Titel: Neuerungen an auslösenden Ventilsteuerungen.
Fundstelle: Band 245, Jahrgang 1882, S. 3
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Neuerungen an auslösenden Ventilsteuerungen. Patentklasse 14. Mit Abbildungen auf Tafel 1 und 5. Neuerungen an auslösenden Ventilsteuerungen. Die auslösenden Steuermechanismen, welche in Deutschland hauptsächlich in Verbindung mit Ventilen benutzt werden, lassen sich in zwei Hauptgruppen trennen, nämlich in solche, bei welchen der Mitnehmer hin- und herschwingt und beim Rückgang (nach der Auslösung) den mitgenommenen Theil etwas zurückdrängt oder von diesem zurückgedrängt wird, um wieder in Eingriff zu kommen, bei welchen also ein federnder Theil vorhanden sein muſs, und in solche, bei welchen der Mitnehmer eine Ellipsen ähnliche Bahn beschreibt und in Folge dessen beim Rückgang dem anderen Theile ausweicht, eine Feder mithin nicht nöthig ist. Zu der zweiten Gruppe, welche einerseits die besten und bewährtesten Constructionen enthält, können andererseits auch die meistens mangelhaften, allerdings nicht sehr zahlreichen Anordnungen mit rotirendem Daumen gerechnet werden, bei welchen entweder der Daumen selbst, oder der Theil, auf welchen er wirkt, durch den Regulator verstellt werden kann. Der Daumen, welcher in diesem Falle den Mitnehmer bildet, muſs dabei eine steile Abfallfläche haben, damit eine freie Schluſsbewegung der Ventile wie bei den übrigen auslösenden Steuerungen möglich ist. – Im Folgenden sind die wesentlichsten neueren Formen der bekanntlich sehr zahlreichen auslösenden Ventilsteuerungen zusammengestellt. M. Thesing in Anhalt (Erl. * D. R. P. Nr. 9295 vom 17. September 1879) hat die bekannte Anordnung einer parallel zum Cylinder liegenden Daumenwelle benutzt. Die unverstellbaren Daumen können entweder, wie in Fig. 1 Taf. 1 dargestellt ist, direct auf die Ventilhebel, oder auf besondere Daumenhebel einwirken, welche mit den Ventilhebeln durch Zugstangen verbunden sind. Die Angriffsfläche des Daumens kann behufs Aenderung des Füllungsgrades durch den Regulator senkrecht zur Welle verstellt werden, und zwar ist bei der gezeichneten Anordnung auf dem Daumenhebel ein Gleitklotz angebracht, welcher mit Hilfe eines auf der Hebelachse befindlichen Excenters verschoben werden kann. Bei einer anderen Einrichtung ist die Hebelachse selbst in horizontaler Richtung verstellbar. Die Steuerung ist verhältniſsmäſsig einfach, doch gestattet sie nur geringe Füllungsgrade. Die Bewegung des Daumens gegen das Gleitstück während der Auslösung ist bei den verschiedenen Stellungen des letzteren verschieden. Die Abfallflächen müssen an beiden Theilen oder mindestens an einem derselben unterschnitten sein; es kann daher auch die Abnutzung an den betreffenden Kanten erheblich werden. Ebenfalls ziemlich einfach ist die in Fig. 2 und 3 Taf. 1 gezeichnete Steuerung von R. Asche in Mainz (* D. R. P. Nr. 10 507 vom 22. Febr. 1880). Auch hier werden die Ventile durch rotirende Daumen geöffnet, und zwar die Einlaſs- wie die Auslaſsventile. Auf der mitten auf dem Zylinder stehenden Regulatorwelle, welche mit der Kurbelwelle die gleiche Umlaufzahl hat, befindet sich eine Scheibe a. Dieselbe trägt auf der Unterseite den Daumen b mit spiralförmiger Abfallkante, welcher beide Einlaſsventile bewegt und in einem radialen Schlitze durch den Regulator verstellt werden kann, sowie auf der Oberseite eine den halben Umfang Annehmende Erhöhung l, welche den Daumen für die Auslaſsventile bildet. Die Hubbewegung findet also hier nicht wie bei gewöhnlichen Daumen senkrecht zur Welle, sondern parallel zu derselben statt. Durch Hebel, welche den Daumen gegenüber mit Rollen versehen sind, wird die Bewegung auf die Ventile übertragen. In Fig. 3 sind die Bahnen der Rollen auf dem Daumen b bei dessen verschiedenen Stellungen angedeutet. Auch diese Construction läſst nur geringe Füllungen zu. Der gewählte Antrieb der Regulatorspindel durch Kette und Kettenräder würde jedenfalls zweckmäſsig durch Zahnradgetriebe zu ersetzen sein. Die. Federn für die Einlaſsventile