Titel: Analyse und Eigenschaften des Guslitzer Hopfens.
Autor: C. O. Cech
Fundstelle: Band 237, Jahrgang 1880, S. 158
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Analyse und Eigenschaften des Guslitzer Hopfens. Cech, über den Guslitzer Hopfen. In der deutschen Literatur finden sich bis jetzt keine Mittheilungen über russische Hopfenarten. Ja selbst in der russischen Literatur gibt es auſser den wenigen verdienstvollen Nachrichten über russischen Hopfenbau von dem Professor der Botanik N. J. Shelesnoff N. J. Shelesnoff: Ueber die Verbreitung des Hopfens in Mittel-Ruſsland (russ.), Moskau 1851. und von R. J. Schröder R. J. Schröder: a) Der Hopfenbau in Ruſsland und im Aulande (russ.), Moskau 1873. b) Der Hopfenbau in Böhmen (russ.), Moskau 1874. c) Bericht über den Stand und die Erfolge des Hopfenbaues in Guslitz (russ.), Moskau 1878. keine Anhaltspunkte zur Beurtheilung des russischen Hopfens, dieser für die in stetem Wachsen befindliche russische Brautechnik (jährlich 16 Mill. Wedro Bier) so hochwichtigen Handelspflanze. Der Hopfen wächst nach Ledebour und Gmelin im ganzen westlichen, südlichen und südöstlichen Ruſsland, ja selbst in Sibirien bis zum 620 n. B. Nach Pallas kommt er sehr häufig namentlich in den Gebirgen des Altai und Ural vor. Im Kaukasus findet er sich in groſsen Mengen und wird ebenso wie der im übrigen Ruſsland wachsende wilde Hopfen zur Fabrikation niedriger Biersorten, zum Brodbacken und zur Darstellung des nationalen Getränkes der „braga“ (jährlich 20 Mill. Wedro) verwendet. In meiner UntersuchungC. O. Cech: Untersuchung des wilden kroatischen Hopfens. Bulletin de la Société imperiale des naturalistes à Moscou, 1880. (Vgl. 1878 230 438.) über die wilden Hopfenarten von Südösterreich, die ich unter dem Collectivnamen „wilder kroatischer Hopfen“ beschrieben habe (vgl. 1878 230 438), wurde hervorgehoben, daſs der im Kaukasus wild wachsende Hopfen in seinen Eigenschaften, namentlich durch seinen hohen Lupulin- und Gerbsäuregehalt den südösterreichischen wilden Hopfenarten sehr nahe steht. Dieser im Süden wachsende wilde Hopfen unterscheidet sich von dem in Mittel- und Nordeuropa vorkommenden auſser seinem verhältniſsmäſsig hohen Lupulin- und Gerbsäuregehalt, auſserdem dadurch, daſs er ein angenehmes, wenn auch schwächeres Aroma als edler bayerischer Hopfen besitzt und in keiner Weise den bekannten Knoblauchgeruch des lupulinlosen, nördlichen Wildhopfens aufweist. Der Hopfen wird in Ruſsland in dem Moskauer, Kasaner, Nishegoroder und Wolyner Gouvernement, bei Kostroma, an der Wolga und an vielen anderen Orten Mittelrufslands in sehr primitiver Weise gebaut und zu dem billigen Preise von 2 bis 5 Rubel das Pud theils im Inlande verbraucht, theils zum „Verschneiden“ ausländischen edlen Hopfens ausgeführt. Als eigentlicher charakteristischer Repräsentant des mittelrussischen Hopfens ist der Guslitzer Hopfen (Moskauer Gouvernement) anzusehen, dessen Kultur nach Shelesnoff bereits i. J. 1823 jährlich etwa 25 000 Pud ergab. Die Qualität dieses Hopfens ist je nach dem Ursprung der Hopfenpflanze und deren Behandlung sehr verschieden. In den letzten 10 Jahren wurden für 1 Pud Guslitzer Hopfen von 3 bis 25 Rubel gezahlt. Die wilden, unkultivirten, an Samen reichen Guslitzer Hopfendolden ähneln dem wilden südösterreichischen Hopfen-, nur haben sie einen scharfen, unangenehmen Geruch und weniger Lupulin, während der wilde kroatische Hopfen ein angenehmes Aroma und einen bemerkenswerth hohen Lupulingehalt aufweist. Die Vegetationskraft des wilden und des kultivirten Guslitzer Hopfens ist in Folge der groſsen Menge organischer Bestandtheile in dem sandigen Schwarzerdeboden (tschernozjom) eine hervorragende. Es wird bis jetzt in