Titel: Hüttenrauchschaden in den Waldungen des Oberharzes; von Reuss, Oberförster in Goslar.
Fundstelle: Band 241, Jahrgang 1881, S. 124
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Hüttenrauchschaden in den Waldungen des Oberharzes;Nach einem Vortrag, gehalten bei der Herbstexcursion der Forstakademie Eberswalde am 26. August 1880 zu Altenau. Gef. eingesendeter Sonderabdruck. von Reuſs, Oberförster in Goslar. Reuſs, über Hüttenrauchschaden in den Waldungen des Oberharzes. Der wichtigste Industriezweig des Harzes, welcher den gröſsten Theil der Bevölkerung des Oberharzes ernährt, ist der Bergbau mit dem dazu gehörigen Hüttenbetriebe. Der Bergbau ist seit dem 9. Jahrhundert am Harze heimisch, während ein geregelter Hüttenbetrieb erst in späteren Zeiten, zu Ausgang des 12. Jahrhunderts, eingeführt wurde. Früher, wo schlechte oder gänzlich mangelnde Wege den Transport der Hölzer und der Kohlen sehr erschwerten, wurden die Erze auf Saumthieren nach den Stellen gebracht, wo gerade groſse Holzvorräthe waren und dort verhüttet. Später entstand eine gröſsere Anzahl kleiner Hütten, die mit zunehmender Verkehrserleichterung allmählich immer mehr zusammengelegt wurden. So finden sich alte Hüttenstellen in dem hier in Frage kommenden Bezirke zwischen Oker und Innerste im Innerstethaie, oberhalb Langeisheim und bei Wildemann, im Granethale am Grotenberg und Schünthal im Zellerfelder Thal und im Weiſswasserthal bei Schulenburg. Jetzt sind in diesem Bezirke noch 6 Hütten, von denen 3 im Harz, die Oberharzer Hütten, und 3 am nördlichen Rande des Gebirges, die Unterharzer Hütten, liegen. Die Andreasberger Hütte liegt isolirt und auſserhalb des gedachten Bezirkes. Ihr verursachter Schaden ist ziemlich unbedeutend, wenn auch in seinem Auftreten vielfach interessant und lehrreich. Von den 3 Oberharzer Hütten befinden sich die Clausthaler und Lautenthaler im Thal der Innerste, die Altenauer im Okerthale. Am Ausgange des Okerthales liegt die Frau-Marien-Saigerhütte, am Ausgange des Innerstethaies die Sophienhütte, zwischen beiden als verbindendes Glied die Juliushütte am Ausgange des Granethales. Von allgemein forstlicher Bedeutung sind bis jetzt nur die 3 Oberharzer Hütten geworden. Die Verwaltung des Berg- und Forstwesens war bis 1866 zu einer Behörde vereinigt, welcher ein Berghauptmann vorstand. Der ganze Harz war bergmännisch angehaucht und bei den reichen Einkünften, welche der Bergbau aufzuweisen hatte, bei den niedrigen Forsteinnahmen, verstand es sich ganz von selbst, daſs das Forstwesen etwas stiefmütterlich beachtet wurde. Der Forst lag in erster Linie ob, die zum Berg- und Hüttenbetriebe erforderlichen Bau-, Kohl- und Röstehölzer zu liefern und die Einwohner des Oberharzes, gröſstentheils Bergleute, mit Bau- und Brennholz zu versorgen. Unter solchen Umständen erscheint es nicht auffallend, daſs früher auf den durch die Hütten verursachten Forstschaden wenig Gewicht gelegt wurde. Man ignorirte den Schaden geflissentlich und vermied es, des lieben Friedens halber, in Gesellschaft von Hüttenleuten das Thema überhaupt zu berühren. Uebrigens war der Schaden, wenn auch vorhanden, doch immerhin gegen jetzt von geringem Umfange. Erst nachdem die Forstverwaltung selbstständiger wurde, ihre Einkünfte sich erheblich steigerten und gleichzeitig die Erhöhung des Hüttenbetriebes den Schaden bedeutend erweiterte, wurde man aufmerksamer und hat sowohl von Seiten der