Titel: Oenochemische Untersuchung des Sumpfbrombeeren- und des Moosbeerenweines; von C. O. Cech.
Autor: C. O. Cech
Fundstelle: Band 238, Jahrgang 1880, S. 174
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Oenochemische Untersuchung des Sumpfbrombeeren- und des Moosbeerenweines; von C. O. Cech. Cech, Untersuchung des Sumpfbrombeeren- und des Moosbeerenweines. Bei der Untersuchung dieser Waldbeerenweine, die bis jetzt noch nicht Gegenstand einer chemischen Prüfung gewesen sind, handelte es sich nicht nur um die Feststellung des Gehaltes der Weine und deren etwaigen künstlichen Zuthaten, sondern namentlich um eine allgemeine Charakterisirung derselben. Nur dann, wenn man den Gehalt an Zucker in den Beeren ermittelt hat, kann man die Mengen des dem Fruchtsafte zuzusetzenden Zuckers bestimmen, ohne welchen es unmöglich wäre, aus den Säften solch zuckerarmen Beeren (der Zuckergehalt des Sumpfbrombeerenmostes beträgt 3 bis 6 Proc.) ein Getränk zu erhalten, dem mit einiger Berechtigung der Name Fruchtwein zukommen würde. Ich bin bei der Untersuchung dieser Weine so vorgegangen, daſs das Extract durch Trocknen bei 105°, der Alkohol durch Destillation, die Säure als Weinsäure, der Zucker als Invertzucker und das Tannin durch Ammonvanadat bestimmt und nachgewiesen worden sind. Dem Extract wurde besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Es enthält unzersetzten Zucker, gummi- und eiweiſsartige Körper, Weinsäure entweder frei, oder an Kalk oder Kali gebunden, Citronensäure, Essigsäure, Bernsteinsäure, Extractivstoffe, Farbstoffe, Gerbstoff, Salze und Aetherarten. Alle diese Körper zusammen oder einige derselben bilden ein charakteristisches Merkmal der Beerenweine, welches sie leicht von ähnlich oder gleichschmeckenden Traubenweinen unterscheiden läſst. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Fruchtweinen und den Traubenweinen besteht in dem auffallenden Mangel an Extractivstoff und Asche. Eine Erklärung hierfür findet sich in dem Umstände, daſs die Weintrauben behufs gröſserer Zuckerbildung längere Zeit am Stocke bleiben, als es bei den Waldbeeren der Fall ist, daſs die Weintrauben erst spät, meist überreif, oft halbvertrocknet und mit möglichst concentrirtem Safte zur Presse gelangen und während dieser Zeit bedeutend mehr Aschenbestandtheile und Extractivstoffe in den Trauben ansammeln können, als dies bei den Waldbeeren der Fall ist, welche gewöhnlich ganz frisch und im ersten Stadium der vollendeten Reife zur Verwendung kommen. Durch das längere Verbleiben der Trauben am Weinstocke wird aber nicht nur der Zuckergehalt vergröſsert und das Aufsaugen mineralischer Bestandtheile begünstigt, sondern es werden auch eiweiſs- und gummiartige Stoffe gebildet, während sich zugleich die Gerbsäure in den Fruchtbälgen absetzt- Umstände, welche in ihrer Gesammtheit auf die Vergröſserung des Extractgehaltes und der Aschenmenge der Weine entscheidenden Einfluſs haben. Da auſserdem, namentlich bei rothen Weinen, die zerquetschten Trauben, d.h. der Most sammt den Bälgen, längere Zeit in Bottichen stehen bleiben, um den Uebertritt der Gerbsäure und des rothen Farbstoffes in dem Most zu ermöglichen, so ist auch hierdurch eine Vergröſserung des Extractgehaltes der Traubenweine entgegen den Waldbeerweinen erklärlich, die gepreſst und von den Preſslingen befreit, einen Most liefern, der zum Ueberfluſs mit der hinzugefügten, in Wasser gelösten Zuckermenge auch auſserdem bedeutend verdünnt worden. Um für die Charakterisirung der Waldbeerenweine naheliegende Anhaltspunkte zu erhalten, habe