Titel: Tasimeter von F. A. Schöpfleuthner, Maschinen-Ingenieur in Wien.
Autor: F. A. Schöpfleuthner
Fundstelle: Band 234, Jahrgang 1879, S. 356
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Tasimeter von F. A. Schöpfleuthner, Maschinen-Ingenieur in Wien. Mit Abbildungen auf Tafel 28. Schöpfleuthner's Tasimeter. Betrachtet man eine in Bewegung begriffene Dampfmaschine und verfolgt den Gang des Kreuzkopfes, der Pleuelstange oder der Kurbel, wobei die Massenträgheit nicht unberücksichtigt zu lassen ist, so erstaunt man geradezu über die anscheinend gleichgiltige Ruhe, mit welcher dieser stählerne „Organismus“ so auſserordentliche Arbeitsleistungen entwickelt; denn man sieht, wie die in linearer Richtung arbeitenden Theile, deren Glieder abwechselnd zwischen Ruhe und Bewegung schwanken, dem im Kreise sich drehenden Kurbelzapfen so zu sagen willenlos und ohne Widerstand folgen. Das am Indicator beobachtete Diagramm zeigt eine Curve, deren Gesetz mit jenem der oben angezogenen Bewegungsart gar nichts gemein hat und deren Ordinaten zwar gleichfalls zwischen Null und einem Maximum liegen; allein diese Maxima bezieh. Minima fallen nicht in denselben Zeitabschnitt und es muſs daher diese Toleranz durch Auftreten sehr bedeutender Materialspannungen, d. i. durch Ansammlung von mechanischer Arbeit in der Gesammtmasse, ausgeglichen werden, sollten dieselben im geeigneten Augenblick rechtzeitig zur wirksamen Aeuſserung gelangen. Nachdem sich aber diese unsichtbaren Kräfte weder frei beobachten, noch am abgenommenen Dampfdiagramm wahrnehmen lassen, so kann es kaum weniger interessant sein, die inneren Vorgänge der Glieder zwischen Kolben und Schwungrad, d. i. zwischen Ausgangs- und Abgabsort der mechanischen Arbeit, kennen zu lernen, somit die Verschiedenartigkeit der in gewissen Zeitabschnitten auftretenden Materialspannungen auf die einfachste und bequemste Art genau nach Gröſse, Richtung und Dauer zu verfolgen. Derjenige Ort nun, an welchem die Gesammtsumme aller im Dampfkolben auftretenden Kräfte zur noch meſsbaren Aeuſserung gelangt, ist die Kurbelachse oder Schwungradwelle, und es zeigt sich hierin, wie sehr verschieden die in dieser Welle, also zwischen Schwungrad und Kurbel, auftretende Beanspruchung des Materials derselben an deren Oberfläche ist, während der Kurbelzapfen einen Bogen von 180° durchläuft. In Folge der zur Zeit der gröſsten Geschwindigkeit des normalen Kolbenganges, bezieh. des Durchganges der Kurbel am todten Punkte, in der Welle auftretenden Torsionskräfte erleidet eine in der Entfernung des Wellenradius befindliche Faserschicht eine Streckung, deren Dauer von der Anzahl Umgänge der Welle – in irgend einem Zeitmaſs vollführt – abhängt, deren Gröſse aber von der hindurch geleiteten mechanischen Arbeit und der Beschaffenheit des Materials bedingt ist. Diese Spannungen nehmen gegen die geometrische Achse der Welle zu zwar immer mehr und mehr ab, bis sie endlich ganz aufhören, also Null werden, von hier ausgehend aber wieder an Gröſse zunehmen und zwar im entgegengesetzten Sinne, bis im Mittelpunkt dieser kreisförmigen Querschnittsfläche eine der Anfangsspannung gleiche, jedoch negative Spannung auftritt, so daſs sich beide Spannkräfte gegenseitig das Gleichgewicht halten. Der Durchmesser dieser in sich zurückkehrenden, ringförmigen todten Faserschicht – Neutralcylinder – läſst sich zwar durch einfache Rechnung bestimmen (er ist weit gröſser als der Wellenradius); allein hier bedarf es vorläufig der Kenntniſs desselben nicht. Denkt man sich am Umfange der Welle, zwischen Kurbel und Schwungrad, eine sehr kleine Faserschicht in achsialer Richtung herausgeschnitten und durch ein gehärtetes Stahlband von entsprechendem Querschnitt ersetzt und gibt man diesem Stahlbande eine Anfangsspannung = p, so wird, wenn es durch irgend einen Einfluſs von auſsen in eine schwingende Bewegung versetzt ist, die Anzahl n der transversalen Schwingungen in der Secunde zu berechnen sein aus der FormelVgl. Wüllner: Experimentalphysik, 3. Auflage Bd. 2 S. 483.: n=\frac{1}{2}\,\sqrt{\frac{gp}{ql}}, . . . . . . . . . (1) wenn g = 9,81, q und l das Gewicht bezieh. die Länge des Bandes bezeichnen. Nehmen im Augenblicke des Angreifens einer Kraft an der Kurbel die einzelnen Fasercylinder der Welle eine spiralförmige Lage an, so muſs auch eine Spannung eintreten, welche in der Ruhelage in den Fasern nicht vorhanden war, da ja die Welle aus obigen Gründen nicht so viel verkürzt wird, als zur Aufhebung dieser Spannung nöthig wäre. Weil sich aber diese Spannungsänderungen auch in dem eingelegten Stahlbande und zwar in gleicher Gröſse kund geben, so muſs die der neuen Spannung entsprechende Schwingungszahl n1 nach Gleichung (1) sein: {n_1}^2=\frac{g(p+\Delta p)}{4\,ql} . . . . . . . . (2) und die dadurch entstandene Verlängerung desselben gleich: \Delta l=\frac{\Delta p}{Ef}\,l, . . . . . . . . . . . . . (3) wenn E den Elasticitätsmodul und f die Querschnittsfläche des Bandes bezeichnen. Nun ist aber die Kenntniſs dieser Verlängerung Δl zur Auffindung der Torsionswirkung von vorn herein nöthig, und da diese Gröſse aus Gleichung (3) nicht ohne weiters bestimmt werden kann, müssen die bereits bekannten Schwingungszahlen auf eine Normale bezogen werden, welche durch Zuhilfenahme einer gewöhnlichen, jedoch passenden Stimmgabel auch thatsächlich erlangt wird. Macht diese Stimmgabel n2 Schwingungen in der Secunde und nennt man das Verhältniſs \frac{n}{n_2}=d, bezieh. \frac{n_1}{n_2}=d_1, dann erhält man aus Gleichung (1): d=\frac{1}{2}\sqrt{\frac{gp}{ql{n_2}^2}} . . . . . . . (4) Dividirt man Gleichung (2) durch n22, so ergibt sich nach Subtraction der Gleichung (4) der Unterschied dieser Verhältnisse: {d_1}^2-d^2=\frac{g\Delta p}{4\,ql{n_2}^2}}; . . . . (5) daraus ist nach Gleichung (3): \Delta l=({d_1}^2-{d_2}^2)\,c, . . . . . . . . (6) wobei c=\frac{4\,ql^2{n_2}^2}{Efg} einen Ausdruck bedeutet, welcher eine constante Gröſse hat, die von der räumlichen Ausdehnung des Bandes abzuleiten ist. Setzt man die Anfangsschwingungen des Bandes n = n2, d. i. jenen der Stimmgabel gleich, so wird d == 1 und der letzte Ausdruck in Gleichung (6) erhält die Form c (d12 – 1) somit: \Delta l=c\,({d_1}^2-1) . . . . . . . . . (7) Denkt man sich ferner die Spannung des Bandes, anstatt in obiger Weise, durch eine bleibende Verdrehung der Welle selbst hervorgebracht, so daſs die Richtung desselben mit der geometrischen Achse der Welle einen Winkel a einschlieſst, und vervollständigt das so entstandene Dreieck in der Weise, daſs dessen rechter Winkel dem Bande gegenüber liegt, so ist die kleine Kathete a dieses Dreieckes – Gröſse der Abweichung – zu bestimmen aus der Gleichung: a^2=l^2-b^2, . . . . . . . . . . (8) worin l obige und b die dem rechten Winkel anliegende Kathete bezeichnen. Verbindet man endlich die beiden Endpunkte der Kathete a durch Verlängerung zweier Radien der Welle, so daſs ein neues Dreieck entsteht, dessen rechter Winkel mit jenem des vorigen auf derselben Seite liegt, und nennt den Centriwinkel β, dann wird: a=(r+h)\,sin\ \beta, . . . . . . . . . . (9) wenn (r + h) die Entfernung des Bandendes vom Wellenmittel bezeichnet.Hier denkt man sich wie früher das Band nicht um die Welle gelegt, sondern in schiefer Richtung zu derselben – etwa tangential – ausgespannt. Ist die Inanspruchnahme der Welle von der Art, daſs die Winkel α und β ihrer Gröſse nach sich ändern, etwa kleiner werden, nennt man diesfalls die neuen Winkel α1 und β1, sowie die diesem Dreiecke entsprechende Hypotenuse und Kathete l1 bezieh. a1 dann ist, nachdem b und (h + r) constant bleiben: {a_1}^2={l_1}^2-b^2 . . . . . . . . . . . (10) und a_1=(r+h)\,sin\ \beta_1 . . . . . . . . . (11) Subtrahirt man Gl. (11) von (9), so folgt a – a1 = (r + h) (sin β – sin β1), und wenn der letzte Ausdruck der rechten Seite dieser Gleichung mit sin ῳ bezeichnet wird: sin\,\omega=\frac{a-a_1}{(r+h)} . . . . . . . . (12) Aus Gleichung (8) und (10) folgt aber l2 = a2 + b2 und l12 = a12 + b2; demnach ist 12 – l12 = a2a12. Substituirt man für den linksseitigen Ausdruck dieser Gleichung den in Gleichung (7) aufgenommenen Werth und setzt a12 = a2dl2, so wird nach Gleichung (12): sin\,\omega=\frac{a+dl^2}{r+h}-\frac{a^2}{r+h} . . . . . . . (13) Diese Formel dient also zur Bestimmung des Torsionswinkels ῳ, aber nur dann, wenn die Anzahl der Schwingungen, welche der Anfangsspannung des Bandes entspricht, jener der Stimmgabel gleich war, d.h. wenn beide gleiche Tonhöhe hatten. Der Einfluſs der Temperatur auf das Band während der Versuchsdauer ist von so geringer Bedeutung, daſs ohne Bedenken davon abgesehen werden kann. Auf Grund vorliegender Entwicklung, ist das nachstehend beschriebene und auf Taf. 28 in Fig. 1 bis 5 in angenähert ⅓ n. Gr. abgebildete Instrument construirt. Auf einer Welle A befinden sich die Backen B1, B2 und B3 mittels Flügelschrauben s und Kette (Fig. 4) derartig festgeschraubt, daſs eine Verschiebung unmöglich ist. Die Kette bezweckt, alle vorkommenden Durchmesser zu umspannen. Der Backen B3 ist mit der Spannschraube s1 versehen, deren Klemmbacken g zwei zwischen den Schneiden der Stifte i hindurchgeführte Stahlbänder B festhalten; letztere sind an den Backen B1 so um die Trommeln T geschlungen, daſs sie durch im Innern derselben befindliche Spiralen selbstthätig aufgewunden werden; damit die Bänder B gleiche Spannung erhalten, sind die Trommeln T so durch einen Doppelhebel o verbunden, daſs sie, sobald der Binder v (Fig. 2) aufgelegt und dergestalt ein ferneres Abwickeln unmöglich gemacht ist, um eine gemeinschaftliche Achse balanciren. Haben die Bänder B die der beigegebenen Stimmgabel entsprechende Spannung, so zieht man die Schraube s an dem Backen B1 fest an, um jede weitere Bewegung der Trommeln T hintanzuhalten. Der Backen B2 ist mit einem Glascylinder z versehen, welcher durch die Querschiene N (Fig. 2 und 5) und Schraube s0 an die rückwärts befindliche Scheibe J gepreſst wird und von einer im Innern des Cylinders angebrachten Spirale F in Umdrehung versetzt werden kann. Das Gewinde der Welle e (Fig. 2 und 3) bewirkt, daſs sich der aus den Theilen z, J, N und F gebildete Mechanismus nach 6 maligem Umgange so weit zurückgeschraubt hat, daſs die Nabe von N am Lager der Welle w (Fig. 2) festsitzt. Durch Drehen an der Kurbel k nimmt das Ganze seine frühere Stellung wieder ein. Damit jedoch die Spirale F den Cylinder z in Umdrehung versetzen kann, ist sie mit dem inneren Ende auf der hohl gehaltenen Welle w so befestigt, daſs sich letztere zwar herausschiebt, doch an einer Drehung durch die Schraube r (Fig. 2) gehindert wird. Diese Schraube muſs beim Rückwärtsdrehen und Anspannen der Feder F offen gehalten werden. Die Kurbel k ist mit einem Sperrhaken f versehen, der sich an die verticale Rippe des Backens B2 anlegt und auf diese Weise das Ablaufen der gespannten Feder F verhütet, so lange nicht die Schraube r angezogen ist. Der Schieber h (Fig. 2) verbindet z bezieh. J mit e in seiner jetzigen Stellung, läſst aber nach dem Herausziehen diese los, so daſs also die Rückschraubung von w bezieh. e ohne Drehung von z erfolgen kann, wodurch die Feder F um die vorhin abgelaufene Strecke wieder angezogen wird. Das Herausnehmen und Einsetzen des Cylinders z erfolgt, indem man die Schraube s0 lüftet und w zurückzieht, wodurch zwischen e und w eine Oeffnung entsteht, groſs