Titel: Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer.
Autor: A. Kielmeyer
Fundstelle: Band 234, Jahrgang 1879, S. 324
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Die Entwickelung der Färberei, Druckerei und Bleicherei; von Dr. A. Kielmeyer. (Nachdruck vorbehalten.) (Fortsetzung der Abhandlung S. 226 dieses Bandes.) Kielmeyer, ü. Entwicklung der Färberei, Druckerei und Bleicherei. Zwei Jahre, nachdem Robiquet und Colin aus dem Krapp das reine Alizarin (vgl. 1826 22 60. 1827 23 390. 24 550. 1835 58 42. 1839 72 386. 1840 78 450) dargestellt hatten, im J. 1828, suchten sie ihre theoretischen Studien durch die Fabrikation der Krappkohle zu verwerthen, indem sie auf das Krapppulver concentrirte Schwefelsäure bei einer Temperatur von 70° einwirken lieſsen (vgl. 1829 33 158). Trotzdem die aus jener Zeit vorliegenden Urtheile über dieses Product nicht ungünstig lauten, fand es doch in der Färberei keine Aufnahme. Im J. 1836 schien es zwar einige Bedeutung erhalten zu wollen, da es als Ausgangspunkt für die Darstellung des Colorins diente. Dasselbe verdient ein besonderes Interesse, weil es das erste im Handel vorkommende Krappextract war. Es wurde erhalten durch Ausfällen des concentrirten alkoholischen Auszuges der Krappkohle mittels Wasser, Abfiltriren, Auspressen und Trocknen des entstandenen Niederschlages. Das pulverförmige, im Handel vorkommende Colorin hatte eine 70mal gröſsere Färbekraft als der Krapp und wurde im J. 1838 in Rouen für echtes Dampfroth und Dampfrosa angewendet, indem es in Ammoniak gelöst und mit Gummi verdickt auf mit essigsaurer Thonerde geklotzte Baumwolle gedruckt und dann gedämpft wurde (vgl. 1839 74 432. 1844 91 148). Doch verhinderte der hohe Preis des Productes seine allgemeine Einführung in den Druckereien, so daſs es bald wieder in Vergessenheit gerieth. Noch im J. 1828 wurde von den Erfindern selbst die Darstellungsweise der Krappkohle dahin abgeändert, daſs der gemahlene Krapp mehrere Male mit seinem 5 bis 6fachen Gewicht kalten Wassers übergössen und der feuchte ausgepreſste Rückstand mit einer nur dem halben Gewicht des angewendeten trockenen Krapps gleichkommenden, zuvor mit Wasser verdünnten Menge Schwefelsäure bei 100° behandelt wurde. Für die Bereitung dieses Productes, welches nunmehr den Namen Garancine erhielt, war somit die Einwirkung der Schwefelsäure bedeutend abgeschwächt, zugleich aber auch für eine sichere Fabrikation geregelt worden. Doch scheint sie anfänglich mit ziemlichen Schwierigkeiten und Unsicherheiten behaftet gewesen zu sein, und es ist wohl nicht allein der damaligen Geschmacksrichtung der Mode, sondern auch diesem Umstände zuzuschreiben, daſs man sich mit der neuen ungewohnten Garancinefärberei nicht so schnell vertraut machen wollte. Erst im J. 1836 brachte das Haus Gebrüder Thomas gröſsere Mengen Garancine auf den Markt, welches vom J. 1839 an in Rouen im Groſsen angewendet wurde. Im Elsaſs sträubte man sich längere Zeit gegen die Einführung desselben, vielleicht aus alter Anhänglichkeit an die jedenfalls echtere Krappfärberei; es kam hier erst im J. 1842, dann auch in den Druckereien und Färbereien anderer Länder auf, um allmälig allen Zweigen der bisherigen Krappfärberei ein neues Gepräge zu geben. Die Darstellungsweise ist sich in der Hauptsache gleich geblieben, die Abweichungen von der ursprünglichen Vorschrift sind nicht von Belang und hauptsächlich durch die Verschiedenheit des Rohmaterials, der Krappwurzel, bedingt, von welcher auch die Ausgiebigkeit des Garancins abhängt. Die Färbekraft desselben übertrifft die des Krapps um das 3½ fache, selten um das 4fache. Ueber die Wirkung der Schwefelsäure bei der GarancinefabrikationVgl. 