Hütten-, als auch besonders von Seiten der Forstverwaltung redliche Anstrengungen gemacht, Abhilfe zu schaffen. So sehr willkommen uns Forstwirthen der Berg- und Hüttenbetrieb mit seinem Holzverbrauch ist, so wenig sympatisch sind uns die in ihrem Gefolge befindlichen Schäden, welche in empfindlicher Weise den Forsten zugefügt werden. Der Ruf aller betheiligten Forstwirthe nach Abhilfe ist allgemein geworden und veranlaſste mich, in Gemeinschaft mit Dr. Schröder, Chemiker der Versuchsstation zu Tharand, die Hüttenrauchschäden wissenschaftlich zu bearbeiten (vgl. 1880 238 341). Ich habe seit dem J. 1867 die Fortschritte der Hüttenrauchschäden unausgesetzt verfolgt und kann leider feststellen, daſs sich dieselben seit jener Zeit mindestens verdoppelt haben. Der Schaden des Hüttenrauches, welcher sich bei Lautenthal in geringem, bei Clausthal und Altenau in groſsartigem Umfange bemerklich macht, besteht in einem allmählichen Tödten der Holzbestände; er folgt unter Einfluſs der herrschenden Windrichtung den Thälern und läſst sich nach Norden mehr als eine Meile von der Rauchquelle entfernt verfolgen, während er nach Süden nur auf wenige Kilometer hin sichtbar ist. Die Beschädigungen lassen sich eintheilen in Rauchblöſsen: Blöſsen ohne jeden Baumwuchs, abgesehen von den in jüngster Zeit ausgeführten Versuchsculturen oder vereinzelten älteren Bäumen. – Stark beschädigte Bestände, welche durch Hüttenrauch bereits lückig geworden sind. – Mäſsig beschädigte Bestände mit einzelnen trockenen Zweigen und Baumspitzen. – Schwach beschädigte Bestände mit beschädigten Blättern. Die Rauchblöſsen betragen: bei Altenauer Silberhütte 120ha einschl. Hüttenterrain, desgleichen bei der Clausthaler Silberhütte 220ha und bei der Lautenthaler Silberhütte 5ha ausschlieſslich der Hüttenfläche. Die stark beschädigten Bestände umfassen eine Fläche: von 130ha bei Altenau, 180ha bei Clausthal und 70ha bei Lautenthal. Ueberhaupt ist das geschädigte Waldterrain bei allen drei Hütten 4500ha, dabei sind 345ha Blöfse und 380ha lückige Bestände. Nicht allein, daſs der Hüttenrauch, abgesehen von allen Schäden an Menschen, Vieh, Aeckern und Wiesen, unsere Waldungen zerstört, befördert er auch die Verödung des Bodens, er vernichtet die Bodendecke und veranlaſst Abschwemmen der Bodenkrume. Wie man hieraus ersehen mag, sind die Schäden, die uns auf diese Weise durch den Berg- und Hüttenbetrieb bereits zugefügt worden sind, erheblich, und wenn wir auch gebührende Rücksicht darauf nehmen müssen, daſs der hiesige Bergbau groſse Ueberschüsse abliefert und fast 13000 Menschen ernährt, so dürfen uns diese Umstände doch nicht hindern, der Frage der Hüttenrauchsbeschädigungen näher zu treten, um in gemeinschaftlicher Arbeit mit den Hüttenverwaltungen Mittel und Wege zu suchen und hoffentlich auch zu finden, wie dem Schaden abgeholfen werden kann. Nicht nur die Gegenwart hat ein Recht, dies zu verlangen, sondern auch, in erhöhtem Grade vielleicht, die Zukunft. Man denke daran, daſs einmal ein Zeitpunkt, wenn auch noch so fern, eintreten wird, wo die reichen Gruben des Harzes erschöpft sind, wo die Verhüttung amerikanischer Erze, die jetzt schon zum Theil die Andreasberger und Altenauer Hütte erhält, nicht mehr rentabel sein, wo der Hüttenbetrieb verschwinden, wo hauptsächlich die Holzzucht und Holzindustrie an den an Wasserkraft reichen Flüſschen des Harzes blühen wird, und denke daran, daſs eine