ich die in St. Petersburg üblichsten zwei Sorten kaukasischer Land weine (von Sarkis-Bekoff) und zwar den gewöhnlichen kaukasischen Tischwein (die Flasche zu 40 Kop.) und den rothen Kachetin-Wein (Mikizan-Wein die Flasche zu 60 Kop.) analysirt. Mir standen zu dieser Arbeit nur unbedeutende Mengen der von M. J. Garnowski in St. Petersburg erzeugten Fruchtweine zur Verfügung, von denen der Sumpfbrombeerwein aus dem J. 1878 und der Moosbeerwein aus dem J. 1879 stammte. Sumpfbrombeerwein. Die Farbe dieses aus den Beeren des Rubus Chamaemorus (S. 88 d. Bd.) dargestellten Weines ist dunkel bernsteingelb, so wie jene des Tokayer Weines. Er hat ein kaum wahrnehmbares Bouquet, sein Geschmack ist sehr süss, wobei sich die Citronensäure in angenehmer Weise bemerkbar macht. Der Charakter des Weines erinnert an die leichten Sherry-Weine. Sein Farbstoff ist ein sehr beständiger, er wird vom Säuren ebenso wenig verändert wie von Alkalien; nur Bleiessig erzeugt einen gelblich weiſsen Niederschlag. – Die Untersuchung ergab: Specifisches Gewicht 1,04 Extract          1,12 Proc. Asche 0,13 Alkohol 1,15 Zucker 6,15 Säure 0,8 Gerbstoff und Aetherarten Aus diesen Zahlen ergibt sich, daſs dieser Sumpfbrombeerenwein zu den in Rufsland üblichen Getränken gehört, die unter dem Namen „wodjanka“ bekannt sind und die eine Art an Zucker reicher und an Alkohol armer verdünnter Fruchtsäfte darstellen Der niedrige Alkoholgehalt ist wahrscheinlich das Resultat einer begonnenen Umsetzung des zugefügten Zuckers in Alkohol. Der niedrige Aschengehalt des Sumpfbrombeerenweines ist ein Charakteristikon der Beerenweine überhaupt und läſst auſserdem auf eine starke Verdünnung des Fruchtsaftes schlieſsen. Obgleich der Wein nur 6 Proc., also die Hälfte des Zuckergehaltes der besten Tokayer Weine enthält, so scheint der Wein dem vorherrschend süſsen Geschmacke nach dennoch bedeutend mehr Zucker zu enthalten, als in der Form von Invertzucker in ihm nachgewiesen worden ist. Eine Erklärung hierfür findet sich in dem Vorhandensein von Levulose, die trotz hohen Säuregehaltes und geringen Gehaltes am Invertzucker süſse Weine zu erzeugen vermag. Es ist dies eine Folge der Umwandlung von Invertzucker in Levulose, welche bei zunehmender Reife der Beeren im Moste aufgefunden werden kann. Da die als hygienisch bekannten böhmischen Burgunderweine nur 0,2 Proc. Zucker enthalten, so ist der Invertzuckergehalt von 6 Proc. im Sumpfbrombeerenwein als ein hoher zu bezeichnen und dieser Wein vom hygienischen Standpunkte als ein leichtes, gesundes und angenehm erfrischendes Getränke zu betrachten. Ein höherer Gehalt an Alkohol würde diesem Weine nicht nur Stärke und Haltbarkeit, sondern auch den Charakter eines guten Sherry-Weines verleihen, wobei sich jedoch der echte Sherry-Wein stets von dem Sumpfbrombeerenweine durch seinen hohen Aschengehalt mit Bestimmtheit unterscheiden und erkennen lieſse. Moosbeerenwein. Dieses aus den Früchten des Oxycoccos palustris erhaltene Getränke hat eine amaranthrothe Farbe, die sich verglichen mit den Farbstoffen des Bordeaux- und des kaukasischen Weines gegen Reagentien vollkommen anders verhält. Mit Salpetersäure wird er gelb; mit Ammoniak bleibt er zwar roth, spielt jedoch etwas dabei ins grüne; mit Natron wird er grün und mit Bleizucker gibt er einen hellgrauen Niederschlag. Dieser Wein ist, ähnlich dem früher beschriebenen, bouquetlos, hat einen angenehmen süſsen Geschmack, neben welchem sich die Citronensäure wahrnehmbar macht. Die Analyse zeigt folgende Zahlen: Specifisches Gewicht   1,03 