genug, um den Cylinder der Länge nach hindurch zu lassen. Ein Anker a (Fig. 1 und 3), welcher sich zwischen die Bänder B legt, diese also ausspannt und durch rasches Zurückfallen in Schwingungen versetzt, ist drehbar an B2 befestigt und für diesen Zweck mit einer Feder f0 versehen. Der Stift, welchen die Nase n (Fig. 1) unterstützt, hält bei Beginn des Versuches den Anker gespannt. Zwei sehr zarte Stahlspitzen sind auf den Bändern B so verschiebbar befestigt, daſs sie den berufsten Glascylinder an der tiefsten Stelle berühren und während seiner Rückwärtsbewegung wellenartige Linien zeichnen, deren Form von den Schwingungen der Bänder abhängig ist. Sie laufen zu einander parallel spiralartig um den Cylinder und haben eine Längenausdehnung von je beiläufig 612mm. Damit diese Wellenlinien vollkommen rein ausfallen, muſs der Backen B2, ebenso die Stahlspitzen, genau in der Mitte der schwingenden Bandstücke, d. i. der Theil zwischen den vier Stiften i, liegen. Zur leichteren Aufstellung des Instrumentes benutzt man die untergelegte Meſsstange M, welche zu beiden Seiten mit Centimetertheilung versehen ist und deren Schieber b (Fig. 1) für den gewünschten Abstand eingestellt werden müssen. Je zwei Spitzen in den Schiebern b bewirken, daſs diese Meſsstange durch bloses Auflegen auf die Welle parallel zu derselben wird und das Instrument stets genau in dieselbe Ebene fällt. Die gröſste zulässige Entfernung der beiden Backen B1 und B3 ist 500mm, die kleinste noch brauchbare dagegen 240mm; der Abstand beider Schreibstifte bleibt in jedem Falle derselbe. Ueber die Art der Anwendung dieses Instrumentes bleibt kaum etwas zu sagen; nur soviel sei noch bemerkt, daſs das an einer guten Expansionsdampfmaschine damit erzielte Torsionsdiagramm die Form zweier mit der Vorderseite zusammenstoſsender, um eine Atmosphäre verminderter Dampfdiagramme hat, von denen das erste der gröſsten, das zweite der kleinsten Füllung – nahezu – entspricht. Es steigt nämlich in einer concaven Curve rasch an, geht dann bis etwas über die Mitte der Länge zur Abscisse parallel und fällt in einer Geraden ab. Der Torsionseffect erreicht also während einer vollführten Umdrehung der Kurbel zweimal ein Maximum und zweimal die Gröſse Null, vorausgesetzt, daſs die Masse des Schwungringes nicht zu groſs oder zu klein war, in welchem Falle dann trotz sonst richtiger Indicatordiagramme kein stetiger Verlauf des Torsionsdiagrammes erzielt wird, ja bei nicht richtiger Dampfvertheilung sogar eine negative Gröſse oder mehr als zwei Nullpunkte sich einfinden. Bei Berechnung des Torsionsdiagrammes hat man zu beachten, daſs die im frühern gegebene Formel nur für das der gröſseren Schwingungszahl angehörige Band gilt. Nach Beendigung des Versuches theilt man die Oberfläche des Glascylinders mit dem beigegebenen Streicher in eine Anzahl Abtheilungen, deren Längsseite der Cylinderachse parallel läuft, übergieſst ihn dann mit Firniſs und läſst gut abtrocknen. In diesen Rechtecken zählt man dann zwölf quer durchlaufende Wellenlinien, von denen je die erste und siebente, die zweite und achte u.s.w., endlich die sechste und zwölfte als zusammengehörig zu betrachten sind. Die halbe Summe je zweier zusammengehörigen Wellenlinien ist gleich der dieser Strecke zugehörigen Anzahl Gabelschwingungen, während der Ueberschuſs der gröſseren Schwingungszahl diesem in der Berechnung gegenübersteht, also das Mitschwingen der Stimmgabel gar nicht nöthig ist. Meine derzeitige Stellung gestattet mir nicht, umfangreichere Versuche mit dem beschriebenen Instrumente vorzunehmen. Hoffentlich trägt diese Veröffentlichung dazu bei, daſs mein Tasimeter von berufenen Kreisen eingehender geprüft und beurtheilt werde

Tafeln

Tafel Tafel 28
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