Zerstörung des Waldbestandes der Thäler der Innerste und Oker gleich ist einer Zerstörung ihrer Wasserkräfte. Man bedenke, daſs heute schon die Hüttenrauchblöſsen zu Ueberschwemmungen Anlaſs geben können und daſs die Ueberschwemmungsgefahr mit zunehmender Entwaldung für die fruchtbaren Ebenen des Oker- und Innerstethaies sich um so mehr erhöht, als der nach den Ueberschwemmungen zurückbleibende Hüttensand, den beide Flüsse führen, den Boden sehr verschlechtert. Man denke daran, daſs der Harz in Zukunft noch mehr auf Fremdenverkehr und der Fremdenverkehr noch mehr auf den Harz, als der alleinigen Gebirgswaldung Norddeutschlands, angewiesen sein wird, und denke daran, daſs es unsere Pflicht ist, den Harz in seiner ganzen Schönheit und Frische zu erhalten, damit er befähigt bleibe, die immer zarter werdenden Nerven unserer Groiſsstädter zu neuer rast- und ruhelosen Thätigkeit zu stärken. Man beachte alle diese Momente und man wird abgesehen von unseren pecuniären Forstverlusten Gründe genug finden, Abhilfe der Hüttenrauchschäden energisch zu erstreben. Doch dies beiläufig; zunächst kümmert uns Forstleute allein die Zerstörung unseres Holzbestandes. Um Abhilfe zu suchen, war es vor allem erforderlich, zu erforschen, welche Bestandtheile des Hüttenrauches den Schaden verursachen. Der Hüttenrauch besteht zum gröſsten Theil aus schwefliger Säure und aus dem Flugstaube, der sich der Hauptsache nach aus arseniger Säure, Schwefelsäure, Blei- und Zinkoxyden zusammensetzt. Wohl veranlaſst durch den Umstand, daſs das Blei es ist, welches die bei den Hüttenleuten unter dem Namen Hüttenkatze bekannte schmerzhafte Krankheit bewirkt, ferner daſs derselbe Staub, mit dem Futter genossen, bei dem Vieh den sogen. Kopfhammer hervorruft, und endlich, daſs sich mittels der Loupe auf Rinde und Blättern der Bäume, sowie auf dem Boden metallisches Blei nachweisen läſst, war früher die Ansicht verbreitet, daſs das Blei allein die Schädigung der Wälder hervorrufe. Daſs dem nun nicht so ist, daſs fast ausschlieſslich die schweflige Säure direct oder durch Umsetzung in Schwefelsäure den Schaden verursacht, ist zur Genüge durch Stöckhardt, Freytag und Schröder nachgewiesen. Die Beschädigungen, welche man auf gesunden Bäumchen durch künstliche Beräucherung mit schwefliger Säure hervorrief, stimmen in ihrem Erscheinen genau mit den durch Hüttenrauch verursachten überein, während man andererseits durch Bestäuben mit Blei u. dgl. eine Krankheitserscheinung nicht bewirken konnte. Der Hüttenrauch äuſsert sich in seinen Graden auf verschiedene Weise. Bei schwacher Schädigung werden die Blätter der Laubhölzer fahl, bleichen aus, bleiben kümmerlich und klein. Bei verstärkter Einwirkung erhalten sie rothbraune Flecken und Spitzen und welken ab. Aehnlich verhalten sich die Nadelhölzer. Bei schwacher Schädigung werden die Nadeln, zumal die älteren, fahl, miſsfarbig, schmutzig grün und zwar zunächst auf der Oberseite, die dem Rauche ausgesetzt war. Nach und nach werden die ganzen Nadeln krank und fallen ab, und zwar zuerst die älteren Jahrgänge. Bei zunehmender Beschädigung erscheinen die ganzen Nadeln schon verkürzt und jüngere Jahrgänge bis allmählich zum jüngsten sterben ab; dann folgen einzelne Zweige und Baumspitzen nach, bis endlich der Baum nach langem Todeskampfe unterliegt, abstirbt und erst Lücken im Bestände verursacht, die sich in der Folge bei weiterem massenhaften Absterben zu