1844 91 64. 1845 98 48. 1860 155 206. 447. und über die Theorie der Krappfärberei (vgl. 1848 110 61. 1853 127 80) war man bis in die neueste Zeit nicht im Klaren, wie auch die Krappliteratur wegen der vielen widersprechenden und unsicheren Angaben, denen man auf jeder Seite derselben begegnet, eine der unerquicklichsten der ganzen Farbenchemie ist. Feste Ansichten über das Wesen und die Bedeutung der Krappfarbstoffe für die Färberei haben sich erst mit Schützenberger's Untersuchungen (1856 140 55. 142 139. 1865 176 48) herausgebildet, deren Fortsetzung hernach Rosenstiehl (1874 214 285. 1875 216 447. 1876 221 167. 1877 223 539. 1878 228 263. 1879 231 82) mit schönstem Erfolg übernommen hat. Nach ihnen ist das Pseudopurpurin oder die Purpurincarbonsäure (C15H8O7) nächst dem Alizarin (C14H8O4) quantitativ der wichtigste Farbstoff des Krapps. Derselbe färbt Thonerde- und Eisenmordants nur in ganz Kalk freiem Wasser, aber in unechten Farben. Er ist ein sehr unbeständiger Körper, denn derselbe wird durch kochenden starken Alkohol, durch kochendes Wasser, ferner durch angesäuertes Wasser und durch verdünnte Alaunlösung unterhalb 100° und durch eine Alkalilösung schon in der Kälte zerlegt, indem er sich in Purpurin (C14H8O5) umwandelt. Das Garancine ist also ein durch Entfernung der nicht färbenden Bestandtheile concentrirter Krapp, in welchem überdies ein unvollkommener Farbstoff, das Pseudopurpurin, durch das dem Alizarin als Farbstoff ebenbürtige Purpurin ersetzt ist. Während beim Krappfärben schwere Muster 2 auch 3 mal mit groſsen Mengen Farbmaterial gefärbt werden müssen, werden mit Garancine die schwersten Muster in einem Bad ausgefärbt und dieses eine Bad dauert kürzere Zeit und hat eine niedrigere Temperatur als jedes der Krappbäder. Die Färberei wurde dadurch eine bedeutend schnellere und sie erhielt mit Einführung der hölzernen, jetzt meist eisernen Dampffärbestanden für 10, 20, auch 30 Stück (vgl. 1842 83 211. 1860 155 269) an Stelle der über freiem Feuer zu heizenden Kupferkessel für höchstens 6 Stück einen noch rascheren Antrieb. Dazu gesellte sich der weitere groſse Vorzug, daſs die Farbe nicht trüb wie aus dem Krappbad, sondern mit lebhafter Nuance aus der Farbstande heraus kommt und daſs die nicht bedruckten Stellen der Druckwaare bedeutend weniger eingefärbt werden als beim Färben mit Krapp. In Folge hiervon bedurfte es nicht mehr der starken Kleienbäder und wurde in den meisten Fällen das Seifen und Aviviren entbehrlich. Als im J. 1847 noch die Rasenbleiche und die Kleienbäder durch das Dampfchloren (vgl. 1856 142 218. 1858 149 287. 1859 152 61. 1860 158 378), später in Verbindung mit dem Trockenchloren, ersetzt wurde, so war damit ein weiterer bedeutender Schritt in der Vereinfachung und Beschleunigung des Färbereiverfahrens (vgl. 1845 97 217. 1857 144 399. 1875 216 451) gethan. Schon die Zahlen der zu jener Zeit rasch steigenden Krapp preise (vgl. 1875 217 240) bezeugen den kräftigen Aufschwung, welchen die Einführung des Garancins der gesammten Färberei gegeben hat. Aber das neue Farbmaterial brachte noch einen anderen wenig beachteten und doch nicht zu unterschätzenden Vortheil. Um mittels Krapp ein Braun zu färben, wurde ersterem als gelb färbendes Pigment ein Zusatz von Sumach, Quercitron oder Wau gegeben. Wenn auch letzterer in der Wollfärberei für walkechtes Gelb und Grün zu verwenden ist, so konnte doch das Waugelb auf Baumwolle, noch weniger aber das Quercitron gelb oder das Gelb des Sumachfarbstoffes aus den energischen Behandlungen, welche die in Krapp gefärbten Artikel zur Reinigung