Extract             1,041 Proc. Asche   0,15 Alkohol 0,8 Zucker 5,1 Säure 1,2 Gerbstoff Spuren Aetherarten Der Charakter dieses Weines erinnert an süſse Aepfelweine, die neben Levulose und Invertzucker nicht unbedeutende Mengen von Aepfelsäure enthalten. Der Moosbeeren wein kann demnach ebenfalls als ein angenehm kühlendes, gesundes Getränke angesehen werden, dessen Zucker- und Alkoholgehalt nach Belieben erhöht werden kann, um ihn vollmundiger und den Traubenweinen ähnlicher zu machen. Im Allgemeinen gilt auch bei diesem Weine das bereits über den Sumpfbrombeerenwein Gesagte. Um diese Weine mit allgemein bekannten russischen Weinen, deren Qualität sich wenig ändert, zu vergleichen, habe ich zwei Sorten der gangbarsten kaukasischen Weine untersucht. Dieselben sind das Product einer unrationellen Kellerwirthschaft und tragen den Charakter der schwarzen, herben Landweine Oberitaliens und Dalmatiens. Der kaukasische Landwein (die Flasche zu 40 Kop.) gleicht in seiner tiefrothen Farbe dem Vino nero di Spalato, der Kachetin-Wein (Mikizan-Wein die Flasche zu 60 Kop.) ist zwar auch sehr intensiv gefärbt, immerhin jedoch etwas heller roth und weniger herb. Der Farbstoff beider Weine unterscheidet sich durch nichts von jenem des Spalato- oder Vöslauer Weines und derselbe erwies sich als echt. Wird der tiefrothe oder schwarze kaukasische Wein verdünnt, so verhält sich sein Farbstoff gegen Reagentien gerade so wie jener der rothen Sorten. Beide Weine, auf ihren Farbstoff untersucht, gaben folgende Resultate: Salpetersäure entfärbt ihn nach und nach; Ammon erzeugt eine dunkelgrüne, fast schwarze Färbung; mit Natron färbt er sich tiefschwarz; mit Eisenchlorid gibt er einen massigen schwarzen Niederschlag und mit Bleizucker erhält man einen blaugrauen Niederschlag. Der kaukasische Landwein Nr. 1 ist sehr herb, merklich sauer, zeigt einen Essigsäurestich, enthält Gerbsäure, keinen Zucker und 4,5 Proc. Alkohol. Der Mikizan-Kachetin-Wein Nr. 2 ist weniger herb und säuerlich; auch er enthält keinen Zucker und 6 Proc. Alkohol. Aus diesen Angaben folgt, daſs im Weinhandel Rufslands der Gehalt von je 1 Proc. Alkohol in den kaukasischen Weinen mit je 10 Kopeken bezahlt wird. Diese Weine gehören zu den Tannin haltigen, herben, gesunden Tischweinen, ihr Charakter ist gänzlich verschieden von jenem der süſsen Beerenweine und ihr Alkoholgehalt von 4,5 bis 6 Proc. stellt sie in eine Reihe mit den leichten, säuerlichen steierischen Landweinen (Marburger, Sausaler), da ihr Alkoholgehalt nur die Hälfte der bekannten Rhein-, Ungar- und Oesterreicher Weine – des Niersteiner, Menescher und Vöslauer – beträgt, so ergibt sich daraus ein Maſsstab für die Beurtheilung der Qualität und Preiswürdigkeit dieser beiden Sorten kaukasischen Weines. Ihr Preis im Kleinverschleiſs ist jedenfalls ein zu hoher. Obzwar ich augenblicklich noch über keine analytischen Daten der übrigen russischen Waldbeerenweine verfüge, namentlich über jene aus den Früchten des Pyrus aucupuria, Vaccinium vitis idaea, Vaccinium uliginosum, Vaccinium Myrtillus u.s.w. und namentlich des Mischweines (russ. Smjes), zu dessen Darstellung alle Arten Waldbeeren Verwendung finden können, so lassen nichts desto weniger die Analysen der beiden beschriebenen Waldbeerenweine darauf schlieſsen, daſs die Fabrikation dieser Fruchtweine in Rufsland Aufmunterung und Verbreitung verdient, und daſs die Waldbeerenweine als billiges und gesundes Surrogat der Traubenweine vom hygienischen und volkswirthschaftlichen Standpunkte Beachtung verdienen. St. Petersburg, August 1880.