Titel: Kraftleistung der Walzenzug-Maschinen.
Autor: Gustav Schmidt
Fundstelle: Band 243, Jahrgang 1882, S. 173
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Kraftleistung der Walzenzug-Maschinen. Kraftleistung der Walzenzug-Maschinen. Die Zeitschrift des Vereines deutscher Eisenhüttenleute Stahl und Eisen enthält in ihrem 1. Jahrgang (1881) Nr. 1 und 2 den Bericht über die Generalversammlung des Vereines, in deren zweiter Sitzung am 29. Mai 1881 die aus den HH. E. Blaſs, R. M. Daelen und Dr. Kollmann bestehende Commission der Section für Maschinenwesen zum Wort gelangte. Insbesondere erstattete Blaſs das Referat (S. 59 ff.) über die angewendeten Apparate (wobei wiederholt der Satzfehler Hlowatschek statt Hlawatschek vorkommt) und über seine Tabellen, betreffend die Versuche und seine theoretischen Aufstellungen über den Arbeitsbedarf der Walzenlinien. Letztere gipfeln darin, daſs die für einen Stich zu verrichtende Arbeit aus drei Theilen besteht: W = w1 + w2 + w3, worin w1 die Deformirungsarbeit, w2 die Zapfenreibungsarbeit und w3 die Rutschungsarbeit bezeichnet, davon herrührend, daſs die durch die Berührung mit der Walze abgekühlte, also zäher gewordene Oberfläche des Paketes sich während des Streckens an der Walze reibt. Bezeichnet: F den Querschnitt des Kalibers in qc, J die Berührungsfläche zwischen Walzen und Paket in qc, l die Länge des Blockes in m nach dem Passiren des betreffenden Kalibers, p den Druck in k für 1qc der Berührungsfläche, P = 0,001 Jp den durch die Beobachtung gefundenen Walzdruck in t, α den Abnahmecoefficienten, b die gröſste Breite des Kalibers in cm, s den halben Umfang des Kalibers in cm, u die Anzahl der Umdrehungen für den Stich, den wirksamen Walzenradius in cm, ρ den Zapfenradius in cm, f den Reibungscoefficienten, nach den Versuchen = 0,046, H die Paketdicke vor dem Durchgang durch das Kaliber in cm, K die Kraft, welche zur Verrichtung der Deformirungsarbeit w1 erforderlich ist, in t, so ist nach Blaſs: J=b\,\sqrt{r\,H\,(1-\alpha)} . . . . . (1)    K=3/8\,P\,\sqrt{\frac{H\,(1-\alpha)}{r}} . . . . . (2) w_1=K\,l^{mt}=1000\,K\,l^{mk} . . . . . (3)    w_2=0,02\,\pi\,\varrho\,u\,f\,p\,J . . . . . (4) w_3=60\,J\,l\,\sqrt{p}\,(1-\alpha)\ \left(\frac{3\,s-2\,b}{b}\right) . . . . . (5) Hierzu kommt noch eine Formel, welche den theoretischen Werth der Deformirungsarbeit w1 geben soll, unter der Annahme constanten Volumens V und einer Durchzugskraft von k = 400k für 1qc Kaliberquerschnitt. Ist nämlich die anfängliche Länge = l0, die schlieſsliche = l1, so ist l_1=\frac{l_0}{\alpha} und die Verlängerung =l_1-l_0=l_1\,(1\,\alpha), der variable Querschnitt f=\frac{V}{l}, die erforderliche variable Kraft =k\,f=\frac{k\,V}{l}, also die elementare Arbeit: d\,W_1=k\,V\,\frac{d\,l}{l}, woraus folgt: W_1=k\,V\,log\,nat\,\frac{l_1}{l_0}=k\,V\,log\,nat\,\frac{1}{\alpha} . . . . . (6) Da in dieser Formel 1m als Einheit zu nehmen ist, so hat man k=4000000^k=4000^t und V in Cubikmeter einzusetzen. Beispielsweise ist für die Schwellenstraſse der