Titel: Praktische Bedeutung der calorimetrischen Untersuchungsmethode; von Gustav Schmidt.
Autor: Gustav Schmidt
Fundstelle: Band 246, Jahrgang 1882, S. 157
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Praktische Bedeutung der calorimetrischen Untersuchungsmethode; von Gustav Schmidt. (Schluſs der Abhandlung S. 105 d. Bd.) G. Schmidt, über die calorimetrische Untersuchungsmethode. Der praktische Werth dieser Methode liegt darin, daſs sie den Constructeur darauf hinweist, die Auspuffwärme s, welche nutzlos von den Cylinderwänden an das daran haftende Wasser a abgegeben wird, somit die Menge des letzteren selbst, so klein als möglich zu machen. Hieraus erhellt u.a. sofort die früher so vielfach, leider auch von mir, bestrittene Nothwendigkeit, den groſsen Cylinder Woolf'scher Maschinen mit Dampfmantel zu versehen; eine Bedingung, welche Otto H. Müller (vgl. 1876 219 * 473. 220 * 97. 222 18) aus seinen Indicatorversuchen schon vor der Entstehung der calorimetrischen Methode erkannt hat. Der Dampfmantel bewirkt hierbei, daſs die an den Wänden haftende Wassermenge schon während der Expansionsperiode so weit als möglich verdampft wird, in Folge dessen bei Beginn des Auspuffes in den Condensator möglichst wenig zu verdampfen übrig bleibt, also die Werthe a und ε klein sind. Während des Kolbenrückganges schadet die Dampfheizung durchaus nicht, da ja die Hauptmenge des Dampfes schon in der Anfangslage des Kolbens entweicht und die sehr kleine, im Cylinder verbleibende, langsam hinaus geschobene Dampfmenge ihrer geringen Masse und schlechten Leitungsfähigkeit halber dem Dampfmantel keine meſsbare Wärmemenge entziehen kann, wenn die Wände trocken sind. Bisher ist aber verhältniſsmäſsig wenig Gebrauch von der calorimetrischen Untersuchungsmethode gemacht worden. Die Anwendung derselben wird nämlich durch die Messung der groſsen Wassermenge (M + M0), welche für einen Hub von der Luftpumpe ausgegossen wird, sehr schwierig und doch ist diese Messung erforderlich, wenn man die Verification δ der Gesammtwärme Q = Q0 + μr für einen Hub und die Verification ε1ε2 der beiden Hallauer'schen Werthe der Auspuffwärme erhalten will. Für den alleinigen Zweck, die Auspuffwärme zu bestimmen und zu verificiren, ist aber diese schwierige Messung von M + M0 gar nicht nöthig, wie ja schon M. Schröter's Versuche in Augsburg (vgl. 1880 237 337. 1881 240 245) schlagend nachgewiesen haben. Es genügt vollständig, jenen Werth der Auspuffwärme zu rechnen, welchen ich den Hauptwerth nenne und für den ich schon im Jahre 1878 die Formel (vgl. 1878 227 326 Gleichung 14) gegeben habe: ε = Q + m0i – U2A(L1 + L2) – α = Q + U4 + AL4 – U2 – A(L1 + L2) – α und diesen Werth mit dem ersten Hallauer'schen Werth, welcher bei Zeuner ganz fehlt, zu verificiren, d. i. mit: ε1 = Q1 + μr – (AL2 + U2U1) – α, worin Q1 = (m + m5 – m1)ra + q'q'',         ferner: q' = U4 – U5 + AL4     und    q'' = m5C(t1t5) + (M5 – m3)(q1q5). Die Verification beträgt: ε – ε1 = Q0 + m0i – Q1 – AL1 – U1 = Q – μr + U4 + AL4 – Q1 – AL1 – U1 = (Q + U4 + AL4) – (Q1 + AL1 + U1 + μr), worin jedoch Q1 nicht die Bedeutung der nur in der Admissionsperiode an die Wände getretenen Wärmemenge Q0, sondern die Bedeutung der gesammten, vom Beginn der Compression an bis Ende der Admission an die Wandungen tretenden Wärmemenge hat.Setzt man in obiger Gleichung Q1 = Qa + q' ein und beachtet, daſs q' = U4 + AL4 – U5 ist, so folgt auch:ε – ε1 = Q – Qa + U5 – AL1 – U1μr,also bei εε1 = 0 und μ = 0:AL1 + Qa = Q + U5 – U1.Dies ist jene Gleichung, welche Zeuner unter Hinzufügung der kleinen und unbekannten Gröſse a'(Qv') mit (I) bezeichnet. Diese Art der Bestimmung und Verification von ε erfordert nur die Messung der Speisewassermenge M und der im Dampfmantel condensirenden Menge μ, nicht aber jene von M0 oder von M + M0 und unterliegt daher keinerlei Schwierigkeit in der Durchführung. Bei zweicylindrigen Maschinen gelten dieselben Formeln; nur ist U2 selbstverständlich durch die Energie am Ende der Expansion im groſsen Cylinder zu ersetzen. Dagegen bleiben m0i = U4 + AL4 und Q1 so wie früher auf den Hochdruckcylinder zu beziehen. Die 6 Versuche Schröter's an der Augsburger CompoundmaschineVgl. Civilingenieur. 