Blöſsen erweitern. Trifft eine concentrirte Menge schwefliger Säure die jungen Nadeln, so werden diese rothspitzig, d.h. sie sterben von der Spitze her meist nicht über die Hälfte ab und erhalten eine intensiv braunrothe, scharf begrenzte Färbung, die erst später in grau übergeht. Seltener tritt diese Erscheinung derartig auf, daſs mittlere Theile der Nadeln roth werden, während Spitze und Grund noch grün erscheint. Diese Rothspitzigkeit bei Nadelhölzern correspondirt mit den rothen und braunen Flecken der Laubhölzer; sie ist ein sehr sicheres Merkmal von intensiver Schädigung und wird nur in der Nähe der Hütten getroffen. Auch die Baumschäfte und Aeste erleiden Aenderungen in ihrem normalen Aussehen. Die Rinde der Laubhölzer verblaſst und wird fahl. Die Nadelhölzer im jugendlichen Alter werden schwarz, färben ab und erhalten oft einen eigenthümlich rothbraunen Schimmer; die älteren Stämme bekommen rauhe abblätternde Borke. Selbst der Bodenstand wird in nicht unerheblicher Weise durch den Hüttenrauch beeinfluſst. Schon bei den lückigen Beständen stellt sich zunächst Graswuchs ein, dem häufig die Heide folgt, bis auch endlich diese bei fortschreitender Raucheinwirkung verschwindet und der Boden vollständig seiner Vegetation beraubt ist. Es beginnt nun jene unheimliche Thätigkeit der Regengüsse, deren Resultat sich in scharfen Zügen in der Nähe der Hütten in dem vormals guten Waldboden eingerissen findet. In nicht allzu groſser Entfernung der Hütte tritt in der Bodendecke älterer Bestände eine charakteristische Erscheinung auf: Die abfallenden Nadeln nämlich verwesen nicht, sondern liegen oft Fuſs hoch ohne Spur von Zersetzung auf dem Boden, mit welchem sie nicht durch eine Humuschicht verbunden sind. Ob diese Erscheinung auch Folge der schwefligen Säure oder vielleicht des Flugstaubes ist, mag späterer Forschung vorbehalten bleiben. Nach dem Vorgetragenen möchte es scheinen, als wenn das Erkennen des Hüttenrauchschadens nicht sehr schwierig sein könnte, was jedoch in der That der Fall ist. Die Merkmale, wie ich sie beschreibe, können wohl als normale gelten, aber durch eine Unzahl von Einflüssen werden sie bald mehr, bald weniger verwischt. Ebenso wie man in gleichmäſsig von Rauch betroffenen Beständen erst einzelne Individuen absterben sieht, ebenso wie an ein und demselben Baume einzelne Aeste todt, andere ganz gesund aussehend gefunden werden, ebenso sieht man einzelne Nadeln an den Zweigen früher, andere später absterben.Um Miſsverständnissen vorzubeugen, ist hierzu zu bemerken, daſs, wenn auch einzelne Individuen vor anderen absterben, doch auch an den benachbarten Bäumen schwächere Beschädigungen nachzuweisen sind und durch die Analyse in den Blättern gleicher Bestände annähernd gleiche Säuremengen gefunden werden, wenn die Beschädigung ausschlieſslich von Hüttenrauch herrührt. Es ist deshalb ein Ansprechen der Schädigung nach den noch vorhandenen Nadeljahrgängen miſslich und unsicher, wenn ich auch in sehr vielen Fällen dadurch zu richtigen Bestimmungen gelangte (vgl. 1880 238 424). Aehnliche Schädigungen wie durch Hüttenrauch werden durch Insekten, Pilze, durch Frost, durch Staub oder besondere Bodenarmuth hervorgerufen. Insektenschäden kann man bei genauer Untersuchung durch vorhandene Fraſsstellen und wenn auch mitunter nur durch die Loupe sicher erkennen. Auch die Schäden von Chrysomyxa abietis auf der Fichte, welche nicht selten Anlaſs