Titel: Neuere Theerfarbstoffe. (Patentklasse 22.)
Fundstelle: Band 247, Jahrgang 1883, S. 173
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Neuere Theerfarbstoffe. (Patentklasse 22.) (Schluſs des Berichtes S. 130 d. Bd.) Neuere Theerfarbstoffe. Nach J. R. Geigy in Basel (D. R. P. Nr. 18360 vom 19. März 1881) läſst man zur Herstellung von Farbstoffen durch Einwirkung von Amidoazoverbindungen auf Phenole oder Chinone 1 Mol. der Amidoazoverbindung auf 4 Mol. der Phenole oder Chinone bei 130 bis 200° einwirken. Die gebildeten Farbstoffe sind meist spritlöslich und werden durch Waschen mit saurem, dann mit alkalischem Wasser gereinigt. Bei Anwendung von Diamido- oder Triamidoazoverbindungen erhält man wasserlösliche, aus Sulfo- und Nitroabkömmlingen der Amidoazoverbindungen sowie aus mehrwerthigen Phenolen alkalilösliche Farbstoffe, welche sich sämmtlich in Sulfosäuren überführen lassen. Amidoazobenzol gibt mit Phenol einen blauen, mit Naphtol einen grauen, roth fluorescirenden, mit Paranitrophenol einen violetten, mit Orthonitrophenol einen blauen, mit Metanitrophenol einen grauen, mit Salicylsäure einen perlgrauen, mit Metaoxybenzoësäure einen braunen, mit Paraoxybenzoësäure einen violetten Farbstoff. Amidoazonaphtalin und Diazoresorcin liefern einen braunen, Diamidoazobenzol (Chrysoidin) und Phenol einen braunen, grün fluorescirenden, Dinitroamidoazobenzol und Phenol einen gelben, Amidonaphtalinazobenzolsulfosäure und Phenol einen hellbraunen, Amidoazobenzol und Anthrachinon einen veilchenblauen, roth fluorescirenden Farbstoff. Nach L. Casella und Comp. in Frankfurt a. M. (D. R. P. Zusatz Nr. 18903 und 19231 vom 7. bezieh. 26. Oktober 1881) bilden sich die Indophenole benannten Farbstoffe auch durch directe Einwirkung von Nitrosoverbindungen oder von Chlorchinonimiden auf Phenole. 10k Nitrosodimethylanilin werden z.B. in 35k Alkohol gelöst. Die Lösung ward mit 19k α-Naphtol auf dem Wasserbade erwärmt, bis sie rein blau geworden ist. Nun fügt man 5k,5 Natriumhydrat hinzu, destillirt den Alkohol ab und trocknet, um die wasserlösliche Natriumverbindung des Farbstoffes zu erhalten. Indophenole, deren Natriumsalze wasserlöslich sind, erhält man auch von den Paramidoabkömmlingen und Phenolen durch Oxydation mit schwachen alkalischen oder neutralen Oxydationsmitteln. Die Indophenolfarbstoffe können auch aus Paramidophenolen und Monaminen erhalten werden. 15k salzsaures Paramidophenol, in Wasser gelöst, werden z.B. mit einer Lösung von 16k salzsaurem Dimethylanilin in 100l Wasser versetzt, worauf man der Mischung eine Lösung von 200k Kaliumbichromat allmählich hinzufügt. Der grünblaue Farbstoff wird durch Neutralisiren abgeschieden und kommt als Paste oder reducirt als Leukoverbindung in den Handel. Die Farbwerke, vormals Meister, Lucius und Brünig in Höchst a. M. (D. R. P. Nr. 17627 vom 14. Mai 1881) verwenden zur Herstellung von künstlichem Alizarin beim Schmelzen der Anthrachinonsulfosäuren mit Alkali Kalk oder das Kalksalz der Anthrachinonsulfosäuren. Es entsteht dann bei der Schmelze die Calciumverbindung des Alizarins, von welcher die alkalischen Laugen abfiltrirt werden. Aus diesen wird wieder Aetznatron bezieh. Aetzkali gewonnen. Die Alizarinlacke werden direkt durch Säuren zersetzt, oder erst mit Alkalien behandelt, um Verunreinigungen zu beseitigen, worauf dann aus der Alkalilösung das Alizarin gefällt wird. Zur Ueberführung von Paraleukanilin in Farbstoffe der Rosanilinreihe werden nach weiterer Angabe der Farbwerke (D. R. P. Nr. 19484 vom 3. Januar 1882) die Salze