Titel: Technisch-chemische Notizen von G. Lunge.
Autor: Georg Lunge [GND]
Fundstelle: Band 238, Jahrgang 1880, S. 69
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Technisch-chemische Notizen von G. Lunge. Lunge, technisch-chemische Notizen. Zur Aufklärung einiger streitiger Fragen habe ich im technischchemischen Laboratorium des Züricher Polytechnikums unter meiner Aufsicht verschiedene Versuche anstellen lassen, deren Resultate hiermit in Kürze berichtet werden. Zersetzung von Natriumsulfat durch Kalk. Die früheren Versuche in dieser Richtung sind in meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 2 S. 289 beschrieben. Das dort erwähnte Verfahren von Hunter, welcher durch Druck die Reaction vollständiger machen will, ist von Tessié du Motay in Frankreich noch einmal als neu patentirt worden (Nr. 92312 vom 26. Juli 1871) mit der Behauptung, man könne bei Anwendung von 2 bis 20at Druck 75 bis 80 Procent des Sulfates zersetzen. Alle näheren Angaben fehlen. Zur Controle des Verfahrens hat Hr. Reisz eine Reihe von Versuchen gemacht, um den Einfluſs verschiedener Drucke, d.h. zugleich Temperaturen, verschiedener Wassermengen und verschiedener Kalkmengen zu studiren. Der Druck wurde nur durch die Temperatur im Schieſskasten, also ziemlich roh, bestimmt. Zu den Versuchen wurden schwer schmelzbare Gasröhren verwendet, welche freilich unter diesen Umständen etwas angegriffen wurden und keinen höheren Druck als etwa 5at (nur in einem Falle etwas höher) aushielten. Wenn die Sache einer näheren Untersuchung verlohnte, so würde man jedenfalls in metallenen Gefäſsen arbeiten müssen. Nach Beendigung der Versuche wurde filtrirt, Kohlensäure in die Lösung eingeleitet, gekocht, um Calciumbicarbonat zu zersetzen, und das Filtrat alkalimetrisch titrirt. Ganz genaue Resultate waren eben wegen des Angriffes auf das Glas selbst hier nicht zu erwarten; aber sie reichen unbedingt hin, um zu zeigen, daſs bis zu 5at die Zersetzung eine viel zu unvollständige ist, als daſs sie praktisch verwerthet werden könnte. A) Versuche bei gewöhnlichem Luftdruck, angestellt durch 48stündiges Kochen im offenen Kolben mit Rückfluss des verdampften und condensirten Wassers. Hier wie im folgenden zeigt die letzte Spalte, wie viel Procent des angewendeten Natriumsulfates umgewandelt, hier also in Natronhydrat übergeführt worden waren: Gewichtstheile Betragder Zersetzung Na2SO4 CaO H2O 1 1   15           6,55 Proc. 1    1,1   30   9,64 1    1,1   90 20,93 1 1   90 19,88 1 1 180 28,82 Eine einigermaſsen weiter fortgeschrittene Umwandlung ist also erst bei Verdünnungsgraden zu erreichen, welche an sich jede praktische Verwerthung ausschlieſsen. B) Versuche bei höherer Temperatur und Druck, angestellt durch 10 bis 12stündiges Erhitzen in zugeschmolzenen böhmischen Glasröhren: Temperatur Druck Gewichtstheile Zersetzung Sulfat Kalk Wasser Proc.   130 bis 140° 2 bis 3at 1 1   6   3,13 130 bis 145 2 bis 3,5 1 1 10 11,2 150 bis 175 5 bis 8,5 1 1 25 31,7 150 5 1 1 50 23,49 150 5 1 2 50 23,91 140 bis 150 4 bis 5 1   1,1 10   13,88. Auch hier ist also die Zersetzung eine so unvollständige, namentlich bei mäſsigen Verdünnungsgraden, daſs an praktische Verwerthung der Reaction nicht zu denken ist. Versuche bei noch höherem Drucke würden vielleicht weiter gehende Zersetzung ergeben, aber sicher nur, wie obige Versuche zeigen, wenn man in verdünnten Lösungen arbeitet, was, zusammen mit dem Hochdruck, viel zu groſse Kosten und Umstände verursachen dürfte. Zersetzung von Natriumsulfat durch Bariumcarbonat und Aetzkalk. Wie in meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 2 S. 292 bezieh. 