1881 S. 13 und 139. ergaben, daſs die Auspuffwärme durchschnittlich 548c für je 1k am Ende der Expansion im Cylinder tropfbar flüssig vorhandenes Wasser beträgt, daher zur Verdampfung dieser gesammten Wassermenge a ausreicht, während gewöhnlich noch ein Theil derselben tropfbar flüssig mit dem Dampf hinausgerissen werden muſs. Die nachfolgende kleine Tabelle gibt für die bei nahe gleicher Füllung und Leistung angestellten 6 Versuche die beiden Werthe ε und ε1 der Auspuffwärme, dann ε in Procent der Gesammtwärme Q, die Wassermenge a in Procent des Gemisches von Wasser und Dampf, welches am Ende der Expansion im groſsen Cylinder vorhanden ist und das Verbrauchs verhältniſs Ci = Dampfverbrauch für 1e indicirt und Stunde: Versuch a b f c e d ε in c   7,23   7,08 10,25 12,50 13,18 13,67 ε1 in c   7,34   7,25   9,02 12,66 13,41 13,84 ε in % 11,3 11,4 16,2 20,1 21,3 22,1 a in % 14,1 11,6 18,5 25,0 26,0 27,3 Ci in k   6,353   6,041   6,183   6,581   6,623   6,915 Die Versuche sind hier nach dem steigenden Werthe von ε : Q geordnet. Bei den Versuchen a und b sind alle drei Dampfmäntel in Betrieb, bei f desgleichen, jedoch mit verkleinertem Receiver; bei Versuch c ist der Mantel am groſsen Cylinder auſser Betrieb gesetzt, bei e desgleichen und überdies der Receiver verkleinert; bei d ist nur allein der Mantel des kleinen Cylinders durch circulirenden Dampf geheizt, dagegen jener am Receiver und groſsen Cylinder auſser Betrieb gesetzt. Das Wachsen des Werthes von ε : Q von 11,3 bis zu 22,1 Proc. ist hierbei so schlagend in Zusammenhang mit den angeführten Umständen, daſs ein Zweifel an einem solchen Zusammenhang vollständig ausgeschlossen, daher die praktische Bedeutung der Methode offenkundig ist. Das Verbrauchs verhältniſs beträgt im Mittel der Versuche a und b 6,197, bei Versuch d 6,915, steigt also um 11 ½ Proc. bei einer Steigerung der Auspuffwärme von 11 auf 22 Proc. Wenn daher Zeuner in seiner ersten Abhandlung (Civilingenieur, 1881 S. 417) den Ausspruch macht: jedenfalls erscheint es unstatthaft, diese Gröſse (ε) als einen Vergleichswerth für die Güte verschiedener Maschinen zu benutzen“, so kann diesem Ausspruch nur in so fern zugestimmt werden, als ja selbstverständlich die Güte einer Maschine von gar vielerlei Umständen, nicht allein von der Auspuffwärme abhängt. So ergab eine horizontale Corliſsmaschine von Berger-André bei 14 Proc. Füllung und ε = 8 Procent von Q das Verbrauchs verhältniſs 7k,970, dagegen bei dem ökonomisch günstigsten Füllungsgrad von 11 Proc. trotz ε = 9,7 Proc. doch Ci= 7k,885, hingegen bei dem schon zu kleinen Füllungsgrad von 6,6 Proc. ε = 12,4 Proc. und Ci= 7k,925. Bei der Woolf'schen Marine-Drillingsmaschine Duquesne ergab sich bei dem günstigsten Füllungsgrad 22,5 Proc. im kleinen Cylinder oder ⅛ total: Ci = 8k,335 bei ε = 11,2 Proc; die zu kleine Totalfüllung von 5,2 Proc. ergab Ci = 10k,448 bei ε = 12,1 Proc. und die zu groſse Totalfüllung von 37,6 Proc. ergab Ci= 9k,678, obwohl hierbei ε nur 6,4 Procent von Q betrug. Bei der vertikalen Marine-Compound-Drillingsmaschine Mytho ergaben die drei Versuche mit Füllung von 75, 69 und 60 Proc. im kleinen Cylinder oder 21, 19 und 17 total bezieh. Ci= 8k,350, 