Titel: Versuche, Ferrocyannatrium fabrikmässig darzustellen; von S. Tanatar in Odessa.
Fundstelle: Band 237, Jahrgang 1880, S. 234
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Versuche, Ferrocyannatrium fabrikmäſsig darzustellen; von S. Tanatar in Odessa. Tanatar, über fabrikmäſsige Darstellung von Ferrocyannatrium. Bekanntlich wurde Potasche in den meisten Industriezweigen durch die weit billigere Soda verdrängt; doch ist es bis jetzt nicht gelungen, in der Blutlaugensalzfabrikation den Gebrauch der theueren Potasche zu umgehen und statt Ferrocyankalium Ferrocyannatrium herzustellen, welches doch in allen Fällen das jetzt gebräuchliche Blutlaugensalz ersetzen könnte. Die längst bekannte Erfahrung, daſs Thierkohle, mit Soda geschmolzen, kein Cyan bildet, kann ich bestätigen; bei wiederholten Schmelzungen einer Thierkohle, die mit Potasche reichlich Blutlaugensalz gab, bildeten sich mit Soda nur Spuren von Ferrocyannatrium. Ich habe mich durch Versuche mit reinem Cyannatrium überzeugt, daſs es durch Digeriren in alkalischer Lösung mit frisch gefälltem Eisenoxydul leicht und vollständig in Ferrocyannatrium übergeht. Soda hat also nicht die Eigenschaft mit dem Kohlenstoff und Stickstoff der Thierkohle Cyan zu bilden. Gewöhnlich wird die Bildung von Cyan beim Schmelzen der Thierkohle mit Potasche so erklärt, daſs Kohlenstoff und Stickstoff durch die Gegenwart des freien metallischen Kaliums zur Verbindung veranlaſst werden, oder (nach Berthelot) es verbindet sich zuerst Kalium mit Kohlenstoff zu Acetylenkalium (C2K2), welches dann Stickstoff in der Glühhitze aufnimmt. Jedenfalls wäre die Bildung des freien metallischen Kaliums die Hauptbedingung für die Entstehung zunächst von Cyankalium, welches dann bei weiterer Behandlung der Schmelze in Blutlaugensalz übergeht. Es wäre also zu erwarten, daſs in allen Fällen, wo dieses Metall frei in Gegenwart von Kohlenstoff und Stickstoff auftreten kann, Cyankalium entstehen muſs. Zur Untersuchung der Frage, ob sich in allen diesen Fällen wirklich Cyankalium bildet, ob die Entstehung des Cyankaliums ausbleibt, wenn die Bedingungen zum Auftreten des freien Kaliums nicht vorhanden sind, und wie sich in parallelen Fällen die Natriumverbindungen verhalten, habe ich eine und dieselbe Thierkohle (Carbo animalis ex sanguine – von Trommsdorff) mit Verbindungen von Kalium und Natrium nebst verschiedenen reducirenden Zusätzen geschmolzen und die Menge des sich dabei bildenden Cyanmetalles, nach Ueberführung in Ferrocyankalium bezieh. Ferrocyannatrium, bestimmt. Es hat sich ergeben, daſs auch Natrium Verbindungen die Fähigkeit besitzen, Cyan zu bilden, und in gewissen Fällen noch stärker wirken als die betreffenden Kaliverbindungen. Aus meinen Versuchen glaube ich auch folgern zu können, daſs nicht das Auftreten des freien Alkalimetalles die Ursache der Cyanbildung ist, weil in manchen Fällen, wo diese Alkalimetalle nicht in nennenswerther Menge entstehen können, doch groſse Mengen Cyan auftreten. Hier will ich nur diejenigen Versuche mittheilen, welche mich zur Auffindung eines Satzes führten, mit dem die Bildung reichlicher Mengen von Cyannatrium und Ferrocyannatrium sich erzielen läſst. 10g Thierkohle ergaben im Mittel von 3 bis 5 Versuchen:   1) Mit 25g K2CO3 geschmolzen 2,15g Ferrocyankalium   2) 25g kohlensaurem Natron-Kali 1,87   3) 25g KCl und 5g K2CO3 1,72   4) 25g NaCl und 5g K2CO3 1,81   5) 25g KCl. 0,4   6) 25g KCl und 5g CaCO3 1,2   7) 25g KCl und 5g Na2CO3 1,6   8) 25g KCl, 5g Na2CO3 und 3g CaCO3 2,0   9) 25g Na2CO3 0,2 Ferrocyannatrium 10) 25g NaCl 0,2 11) 25g NaCl und 5g CaCO3 1,22 12) 25g NaCl und 5g Na2CO3 2,17 13) 25g NaCl, 5g Na2CO3 und 3g CaCO3 2,3 (Bei allen Versuchen wurde noch 10 bis 15 Proc. der Mischung Guſseisenspänezugesetzt.) Bei allen Versuchen mit Chloralkalien allein, ohne Zusatz von Eisen, entstehen nur Spuren von Cyan. Einige Versuche in gröſserem Maſsstabe, wobei je 1k Wollzeug mit Potasche und mit der Mischung Nr. 12 und 13 in guſseisernen Kesseln geschmolzen wurden, gaben sehr günstige Resultate, indem mit diesen Mischungen sich sogar mehr Cyanmetall bildet als mit Potasche. Leider steht der Fabrikation von Ferrocyannatrium noch entgegen, daſs die Trennung dieser Verbindung aus der Schmelze durch Krystallisation sehr schwer ist. Vielleicht läſst sich eine technisch verwerthbare Methode zur Trennung dieses Salzes finden und dann ist kein Grund zu ersehen, weshalb es nicht das Ferrocyankalium verdrängen sollte. Chemisches Laboratorium der Universität Odessa, Mai 1880.