sind in diese hineingelegt, also der Einwirkung des Dampfes ausgesetzt, was rücksichtlich ihrer Dauerhaftigkeit nicht vortheilhaft ist. Luftbuffer sind nicht vorhanden. Die Steuerung von R. Küchen in Bielefeld (* D. R. P. Nr. 9199 vom 21. August 1879), welche i. J. 1880 auch in Düsseldorf ausgestellt war, bildet den Uebergang von den Daumensteuerungen zu den Klinkensteuerungen. Dieselbe ist in Fig. 4 bis 7 Taf. 1 gezeichnet. Es sind auch hier zur Bewegung der Einlaſsventile rotirende Daumen i benutzt (vgl. Fig. 5), welche jedoch nicht fest mit der Steuerwelle f verbunden, sondern drehbar an Scheiben h und h3 (vgl. Fig. 7) gelagert sind und früher oder später von den sie unterstützenden Daumen k abfallen. Letztere befinden sich an Scheiben h1 und h2, welche den erstgenannten Scheiben h und h3 gegenüber liegen und an der Drehung der Steuerwelle nicht theilnehmen. Die Scheiben h1 und h2 sind auf Hülsen l befestigt, welche die Welle f umgeben und durch die Zahnbögen n und m mit dem Regulatorgestänge in Verbindung stehen (vgl. Fig. 6 und 7), so daſs beim Steigen und Fallen der Regulatorhülse die Daumen k in passendem Sinne verstellt werden. Die Nasen g, auf welche die Daumen i wirken, sind in den Ventilhebeln vertikal verstellbar, wodurch die Voröffnung verändert werden kann. In den rotirenden Scheiben h und h3 sind durch Einlage von Stahlstücken v und u Curvennuthen x zur Bewegung der Auslaſsventile hergestellt. Federn sind, abgesehen von den Ventilfedern, bei der ganzen Einrichtung vermieden (wie auch bei den ersten beiden Steuerungen); doch dürfte es nothwendig sein, die Daumen i in irgend einer Weise fest zu halten, daſs sie nicht durch ihr Eigengewicht und die Centrifugalkraft hin- und hergeschleudert werden. Bemerkenswerth ist die Anordnung der Ventile (vgl. Fig. 5). Dieselben haben nicht die gewöhnliche Lage auf und unter dem Cylinder, sondern es sind je ein Einlaſs- und ein Auslaſsventil, dicht über einander liegend, in einem besonderen Gehäuse neben dem Cylinder angebracht. Der schädliche Raum wird hierdurch allerdings vermindert; aber der so erreichte Vortheil wird den Nachtheil, daſs Ein- und Ausströmung durch denselben Kanal stattfinden und in Folge dessen gröſsere Wärmeverluste eintreten, kaum aufwiegen. Die Steuerung läſst beliebig groſse Füllungen zu. Bei der in Fig. 8 Taf. 1 abgebildeten Steuerung von H. Fliegel in Breslau (Erl. * D. R. P. Nr. 6229 vom 9. Januar 1879) findet sich die beim Rückgang ausweichende Klinke, wie sie den meisten Corliss-Steuerungen eigen ist (vgl. auch die Anordnungen von A. Zimmermann 1878 230 * 388, von Bigge 1880 237 * 259 u.a.), und zwar ist sie hier in die Ventilspindel eingeschaltet. Der auf die Klinke einwirkende Ventilhebel, welcher durch ein Excenter von der Steuerwelle aus seine Bewegung erhält, ist nicht fest gelagert; seine Achse ist vielmehr durch den Regulator horizontal verschiebbar, wodurch die Veränderlichkeit der Füllung erreicht wird. Der gleiche Mechanismus sollte auch für quer zum Grundschieber bewegliche Expansionsschieber benutzt werden; später ist derselbe in etwas abgeänderter Anordnung für Expansionsschieber, die sich in gleicher Richtung mit dem Grund Schieber bewegen, patentirt worden (vgl. Fliegel 1882 243 * 355). – Die Verbindung mit dem Regulator ist in so fern ungünstig zu nennen, als die Feder, welche die Klinke zum Einfallen bringt, nach der Auslösung durch das Gestänge einen Druck auf die Regulatorhülse ausübt, welcher, wenn er auch nicht bedeutend ist, doch den ruhigen Gang der Maschine etwas beeinträchtigen kann. Der Construction von Fr. Buschmann in Goslar a. Harz (Erl. * D. R. P. Nr. 10 220 vom 29. Januar 1880) liegt die bei Fördermaschinen häufig benutzte Anordnung zu Grunde, bei welcher sich Einlaſs- und Auslaſsventil jedes Cylinderendes neben einander befinden und durch einen schwingenden Ankerhebel bewegt werden. Fig. 9 Taf. 1 zeigt diese Steuerung. Der Ankerhebel A greift nicht direct in die Gabel B der Einlaſsventilspindel ein, sondern hebt dieselbe mittels der angehängten Klinke