und Entwickelung der Farben und des Weiſs erfordern, nicht unversehrt hervorgehen. In Folge hiervon muſste das fertige Braun einen violetten oder röthlichen Stich erhalten, weil die nöthige Beimischung von Gelb zum groſsen Theil durch die Behandlung verloren gegangen war. Die Garancinefärberei aber mit ihrem einfacheren, schonenderen Verfahren gab dem Färber das Mittel in die Hand, ein lebhaftes Braun mit beliebig starkem Gelbstich zu erzeugen. Dieselbe Schwierigkeit hat es bis jetzt unmöglich gemacht, mit Quercitronextract und Krappextract oder künstlichem Alizarin ein brauchbares Dampfbraun zu erzeugen. So lange nicht ein Gelb gefunden wird, welches mit Alizarin, mit Eisen- und Thonerdemordant vermischt, sich auf Baumwolle aufdrucken und dämpfen läſst und das der Seife so gut widersteht wie das Violett und Roth, welchen es beigemengt ist, sind alle darauf bezüglichen Vorschriften nur als gut gemeinte Vorschläge zu betrachten. Am ehesten empfiehlt sich vor der Hand eine geeignet zusammengesetzte Cachoufarbe als gelbe Grundlage und Mischfarbe für Dampfalizarinbraun, und habe ich damit ziemlich befriedigende, seifenechte Resultate erzielt. Wenn also das gelbfärbende Quercitron mit dem Garancine gefärbt werden durfte, so lag der Gedanke und die Versuchung sehr nahe, auch das Rothholz neben dem Garancine zu verwenden und als billiges, rothfärbendes Surrorgat demselben zu unterschieben. Von diesem Kunstgriff wurde in der Folge der ausgiebigste Gebrauch gemacht und so hat indirect das Garancine, welches für sich allein schon weniger echt als der Krapp färbt, die Anleitung und Veranlassung zu der Kunst gegeben, falschfärbige Waare mit und ohne Garancine zu erzeugen und in unverfrorenster Weise als gutfärbige auszugeben, welche Kunst ich mir in D. p. J. 1874 214 312 mit einem schlagenden Beispiel nebst der aus ihr folgenden unvermeidlichen Moral zu beleuchten erlaubt habe. – Ein geringer Zusatz von Rothholz zum Garancine belebt und erwärmt das gefärbte Roth und Braun; er ist als eine unschuldige Farbenappretur anzusehen, deren Abnutzung immer noch eine brauchbare, anständige Nuance auf dem Stoff zurückläſst. Aber es kam die Zeit, daſs die Geschicklichkeit eines Färbers nur nach dem Garancineminimum seiner Recepte bemessen wurde, ohne nach dem selbstverständlichen Mehrverbrauch an falsch färbendem Rothholz zu fragen. Letzteres wurde nie erwähnt, auch nie berechnet und bisweilen in solch verschwenderischer Weise verschrieben, daſs man mit geringeren Auslagen die Waare mit lauterem Garancine hätte ausfärben und sogar überfärben können. Unter solchen Umständen ist es wohl richtig zu sagen, daſs die Garancineartikel, welche euphemistisch immer noch Krappartikel genannt wurden, redlich mitgeholfen haben, den Gesammtcredit der bedruckten Baumwolle bei den Käufern zu untergraben. Beim Färben mit Krapp werden von den Mordants kaum zwei Drittel des Farbstoffes aus dem Bade ausgezogen, indem nach den Untersuchungen Rosenstiehl's das Pseudopurpurin des Krapps in Form eines unwirksamen Kalklackes für die Färberei verloren geht. Nachdem nun das Verfahren der Garancinefabrikation bekannt geworden war, so sammelte man seit dem J. 1843 in den englischen Fabriken die benutzten Krappflotten, lieſs sie in eigenen Behältern absitzen, das Klare ablaufen und behandelte den Rückstand mit Schwefelsäure, um den Pseudopurpurinlack in Purpurin überzuführen. Wenn auch das so erhaltene Product in Beziehung auf Schönheit und Ausgiebigkeit der Farben dem Garancine gegenüber minderwerthig war und nur in beschränkter Weise als echte Beimischung zu letzterem verwendet werden konnte, so wurde es doch als eine willkommene Ersparniſs von den Druckereien aufgenommen. Das Garanceux (vgl. 1844 98 48. 