982 erwähnt, hatte Hill gefunden, daſs durch Kochen von Natriumsulfat mit gleichen Aequivalenten von Bariumcarbonat und Kalk unter Druck das erstere vollständig zersetzt und in Aetznatron übergeführt werde, während Wartha, der ganz unabhängig davon die gleiche Reaction auffand, angibt, daſs die Zersetzung schon durch Kochen in offenen Gefäſsen vollständig vor sich gehe. Die Versuche von Wartha, welche mir nur durch briefliche Mittheilung desselben bekannt waren, sind seitdem in ungarischer Sprache veröffentlicht worden, ohne daſs die deutschen Fachjournale etwas darüber gebracht hätten. Auf mein Ansuchen hat Hr. Prof. Wartha freundlichst gestattet, daſs das Verfahren in meinem Laboratorium untersucht werde, was Hr. Fries übernommen hat. Die Versuche wurden angestellt: 1) mit nass gefälltem Bariumcarbonat, 2) mit fein gepulvertem natürlichem Witherit, – das erste, um zunächst unter den günstigsten Verhältnissen für eine vollständige Reaction zu arbeiten, wie sie durch die viel feinere Zertheilung und gröſsere Angreifbarkeit des gefällten BaCO3 gegeben sind; das zweite, um sich den Bedingungen einer praktischen Verwerthung mehr anzunähern. Die Mengenverhältnisse des gefällten BaCO3 wurden so bestimmt, daſs man eine gewogene Menge ganz reinen krystallisirten Witherits in Salzsäure auflöste, mit Soda fällte, auswusch und den breiigen Niederschlag mit einer gewogenen Menge von Natriumsulfat und Wasser je 5 bis 6 Stunden lang kochte; dann wurde verdünnt, filtrirt, ausgewaschen, das Filtrat mit Kohlensäure behandelt, gekocht, wieder filtrirt und alkalimetrisch titrirt. Die Zahlen der drei ersten Spalten in folgender Tabelle bedeuten hier nicht Gewichtstheile, sondern Aequivalente, die Wasser mengen der vierten Spalte dagegen die Gewichtstheile Wasser auf je 1 G.-Th. Sulfat. Gekocht wurde stets, wie bei Wartha, ohne Druck, aber mit Rückfluss des entweichenden Wassers. Aequivalente von G.-Th. Umsetzung Na2SO4 BaCO3 CaO Wasser Proc. 1 1 1 28 78,8 1 1 1 16 89,8 1 1 1 16 88,5 1   1,5   1,5 16 98,6 1   1,5   1,5 16 99,3. Mithin gelingt eine vollständige Umsetzung des Natriumsulfates zu Aetznatron bei Anwendung des 1½ fachen Aequivalentes von gefälltem Bariumcarbonat, bei massiger Verdünnung und beim Kochen unter gewöhnlichem Luftdruck. Um nun zu versuchen, wie es sich mit natürlichem Witherit verhielte, wurde dieser zuerst in feinst geriebenem und durch Müllergaze gebeutelten Zustande angewendet, im Uebrigen aber wie oben verfahren (Versuche 1 und 2). Weil aber hierbei die Zersetzung nicht genügend war, wurde eine neue Menge Witherit geschlemmt und nun damit (Versuche 3 und 4) allerdings ein besseres Resultat erhalten. Aequivalente von Umsetzung Na2SO4 BaCO3 CaO Proc. gebeutelt 1   1,5 1,5 36,2 1 3 1,5 80,1 geschlemmmt 1   1,5 1,5 56,1 1 3 1,5 93,6. Mithin kann man auch mit natürlichem Witherit im Zustande der feinsten Vertheilung ein gutes Resultat erzielen, muſs aber selbst von geschlemmtem Witherit doppelt so viel anwenden als von gefälltem BaCO3 und kann doch die Zersetzung selbst dann nicht ganz vollständig machen. Die Versuche weiter fortzusetzen, schien unnöthig. Es war allerdings die Richtigkeit der Wartha'schen Beobachtung vollständig erwiesen, aber an eine praktische