Titel: Ueber die auf einem benetzten Körper verdichtete Flüssigkeitsmenge; von A. Schleiermacher.
Autor: A. Schleiermacher
Fundstelle: Band 234, Jahrgang 1879, S. 471
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Ueber die auf einem benetzten Körper verdichtete Flüssigkeitsmenge; von A. Schleiermacher. Schleiermacher, über die Oberflächenverdichtung von Flüssigkeiten. Zum Zwecke der Herstellung von Normalgewichten hat man bekanntlich zahlreiche Untersuchungen über das Gewicht der Volumeinheit Wasser ausgeführt. Diese Messungen haben aber trotz eines ungewöhnlichen Aufwandes von Mühe und Sorgfalt den daraus abgeleiteten Werth des Kilogrammes nur bis auf einen wahrscheinlichen Fehler von ±76mg feststellen können; die Maximaldifferenz zwischen den einzelnen Bestimmungen beläuft sich sogar auf etwa 900mg. Sämmtliche Bestimmungen, aus denen die Werthe des Kilogrammes sich ergeben, sind aus hydrostatischen Abwägungen genau ausgemessener Körper hergeleitet. Nun ist aber bekanntlich der Zustand einer Flüssigkeit an der Grenzfläche gegen eine feste Wand ein anderer als im Inneren. Während die Theilchen im Inneren der Flüssigkeit von allen Seiten gleich beeinfluſst werden, sind die an der Berührungsfläche mit der festen Wand befindlichen Theilchen auch der Einwirkung ausgesetzt, welche von der Wand ausgeht. Ueberwiegt nun die Anziehung der festen Theilchen die zwischen den flüssigen bestehende, so wird sich längs der Oberfläche des festen Körpers eine Schicht verdichteter Flüssigkeit bilden, deren Gewicht bis jetzt unberücksichtigt gelassen wurde. Aus den Berichten über die Herstellung des neuen englischen Urpfundes berechnet nun A. Schleiermacher (Annalen der Physik und Chemie, 1879 Bd. 8 S. 52) den Werth des Verdichtungscoefficienten für Wasser in Messing zu β = 0,00092 g/qc. Die einzelnen Werthe des Kilogrammes werden von dem Einflüsse der Oberflächenverdichtung befreit, wenn man zu jedem derselben die ihm entsprechende Correction \frac{o}{v}\,\beta addirt. In der folgenden Tabelle ist in der zweiten Spalte die Gestalt des hydrostatischen Körpers, in der dritten und vierten sein Volum und seine Oberfläche, in der fünften das Verhältniſs o : v dieser beiden Gröſsen, in der folgenden der aus den einzelnen Bestimmungen hervorgehende Werth des Kilogrammes, und zwar als Ueberschuſs über Gestalt Volum Ober-fläche \frac{o}{v} Werthvon 1k Corrigirt cc qc g g England Würfel   2046   968 0,473 +0,555 +0,990 Desgleichen Kugel   1850   729 0,394 +0,555 +0,917 Desgleichen Cylinder   1234   648 0,526 +0,334 +0,817 Frankreich Desgl. 11264 2784 0,247 ±0,000 +0,227 Schweden Desgl   1234   648 0,526 +0,296 +0,779 Oesterreich Desgl.     387   294 0,760 –0,348 +0,350 Ruſsland Desgl.     822   486 0,592 –0,065 +0,478 Desgleichen Desgl.     402   301 0,750 +0,041 +0,729 –––––––––––––––––––––– Mittel +0,171 +0,661 das Kilogramm der französischen Bestimmung, welches zu 1000g angenommen ist, und in der letzten Spalte die nach dem berechneten Werthe von β corrigirten Werthe des Kilogrammes angegeben. Der Mittelwerth aller Kilogrammbestimmungen würde somit durch die Correction wegen der Oberflächenverdichtung von 1000g,171 auf 1000g,661 steigen, der Werth von β, wenn man die einzige österreichische Bestimmung wegläſst, von + 0,00092 g/qc auf + 0,0003 g/qc fallen. Der mittlere Fehler der einzelnen Bestimmungen vermindert sich durch die Correction von ±318 auf ±276mg. Die groſsen Unterschiede der verschiedenen Kilogrammbestimmungen können daher nicht auf die Flüssigkeitsschichten zurückgeführt werden, welche die eingetauchten Körper auf ihrer Oberfläche verdichten. Schleiermacher zeigt ferner, daſs die Dicke der verdichteten Schicht für Wasser und Glas keinesfalls 0mm,001 beträgt. Bei der Bestimmung des specifischen Gewichtes einer Flüssigkeit ist es gestattet, wenn man sich mit einer Genauigkeit von 0,002 Proc. begnügt, den Einfluſs der Verdichtung zu vernachlässigen, möge die Bestimmung mit dem Pyknometer oder durch hydrostatische Wägung ausgeführt werden, da die Verdichtungscoefficienten für Glas, Platin, Silber u.s.w. höchstens von der Ordnung 0,00001g/qc sind, wie die Versuche Schleiermacher's zeigen.