1847 105 43), wie man das Product nannte, wurde in den Druckereien selbst bereitet und als feuchte, ausgepreſste Masse verfärbt. Je nach dem Auspressen, je nach der beim Färben verwendeten Sorte Krapp oder Krappblumen, je nach der Menge Kreide, welche dem Farbbad zugesetzt worden war, wechselte seine Ausgiebigkeit. Man nahm an, daſs 4 Th. trockenes Garanceux 1 Th. gutes Garancine zu ersetzen im Stande seien. Eigenthümlicher Weise wurden die Krappblumen – ein Präparat, welches längst der Färberei zur Verfügung gestanden hätte, sofern das Garancine in Wirklichkeit aus ihm bereitet wurde – erst im J. 1851 von Julian in Avignon in den Handel gebracht und in der eigentlichen Krapp- und Rosafärberei angewendet (vgl. 1852 124 201. 126 206. 372. 1855 135 398). Krapp wird mit Wasser angerührt, theils mit gewöhnlichem, wie bei Fleur für Violett, theils mit Salzsäure oder Schwefelsäure haltigem Wasser wie bei Fleur für Rosa. Nach 12 stündigem Stehen wird die klare zuckerhaltige Flüssigkeit von dem Satze getrennt und in einem Gährbottig stehen gelassen, wo durch eine alkoholische Gährung ihr Zuckergehalt in Krappalkohol (vgl. 1854 132 457. 1860 157 148) übergeführt wird. Der Satz wird getrocknet und kommt unter dem Namen Krappblumen in den Handel. Dieselben färben reinere und dunklere, dabei ebenso echte Töne als der Krapp, welcher von seinen schleimigen, sauren und gelben löslichen Bestandtheilen nicht befreit ist. Die Mordants können um 15 bis 20 Proc. schwächer genommen und mit einem Mal ausgefärbt werden; zugleich färbt sich das Weiſs weniger ein und können die Avivagen und Seifen schwächer gegeben werden. Man rechnet gewöhnlich 1 Th. trockene Krappblumen gleich 2 Th. Krapp. Längere Zeit wurden die Krappblumen in den Fabriken selbst bereitet und nach dem Auspressen sogleich feucht zum Färben genommen. Man zahlte also die Fracht für das ganze Gewicht der im Krapp enthaltenen werthlosen Beimengungen, war für die Nebenfabrikation des Alkohols nicht eingerichtet und namentlich in der Sommerszeit genöthigt, die jeden Tag fertige Portion Krappblumen am gleichen Tage wegzufärben, wenn nicht der feuchte Kuchen über Nacht an Färbekraft verlieren sollte, – nirgends ein Vortheil, aber, wie sich ziffermäſsig beweisen läſst, ein thatsächlich theureres Product, als wenn man es trocken aus der Garancinefabrik bezogen hätte. Bei dem Garancine wird, entsprechend den Krappblumen, ein solches für Violett und ein solches für Roth unterschieden. Ein Violettgarancine muſs unter allen Umständen möglichst neutral sein; noch mehr aber wird die Nuance eines Garancineviolettes durch das im Garancine enthaltene Verhältniſs zwischen Purpurin und Alizarin bestimmt. Das schönste Violett lieferte das von Pincoff mit Wasserdampf von 200° behandelte, zuvor gut ausgewaschene Garancine, welches seit dem J. 1854 unter dem Namen commercielles Alizarin oder Pincoffin (vgl. 1858 147 451. 149 205) in den Handel kam. Das im Garancine enthaltene Purpurin wird bei dieser Temperatur zerstört, das Alizarin aber nicht (vgl. 1875 216 451), daher beim Färben die um etwa 25 Procent geringere Ausgiebigkeit gegenüber dem Garancine, daher seine Unbrauchbarkeit für Roth, daher aber auch das reine, lebhafte, bläuliche Violett, welches man mit ihm färben kann. Dennoch kam Ende der 60er Jahre die Zeit, wo dieses Violett auf Baumwolle noch nicht lebhaft genug schien. Es wurde deshalb mit Anilinviolett schwach aufgefärbt oder geschönt, und das Weiſs durch Chloren oder Seifen wiederhergestellt. Man fand bald, daſs das billigere, rauhere