zur Verwechslung mit Rauchschaden geben, lassen sich, so lange die Nadeln noch frisch sind, sicher von den intensiven Hüttenrauchschäden unterscheiden. Während bei diesen die beschädigte Stelle und zwar meist die Spitze an der rothen scharf abgegrenzten Färbung kenntlich ist, verbreitet sich der Pilzschaden, gelblich-grüne Querbänder bildend, von der Mitte aus nach beiden Seiten weiter. Nach dem Absterben der Nadeln verwischen sich diese Farbenunterschiede bis zur völligen Gleichförmigkeit. Die Frostschäden bei Nadelhölzern unterscheiden sich von den Hüttenrauchschäden dadurch, daſs der Frost den ganzen jungen Trieb zerstört, während dies beim Hüttenrauch von mir wenigstens noch nicht beobachtet ist; hier beschränkte sich der Schaden nur immer auf Nadeln oder Theile derselben. Für die Laubhölzer vermag ich bezüglich der Pilze und theilweisen Frostschäden der Blätter sichere Unterscheidungsmerkmale vorläufig nicht anzugeben, es sei denn, daſs man die stets scharfe Abgrenzung der durch Hüttenrauch verursachten Tödtung der Blatttheile als solche gelten lassen will. Ebenso habe ich zwischen den Merkmalen, durch welche sich schwache Rauchbeschädigung äuſsert, und dem durch Staub oder Bodenarmuth hervorgerufenen krankhaften Aussehen der Blätter und Nadeln sichere Unterschiede nicht aufzufinden vermocht. Sehr schwer ist es daher, in einer fremden Gegend ohne Kenntniſs von vorhandenen Rauchquellen beobachtete Schäden als von Hüttenrauch herrührend zu bestimmen. Ich kann wohl sagen, der Baum, der Zweig, das Blatt sieht aus, wie vom Hüttenrauch beschädigt, aber daſs es wirklich so ist, wage ich in solchem Falle nicht zu behaupten. Anders, wenn ich die Rauchquelle kenne und an der Hand von Erfahrungen den Gang des Rauches in Thälern nach den herrschenden Windrichtungen u.s.w. beurtheilen kann. Eine genaue locale Kenntniſs des Terrains, der Richtung der Winde, sogar der Nebelbildung gehört durchaus zum forstlichen Erkennen des Schadens, zumal in seinen schwächeren Graden. Daſs die von mir nach den sichtbaren Beschädigungen entworfene Rauchkarte so genau mit der chemischen Analyse, wie ich später zeigen werde, übereinstimmt, liegt, ich bekenne es gern, zum gröſsten Theil in meiner genauen Ortskenntniſs, in der Kenntniſs, wie sich der Hüttenrauch bei jedem Winde verbreitet, in der Kenntniſs, wie er sich bei Nebel und Windstille in die Thäler oft Tage lang lagert. Es galt daher zunächst, Mittel und Wege zu finden, um wissenschaftlich sicher nachzuweisen, daſs sichtbare Schäden wirklich von Hüttenrauch herrührten. Ein solches Mittel schien lediglich die chemische Untersuchung der Nadeln auf Schwefelsäure zu bieten. Doch auch dieser Nachweis war nicht ohne weiteres frei von jedem Einspruch der Unrichtigkeit. Alle Pflanzen, somit auch die Fichte, mit welcher allein wir es jetzt zu thun haben, zeigen in ihrem normalen Zustande ein gewisses Procent Schwefelsäure, dessen Höhe durch den Boden, durch Klima, Höhenlage und Jahreszeit beeinfluſst wird. Um daher zu richtigem Resultate bei der chemischen Analyse zu gelangen, war es nöthig, möglichste Gleichförmigkeit dieser Factoren herzustellen. Der Bezirk, welcher uns, Hrn. Dr. Schröder und mir, nun zum Untersuchungsobject dienen sollte, die Fluſsgebiete der Oker und Innerste im Oberharze, bot diese Gleichförmigkeit in jeder nur wünschenswerthen Weise. Boden, Klima, Meereshöhe, namentlich Bestandesverhältnisse stimmen im