Titel: | Elektricität gegen Feuersgefahr. |
Fundstelle: | Band 243, Jahrgang 1882, S. 257 |
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Elektricität gegen Feuersgefahr.
W. Siemens, über Elektricität gegen Feuersgefahr.
Das durch den Brand des Ringtheaters in Wien herbeigeführte
entsetzliche Unglück hat Dr. Werner Siemens in
Berlin Anlaſs gegeben, in der Sitzung des
Elektrotechnischen Vereines am 27. December 1881 einen
Vortrag über die Beihilfe zu halten, welche uns die Elektricität zur Verhütung und
bei Bekämpfung von Feuersbrünsten leisten kann. Der Vortrag ist in der Elektrotechnischen Zeitschrift, 1882 S. 7 ff.
abgedruckt und wir geben nachstehend dessen wesentlichen Inhalt und die
hauptsächlichsten Bemerkungen aus der sich an den Vortrag anschlieſsenden
Verhandlung über den Gegenstand wieder.
Nachdem der Vortragende nachgewiesen, daſs sich die Feuersgefahr an sich überhaupt
gar nicht beseitigen lasse, daſs sie sogar trotz der zu ihrer Verminderung
angewendeten Mittel fortwährend gestiegen sei, erklärt er die Thatsache, daſs
trotzdem die Zahl der Brände und die Gröſse der Brandschäden nicht zugenommen habe,
aus dem Umstände, daſs wir von Jugend auf an den Kampf gegen das Feuer gewöhnt
würden und unsere Hilfsmittel in diesem Kampfe beständig sich verbesserten. Es komme
hauptsächlich darauf an, kleine Feuer schnell zu löschen, bevor sie Zeit gehabt
haben, sich gefahrdrohend zu entwickeln, also überall gute Löschmittel zur Hand zu
haben und noch zu
rechter Zeit gut geschulte und organisirte Löschkräfte herbeizuschaffen, um ein
ausgebrochenes Feuer zu dämpfen, ehe es eine bedrohliche Gröſse angenommen hat. Die
Elektrotechnik habe schon seit langer Zeit durch Anlage ausgebreiteter Feuerwehrtelegraphen eine bedeutende Rolle hierbei
gespielt.An der Hand der Statistik wird der bedeutende Einfluſs, den gute
Feuertelegraphen-Anlagen auf die Verminderung der Zahl der Groſsfeuer äuſsern, schlagend nachgewiesen in
den Tabellen, welche R. v. Fischer-Treuenfeld's
Buch: Feuertelegraphen (Stuttgart 1877)
beigegeben sind. (Vgl. 1877 225 *
553.) Es sollte aber unbedingt das bei diesen Anlagen übliche
Meldesystem so weit ausgedehnt werden, daſs alle gröſseren, besonders
feuergefährlichen Anlagen, wie Fabriken, öffentliche Gebäude u.s.w., durch einen
oder besser mehrere Meldeapparate unmittelbar mit der
Feuerwehr in Verbindung gesetzt werden, damit die Anzeigen von Feuersgefahr
möglichst schnell an die rechte Stelle kommen. Es liege dies nicht nur im
einseitigen, sondern im allgemeinen Interesse, weil besonders in eng gebauten
Städten das Ausbrechen eines groſsen Feuers für die ganze Umgebung, ja, wie der
Hamburger Brand zeigt, sogar für ganze Stadttheile eine Existenzfrage bilden kann.
Es müsse jedoch dieses System noch viel weiter entwickelt werden. In groſsen
Fabrikräumen, Theatern, öffentlichen Gebäuden sind so viele feuergefährliche,
räumlich weit von einander entfernte und oft mühsam zugängliche Stellen, daſs die
einfache Meldung, es brenne, in dem betreffenden Gebäudecomplexe nicht ausreicht. Es
muſs zugleich der Ort, wo es in dem selben brennt,
angegeben werden, weil oft einige Minuten entscheidend sind um einen gewaltigen
Schaden abzuwenden.