C, welche unter ein Querstück der Gabel faſst. Am unteren Ende der Klinke beiderseits befindliche Zapfen gleiten bei der Schwingung des Ankerhebels an dem mit dem Regulator verbundenen Ablenker D hin und veranlassen hierdurch die Auslösung; die dabei auftretende Rückwirkung auf den Regulator wird nicht unbedeutend sein. Behufs Benutzung einer nicht veränderlichen Füllung kann der Lenker D in dem Schlitz des Guſsstückes E auch festgestellt werden. Statt der Federn, welche bei anderen Mechanismen die Klinken wieder zum Eingriff bringen müssen, ist hier ihr Eigengewicht benutzt. Eigenthümlich, doch nicht empfehlenswerth erscheint die Einrichtung, durch welche gröſsere als halbe Füllungen erzielt werden sollen. Ein leicht drehbarer und verstellbarer Arm F legt sich so gegen den Lenker D, daſs die Klinke beim Niedergang über den Kopf dieses Armes hinweggleiten muſs, in der gezeichneten Lage an der Kante f abfällt, sich dann wieder an den Lenker D anlegt und beim Aufsteigen den Arm F zur Seite schiebt. Wenn nun bei sehr steiler Lage des Lenkers D eine Auslösung während des Aufgangs der Klinke, d. i. während der ersten Hälfte des Kolbenhubes, nicht stattfindet, so wird sie beim Niedergang durch den Arm F veranlaſst. D und F sind mit Zeigern verbunden, welche den jeweiligen Füllungsgrad angeben. F. Lappe in Ravensburg, Württemberg (* D. R. P. Nr. 13 628 vom 12. September 1880) hat die Ventile bei der in Fig. 10 bis 14 Taf. 1 dargestellten Steuerung in die Cylinderdeckel gelegt. Wesentliche Vortheile sind hierdurch wohl kaum zu erreichen. Der schädliche Raum kann allerdings etwas herabgemindert werden; auch findet eine theilweise Heizung der Cylinderdeckel statt. Dagegen dürften der dichte Abschluſs, die Richte Beweglichkeit der Ventile u.s.w. bei dieser liegenden Anordnung derselben sehr leiden. Ihre Bewegung erhalten die Ventile durch Vermittelung von Zugstangen und Hebel von einer neben dem Rinder stehenden hohlen Welle T, auf welche unten eine auf Rollen einwirkende Herzscheibe Q zur Bewegung der Auslaſsventile und oben ein Excenter G für die Einlaſsventile aufgekeilt ist (vgl. Fig. 14). Leztteres bewegt mittels Gleitstück H (Fig. 12 bis 14) einen in den Böcken s prismatisch geführten Rahmen S, von dem die Zugstangen D der Einlaſsventile zeitweilig mitgenommen werden, und zwar mittels der an D angenieteten federnden Haken E, welche abwechselnd hinter Stahlplatten F des Rahmens S greifen. Die Auslösung wird in folgender Weise bewirkt: In der Hohlwelle T steckt eine Spindel V, welche an der Drehung der Welle theilnimmt, zugleich aber durch den Regulator, der mit ihrem unteren Ende verbunden ist, in der Längsrichtung verschoben werden kann. Am oberen Ende ist sie mit zwei schraubenförmig verlaufenden Vertiefungen versehen, in welche die Nase K des Auslösers bei der Rotation der Welle durch die Feder M hineingedrückt wird. Fig. 12 zeigt die Stellung kurz vor dem todten Punkt der Kurbel; beide Einlaſsventile sind geschlossen. Das Excenter G dreht sich im Sinne des Pfeiles und öffnet zunächst das Ventil links. Fig. 13 zeigt die Nase K eingefallen und den Federhaken E ausgelöst, dem Ventilschluſs entsprechend. (Die Einschnitte der Spindel V sollten hier vertikal unter einander liegen.) Auſser den beiden Steuerventilen hat F. Lappe noch in jedem Cylinderdeckel ein drittes Ventil, von ihm Compressionsventil genannt, angebracht (vgl. Fig. 10 und 11), dessen Gehäuse dem frischen Dampfe zugänglich ist und welches beim Hubwechsel durch Anstoſs des Kolbens an die Spindel auf kurze Zeit geöffnet wird, um den Dampf allmählich in den Cylinder eintreten zu lassen. Dabei sollen die Auslaſsventile erst möglichst spät geschlossen werden. Die Absicht, welche dieser Einrichtung zu Grunde liegt, ist, die Compression vor dem Kolben, zugleich aber auch den Stoſs bei plötzlichem Eintritt des hoch gespannten Dampfes in die mit nur wenig gespanntem Dampfe gefüllten Räume zu vermeiden, indem der durch das Hilfsventil eintretende Dampf allmählich die Eintrittspannung herstellt. (Schluſs folgt.)