Wesentlichen überall überein. Die Auſsenarbeiten, dabei auch das Einsammeln der Proben, wurden innerhalb 4 Wochen im Herbst 1878 ausgeführt. Von den Hütten ausgehend wurden auf die Karte alle Beschädigungen nach dem Augenscheine mit Unterscheidung ihrer Grade durch Abschreiten und Taxiren der Entfernungen eingetragen; dabei wurden aus allen Beschädigungsgraden Nadelproben aus den Wipfeln der Bäume entnommen und die Standorte derselben nach Lage, Alter, Bonität und Bestandesschluſs beschrieben. So allmählich nach allen Seiten von der Rauchquelle bis zu unzweifelhaft reinen, d. i. nicht durch Hüttenrauch beschädigten, Beständen fortschreitend, wurde über den ganzen Bezirk ein Netz von 147 Probepunkten gelegt. Die diesen entnommenen Nadelproben wurden dann von Dr. Schröder getrocknet und durch Analyse auf den Schwefelsäuregehalt untersucht (vgl. 1880 238 337). Die bei der Excursion nach den sichtbaren Aeuſserungen der Schäden entworfene Karte gibt eine übersichtliche Darstellung von dem Auftreten des Hüttenrauchschadens. In der Nähe der Hütten befindet sich zunächst ein ausgedehntes Blöſsenterrain, welches vollständig vegetationslos ist. An diese schlieſst sich ein gleiches, spärlich bestanden mit Heide oder Gras und einzelnen Laubholzkrüppeln, denen sich nach dem Rande der Blöſsen zu einige Nadelholzüberreste abgestorben und absterbend zugesellen. Um die Blöſsen legt sich in verhältniſsmäſsig geringer Breite ein Gürtel von stark geschädigten Beständen, die lückig oder theilweise absterbend sind. In weiter Ausdehnung um diese zieht sich ein Strich von mäſsig beschädigten Beständen mit Bäumen, von denen einzelne zopftrocken sind, oder dürre Aeste und Zweige, auch alle überaus deutliche Spuren des Hüttenrauches an Nadeln und Stämmen zeigen. An diese Zone reiht sich nun die schwach beschädigte, welche allmählich, nicht überall deutlich begrenzt, in die reine Zone übergeht. Es zeigt sich, daſs die Rauchschäden durch die Richtung des Thales auſserordentlich beeinfluſst sind. Nur an einigen Stellen, bei den Hütten in Sattelbildungen die thalbegrenzenden Gebirgsrücken überschreitend, zieht sich der Hüttenrauchschaden meist nicht höher als bis zu ⅔ des Rückens hinauf. Diese Höhe nimmt thalwärts ab, wo die relative Höhe des Berges zu- und die Intensität des Hüttenrauches abnimmt. Bei vorspringenden Rücken und Nasen tritt die Schädigung stets stärker auf und wird weit thalabwärts immer wieder als starker Schaden sichtbar. Thalaufwärts nimmt der Schaden rasch ab und verschwindet bald. Alle diese Erscheinungen lassen sich zunächst auf die Windrichtung und Nebelbildung zurückführen. Eine Eigenthümlichkeit der Thäler ist der bei nicht allzu heftiger entgegengesetzter Windrichtung Abends und Morgens eintretende Thalzug, eine thalabwärts führende Luftströmung. Gerade zu dieser Zeit tritt die Thau- und Nebelbildung ein und, da der Rauch erwiesen er maſsen am meisten in Verbindung mit feuchten Niederschlägen schadet, so findet die Hauptschädigung hier thalwärts statt. Bei der Clausthaler Silberhütte würde der Westwind, der hier das flache Thal bestreichen kann, eine erheblich gröſsere Verwüstung verursacht haben, wenn nach Osten zu sich Waldbestände befänden. So liegen hier nur Wiesen, welche verhältniſsmäſsig wenig vom Rauch geschädigt werden. Entsprechend mit der Nebelbildung zeigt sich die Erscheinung, daſs die Sohle unserer engen Thäler weit weniger vom Hüttenrauch