Garancineviolett für das Aniliren genüge, hernach daſs um so mehr Anilinviolett vom Lilamordant angezogen werde, je weniger derselbe mit Garancine ausgefärbt sei; dann wurde auch der Mordant verschwächt, äuſserst schwach ausgefärbt und, um den zarten Fleurviolettstich nachzuahmen, mit „African red“ (vgl. 1871 200 245) überfärbt. Mit dem glorreichen J. 1873 endlich gewann man die Ueberzeugung, daſs das Garancine nicht blos ein theures, sondern auch ein höchst überflüssiges Material sei; man machte sich also den Spaſs, den Lilamordant einfach mit Sumach anzufärben und dann herzhaft zu aniliren; – seit dieser Zeit und bis auf den heutigen Tag sind, wenigstens in Oesterreich, alle violetten Ausarbeitungen spurlos aus der Musterkarte verschwunden. Das alte Raymond'sche Verfahren (1829 31 44), Baumwolle und Seide mit salpeterschwefelsaurem Eisen zu klotzen oder zu bedrucken und in einer sauren, handwarmen Lösung von gelbem blausaurem Kali auszufärben, wurde für Wolle wenig angewendet. Dagegen ist es für die beiden ersten Gewebsfasern bis auf den heutigen Tag beibehalten worden, theils um dieselben blau, theils um sie schwarz zu färben. Für schwarzrothe baumwollene Tücher und Kleider (1874 211 309) wird von manchen Fabriken die sicherere Herstellung mittels Chemischblau dem billigeren Anilinschwarz vorgezogen und das Raymond-Blau hat sich als solide Unterlage für Schwerschwarz bei. den Seidenfärbern beliebt zu machen gewuſst, wenngleich es die höchste Kunst der Seidenbeschwerung noch nicht zu leisten vermag. Für die Wolle handelte es sich darum, eine Eisenlösung zu finden, welche, ohne sich zu trüben und ohne der Gewebsfaser zu schaden, kochend heiſs angewendet werden durfte. Raymond hat deshalb das weinsteinschwefelsaure Eisen zum Ansieden benutzt, dann zuerst kalt und zum Schluſs heiſs mit Blaukali ausgefärbt. Um dem Blau einen violetten Stich zu geben, wurde nachträglich durch ein schwach ammoniakalisches Wasser genommen, wie es auch für Chemischblau auf Baumwolle eingeführt worden ist. Doch auch dieses Verfahren konnte sich auf die Dauer nicht halten. Die fortgesetzten, rein theoretischen Untersuchungen betreffs der Zusammensetzung und der Verbindungen von Scheele's Blausäure, welche Gay-Lussac i. J. 1811 zur Reindarstellung dieser Säure und i. J. 1814 zur Auffindung des Cyangases, ferner in demselben Jahre Porret zur Isolirung der Ferrocyanwasserstoffsäure, sodann Berzelius zur Darstellung des Ferrocyanammoniums und L. Gmelin zur Bereitung des Ferrocyankaliums führten, hatten unterdessen auf dem technischen Gebiet der Farbenchemie Wurzel gefaſst und dem alten Zweig der Chemischblaufärberei einen neuen Trieb verliehen. Zunächst wurde die Wolle ohne vorhergehendes Beizen mit einem Eisensalz in einem heiſsen, durch Schwefelsäure und Weinstein sauer gehaltenen und mit Zinnsalz versetzten Blaukalibad gefärbt, oder es wurde nach dem Färben mit Zinnsalz, Alaun und Schwefelsäure avivirt, oder es wurde zuerst, und bei diesem Verfahren ist man schlieſslich stehen geblieben, mit Weinstein und Zinnsalz angesotten und mit rothem und gelbem Blutlaugensalz und Weinstein ausgefärbt (vgl. 1842 84 79. 308. 1846 99 316. 1848 108 398. 