Hierfür ist in der Fabrik von Siemens und Halske in
Berlin eine besondere Einrichtung getroffen worden, welche die Feuermeldung mit der
Wächtercontrole vereinigt. In eine Drahtleitung, welche die ganze Fabrik durchläuft,
sind an allen gefährdeten und schwer zugänglichen Stellen Apparate eingeschaltet,
welche jeder beiden Zwecken dienen. Die Wächter müssen nämlich auf ihrem Gange durch
die Fabrik an einem bestimmten, etwas versteckt angebrachten Knopfe ziehen, wodurch
die Zeit ihres Besuches des Ortes auf einem Papierstreifen im Bureau registrirt
wird. Dies gewährt auſserdem den groſsen Vortheil, daſs der
Apparat selbst immer in brauchbarem Zustande erhalten wird. Denn ein
Mechanismus, der nicht regelmäſsig angewendet oder controlirt wird, ist nicht
zuverlässig. An demselben Apparat ist nun noch ein zweiter leicht erkennbarer Knopf
angebracht, mit welchem Jeder, der daran zieht, eine Feuermeldung geben kann, indem
eine Alarmglocke in Thätigkeit gesetzt und zugleich die Nummer des meldenden
Apparates freigelegt wird.
Einen zweiten Wirkungskreis eröffne der Elektrotechnik gegen Feuersgefahr die elektrische Kraftübertragung. In dieser Richtung sind
in neuerer Zeit durch das Wiener Brandunglück viele Pläne zum Vorschein gekommen.
Die meisten Erfinder wollen die Feuermeldung und Löschung gleich selbstthatig
einrichten. Sie wollenWie z.B. Prof. Dr. Obernier in Bonn, dessen
Vorschläge sich auch auf einen mittels Quecksilberthermometer beschafften
selbstthätigen Feuermelder erstrecken (vgl. Elektrotechnische Zeitschrift, 1882 S. 1 u. 2).D. Red. brennbare Schnüre ausspannen,
welche durch das Feuer vernichtet werden sollen, oder durch die Hitze des Feuers
Contacte hervorbringen, kurz durch das Feuer selbst eine Thätigkeit ausüben lassen,
welche direct die Feuermeldung besorgt, den eisernen Vorhang bei Theatern
niederläſst, Spritzen in Gang setzt, Ventilatoren öffnet u.s.w. Siemens erklärt solche selbstthätige Einrichtungen als
im Allgemeinen nicht ausreichend, selbst wenn sie beständig in guter Ordnung wären.
Die einzige Hilfe, unter allen Umständen richtig functionirend gegen Feuersgefahr,
biete der thatkräftige, vernünftige Mensch; dieser müsse die Mittel erhalten, seine
Thatkraft zu rechter Zeit am rechten Ort in Thätigkeit bringen zu können, und müsse
die richtigen Löschmittel schnell zur Hand haben. Hierzu kann die elektrische
Kraftübertragung mit Vortheil verwendet werden. Es lassen sich leicht Einrichtungen
treffen, um von einem oder mehreren Punkten aus durch einfache Contactschlüsse
in groſser Schnelligkeit mechanische Operationen auszuführen, die zweckmäſsig sind,
um das Feuer abzusperren, sein Weitergreifen zu verhindern, oder auch es zu löschen.
Es verdiene dies namentlich bei Theatern Beachtung, in denen eine groſse, eng an
einander gedrängte Menschenmenge einer ungewöhnlich groſsen Feuersgefahr ausgesetzt
ist. Ist eine elektrische Beleuchtung vorhanden, oder werden andere elektrische
Kraftübertragungen dauernd zur Ausführung nöthiger Arbeiten angewendet, wie z.B. zum
Verschieben der Coulissen, Bewegung schwerer Vorhänge oder Versenkungen u.s.w., so
ist der nöthige Strom für die Verwendung der Kraftübertragung zum Feuerlöschen immer
vorhanden. Wäre der eiserne Vorhang des Wiener Theaters immer durch elektrische
Kraftübertragung bewegt worden, so hätte die Hitze des ausgebrochenen Feuers das
Niederlassen desselben nicht verhindern können, wie es der Fall gewesen sein soll.
Die elektrische Maschine erträgt eine ziemlich groſse Hitze und würde durch sie
nicht verhindert sein, ihre Thätigkeit auszuüben, wie der damit beauftragte
Mann.
Die Feuergefährlichkeit selbst würde sich ferner durch Einführung der elektrischen Beleuchtung in hohem Grade vermindern.