8k,510 und 8k,263, also geringen Unterschied bei 15,2, 18,3 und 27,2 Proc. Auspuffwärme, während derselbe letzte Füllungsgrad, verknüpft mit starker Drosselung, durch welche die indicirte Pferdestärke von 1350 auf 590 herabgebracht wurde, ein Verbrauchsverhältniſs Ci = 9k,504 bei ε = 25,6 Procent von Q ergab. Bei den letzteren beiden Versuchen enthielt der Dampf am Ende der Expansion 30 Proc. Wasser; daher der hohe Werth der Auspuffwärme. Bei der Hirn'schen Maschine ohne Dampfmantel beträgt die Auspuffwärme 9,7 und 12,4 Procent von Q, wenn der Kesseldampf um 215 bezieh. 195° überhitzt wird, dagegen 21,76 Proc. wenn er gesättigt zur Verwendung kommt. Das Consumverhältniſs ist bezieh. 7k,369, 7k,368 und 8k,915. Gewiſs hängt also der ökonomische Erfolg zwar nicht allein von ε, wohl aber auch von dieser Gröſse ab und deshalb hat die Untersuchung der Maschine auf die Auspuffwärme, welche ohne groſse Schwierigkeit geschehen kann, ihren ganz bedeutenden praktischen Werth und kann den Besitzern von Dampfmaschinen angelegentlich empfohlen werden. Wir fügen bei, daſs uns während des Satzes dieses Artikels eine einschlägige Arbeit von Dwelshauvers-Dery zugekommen istRevue universelle des mines, 1882 Bd. 12 S. 186., welche in der Wesenheit vollständig auf dem Standpunkt der zweiten Abhandlung Zeuner's steht und nur eine andere Bezeichnung anwendet. Wir stellen den Vergleich der Bezeichnungsweise zusammen: Dwelshauvers-Dery: Q q c T E C Ra Rd Re Zeuner: QmIn der ersten Abhandlung Zeuner's. Gq4 Li Qv Gi(q4 – qi) Qa Qb – Qv Qc Dwelshauvers-Dery: Rc Uo U1 U2 Zeuner: Qd (G + Go)(q1 + x1ρ1) (G + Go)(q2 + x2ρ2) Go(q3 + x3ρ3) Dwelshauvers-Dery: U3 Ta Td Te Tc Zeuner: Go(qo + x0ρ0) La Lb Lc Ld Die Gleichung (1) von Dwelshauvers-Dery ist hiernach genau übereinstimmend mit der Gleichung (VII) Zeuner's; sie ist die Fundamentalgleichung der calorimetrischen Methode, welche jedoch verlangt, daſs der zweite Theil nicht = 0 sondern = δ gesetzt wird, indem der erste Theil gänzlich der Beobachtung entnommen wird, also nicht genau = 0 sein kann, sondern zum Theil die Summe der Beobachtungsfehler, zum Theil die nicht beobachteten Wärmeverluste, besonders jenen am Condensator, umfaſst, daher das Mittel der δ der Einzelversuche = δm als eben jener nicht beobachtete Wärmeverlust aufgefaſst werden darf, welcher sich auch zwischen den Hallauer'schen Werthen ε1 und ε2 der Auspuffwärme nothwendig ergeben muſs. Die Gleichungen (3) bis (6) von Dwelshauvers-Dery stimmen beziehungsweise mit jenen (I) bis (IV) von Zeuner vollkommen zusammen. Die Zeuner'sche Gleichung (V), welche den von mir aufgestellten, im vorstehenden Artikel hervorgehobenen Hauptwerth ε der Auspuffwärme liefert, ergibt sich durch Addition der Dwelshauvers-Dery'schen Gleichungen (1) und (5) in der Form: Q + q – E – T + U2 = U1 + Te+ Re oder Re = Q + g – (T + Te) + U2 – U1 – E, welche mit der Zeuner'schen Gleichung (V) identisch ist und sich wegen T = Ta + TdTe – Tc auch so schreiben laſst: Re = Q + q+ U2 + Tc – U1 – To – Td – E, d. i. nach meiner Schreibweise: ε = Qo + μr + U4 + AL4 – U2 – A(L1 + L2) – α = Q + (U4 + AL4) – U2 – AL0 – α. Zeuner's Gleichung (VI) ist aus dessen Gleichung III entnommen, fällt also mit (5) von Dwelshauvers-Dery zusammen. Die von Hallauer eingeführte und von mir angenommene, von Hallauer und Schröter erprobte direkte Berechnung von Q1 = Qa + q', welche zu dem ersten Hallauer'schen Werth ε1 führt, fehlt bei Dwelshauvers-Dery gerade so wie bei Zeuner, daher auch die Verifikationen 1 – ε2) und (ε1ε), deren Differenz ε – ε2 = δm sein muſs, bei beiden Autoren entfallen sind. Die Verification ε1 – ε gehört aber ganz wesentlich in den Geist der calorimetrischen Methode.