des Paraleukanilins und seiner Homologen mit den Hydraten von Eisenoxyd, Manganoxyd oder Kupferoxyd erhitzt. – Ferner werden nach D. R. P. Nr. 19766 vom 10. December 1881 zur Herstellung von Farbstoffen durch Erhitzen von acetylirten Basen mit wasserentziehenden Mitteln die Acetylverbindungen der primären und secundären aromatischen Basen für sich oder mit dem Salz einer aromatischen Base mit einem Wasser entziehenden Mittel erhitzt. Einen gelben Farbstoff erhält man durch Erhitzen von Acetanilid mit Chlorzink auf 230 bis 250°, wobei noch salzsaures Anilin zugegen sein kann. Man kann auch die Methyl- und dergleichen Abkömmlinge dieser Farbstoffe sowie deren Sulfosäuren auf bekannte Weise darstellen (vgl. S. 48 d. Bd.). Zur Herstellung von Azofarbstoffen will K. Oehler in Offenbach a. M. (Oesterreichisches Patent vom 4. Januar 1882) das allgemein zur Darstellung der Azofarbstoffe gebräuchliche Verfahren auf die Verbindung des Metadiazosulfobenzols mit Diphenylamin anwenden. Zur Darstellung des Metadiazosulfobenzols wird die Metaamidobenzolsulfosäure mit einer äquivalenten Menge von Natriumnitrit in wässeriger, schwach saurer Lösung diazotirt und die Diazoverbindung mit nahezu der äquivalenten Menge Diphenylamin in spirituöser Lösung unter Einhaltung möglichst niedriger Temperatur zusammengebracht. Die erhaltene Azosäure wird dann abfiltrirt, mit Alkali behandelt und das entstandene Salz entweder direkt zum Trocknen verdampft, oder mit Kochsalz ausgefällt. Bei Herstellung von Farbstoffen aus Paranitrobittermandelöl entsteht nach O. Fischer in München (D. R. P. Nr. 16 766 vom 31. December 1880 und 16707 vom 1. Februar 1881) durch Einwirkung von 2 Mol. Anilin auf 3 Mol. Nitrobittermandelöl ein Zwischenproduct, welches erst bei langem Kochen mit starken Säuren in Nitrodiamidotriphenylmethan übergeht. Ebenso verhalten sich Anilinsalze mit anderen leicht flüchtigen Säuren. Wendet man aber Salze der primären Anilinbasen mit schwer oder nicht flüchtigen Säuren an, so reagiren 2 Mol. Anilin u.s.w. mit 1 Mol. Nitrobittermandelöl und bilden direkt die Nitroleukobase, welche dann entweder gleich, oder nach Reduction der Nitrogruppe oxydirt werden kann. Durch Condensiren des Paranitrobittermandelöles mit secundären und tertiären aromatischen Aminen erhält man Nitroleukobasen, welche durch Reduction der Nitrogruppe in Abkömmlinge des Leukanilins übergeführt werden. Aus diesen werden Farbstoffe gebildet durch direkte Oxydation oder durch Oxydiren der methylirten, äthylirten, benzylirten und phenylirten Leukobasen, oder durch Methyliren, Aethyliren, Benzyliren und Phenyliren der aus den Leukanilinabkömmlingen erhaltenen Farbstoffe. Die Leukobasen und Farbstoffe können auch in Sulfosäuren übergeführt werden. – Aus Paranitrobittermandelöl und Diphenylamin entsteht z.B. eine Nitroleukobase: C6H4.NO2.COH + 2C6H5.NH.C6H5 = C.C6H4.NO2(C6H4.NH.C6H3)2H + H2O. Diese Nitrobase wird durch Reduction in ein Diphenylparaleukanilin übergeführt: C.C6H4.NO2(C6H4.NH.C6H5)2H + 6H = 2H2O + C.C6H4.NH2(C6H4.NH.C6H5)2H. Letzteres liefert bei direkter Oxydation Diphenylrosanilin: C31H27N3O. Durch Phenyliren entsteht ein Triphenylleukanilin, welches durch Oxydation in Triphenylrosanilin übergeführt wird. Ebenso kann Triphenylrosanilin erhalten werden durch Phenylirung des oben genannten Diphenylrosanilins. Ein Gemisch von 5 Th. Paranitrobittermandelöl, 12 Th. Diphenylamin und 12 Th. Chlorzink wird so lange auf 100° erhitzt, bis das Aldehyd verschwunden ist. Die so erhaltene Schmelze wird zur Entfernung des