Feuergefährlich ist natürlich auch die elektrische Beleuchtung und auch
lebensgefährlich kann sie bei unvernünftiger Handhabung unter Umständen werden.
Diese Gefahren dürften selbst durch die Neuheit der Sache und die geringe
Verbreitung der Kenntniſs der Elektricitätslehre, sowie durch den Mangel an Erfahrungen noch wesentlich gesteigert
werden. Es fragt sich aber einmal, ob die Gefährlichkeit, die sich in vereinzelten
Fällen gezeigt hat, in der Natur der Sache begründet ist oder nicht und zweitens, ob
sie groſser oder kleiner ist wie bei einer anderen Beleuchtungsart.
Früher, als man noch aus Retortenkohle geschnittene Kohlenstäbe anwendete, kam es
allerdings häufig vor, daſs glühende Kohlen Stückchen absplitterten und
niederfielen. Durch die jetzt allgemein verwendete Preſskohle ist dieser Uebelstand
aber vollständig beseitigt. Trotzdem wird aber kein Sachverständiger elektrische
Lampen in feuergefährlichen Räumen ohne eine sichere Umhüllung von Glaskugeln mit
Drahtgeflecht oder von angebrachten Laternen aufstellen. Daſs ferner dünne
Leitungsdrähte, die von starken Strömen durchflössen sind, glühend werden, ist eine
bekannte Thatsache. Der Elektrotechniker hat aber die Leitungsfähigkeit der Drähte
so groſs zu wählen, daſs eine schädliche Erwärmung derselben und eine Entzündung
benachbarter brennbarer Gegenstände durch sie nicht eintreten kann, und er hat
dieselben so sicher zu befestigen und zu bedecken, daſs eine Loslösung unmöglich
ist. Wenn ein solcher Fall bei einer zeitweiligen Anlage, wie die im Pariser
Ausstellungspalaste war, eintritt, dann ist nicht die Elektricität, sondern die
Unkenntniſs oder der Leichtsinn des Arbeiters und des die Arbeit leitenden
Ingenieurs an dem Unfälle Schuld. Ganz unverständlich dagegen ist die Behauptung,
daſs von unbedeckten Leitungsdrähten Funken ausgegangen seien, die Nägel glühend
gemacht und das Holz, in dem sie steckten, angezündet hätten. Die zur elektrischen
Beleuchtung verwendeten elektrischen Ströme haben eine verhältniſsmäſsig geringe
elektrische Spannung. In der Regel übersteigt sie die einer galvanischen Batterie
von einigen Hundert Daniell'schen Elementen oder Volts nicht. Eine solche
elektrische Spannung hat aber noch keine meſsbare Schlagweite. Selbst bei einigen
Tausend Volts Spannung geht ohne vorherige metallische Berührung noch kein Funke
zwischen den Leitungsdrähten oder von ihnen zu anderen Körpern über. Die oft
wiederholte Angabe, daſs Funken oder blitzartige Schläge von den Leitungen
abgesprungen wären, können daher nur auf Selbsttäuschung beruhen. Eine gut angelegte elektrische Beleuchtung bietet alle diese
Gefahren nicht.Aehnlich hat sich auch Prof. Henry Morton im Sanitary Engineer ausgesprochen. Derselbe hebt
namentlich hervor, daſs sorgsam zu verhüten wäre, daſs etwa Halbleiter oder
sehr dünne Leiter unversehens eine Nebenschlieſsung zwischen den von starken
Strömen durchlaufenen, zu den Lampen führenden Zuleitungsdrähten bilden,
dadurch glühend werden oder kleine VoltascheFlammenbögen
entstehen lassen und so brennbare Stoffe entzünden könnten. In
Lichtbogenlampen sei bei Einschaltung einer sehr groſsen Zahl in denselben
Schlieſsungskreis etwa durch Beigabe einer im Bedarfsfalle sich selbstthätig
herstellenden guten Nebenschlieſsung in der Lampe oder durch geeignete
Regulatoren in der Strom erzeugenden Maschine zu verhüten, daſs beim
plötzlichen Auslöschen mehrerer Lampen der Strom in den eingeschaltet
gelassenen so stark und der Lichtbogen so lang würde, daſs vielleicht
Schmelzungen der Metalltheile eintreten könnten. (Vgl. Engineering and Mining Journal, 1881 Bd. 32 S.
