den entsprechenden Amidoverbindungen in theoretisch glatter Weise verläuft, so können auch gleiche Molecüle der letzteren und der Phenolkörper in Arbeit genommen werden. Zur Darstellung der Diazophenole bedient man sich in bekannter Weise der salpetrigen Säure oder der salpetrigsauren Salze und einer hinreichenden Menge Schwefelsäure und Salzsäure, um die salpetrige Säure der letzteren frei zu machen. Die Vereinigung der Diazophenole mit den Phenolen geht in der Kälte vor sich und in einer Lösung, welche bis zum Schluſs der Operation schwach alkalisch erhalten wird. Das Diazophenol wird der Phenollösung langsam und unter stetem Umrühren zugesetzt und schlieſslich die Mischung zur Vollendung der Reaction mindestens 1 Stunde sich selbst überlassen. Hierbei scheidet sich in manchen Fällen der Farbstoff in Form einer schwer löslichen Alkaliverbindung aus und kann von der Mutterlauge durch Filtration getrennt und rein erhalten werden; in anderen Fällen bleibt derselbe in Lösung und muſs durch Zusatz von Kochsalzlösung niedergeschlagen oder durch Zusatz von Salzsäure oder Essigsäure in freier Form ausgeschieden werden. Wird beispielsweise Diazodinitrophenol C6H2N2(NO2)2O mit Phenol C6H6O verbunden, so werden zunächst zur Darstellung des ersteren 10k Pikraminsäure oder Amidodinitrophenol C6H3(NH2)(NO2)2OEntstanden beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in eine alkalische Lösung von pikrinsaurem Ammoniak (vgl. 1878 229 198) oder durch Reduction von Pikrinsäure mittels Eisenvitriol und Barytwasser. in 50l Wasser suspendirt und 5l concentrirte Salzsäure von 1,18 sp. G. hinzugefügt. Andererseits wird eine Auflösung von 3k,5 käuflichem Kaliumnitrit in 50l Wasser langsam unter fortwährendem Rühren zu obiger Flüssigkeit gegeben. Nach 1 Stunde trägt man den hellgelben Brei des entstandenen Diazodinitrophenols in eine Lösung von 4k,75 Carbolsäure und 2k,5 reinem Natronhydrat in 1001 Wasser unter fortwährendem Umrühren ein, wobei sich die Mischung tief braunroth färbt. Nach einstündigem Stehen der Flüssigkeit wird Salzsäure in geringem Ueberschuſs zugefügt, um den freien Farbstoff auszufällen. Der erhaltene Niederschlag wird gesammelt, gewaschen, gepreſst und entweder in Teigform als solcher oder in Form seines trockenen oder teigförmigen Ammoniak oder Natronsalzes in den Handel gebracht. Der so dargestellte Farbstoff liefert in der Färberei gelbbraune Farbentöne. Werden an Stelle der 4k,75 Carbolsäure 5k,5 Resorcin C6H6O2 genommen und sonst nach obiger Vorschrift behandelt, so färbt der erhaltene Farbstoff ein reines Granatbraun. – 7k,25 β-Naphtol C10H8O liefern unter denselben Verhältnissen einen Farbstoff, welcher sich in Form eines schwer löslichen Natronsalzes ausscheidet. Derselbe wird einfach filtrirt und nach dem Waschen und Auspressen in Teigform zum Färben verwendet, wobei in saurer Flotte braun violette, durch Zusatz von Thonerdebeizen eben solche, aber röthere Nüancen erzielt werden. Einen Farbstoff von denselben Färbeeigen Schäften erhält man, wenn man Diazodinitrophenol auf Sulfonaphtol oder Naphtolsulfosäure C10H8SO4 einwirken läſst. Um zunächst letztere Verbindung herzustellen, werden 7k,25 β-Naphtol in bekannter Weise mit Schwefelsäure auf dem Wasserbad erhitzt, mit Natronlauge neutralisirt und dann weiter verarbeitet, wie für β-Naphtol angegeben worden. Auch die mit α-Naphtol und mit α-Sulfonaphtol dargestellten Farbstoffe stimmen in den Färberesultaten mit dem β-Naphtolfarbstoff überein. Der mit Hilfe von Kresol C7H8O dargestellte Farbstoff hat Aehnlichkeit mit dem entsprechenden Phenolfarbstoff und der mittels Orcin C7H8O2 gewonnene Azofarbstoff ist wieder obigem Resorcinfarbstoff ähnlich. Eine zweite Reihe von Farbstoffen hat Grieſs erhalten, indem er anstatt des Diazodinitrophenols das Diazosulfophenol in Anwendung und dieses beispielsweise mit β-Naphtol zusammenbrachte. Um zunächst das Diazosulfophenol darzustellen, wird das Kalisalz des Nitrosulfophenols oder der Nitrophenolsulfosäure C6H5.NO2.SO4 und zwar 10k desselben mit Zinn und Salzsäure zu Amidosulfophenol reducirt und die in üblicher Weise von Zinn befreite, stark saure Lösung so lange mit einer Natriumnitritlösung versetzt, bis der Geruch der freien salpetrigen Säure bleibend auftritt – ein Zeichen der vollendeten Umwandlung in Diazosulfophenol. – Andererseits werden 5k,6 β-Naphtol und 2k reines Natronhydrat zusammen in 50l Wasser gelöst und in diese Auflösung obige Diazosulfophenollösung nach und nach eingetragen, wobei darauf zu achten ist, daſs die Mischung stets alkalisch bleibt. Aus der carmoisin-rothen Flüssigkeit wird der Farbstoff durch Salzsäure abgeschieden und nach dem Filtriren und Waschen in sein Natron- oder Thonerdesalz verwandelt. Derselbe färbt besonders bei Anwendung von Thonerde- und Zinnbeizen lichtbeständige, rothe und rosafarbige Nüancen. Statt Diazosulfophenol wurden auch die einfachen Chlor-, Brom- und Jodsubstitutionsproducte dieser Verbindung mit β-Naphtol verbunden und dadurch Farbstoffe erhalten, welche mit den soeben beschriebenen ebenso übereinstimmen, wie der durch Vereinigung von Diazosulphophenol und Dioxynaphtalin C10H8O2 entstehende Azofarbstoff. Nach diesen Beispielen wurden verschiedentliche Combinationen der Eingangs erwähnten Diazophenole und Phenole durchgeführt und auf diese Weise eine groſse Reihe neuer Farbstoffe in die Farbenchemie und in die Färberei eingeführt. Kl.