1874 214 170). Wie aus der beliebigen Verwendung des Zinnsalzes vor, nach und in dem Farbbad hervorgeht, hat es zur Bildung des Berlinerblaus auf der Wolle Nichts beizutragen, sondern es hat nur den Zweck, demselben eine feinere Nüancirung zu ertheilen – eine Eigenschaft, welche dann auch i. J. 1845 für besonders reines, dem Sächsischblau der Seide ähnelndes und später überhaupt für lebhaftes Chemischblau auf Baumwolle benutzt wurde. Die Entwickelung der Farbe beruht allein auf der Zerlegung und Oxydation der Ferrocyanwasserstoffsäure und der Ferricyanwasserstoffsäure in der Hitze und bei Gegenwart von Wasser zu Berlinerblau, Wasser und Blausäure. Auf dieselbe Reaction ist auch das Dampfblau für Wolle und Baumwolle begründet, mit dem Unterschied, daſs hier das kochende Wasser der Farbflotte durch die heiſsen Wasserdämpfe des Dampfkastens ersetzt wurde. Ursprünglich wurde Blutlaugensalz, Weinsäure, Oxalsäure und Salmiak (letzterer als hygroskopische Substanz und um Ferrocyanammonium zu bilden) mit der nöthigen Verdickung aufgedruckt und zwar auf gewöhnliche, unvorbereitete Waare, wie dies bei Paſsfarben auf bunt gefärbter Baumwolle heute noch der Fall ist. Die Entwickelung des Blaus wurde durch Verhängen an der Luft, Einhängen in den Fluſs oder durch ein Chromkalibad bewirkt. Später erhielt die Druckfarbe einen Zusatz von Zinnsalz und für Dampfgrün von Zinnsalz, Kreuzbeerenabsud und Alaun. Auſserdem wurde der Wolle für Dampfblau eine Vorbehandlung mit weinsaurer Zinnsalz- oder Zinnchloridlösung gegeben und der Baumwolle eine solche mit Zinnchlorid und darauffolgender Neutralisation in einem Sodabade. Aber die richtige Vorbereitungsflüssigkeit für Baumwolle war wohl die Lösung des englischen Zinnoxydnatrons mit darauffolgendem Schwefelsäurebad.Vgl. 1846 100 60. 1847 104 44. 1850 117 155. 118 204. 1852 125 201. 126 77. 1854 134 238. 1857 144 66. 1865 177 318. Die wichtigste Verbesserung jedoch erwuchs dem Dampfblau i. J. 1840 mit dem Ferrocyanzinn, welchem das seit dem J. 1841 bekannte „Bleu de France“ neben dem Gehalt der Druckfarbe an Ferricyankalium seine besondere Lebhaftigkeit und Reinheit der Nuance und seine groſse Beliebtheit bis zur Zeit des Anilinblaus zu verdanken hatte. Die Dampffarben spielten in jener Zeit eine bedeutende Rolle im Baumwolldruck, und für sie alle war das Zinnoxydnatron eine ebenso willkommene Unterstützung, wie für das Dampfblau, um dem Artikel mehr Sicherheit, Leben und Solidität zu verschaffen. Sie erhielten gleichzeitig mit den seit d. J. 1844 allgemeiner in Aufnahme gekommenen Albuminfarben einen ansehnlichen Gebietszuwachs für den Verlust des ohnedem unbedeutenden, sehr unvollkommenen Oelfarbendruckes (vgl. 1875 218 376). Zuerst wurde vorzugsweise Ultramarinblau mit einer Mischung von Eieralbumin und Gummiwasser auf ganz feine Gewebe und in leichten Mustern aufgedruckt und gedämpft, um das Eiweiſs in dem heiſsen Dampfkasten zu coaguliren und damit die blaue Körperfarbe auf dem Baumwollgewebe mechanisch zu befestigen. Dann wurden aber auch andere Körperfarben in gleicher Weise und für gröſsere Muster verwendet, wie grüner Ultramarin, Schweinfurter Grün, durch Arsenik gefälltes Chromoxyd, chromsaures Blei, Ocker, Schwefelcadmium, Zinnober, Mennige und Cochenillecarmin. Das EieralbuminVgl. 1822 9 270. 1826 20 283. 1853 128 237. 1857 143 295. 1872 206 56. 1876 219 93. ist ein theures Fixationsmittel, das nicht zu viel Zusatz von Gummiwasser oder Tragantschleim verträgt, wenn die Druckfarbe einigermaſsen echt sein soll; seine Beschaffung war in den ersten Zeiten mit vielen Umständlichkeiten verknüpft, da es in den Druckereien selbst bereitet und getrocknet werden muſste. Man suchte darum bald nach einem billigeren Ersatz und glaubte ihn i. J. 1848 in dem Lactrin (vgl. 1849 113 35. 1870 195 94), welches den englischen Fabriken wohl schon früher bekannt gewesen sein mag, gefunden zu haben. Das in ammoniakalischem Wasser gelöste Caseïn ist zwar für den Druck eine in jeder Beziehung vortreffliche zügige Verdickung, wenn sie frisch bereitet ist; aber als Befestigungsmittel im Dampfkasten wirkt es zu schwach, so daſs es nur für unechte Ausarbeitungen angewendet werden kann. Eine Zeit lang sollte auch der Kleber (vgl. 1860 155 308. 