Guslitz noch stellenweise wilder Hopfen gebaut, welcher, wie bereits erwähnt worden ist, dem wilden südösterreichischen Hopfen an Qualität nachsteht und dessen Preis auch nur 3 bis 5 Rubel das Pud beträgt, während der wild südösterreichische Hopfen 20 bis 35 Gulden für 50k zu kosten pflegt und ausnahmsweise, zur Fabrikation der herben englischen Pale Ale-Biere ausgeführt, bedeutend höhere Preise erzielt. Das in Guslitz aus Saazer und bayerischen Setzlingen, ferner aus Spalter und Schwetzinger Frühhopfen erzielte Product kann als ein sehr gutes bezeichnet werden und einzelne Sorten Guslitzer Hopfens aus bayerischen und Saazer Hopfenpflanzen gleichen dem besten bayerischen Originalhopfen; nur ist das Hopfenmehl des Guslitzer Hopfens etwas blässer als jenes des echten bayerischen Hopfens. Der Güte des Hrn. R. J. Schröder in Petroffsko-Rasumoffskoe verdanke ich eine Probe des Guslitzer Hopfens aus dem J. 1879. Derselbe stammte aus den Hopfenplantagen von Sloboditze, 10 Werst von der Station Konobaefka der Moskau-Rjasaner Bahn. Die Untersuchung dieses Hopfens ergab, daſs derselbe zu den besten bis jetzt in Ruſsland erzielten Sorten gehört. Seine Dolden sind grüngelb, eiförmig, klein, die Doldenblätter anschlieſsend, die Spindeln kurz und dünn, die Stiele fein. Die Dolden enthalten viel Hopfenmehl und sind sehr reich an Harz, haben jedoch ein etwas schwächeres Aroma als die besten bayerischen Originalsorten. Der wässerige Auszug zeigt eine gelblich röthliche Farbe, beim Eindampfen färbt er sich nicht so intensiv roth, wie der Auszug wilden südösterreichischen Hopfens, wahrscheinlich in Folge seines geringeren Gerbsäuregehaltes. Der alkoholische Auszug ist dunkelgelb und scheidet mit Wasser ziemlich viel Harz aus. Die Decocte des Guslitzer Hopfens zeigen mit Malzextract keinen massenhaften Niederschlag; ebenso ist mit Eisenchlorid keine so starke Fällung bemerkbar als bei dem an Gerbsäure reichen Hopfen Südösterreichs. Die Prüfung auf Gerbsäure ergab einen Gehalt von 3,4 Proc. Der Hopfen enthielt keinen Samen, obzwar in den Guslitzer Hopfenfeldern, trotz der sorgfältigsten Entfernung der männlichen Pflanzen, dennoch häufig Samenbildung angetroffen wird, die wahrscheinlich eine Folge von gleichzeitigem Auftreten weiblicher und männlicher Blüthen an einer und derselben Hopfenpflanze sein durfte. Die aus Guslitzer Hopfen gebrauten Biere gehören nicht zu den hochfeinen, sind jedoch sehr angenehm trinkbar und haltbar. Der gut getrocknete Hopfen enthält in 100 Theilen: Hopfenmehl 14,50 Schuppen, Bracteen 69,00 Fruchtknoten   2,10 Stiele 12,00. Da die mechanische Analyse nie ganz verläſsliche Resultate geben kann und auch der Wassergehalt des bei 30° getrockneten Hopfens in Abzug zu bringen ist, so beträgt der eigentliche Lupulingehalt im Guslitzer Hopfen, verglichen mit den besten bayerischen Sorten, 8 bis 10 Proc. Aus dem Mitgetheilten ergibt sich, daſs der Guslitzer Hopfen mit der Zeit, namentlich nach Einführung von Setzlingen des Spalter und Schwetzinger Frühhopfens, ein sehr brauchbares, wenn auch nicht hochfeines Product liefern wird. Bis jetzt hat man bei der Beurtheilung der Eigenschaften des zu erzielenden Hopfens in solchen Gegenden, wo derselbe früher nicht gebaut wurde, gar keine festen Anhaltspunkte gehabt. Auſser der geographischen Lage der Gegend, wurde das hauptsächlichste Gewicht auf die guten Eigenschaften der zum Anbau verwendeten edlen Hopfensetzlinge gelegt. Ich jedoch lege den meisten Werth auf eine genaue Feststellung der Unterschiede zwischen der chemischen Zusammensetzung des Saazer Hopfenbodens und der zu prüfenden neuen Hopfengegend. Ist von Natur aus der Boden eines Hopfenfeldes zu reich an organischen Stoffen, wie dies in der ganzen