geschädigt wird als die vielleicht 10m höher belegenen Hänge. Dieser Umstand erklärt, daſs die Bäume an den Thalstraſsen überall näher an die Hütte herangehen als an den begleitenden Berghängen. Alle die Flächen, namentlich die in das Hauptthal einspringenden und vorgeschobenen Rücken, gegen welche der Rauch prellt und sich dann seitwärts abweisen läſst, leiden stärker, wahrscheinlich weil der Rauch hier länger zurückgehalten wird und den ganzen Bestand durchdringt, während er an den Parallelwänden des Thales mehr auf den Beständen hinwegstreicht. Die Flächen hinter diesen vorliegenden Rücken erscheinen minder verletzt und ist hieraus, wenn auch mit Vorsicht, zu folgern, daſs die Bestände durch diese Rücken geschützt werden. Uebrigens wirkt bei diesen beiden Erscheinungen noch ein absonderliches Verhalten der Bäume bezüglich ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Hüttenrauch mit, auf welche ich später zurückkommen werde. Die 147 Nadelproben ergaben nun bei der chemischen Analyse sehr verschiedene Schwefelsäuregehalte, welche zwischen 0,06 und 1,33 Procent der Trockensubstanz schwankten. 41 Proben waren aus unzweifelhaft reinen Beständen entnommen, z.B. von der Wolfswarte, vom Heinrichsberge bei Grund, vom Iberge, von der Schalk u.s.w. Der Schwefelsäuregehalt dieser Punkte betrug höchstens 0,2 Proc. der Trockensubstanz, im Durchschnitt 0,162 Proc. Alle über 0,21 Proc. haltenden Proben wurden nun so eingetheilt, daſs alle über 0,5 Proc. Schwefelsäure, alle von 0,3 bis 0,5 Proc. und endlich alle von 0,21 bis 0,3 Proc. Schwefelsäure enthaltenden Bestandesproben zusammengefaſst wurden. Werden die einer Gruppe angehörigen Punkte durch Linien verbunden, so ergibt sich zunächst an schlief send an die Blöſsen die stark beschädigte Zone von Beständen über 0,5 Proc. Schwefelsäuregehalt der Nadeln mit 45 Probepunkten. Diese wird umfaſst mit regelmäſsig verlaufenden Begrenzungslinien durch die mäſsig beschädigte mit 53 Probepunkten von 0,3 bis 0,5 Proc., welche ihrerseits wieder von der schwach beschädigten Zone umschlossen wird, welche 0,21 bis 0,3 Proc. Schwefelsäuregehalt der Nadeln an 28 Probepunkten nachweist. Auch hierbei zeigt sich, wie in nächster Nähe der Hütten am Rande der Blöſsen die Schädigung am kräftigsten, der Schwefelsäuregehalt der Nadeln am höchsten ist. So findet sich am Eichelnberge bei Clausthaler Silberhütte 1,332 Proc., am Bromberg bei Lautenthal 1,04 Proc., am Schwarzenberge bei Altenauer Silberhütte 0,9 Proc. Schwefelsäuregehalt. Thalaufwärts nehmen ähnlich den sichtbaren Beschädigungen die Schwefelsäuregehalte rasch ab, während sie thalabwärts ganz allmählich geringer werden. Die kleinsten Gehalte finden sich in weitester Entfernung der Hütte und an den Höhen der eingrenzenden Thalrücken, welche vom Rauche nicht getroffen werden. Verfolgt man die abnehmenden Schwefelsäuregehalte im Innerstethaie abwärts nach Lautenthal zu, so zeigt sich in der Nähe der Hüttschenthaler Sägemühle am Kratzenthal wieder eine plötzliche Steigerung. Die nahe liegende Erklärung dieser Erscheinung findet sich in der Mitwirkung des Lautenthaler Rauches und kann diese Stelle mit annähernder Sicherheit als die Thal aufwärts liegende Beschädigungsgrenze der Lautenthaler Hütte bezeichnet werden. Auf gleiche Weise lassen sich die südlichen Beschädigungsgrenzen der Frau-Marien-Saigerhütte vor dem Okerthale und der Sophienhütte vor dem Innerstethaie