Chlorzinkes mit verdünnter Salzsäure ausgekocht, wobei das Condensationsproduct als grünlichgelbe Masse zurückbleibt: C6H4.NO2.COH + 2C12H11N = C31H25N3O2 + H2O. Das Product wird mit einer concentrirten Lösung von Zinnchlorür erhitzt, bis eine durch Wasser abgeschiedene Probe in Alkohol leicht löslich ist. Man fällt nun mit Wasser und stellt aus dem abgeschiedenen Zinn haltigen Hydrochlorat in gewöhnlicher Weise die reine Amidobase dar: C31H25N3O2 + 6H = C31H27N3 + 2H2O. Durch Oxydation, z.B. Erhitzen mit Quecksilberoxydsalzen, Arsensäure oder Nitrobenzol unter Zusatz von wenig Eisenchlorür, erhält man aus dem Diphenyleukanilin einen violetten Farbstoff, dessen Salze in Alkohol leicht löslich sind und welcher durch Erhitzen mit Schwefelsäuren in Sulfosäure verwandelt werden kann. An Stelle des Diphenylamins kann man andere secundäre und tertiäre aromatische Amine, wie Methyl-, Aethyl-, Benzyldiphenylamin, Tolylphenylamin, sowie der methylirten, äthylirten, benzylirten Aniline und deren Homologe anwenden. Zur Darstellung von Rosanilinsulfosäuren werden nach Kalle und Comp. in Biebrich (D. R. P. Nr. 19715 vom 8. September 1881) 30k Rosanilin mit 20k Schwefelsäure von 60° B., welche zuvor mit 100 bis 200l Wasser verdünnt wurden, angerührt. Man fügt, um die Masse locker zu machen, 400k reinen Sand hinzu und dampft unter Rühren zur Trockne. Der Rückstand wird bei 130 bis 140° getrocknet und gepulvert. In einem passenden, mit Rührer versehenen Gefäſs setzt man das Gemisch 5 bis 6 Stunden lang einer Temperatur von 180 bis 200° aus. Es ist vortheilhaft, aber nicht nöthig, dabei einen indifferenten Gasstrom, z.B. trockene Kohlensäure, durch das Gefäſs gehen zu lassen. Bei richtig geleiteter Operation dürfen höchstens Spuren von Schwefligsäure entweichen. Die so behandelte Masse wird bis zur Erschöpfung mit Wasser ausgekocht und der Auszug mit Kalkmilch übersättigt. Dabei scheidet sich, mit Calciumsulfat gemischt, etwas unverändertes Rosanilin aus, welches zu neuen Operationen verwendet werden kann. Das in Lösung befindliche Kalksalz der Rosanilinsulfosäure wird auf bekannte Weise in das Natronsalz verwandelt. Zur Herstellung der Sulfosäuren von Rosanilinen, Alizarin u. dgl. kann man ferner nach Kalle und Comp. (D. R. P. Nr. 19721 vom 30. November 1881) statt Schwefelsäureanhydrid auch Schwefelsäuremonohydrat in Gegenwart Wasser bindender Stoffe verwenden. Löst man z.B. Metaphosphorsäure in 2 Th. Schwefelsäure, H2SO4, so erhält man eine dickliche Flüssigkeit, welche, obwohl sie kein Schwefelsäureanhydrid als solches enthält, ebenso stark, aber gleichmäſsiger sulfurirend wirkt als eine rauchende Schwefelsäure von 25 bis 30 Proc. Anhydridgehalt. 3 Th. möglichst wasserfreier Metaphosphorsäure werden z.B. unter Erwärmen in 7 Th. reinem Schwefelsäuremonohydrat gelöst. In das Gemisch trägt man nach und nach 2 Th. trockenes, schwefelsaures oder salzsaures Rosanilin ein. Die Sulfurirung verläuft bereits bei der Temperatur das Wasserbades, schneller und vollständiger jedoch bei 120 bis 130°. Sie ist als vollendet zu betrachten, wenn eine herausgenommene Probe sich vollständig in verdünnter Alkalilauge mit gelblicher Farbe löst. Statt der Rosanilinsalze können auch Rosanilin haltige Abfallfarben, wie solche unter dem Namen Cerise, Grenadin, Marron u.s.w. bekannt sind, in Anwendung kommen. Die erhaltene Schmelze wird in allen Fällen in Wasser gegossen, alsdann auf bekannte Weise das Kalksalz und aus diesem das Natronsalz der Sulfosäuren dargestellt. Man erhält daneben alle Phosphorsäure als