445. 157 222. 1867 183 53), theils in Zuckerkalk, theils in Essigsäure gelöst, das Eieralbumin ersetzen. Er befestigt zwar die Körperfarben in etwas soliderer Weise als das Caseïn, verursacht aber wegen der Unbeständigkeit seiner Lösung viele Schwierigkeiten beim Druck und ist deswegen ganz aufgegeben worden. Dagegen hat in späterer Zeit das BlutalbuminVgl. 1863 170 158. 1864 172 80. 1866 179 59. 181 476. 1869 193 245. 1874 211 387. 214 221. 1875 218 531. 1876 219 84. 93. 1879 233 430., was die Echtheit der befestigten Farben betrifft, das Eieralbumin vollkommen ersetzt; zugleich ist dasselbe ein besseres Verdickungsmittel als das letztere und kann und muſs ohne Beimengung anderer Verdickungsmittel gedruckt werden. Nur eignet es sich für ganz zarte Nuancen nicht wegen seiner Färbung, welche man ihm schon durch verschiedene Mittel zu entziehen gesucht hat, ohne daſs es gelungen wäre, ein vollkommen farbloses Blutalbumin darzustellen, oder das gefärbte Product zu bleichen. Es ist mit der Zeit eines der unentbehrlichsten Hilfsmittel der Baumwolldruckerei geworden und wird dasselbe heutzutage für eine groſse Anzahl Ausarbeitungen und in bedeutenden Mengen verwendet. Ende der 30er Jahre entstanden eigene Fabriken für die Extraction der Farbhölzer (vgl. *1839 74 226. *1846 99 188. 277. *1849 113 184). Die Färbereien benutzen heute noch die geraspelten oder zu einem feinen Pulver gemahlenen Farbhölzer. Die Druckereien aber waren von jeher genöthigt, sich für die Dampffarben in mehr oder weniger vortheilhaften Apparaten die geraspelten Hölzer in mühsamer Weise selbst abzukochen, um nur die klare Lösung zu verwenden. Die Einführung der starken käuflichen Blauholz-, Rothholz-, Quercitron-, Füstel- und Kreuzbeerenextracte brachte mithin der Fabrikation der Dampffarben auf sämmtlichen Geweben eine wesentliche Erleichterung. Noch wichtiger war Broquette's Erfindung der Farblacke, speciell für den Woll- und Seidendruck, welche er i. J. 1847 durch Fällung der genannten Extracte mit Alaun-, Zinnsalz- oder Chlorzinnlösung bereitete. Man erhielt mit denselben die Farbstoffe in concentrirter und von Verunreinigungen freier Form, druckte sie in saurer Verdickung auf die Stoffe, dämpfte und erzielte damit, namentlich auf mit Zinn vorbereiteter Waare, viel lebhaftere und glänzendere Farben als mit den Extracten. Die am meisten gebrauchten Lacke sind der Füstel-, Kreuzbeeren- und der Cochenillelack geblieben.Vgl. 1844 93 240. 1862 166 229. 1877 224 96. Demselben Zweck diente auch der IndigocarminVgl. 1851 119 369. 121 228. 1853 129 224. 1861 160 392. 161 231 867. 185 66., welcher von dieser Zeit an statt der durch ihren groſsen Säuregehalt oft unbequemen Indigolösung für blauen, grünen und modefarbigen Wolldruck eingeführt wurde. Das i. J. 1860 in England fabricirte trockene PurpurblauVgl. 1853 129 224. 1857 146 366. 1861 159 318., welches eine dem teigförmigen indigoschwefelsauren Natron nahe verwandte Zusammensetzung hat, vermochte den Indigocarmin nicht zu verdrängen. Gleichzeitig mit seinen anderen Lacken brachte Broquette noch einen reinen Orseille-Thonerdelack in Handel, für Lila auf Wolle; dieser erregte durch die Lebhaftigkeit der mit ihm erzielten Farben seiner Zeit Aufsehen, doch verlangte das Lila nach dem Dämpfen ein schwaches Kalkbad, wodurch jedenfalls das Cochenilleroth als Nebenfarbe unmöglich gemacht und der Verwendung des Lackes eine wesentliche Beschränkung auferlegt wurde (vgl. 1851 119 59). (Fortsetzung folgt.)