388.)D. Red.
Ebenso übertrieben sind die Gefahren für Leben und Gesundheit durch die elektrischen
Maschinen und Leitungen. Bei sehr hochgespannten elektrischen Strömen, wie sie
neuerdings von Brush in Amerika angewendet werden, kann
es in der That lebensgefährlich werden, wenn man gleichzeitig die beiden Polklemmen
der elektrischen Maschine oder die Leitungsdrähte anfaſst, da der dann den Körper
durchlaufende starke Strom einen Muskelkrampf erzeugt, der es unmöglich macht, sie
schnell wieder loszulassen. Um dies zu verhüten, müssen die Leitungen gegen
zufällige Berührung geschützt werden. Thut Jemand es absichtlich, so begibt er sich
freiwillig in Lebensgefahr, wie wenn er die Hand unter den Treibriemen der Maschine
legte. In der Fabrik von Siemens und Halske, in welcher
wohl mehr wie irgendwo in der Welt mit starken elektrischen Strömen experimentirt
wird, ist noch nie Jemand durch den elektrischen Strom beschädigt worden.
Die Feuergefährlichkeit der elektrischen Beleuchtung ist sicher gar nicht in
Vergleich mit der Feuersgefahr jeder anderen Beleuchtungsart und namentlich der
Gasbeleuchtung zu bringen. Es fällt die Explosionsgefahr und die groſse Gefahr beim
Anstecken der Gasflammen in Räumen, die mit leicht brennbaren Stoffen angefüllt
sind, bei der elektrischen Beleuchtung vollständig fort, ebenso die Gefahr der
Vergiftung durch ausgeströmtes unverbranntes Leuchtgas.
Der Anwendung der Elektricität zur Beleuchtung der TheaterDer Niederösterreichische Gewerbeverein in Wien
hat auf Grund eingehender, in seinen Abtheilungen für Chemie, Baugewerbe und
Mechanik stattgefundener Berathungen eine Reihe von Vorschlägen zur
Sicherung der Theater gegen Feuersgefahr an die n.-ö. Statthalterei geleitet
und in einem besonderen Schriftchen ausgegeben, in welchem nach eingehender
Besprechung der Beleuchtungsfrage überhaupt, auf S. 28 bis 30, auch in Bezug
auf die elektrische Beleuchtung und die baupolizeiliche Beaufsichtigung bei
Anlage und Unterhaltung derselben Vorschläge gemacht werden, in denen im
Wesentlichen die auch von Siemens
ausgesprochenen Forderungen Ausdruck gefunden haben. In gleicher Weise ist
auch der Oesterreichische Ingenieur- und
Architektenverein in Wien vorgegangen.D. Red. hat man bisher nicht ohne Grund
das Bedenken entgegengesetzt, daſs die Beleuchtung mittels starker elektrischer
Lichter die beabsichtigten künstlerischen Effecte stört, indem die Schatten zu stark
und ungleichmäſsig und die bläulichweiſse Lichtfarbe unzweckmäſsig wäre. Zum groſsen
Theile sind diese nicht unberechtigten Bedenken schon durch die von Siemens und Halshe zuerst durchgeführte Theilung des
elektrischen Lichtbogens beseitigt. Mittels der Differentiallampen (vgl. 1880 236 * 420), welche gegenwärtig in nur unwesentlich
modincirten Formen überall zur Anwendung gebracht werden, kann man das von einer
Elektricitätsquelle ausgehende Licht jetzt innerhalb weiter Grenzen räumlich
vertheilen und dadurch unschöne Schattenbildungen beseitigen. Daſs das elektrische
Licht bläulich wäre, ist ein Irrthum, der auf
Selbsttäuschung beruht. Bei unmittelbarem Vergleiche der Farbe des Sonnenlichtes mit
der des elektrischen Lichtes erscheint unzweifelhaft ein elektrisch beleuchteter
weiſser Gegenstand, verglichen mit einem durch Sonnenlicht beleuchteten, gelblichF. v. Hefner-Alteneck weist darauf hin, daſs
in elektrisch beleuchteten Bahnhofshallen sich dies sehr leicht
nachweisen lasse, wenn das elektrische Licht bereits angezündet werde,
während auſserhalb noch Dämmerlicht herrsche. Man brauche sich nur an
das offene Ende der Halle zu stellen und ein BlattPapier oder die
Hand so zu halten, daſs sie auf der einen Seite nur elektrisch, auf der
anderen vom Tageslicht erleuchtet werde. Die elektrisch erhellte Seite
werde dann auffällig gelb und die andere blau erscheinen, so daſs man
kaum begreifen könne, wie man lediglich infolge einer Täuschung eine
Stunde später das elektrische Licht bläulich finden könne, (vgl. Elektrische Zeitschrift, 1882 S.