Verwerthung derselben ist wohl kaum zu denken. Da man nämlich selbstredend gar nicht daran denken kann, mit natürlichem Witherit zu arbeiten und das erhaltene unreine Bariumsulfat fortzuwerfen, sondern jedenfalls das Bariumcarbonat aus dem Bariumsulfat regeneriren müsste, so müssen die Kosten dieser Operation in Betracht gezogen werden. Man könnte z.B. so vorgehen, wie ich es in meinem englischen Patente im J. 1866 (vgl. 1873 208 146) vorgeschlagen habe. Aber ebenso, wie ich mein damals ausgearbeitetes Verfahren gegenüber dem Ammoniak-Sodaverfahren (mit welchem es allein in Concurrenz gedacht werden könnte) nicht für lebensfähig halten kann, was ich in meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 2 S. 294 ausgesprochen habe, dürfte dies auch von dem Hill-Wartha 'schen Verfahren gelten. Zersetzung von Natronsalpeter mit kohlensaurem Kalk nach den Vorschlägen von Walz (Deutsche Industriezeitung, 1869 S. 238) und Lieber (1875 216 62). Die betreffenden Versuche sind von Hrn. Schäppi gemacht worden, welcher zuerst in Gefäſsen von Glas, Porzellan und Schmiedeisen arbeitete, aber in allen Fällen fand, daſs die Gefäſse zu stark angegriffen wurden, um den Vorgang auch nur analytisch verfolgen zu können. Die maſsgebenden Versuche wurden daher in einem groſsen, aus starkem Platinblech hergestellten Schiffchen ausgeführt, welches in einem Porzellanrohr durch Kohlenfeuer möglichst hoch erhitzt wurde; die sich entwickelnden Gase wurden ununterbrochen durch einen trockenen Luftstrom verdrängt und mit diesem zusammen durch ein System von mit Wasser beschickten Woulff'schen Flaschen gesaugt, um die Salpetersäure zu regeneriren. Andere Versuche wurden im offenen Schiffchen über der Gasflamme gemacht. Verwendet wurde reines Natriumnitrat und vollkommen reiner Marmor. Der Glührückstand wurde mit Wasser ausgelaugt, Kohlensäure eingeleitet, um etwa aufgelösten Kalk zu fällen, gekocht, filtrirt und das Filtrat alkalimetrisch titrirt. In der neutralisirten Flüssigkeit wurde dann nach der in meinem Handbuche der Soda-Industrie, Bd. 1 S. 49 beschriebenen Methode die unzersetzte Salpetersäure bestimmt. Genaue quantitative Resultate konnten nicht erwartet werden, da auch das Platinschiffchen stark angegriffen wurde und Ueberschäumen in der Porzellanröhre nicht zu vermeiden war. In der folgenden Tabelle zeigt die dritte Spalte das zu NaOH zersetzte, die vierte das unveränderte NaNO3, beides in Procent des letzteren ausgedrückt, an. Aequivalent Zersetzt in NaOH UnverändertesNaNO3 NaNO3 CaCO3 1 1         68 Proc           8,37 Proc. 1 1 68 8,0 1   1,5 Nicht bestimmt   1,28 1   1,5   0,71 1   1,5   0,49 1   2,5 0 1   2,5   93,7 0 1   2,5   94,1 0 Die regenerirte Salpetersäure wurde nur zweimal bestimmt und wiedergefunden: 92,5 und 93,0 Proc. der als Salpeter angewendeten. Diese Versuche erwiesen, daſs man bei Anwendung von 2,5 Aeq. CaCO3 auf 1 Aeq. NaNO3 (oder 150 Gewichtstheile CaCO3 auf 100 NaNO3) den Salpeter vollständig in Aetznatron umsetzen und dabei doch den gröſsten Theil (im Groſsen vermuthlich noch mehr als im Kleinen) der Salpetersäure wiedergewinnen kann. Hiernach würde dieses Verfahren eines der besten sein, welches es gibt; so weit sich eben die Salpetersäure verwerthen läſst, wäre sie viel günstiger als auf dem gewöhnlichen Wege herzustellen, da man die Schwefelsäure erspart und statt des sehr geringwerthigen unreinen Bisulfates gleich Aetznatron im Rückstande