Calciumphosphat mit Calciumsulfat gemengt. Durch Behandeln dieses Rückstandes mit der berechneten Sehwefelsäuremenge läſst sich die Phosphorsäure in Lösung bringen und durch Abdampfen und Glühen wieder in Metaphosphorsäure überführen. Zur Darstellung eines blauen Farbstoffes löst man nach J. F. Espenschied in Friedrichsfeld (D. R. P. Nr. 19841 vom 14. Juni 1881) 10 Th. Tetramethylparadiamidoazoxybenzol (CH3)2N.CfiH4.N.O.N.C6H4.N(CH3)2 in 80 Th. Salzsäure und 2000 Th. Wasser in der Kälte auf und leitet in die rothe Lösung so lange Schwefelwasserstoff, bis die Flüssigkeit entfärbt ist. Gibt man jetzt in die stark nach Schwefelwasserstoff riechende Flüssigkeit so viel Eisenchloridlösung von 20° B., bis der Geruch nach Schwefelwasserstoff verschwunden ist, so bildet sich ein blauer und ein rother Farbstoff; durch Zusatz von Chlorzink und Kochsalz wird ersterer gefällt. Man reinigt nach bekannter Art. Er färbt grünstichig blau. Die Lösung des rothen Farbstoffes wird mit Zink und Eisenchlorid behandelt und liefert dann eine weitere Menge von demselben Farbstoff. Anstatt in die Lösung des Tetramethylparadiamidoazoxybenzols Schwefelwasserstoff einzuleiten, kann man diesen auch in der Lösung selbst durch Eintragen von Schwefelnatrium, Schwefelbarium, Schwefelcalcium, Schwefeleisen, Schwefelzink u. dgl. erzeugen. Auch kann man vor dem Sättigen der Flüssigkeit mit Schwefelwasserstoff das Tetramethylparadiamidoazoxybenzol vorher durch ein anderes schwaches Reductionsmittel, wie z.B. Schwefligsäure u. dgl., zu Tetramethyldiamidohydroazobenzol reduciren, dann die Lösung desselben mit Schwefelwasserstoff sättigen und oxydiren. Endlich kann man das Tetramethyldiamidoazoxybenzol in salzsaurer Lösung mit Unterschwefligsäure oder den anderen Thionsäuren behandeln und dann direkt oxydiren. Zur Herstellung des künstlichen Indigos verwenden die Farbwerke, vormals Meister, Lucius und Brüning in Höchst a. M. (D. R. P. Nr. 20255 vom 24. März 1882) Monobenzylidenaceton. In ein Gemisch von 1 Th. Monobenzylidenaceton und 5 Th. Schwefelsäure läſst man bei 0 bis 15° die berechnete Menge Salpetersäure von 1,46 sp. G., welche in der doppelten Gewichtsmenge Schwefelsäure aufgelöst ist, langsam einflieſsen. Man scheidet die in der Schwefelsäure gelöst bleibenden Nitroverbindungen durch Eingieſsen dieser Lösung in viel Wasser ab, sammelt sie auf einem Filter, wäscht sie mit Wasser sorgfältig aus und löst sie in der 1½ fachen Menge Alkohol. Aus dieser Lösung hat sich nach mehrstündigem Stehen das Paranitromonobenzylidenaceton fast vollständig ausgeschieden. In der Mutterlauge ist das Orthonitromonobenzylidenaceton enthalten, welches man entweder durch Abdestilliren des Alkohols, oder durch Versetzen der Mutterlauge mit dem 3- bis 4fachen Volumen Wasser gewinnen kann. Wird das Orthonitrobenzylidenaceton mit alkoholischer Natronlauge (beispielsweise 1 Th. des Ketons, 5 Th. Alkohol und 3 Th. einer 10procentigen Natronlauge) in der Kälte einige Zeit in Berührung gelassen, so ist es in eine neue Substanz verwandelt worden, die nach dem Ansäuern der Flüssigkeit derselben durch Ausschütteln mit Aether entzogen werden kann. Sie liefert beim Erwärmen ihrer wässerigen Lösung, noch leichter auf Zusatz von alkalischen Mitteln, wie Soda oder Aetznatron, in reichlicher Menge Indigo, welcher nach dem Auswaschen mit Wasser und Alkohol sofort rein ist. Die substituirten Orthonitrobenzylidenacetone verhalten sich genau wie ihre Muttersubstanz und können zur Darstellung von substituirten Indigos verwendet werden (vgl. S. 95 d. Bd.).