2.), während er, durch Gaslicht beleuchtet, roth ist. Die Selbsttäuschung entsteht nun daraus, daſs wir gewohnt
sind, die Welt nach Sonnenuntergang roth beleuchtet zu sehen, und daſs wir von
dieser Grundlage aus uns eine veränderte Farbenscale bilden. Tageslicht würde uns
danach des Nachts noch bläulicher erscheinen wie das gelbliche elektrische Licht. Es
würde sich diese falsche Vorstellung ändern, wenn elektrische Beleuchtung allgemein
eingeführt wäre. Da dies aber noch nicht der Fall ist, auch wohl sobald nicht
eintreten wird, und da die Farbenzusammenstellung der Bühnendecorationen, der
Toiletten und der Schminke der Schauspieler einmal auf die Beleuchtung durch
röthliches Gas- oder Lampenlicht eingerichtet sind, so muſs das Bedenken gegen die
Bühnenbeleuchtung durch elektrisches Bogenlicht als begründet anerkannt werden. Die
fortgeschrittene Elektrotechnik hat aber eine Aushilfe bereits in der Verbesserung
des elektrischen Glühlichtes gefunden. Es ist gelungen, Glühlampen herzustellen,
welche die Leuchtkraft einer starken Gasflamme haben und Monate lang ununterbrochen
leuchten können, ohne daſs die dünnen Kohlenfäden verzehrt werden oder zerbrechen.
Die Arbeitskraft, welche zur Erzeugung solchen Glühlichtes aufgewendet werden muſs,
ist freilich noch immer ansehnlich gröſser wie bei dem elektrischen Lichtbogen;
dafür kann man mit ihnen aber die Theilung des elektrischen Lichtes bis zu jeder
beliebigen Grenze hin ausdehnen. Für den Theaterbeleuchtungszweck besonders haben
die Kohlenglühlichter noch die wesentlichen Vorzüge, daſs die Feuersgefahr bei ihnen
fast ganz fortfällt, daſs sie auſserordentlich leicht zu entzünden, zu löschen und
in der Lichtstärke zu verändern sind, daſs endlich die Lichtfarbe röthlich wie die
des Gaslichtes ist. Selbst im Falle der Zerschlagung einer solchen Glühlampe
entsteht keine Feuersgefahr, da der feine Kohlenfaden dann zerbricht und fast
augenblicklich schwarz wird. Er würde kaum ein umherliegendes Zündhölzchen noch
entzünden können.