erhält, allerdings jedenfalls mit Aufwand von etwas mehr Brennmaterial. Leider scheint diesem Verfahren zur Zeit die unaufhaltsame Zerstörung aller zum Schmelzen angewendeten Gefäſse entgegenzustehen, wie auch Lieber a. a. O. hervorhebt. Sollte diese Schwierigkeit nicht zu heben sein? Da schon in dem offenen Schiffchen über dem einfachen Bunsen-Brenner vollständige Zersetzung eintritt, so dürfte die Temperatur der Zersetzung keine Schwierigkeiten darbieten. Verhalten der Lösungen von chlorsauren Salzen in der Hitze. Bekanntlich ist es nicht möglich, durch Einleiten von Chlor in Kalkmilch eine Flüssigkeit zu bekommen, welche genau 5 Mol. Chlorid auf 1 Mol. Chlorat enthält; es wird vielmehr stets 0,3 bis 0,5 Mol. Chlorid zu viel gefunden. Jedenfalls stammt dies wenigstens theilweise daher, daſs mit dem Chlor ein wenig Salzsäure in den Kalk gelangt; aber gewöhnlich wird angegeben, daſs namentlich bei höherer Temperatur auch Sauerstoff entweiche, was natürlich die Menge des Chlorids in der Flüssigkeit vermehren muſs (vgl. Soda-Industrie, Bd. 2 S. 890). Positive Versuche scheinen in dieser Beziehung noch nicht angestellt worden zu sein, wie überhaupt die Frage, auf welchem Wege die Umsetzung des unterchlorigsauren Salzes in chlorsaures und Chlorid geschieht, noch nicht aufgeklärt ist; ich gedenke diesen Gegenstand selbst zu bearbeiten. Inzwischen habe ich doch schon endgültig feststellen wollen, ob, wie man oft in technischen Kreisen meint, die Lösung der chlorsauren Salze sich beim Kochen schon theilweise zersetzen können, oder ob ein etwaiger Sauerstoffverlust ausschlieſslich geschehen kann, so lange noch unterchlorigsauer Kalk vorhanden ist. Daſs der letztere beim Kochen in concentrirteren Lösungen Sauerstoff verliert, selbst ohne Zusatz von Kobaltsalz, ist längst erwiesen (vgl. Soda-Industrie, Bd. 2 S. 708). Ich habe nun Hrn. Bull folgende Versuche anstellen lassen. Eine genau titrirte Lösung von 50g reinem chlorsaurem Kali in 1l Wasser wurde: 1) mehrere Stunden in einem mit Rückflusskühler versehenen Kolben gekocht; 2) in einer offenen Schale auf die Hälfte ihres Volumens eingedampft, so daſs sich schon Salz ausschied; 3) mit Zusatz von einigen Tropfen Kaliumpermanganat gekocht, um diese in der Fabrikation bestehende Bedingung nachzuahmen. Die Flüssigkeit wurde stets wieder auf das ursprüngliche Volumen gebracht und nochmals titrirt. In allen Fällen wurde ihr Gehalt genau wie früher gefunden und die völlige Abwesenheit einer Reaction mit Silbernitrat erhob es zur Gewissheit, daſs gar keine Zersetzung, mithin auch kein Sauerstoffverlust stattgefunden habe. Die Rosafarbe der dritten Lösung wurde beim Kochen zerstört. Um nun zu ermitteln, wie sich der chlorsaure Kalk verhält, wurde (in Wiederholung früherer in meinem Laboratorium angestellter Versuche) eine Lösung desselben mit überschüssigem Chlorcalcium bereitet, genau wie im Groſsen, durch Einleiten von Chlor in heiſse Kalkmilch; die rothe Lösung wurde durch tropfenweise zugesetztes Schwefelammonium entfärbt und ihr Gehalt an Chlorsäure genau bestimmt. Nach 1¼stündigem Kochen auf dasselbe Volumen wie früher gebracht, ergab die Lösung wieder absolut genau denselben Gehalt wie vorher. Hierdurch ist wohl endgültig erwiesen, daſs ein Verlust an Sauerstoff, d.h. an Chlorat, beim Kochen der Lösung nicht mehr stattfinden kann, wenn einmal chlorsaures Salz gebildet ist, und zwar ebenso wenig im Falle des Calcium-, als des