Gutehoffnungshütte bei der Vorwalze nach S. 80 der angegebenen Quelle: Stich F α l u 2r P w 1 w 2 w 3 W W' Nr. qc m cm t Meter-Tonnen 1 301 0,803 1,33 0,7 56,7 119,4 19,3 4,7 108 132 150 2 243 0,808 1,65 0,9 59,0 132,3 24,8 6,2 124 155 165 3 192 0,793 2,08 1,1 61,8 89,7 19,2 5,8 111 136 130 4 148 0,771 2,70 1,4 63,6 131,0 33,8 10,2 150 194 242 5 113 0,764 3,54 1,7 64,4 81,0 24,5 7,5 131 163 114 6 82 0,726 4,87 2,2 68,8 102,6 37,2 12,8 182 232 234 –––– –––– Summe 1012 1041 In vorstehender Tabelle bedeutet W' die durch die Beobachtung gefundene gesammte Walzarbeit, welche aus der von der Maschine verrichteten und aus der vom Schwungrad abgegebenen Arbeit besteht. Die für alle 6 Stiche indicirte Arbeit beträgt 1584mt bei der gesammten Umdrehungszahl = 46 in 50 Secunden Walzzeit. Die aus der Steigerung der Umlaufzahl des Schwungrades im Leergang ermittelte Arbeit der Maschine bei diesen 46 Umdrehungen, von welchen 8 auf die Walzarbeit und 38 auf den Leergang entfallen, beträgt 1041mt; also ist der Wirkungsgrad der Dampfmaschine \eta=0,657 bei 422^e indicirt. Unverständlich bleiben dem Referenten die Angaben des Werthes von K. So sind in dem angeführten Beispiel die Blöcke auf H=15^{cm},\ b=25^{cm} und 1^m,13 Länge vorgeschmiedet und nach dem ersten Durchgang l=1^m,33 lang. Für das erste Kaliber ist r=0,2835 und \alpha=0,803 angegeben, also der Kaliberquerschnitt F=\alpha\,b\,H=301: J=0,25\,\sqrt{0,2835\,\times\,0,02955}=229 und mit P = 119,4: w_1=3/8\,\times\,119,4\,\times\,1,33\,\sqrt{(0,02955\,:\,0,2835)}=19,22. Diese berechneten Werthe stimmen mit jenen vom Verfasser angegebenen fast ganz genau. Desgleichen berechnet sich nach Formel (6) mit log\ nat\ \alpha=0,2194 und nach Blaſs' Angabe V=0^{cbm},04 und W_1=4000\,\times\,0,04\,\times\,0,2194=35,1, statt angegeben 35,3. Dagegen kann Referent die angegebenen Werthe für die „Kraft, um den Block durch die Walzen zu ziehen“, nicht für richtig anerkennen. Nach Angabe S. 65 a. a. O. soll diese Kraft K durch einfache Division der Gesammtarbeit W für einen Stich (Rubrik 8) mit der Blocklänge entstanden sein. Hiermit folgt aber K=\frac{W}{l}=\frac{150,2}{1,33}. Blaſs dividirt aber, wohl irrthümlich, überdies noch mit u (Rubrik 2) und findet so in der 11. Rubrik: K=112,9\,:\,0,7=161^t=535^k für 1qc. Diesbezüglich wäre daher eine Aufklärung seitens des Hrn. Verfassers wünschenswerth. Betreffend die von der Commission angewendeten Apparate erlaube ich mir zu bemerken, daſs zwar die ganz vorzügliche und immer verlaſsliche Ausführung der Elliot'schen Indicatoren allgemein anerkannt wird, aber bei der hohen Tourenzahl von 70 bis 90 Umgängen die unnatürlich hohe Anfangsspannung in den mitgetheilten Diagrammen doch nur der Massenwirkung zuzuschreiben ist, welche zweifellos weggefallen wäre, wenn sich die Commission eines Thompson'- oder eines Rosenkranz'schen Indicators bedient hätte, dessen Schreibzeug wesentlich leichter ist als das Richards'sche, während die uns bekannten Ausführungen deutscher Firmen neuester Zeit keineswegs dem englischen