Durch eine Verbindung der eigentlichen elektrischen Beleuchtung mittels
Differentiallampen mit Glühlichtern läſst sich nun eine fast ganz gefahrlose
Theaterbeleuchtung beschaffen. Ist der Vorhang niedergelassen, so wird durch das
helle, belebende Licht einer Anzahl von zweckmäſsig angebrachten Differentiallampen
der Zuschauerraum erleuchtet. Momentan vor Aufzug des Vorhanges wird diese helle
Beleuchtung wieder beseitigt und der Zuschauerraum nur noch milde und wie die Bühne
mit röthlichem Lichte durch einen oder mehrere Kränze von Glühlichtern an den
Galerien beleuchtet, welche unausgesetzt brennen bleiben. In gleicher Weise können
die Zugänge und Treppen beleuchtet sein. Auch hier wird man aus Vorsicht zwei
bezieh. mehr ganz von einander gesonderte Stromkreise mit besonderen Maschinen
anbringen und die Glühlampen abwechselnd in den einen oder anderen Kreis
einschalten. Besonders wichtig ist es aber, das feuergefährliche Gas, sowie alle
Flammenbeleuchtung von der Bühne vollständig zu
verbannen. Es kann dafür kaum eine geeignetere Beleuchtung erdacht werden wie das
elektrische Glühlicht. Die Glühlampen lassen sich mit gröſster Leichtigkeit, nachdem
die Leitungen einmal solid und sicher verlegt sind, überall anbringen, anstecken und
auslöschen, und zwar jede Lampe für sich oder auch gruppenweise von einer Stelle
aus; es läſst sich die Lichtstärke und Lichtfarbe vom dunklen Roth bis zum
röthlichweiſsen Lichte des besten Gaslichtes beliebig erhöhen und vermindern und es
ist diese Beleuchtung so vollständig feuergefahrlos, daſs man die hermetisch
verschlossenen, nur schwer zu zerbrechenden Lämpchen mit dem feuergefährlichsten
Material in unmittelbare Berührung bringen könnte.
Alle diese Eigenschaften machen die elektrische Beleuchtung so ganz besonders
geeignet für die TheaterbeleuchtungIn der sich an den Vortrag knüpfenden Besprechung erklärt sich auch Geh.
Ober-Regierungsrath Kinel für die möglichst
ausgedehnte Einführung derelektrischen Beleuchtung in den Theatern. Ein
zweiter zwar auſserhalb des Bereiches der Elektrotechnik liegender Punkt,
auf welchen er wegen der Wichtigkeit der Sache sodann die Aufmerksamkeit
lenkte, betraf die Frage der eisernen Vorhänge.
Kinel wies auf die Nachtheile hin, welche damit verbunden sind,
wenn in den Theatern ein besonderer, nur bei eintretender Feuersgefahr in
Anwendung kommender eiserner Vorhang befindlich ist; warum sollte es nicht
angänglich sein, auch die gewöhnlichen Vorhänge aus Eisen oder sonstigem
gegen Feuer sichernden Materiale herzustellen?Ingenieur Nehrlich theilte mit, daſs für
Berliner Theater bereits gegenwärtig eiserne Vorhänge zum gewöhnlichen
Gebrauch in der Anfertigung begriffen seien, und wies unter Bezugnahme auf
das Wiener Unglück darauf hin, daſs das elektrische Licht noch den Nutzen
gewähre, daſs es bei einem Brande in der entstehenden Stickluft
voraussichtlich weniger schnell erlöschen werde als die Gasflammen und die
Oellichtlampen. Dagegen hob indessen Siemens
hervor, daſs, wenn es bei einer Feuersbrunst erst so weit gekommen sei, daſs
die Gasflammen und Oellampen wegen Mangel an Sauerstoff in der Luft
erlöschen, bei den Menschen schon lange der Erstickungstod eingetreten sein
werde., daſs es nur als eine Frage der Zeit erscheint, daſs ein Theater
ohne sie kaum noch zu denken sein wird. Um diese Zeit möglichst abzukürzen, wäre es
sehr zu wünschen, daſs die elektrotechnischen Kenntnisse bald eine gröſsere
Ausdehnung erhielten. Es sollten auf allen technischen
Schulen, namentlich auf den technischen Hochschulen, Lehrstühle der
Elektrotechnik gegründet werdenIn ganz gleicher Weise hat – wie Electrician, 1882 Bd. 8 S. 156 berichtet – der Vorsitzende der
Society of Telegraph Engineers and of
Electricians, Genie-Oberstlieutenant Webber, in seiner Antrittsrede es ausgesprochen, daſs die Zeit
gekommen sei, wo eine die gründliche praktische und theoretische
Durchbildung vermittelnde Schule für
Elektrotechnik als ein klares und unabweisliches Bedürfniſs
anzuerkennen sei.D. Red., um wenigstens unsere
technische Jugend mehr vertraut mit der Elektricitätslehre und ihrer technischen
Anwendung zu machen. Mit der wachsenden Kenntniſs wird sich dann auch die noch
herrschende Scheu vor der Anwendung elektrischer Einrichtungen legen und werden eine
Menge allgemein verbreiteter Vorurtheile gegen dieselben schwinden.