erkennen und liegt erstere etwa in der Gegend des Waldhauses, letztere am Ottersberge oberhalb Langelsheim. Sehr interessante Schlüsse lassen sich nun aus dem Vergleich der sichtbaren Beschädigungen mit den Resultaten der chemischen Analyse ziehen. Zunächst findet man eine im Ganzen vollkommene Uebereinstimmung der Beschädigungsgebiete; wo die äuſsere Bonitirung eine Schädigung ansprach, hat sie auch die chemische Analyse bestätigt. Ueberall, wo die äuſsere Bonitirung keine Schädigung nachwies, hat auch die chemische Analyse die Reinheit der Bestände nachgewiesen. In dieser Uebereinstimmung der beiden Bonitirungen liegt nun der beste Beweis, daſs die chemische Analyse mit vollkommener Schärfe das Gebiet des Hüttenrauches zu bestimmen vermag. Auch in den einzelnen Graden der Beschädigung herrscht auffallende Gleichmäſsigkeit der Bonitirungen und lassen sich Abweichungen stets auf den Einfluſs der Bestandesbonität zurückführen. Betrachten wir nämlich die einzelnen Schwefelsäuregehalte näher, so fällt es auf, daſs diese selbst am Rande der Rauchblöſse sehr verschieden sind. Am Eichelnberge bei Clausthal z.B. ist der Schwefelsäuregehalt am Rande der Rauchblöſse 1,332 Proc., gegenüber am Einertsberge, gleichfalls am Rande der Blöſse, nur 0,7 und 0,6 Proc., am Kahberge im Okerthale sogar nur 0,323 Proc. Diese Unterschiede erklärt die Bestandesbeschreibung. Vom Eichelnberge sagt sie: Fichtenboden 2., vom Einertsberge 3. bis 4. und vom Kahberge nur schlechte 5. Bonität. Stellt man alle von den Rändern der Rauchblöſsen entnommenen Proben unter Beifügung ihrer Bonität zusammen, so ergibt sich durchschnittlich als Gehalt der Nadeln: für zweite Bonität   1 Probe 1,332 Proc. Schwefelsäure 2. bis 3. und 3.   4 0,852 3. bis 4. und 4. 11 0,699 4. bis 5. und 5.   5 0,551 Wenn ich auch gerne zugebe, daſs diese Probenzahl nicht hinreicht, ein nicht unrichtiges Gesetz für das Verhalten der Bäume im Hüttenrauch allein zu begründen, so wird es doch durch so viele auffallende Erscheinungen im Verhalten einzelner Bäume und Bestände, die lediglich hierdurch ihre naheliegende Erklärung finden, unterstützt, daſs die Wahrheit des Satzes nicht angezweifelt werden kann: Unter sonst gleichen Verhältnissen widersteht ein Baum auf gutem Boden dem Hüttenrauche länger als auf schlechtem. Dieser Satz begründet auch zum Theil die stärkeren äuſseren Beschädigungen der vorspringenden Rücken und die schwächeren der durch diese geschützten Bestände. In beiden Thälern liegen alle die dem Rauche zugewendeten Seiten der vorspringenden Rücken nach Süd und Südwest, eine Stellung, die bei uns immer eine geringe Bonität bedingt. Die dem Rauche abgewendeten Seiten liegen dagegen nach Nord und Nordost, Lagen, in denen man bei uns die besseren Fichtenbonitäten zu finden pflegt. Die eben angeführten Zahlen geben auch einen Anhalt, wie viel Schwefelsäure Bestände in verschiedenen Bonitäten durchschnittlich durch die Nadeln aufzunehmen vermögen, bevor sie absterben. Daraus, daſs in der besten Bonität 2 über 1,332 Proc. Schwefelsäure nicht aufgefunden ist, daſs in der schlechtesten Bonität 5 am Blöſsenrande noch 0,323 Proc. festgestellt wurde, darf gefolgert werden, daſs bei allen Beständen von den schlechtesten bis zu den besten des Oberharzes (denn über 2. Bonität kommen wir wohl nicht hinaus) der Tod innerhalb der Grenzen von 0,323 bis 1,332 Proc. Schwefelsäure der Nadeln eintreten muſs. (Forts. folgt.)