Kaliumsalzes. Es ist mithin ganz unnöthig, das Chlorkalium der Kalkmilch schon von vorn herein zuzusetzen, wie es (wenigstens früher) manchmal empfohlen wurde, um der vermeintlichen leichteren Zersetzbarkeit des Calciumchlorates zu begegnen; mit diesem Verfahren ist der Nachtheil verbunden, daſs man die Menge des Chlorkaliums nur nach Gutdünken, jedenfalls in ziemlichem Ueberschusse, nehmen muss, während man dieselbe genau berechnen kann, wenn das Chlorkalium erst nach der Umwandlung des Kalkes in Chlorat zugesetzt wird. Ferner sieht man, daſs man jedenfalls im späteren Stadium der Operation durchaus nicht ängstlich wegen zu groſser Temperaturerhöhung zu sein braucht. Fraglich bleibt es nur noch, ob es vortheilhaft ist, im ersten Stadium bei niedriger oder bei hoher Temperatur zu arbeiten, d.h. absichtlich erst Hypochlorid zu erzeugen oder gleich auf Chlorat hinzuarbeiten. Diese Frage wird durch die eintretenden Nebenreactionen complicirt und ist nur durch systematisch durchgeführte Versuche zu lösen, was ich später versuchen will, wenn nicht inzwischen von anderer Seite schon positive Erfahrungen in dieser Beziehung veröffentlicht werden sollten. Darstellung von Ferricyankalium mit Hilfe von Bleisuperoxyd. Die Umwandlung von Ferro- in Ferricyankalium geschieht vermuthlich im Fabrikbetriebe noch immer mit Hilfe von Chlor. Schon vor vielen Jahren haben ziemlich gleichzeitig Schönbein (1857 146 155) und Böttger (1859 151 430) zur Umwandlung das Bleisuperoxyd empfohlen, jedoch mit folgendem erheblichen Unterschiede. Schönbein sättigt das während der Reaction frei werdende Aetzkali (2K4FeCy6 + O + H2O = K6Fe2Cy12 + 2KOH) durch Einleiten eines Stromes von Kohlensäure, zur Vermeidung der bekannten umgekehrten Reaction zwischen Bleioxyd und Ferricyankalium, mittels welcher man ja Bleisuperoxyd darstellen kann, wenn auch nicht gerade auf sehr billigem Wege; auch gründet sich die E. de Haen'sche Methode zur Bestimmung des Ferricyankaliums auf die umgekehrte Reaction. Nach Schönbein erhält man bei seinem Verfahren eine viel höhere Ausbeute (75 Proc. gegen 60 Proc.) an Ferricyankalium, als bei der Oxydation mit Chlor, welches nur indirect angewendet wird, indem das entstandene Bleicarbonat stets von neuem durch Kochen mit Chlorkalk in Bleisuperoxyd übergeführt wird. Böttger, dagegen macht die Lösung des gelben Blutlaugensalzes mit Kali stark alkalisch und kocht dann erst mit Bleisuperoxyd. „Auch unter Mitanwendung von zweifach kohlensaurem Kali statt des Aetzkalis sieht man das gelbe Blutlaugensalz in das rothe übergehen.“ Die letztere Modifikation kommt fast auf dasselbe wie das Schönbein'sche Verfahren heraus, indem das zweifach kohlensaure Kali die Kohlensäure zur Sättigung des bei der Reaction entstandenen Aetzkalis abgibt. Dagegen steht die erstere Modifikation, also die Anwendung von Aetzkali, in Widerspruch nicht nur mit Schönbein's Verfahren, sondern auch mit dem sonst bekannten Verhalten der betreffenden Körper unter einander. Ich habe deshalb bei den Uebungen der Prakticanten im Laboratorium stets das Schönbein'sche Verfahren anwenden lassen und kann dieses in der That auſserordentlich empfehlen. Es entstehen dabei nicht die unangenehmen grünen Nebenproducte wie bei dem Chlorverfahren, das Ausbringen ist ausgezeichnet und das Product tadellos. Da nun auch die Wiederumwandlung des gebildeten Bleioxydes in Bleisuperoxyd durch Kochen mit Chlorkalklösung eine ganz