Umgebung von Guslitz der Fall istVgl. Russische Landwirthschaft (russ.), Moskau 1874 S. 100., so ist dies kein Hinderniſs zur Entfaltung einer guten Hopfenkultur, da die im Ueberfluſs vorkommenden organischen Bodenbestandtheile bei dem groſsen Anspruch der Hopfenpflanze auf Bodennährstoffe schon nach wenigen Ernten erschöpft sind. Fehlen jedoch dem auf seine Fähigkeit zur Production guter Hopfensorten zu prüfenden Boden mineralische Bestandtheile, die dem Saazer Hopfenboden sein charakteristisches Gepräge geben, so können dieselben in vielen Fällen leicht in Form von Dungmitteln dem Boden einverleibt werden. Auſser der geographischen Lage der Gegend und der chemischen Zusammensetzung des Bodens ist noch auf die mittlere Jahrestemperatur und auf die mittlere Menge atmosphärischer Niederschläge Rücksicht zu nehmen. Den besten Beweis für diese Anschauung liefert der aus bayerischen Hopfensetzlingen im Moskauer und Wolyner Gouvernement erzielte Hopfen. Ein Vergleich der besten Hopfenböden von Saaz und Guslitz ergibt, daſs bei nahezu gleicher Menge von mineralischen Stoffen der Guslitzer Boden bedeutend mehr organische Bestandtheile aufzuweisen hat. Dieser Umstand im Vereine mit der anhaltend feuchten Luft, zahlreichen atmosphärischen Niederschlägen und einem heiſsen Hochsommer bewirkt eine derartig kräftige Vegetation der Hopfenpflanze, daſs hieraus eine Beeinträchtigung in Bezug auf die Güte des Hopfens namentlich auf die Menge des ätherischen Oeles und Harzes entsteht. Die von mir und mehreren anderen Fachgenossen gemeinschaftlich in Angriff genommene analytische Untersuchung der Böden der Schwarzerdezone von Mittel- und Südrufsland wird ein anschauliches Bild über jene Gegenden Ruſslands liefern, deren Bodenzusammensetzung am meisten dem Saazer Boden nahe kommt und deren mittlere Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur am meisten den meterologischen Verhältnissen von Saaz entspricht. Die mineralischen und organischen Bestandtheile der Böden von Saaz und Guslitz weisen folgende Verschiedenheiten auf: In 1000 Theilen des Bodens sind enthalten Boden vonGuslitz(Ruſsland) Boden vonSaaz(Böhmen) Mineralische Bestandtheile 915,850 940,490 Organische Bestandtheile   74,900   23,150 Chemisch gebundenes Wasser     9,250   36,360 In Salzsäure lösliche Bestandtheile   34,960   96,830 Kieselsäure 869,605 656,970 Schwefelsäure     0,315     2,090 Kohlensäure   10,160 Phosphorsäure     1,185     1,480 Eisenoxyd     7,250   41,360 Thonerde   28,305 155,750 Manganoxyd     1,230 Kalk     6,055   24,360 Magnesia     1,135   11,700 Kali     0,360     1,560 Natron     0,180     0,460 Organische Verbindungen und chem. gebundenes Wasser   84,150   59,620 Bei gewissenhafter Pflege der Hopfenpflanzen edler Abstammung, sowie bei stetiger Abnahme der organischen Bestandtheile des Guslitzer Bodens ist mit Bestimmtheit eine Verbesserung des Productes zu erwarten. Ein auffallender Unterschied zwischen den mineralischen Bestandtheilen des Saazer und Guslitzer Bodens besteht einzig und allein darin, daſs der Guslitzer Boden weniger Schwefelsäure, Eisenoxyd, Kalk, Kali und Natron enthält. Da diesen Bestandtheilen des Saazer Bodens wohl eher eine Rolle im Ernährungsproceſs der Hopfenpflanze zugeschrieben werden dürfte als der Magnesia oder dem Thon, so liegt zugleich darin ein Fingerzeig, in welcher Richtung die Bodenverbesserung der russischen Hopfenböden zu erfolgen hat und welche Düngmittel bei den Schwarzerdeböden anzuwenden sind, um bei den entsprechenden günstigen meteorologischen Verhältnissen der mittel- und südrussischen Schwarzerderegion einen Hopfen zu erzielen, welcher dem bayerischen nahe oder gleich kommt. St. Petersburg, Mai 1880. Dr. C. O. Cech.