Fabrikat nachstehen, daher der a. a. O. S. 59 gemachte Vorwurf, daſs in Deutschland die Indicatoren nur vom Standpunkt des höheren Gelbgieſsers ausgeführt werden, sich höchstens auf die Instrumente aus älterer Zeit beziehen kann. Der von R. M. Daelen construirte hydraulische Druckmesser hat sich bis auf ganz kleine Anstände bewährt. Das Boeck'sche Velocimeter ist ein gewöhnlicher Telegraphenapparat, auf dessen Papierstreifen ein Viertelsecunden-Contact Marken erzeugt. Auch dieses Instrument hat entsprochen. Es ergab sich z.B. bei den ersten 8 Kalibern der Walzenstraſse in Ruhrort für eiserne Oberbauschwellen, wenn u die Anzahl der Umdrehungen für den Stich oder folgenden Leergang und n die Anzahl Umläufe des Schwungrades in einer Secunde bedeutet, die Tabelle a. f. S. Die lebendige Kraft des Schwungrades beträgt: L=700\ n^2 Metertonnen (mt); folglich wurde vom Schwungrad in diesen 8 Stichen, d. i. bei 19,5 Umdrehungen während des Walzens die Arbeit von 700\,\times\,1,4=980^mt abgegeben, welche von der Maschine während des Leerganges von zusammen 48 Umdrehungen im Schwungrad angesammelt wurde. u n 2 Δn 2 0,98 1. Stich 1,1 0,89 0,09 Leer 8,1 1,10 2. Stich 1,2 1,02 0,08 Leer 6,4 1,25 3. Stich 1,3 1,10 0,15 Leer 2,8 1,20 4. Stich 1,5 1,05 0,15 Leer 7,0 1,27 5. Stich 1,8 1,04 0,23 Leer 11,1 1,32 6. Stich 3,2 0,98 0,34 Leer 3,2 1,09 7. Stich 4,2 0,98 0,11 Leer 5,2 1,05 8. Stich 5,2 0,80 0,25 Leer 3,7 0,90 –––– Summe 1,40 Es entfällt also auf einen Umlauf eine Leistung der Maschine von 20mt,4. Die von Blaſs aus der Einzelbeobachtung des Leerganges zwischen dem 5. und 6. Stich berechnete Leistung von 17mt,5 ist daher zu klein, weil die Maschine hier gerade ihre Maximalgeschwindigkeit hatte, wo die Leistung für eine Umdrehung am kleinsten ist. Ich rechne daher die Leistung der Maschine während der 19,5 Umdrehungen für 8 Stiche mit 19,5\,\times\,20,4=398^mt, also die Gesammtleistung der Maschine bei 67,5 Umgängen =980+398=1378^mt, folglich bei der mittleren Tourenzahl = 64 in der Minute = 1306mt, also die effective Pferdestärke N=1306000\,:\,4500=290 und das Verhältniſs der während des Walzens abgegebenen Dampfarbeit zur gesammten Arbeit mit \frac{19,5}{67,5}=\frac{1}{3,46}, nicht aber, wie Blaſs findet: \frac{1}{5,6} oder beim zweiten Stich gar nur 1/9. Dann wäre es allerdings ein Räthsel, wie unsere Reversirwalzwerksmaschinen, welche nicht mehr als etwa 3½fache Stärke der Schwungradmaschinen haben, mit der Arbeit zu Stande kommen können. Bei der von mir berechneten Pferdestärke der Maschine = 290 beträgt der Effect E=75\,N=21750^{mk}=21^{mt},75, dagegen die lebendige Kraft des Schwungrades bei 64 Touren in der Minute: L=700\,\left(\frac{64}{60}\right)^2=796,44=36,6. Dies entspricht auch der üblichen Regel, daſs L wenigstens = 30 E sein soll. Jedenfalls ist die besprochene Arbeit sehr interessant, und es wäre hochwichtig, in diesem Sinne die Versuche und Studien weiter fortzuführen, um insbesondere die von Blaſs bestimmte „Rutschungsarbeit“ zu controliren. Gustav Schmidt.