einfache ist, so glaube ich in der That, daſs auch für den Fabrikbetrieb das Schönbein sehe Verfahren den Vorzug vor dem Chlorverfahren verdienen dürfte. Immerhin würde mir keine Veranlassung vorzuliegen scheinen, eine solche kleine, gewiſs von vielen Anderen gleichfalls gemachte Laboratoriumserfahrung zu veröffentlichen, wenn nicht vor kurzem das über 20 Jahre alte Böttger'sche Verfahren noch einmal als ein „neues“ aufgetaucht wäre und seine Runde durch eine Menge von Zeitschriften machte. Daſs es nicht neu ist, war von vorn herein klar; aber es fragt sich, ob es überhaupt auch brauchbar sei. Diese Frage wird durchaus verneint durch Versuche, welche Hr. v. Potworowski angestellt hat. Eine Lösung von 50g Ferrocyankalium wurde mit Aetzkali stark alkalisch gemacht und mit 15g PbO2 6 Stunden lang in einer Schale mit Ersatz des verdampfenden Wassers gekocht, ohne daſs sich eine Reaction auf Ferricyankalium gezeigt hätte; beim Zusatz einer Probe zu heiſser reiner Eisenvitriollösung kam ein weiſser, erst allmählich blau werdender Niederschlag. Auch nach Zusatz von weiteren 10g PbO2 und nochmaligem 6stündigem Kochen fand keine Umwandlung statt. Nun wurde ein Theil der Lösung stark verdünnt und wieder weiter gekocht, worauf nach einiger Zeit sich eine Reaction auf Ferricyankalium (sofortige Bläuung mit reiner Eisenvitriollösung) einstellte, wobei jedoch das meiste Ferrocyankalium unverändert blieb. Die Flüssigkeit brauste aber mit Säuren stark auf; mithin war das Aetzkali durch die Luft-Kohlensäure gesättigt, worin der Grund der theilweisen Umwandlung liegen mochte. Dies wurde dadurch klar erwiesen, daſs ein anderer Theil derselben verdünnten Flüssigkeit, 6 Stunden lang in einem Kolben mit Bunsen'schem Kautschukventil gekocht, durchaus keine Reaction auf Ferricyankalium gab. Ein gleichzeitig unter ganz ähnlichen Umständen angestellter Gegen versuch, Kochen der Ferrocyankaliumlösung ohne Aetzkali mit Bleisuperoxyd unter Einleiten von Kohlensäure ergab dieselbe vollständige, glatte und verhältniſsmäſsig rasche Umwandlung in rothes Blutlaugensalz wie sonst. Mithin kann nur das letztere (Schönbein'sche) Verfahren empfohlen werden. Darstellung von Benzoësäure aus Benzotrichlorid und Wasser. Nach A. v. Rad (1879 231 538) soll diese Umwandlung unter Druck vorgenommen werden, aber bei der Anwendung des gewöhnlichen rohen Benzotrichlorids pechartige Nebenproducte geben, jedenfalls aber der von Jenssen patentirten Umwandlung mit Schwefelsäure (1879 234 160) vorzuziehen sein. Nach Versuchen, welche Hr. Fries gemacht hat, ist die Reaction: C6H5.CCl3 + 2H2O = C6H5.COOH + 3 HCl eine ganz vollständige und glatte, nicht allein, wenn man in Zuschmelzröhren bei einer Temperatur von 140 bis 150° arbeitet, sondern auch dann schon, wenn man das Benzotrichlorid (welches vorher durch Fractioniren gereinigt war) mit überschüssigem Wasser 4 Stunden am Rückflusskühler bei gewöhnlichem Atmosphärendruck kocht. Das Benzotrichlorid verschwindet ganz und die Benzoesäure scheidet sich in vollkommen weiſsen Schuppen aus. Aus 5g C6H5CCl3 wurden so 3g,10 Benzoesäure (theoretische Menge 3g,12) in den Zuschmelzröhren und bei mehreren Versuchen im offenen Gefäſse, wo immerhin ein wenig Benzoesäure sich verflüchtigen konnte, immer noch 3g,0 erhalten. Da die Umwandlung durch offenes Kochen so viel bequemer als unter Druck ist, so schien mir die Mittheilung dieser Notiz der Mühe werth. Zürich, August 1880.