Titel: Neue Farbstoffe und deren Darstellung. (Patentkl. 22.)
Fundstelle: Band 248, Jahrgang 1883, S. 382
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Neue Farbstoffe und deren Darstellung. (Patentkl. 22.) (Schluſs des Berichtes S. 340 d. Bd.) Neue Farbstoffe und deren Darstellung. Zur Darstellung von festem Cumidin wird nach Angabe der Actiengesellschaft für Anilinfabrikation in Berlin (D. R. P. Nr. 22265 vom 1. Juli 1882) das durch Digestion von salzsaurem Xylidin mit Methylalkohol im Autoclaven bei 280° erhaltene rohe salzsaure Cumidin in schwer lösliches Nitrat verwandelt, dieses auf einer Schleuder von der anhängenden Mutterlauge befreit und mit etwas Wasser gewaschen. Man erhält ein feines Krystallmehl von Nitraten der verschiedenen Modifikationen des Cumidins und Xylidins. Wird dieses Nitrat in der üblichen Weise in die Base umgewandelt und dann der fractionirten Destillation unterworfen, so erstarrt der zwischen 225 bis 245° übergehende Antheil beim Abkühlen krystallinisch. Das so erhaltene krystallisirte Cumidin siedet bei 235 bis 236°, schmilzt bei 62° und läſst sich vortheilhaft zur Bildung von Azofarbstoffen benutzen. Es zeichnet sich namentlich dadurch aus, daſs seine Diazoverbindungen mit dem sogen. Rothsalze der Naphtoldisulfosäure Farbstoffe liefert, welche die Marke 3 R an Röthe bedeutend übertreffen und sogar mit den noch nicht getrennten Naphtoldisulfosäuren einen Farbstoff liefern, der erheblich röther ist als 3 R (vgl. 1879 232 544). Einen anderen orangerothen Farbstoff erhält man durch Paarung der Diazoverbindung des krystallisirten Cumidins mit den Monosulfosäuren des β-Naphtols. Mit Schwefelsäure läſst sich dieses Cumidin leicht nach der für das Anilin bereits bekannten Weise in Cumidinsulfosäure überführen, dessen Diazoverbindung gleichfalls mit Naphtol Farbstoffe liefert. Nach A. W. Hofmann (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1882 S. 2895) schmilzt dieses Cumidin nach entsprechender Reinigung bei 63° und siedet bei 234 bis 235°. Das in dicken Prismen krystallisirende salzsaure Salz zeigt die Zusammensetzung C9H11NH2.HCl. Die Methylirung erfolgt in gewöhnlicher Weise schon bei 100°. Das monomethylirte Cumidin schmilzt bei 44° und siedet bei 237°. Das Platinsalz hat die Formel 2(C9H11.N.CH3.H.HCl)PtCl4. Um nach J. Hummel und A. G. Perkin (Daselbst S. 2337) Hämateïn rein und krystallinisch zu erhalten, löst man käufliches Campecheholzextract in etwas heiſsem Wasser, versetzt nach dem Abkühlen mit überschüssigem Ammoniak und läſst an der Luft stehen, oder leitet besser Luft hindurch. Die sich abscheidende dunkel purpurrothe Ammoniakverbindung des Hämateïns wird gesammelt und ausgepreſst. Zur Reinigung wird dieselbe in heiſsem Wasser gelöst, mit Essigsäure versetzt, nach dem Abkühlen filtrirt, das auf dem Trichter zurückbleibende Hämateïn mit heiſser, verdünnter Essigsäure 3 oder 4 mal behandelt und die gesammten Filtrate auf dem Wasserbade eingedampft. Nach einiger Zeit setzen sich kleine Krystalle von Hämateïn ab. Um diese von den beigemengten Unreinigkeiten zu trennen, gibt man zunächst der kalten Lösung etwas Essigsäure zu, welche die meisten fremden Stoffe auflöst, während die Krystalle von Hämateïn als fast unlöslich zurückbleiben. Diese letzteren werden auf Filtrirpapier gesammelt, 3 oder 4mal mit Essigsäure und zuletzt mit Wasser gewaschen und getrocknet. Hämateïn, auf diese Weise dargestellt, bildet ganz kleine Krystalle, die einen prachtvollen, gelblich grünen Metallglanz besitzen. Es ist in Wasser, Alkohol, Aether und Essigsäure sehr schwer löslich, dagegen wird es von Alkalien reichlich aufgenommen. Ammoniak löst es mit einer schönen braun violetten Farbe auf, während die Lösung in concentrirter Natronlauge eine schöne purpurne Farbe besitzt. An der Luft wird die Farbe dieser alkalischen Lösungen nach und nach roth und zuletzt braun, da, wie es scheint, der Farbstoff sich zersetzt. Die Analyse führte zur Formel C16H12O6. Heiſse concentrirte Schwefelsäure zersetzt das Hämateïn. In kalter concentrirter Schwefelsäure löst es sich unter Wärmeentwickelung und es scheiden sich nach dem Versetzen mit der 3 bis 4 fachen Menge heiſsen Eisessiges orangegelbe Krystalle der Zusammensetzung C16H11O5.H.SO4 ab. Erhitzt man Hämateïn mit Salzsäure von 1,195 sp. GL auf 100°, so erhält man Isohämateïnchlorhydrin, C16H11O5Cl, welches mit Wasser eine orangerothe Lösung gibt. Mit Bromwasserstoffsäure erhält man die entsprechende Bromverbindung: C16H11O5Br. Behandelt man diese Verbindungen mit Silberoxyd, so bildet sich das dem Hämateïn isomere Isohämateïn. Das in entsprechender Weise hergestellte Brasileïn, C16H12O5, bildet kleine dunkle Krystalle mit grauem Metallglanze, welche mit heiſsem Wasser eine hell rosenrothe Lösung mit orange Fluorescenz liefern. Bei der Behandlung mit Schwefelsäure, Salzsäure und Bromwasserstoffsäure gibt Brasileïn die dem Hämateïn entsprechenden Verbindungen. Alle diese neuen Verbindungen färben viel stärker als das ursprüngliche Hämateïn und Brasileïn; auch sind die Farben viel beständiger, indem sie Seife und auch einer verdünnten Lösung von Bleichpulver widerstehen, besonders diejenigen, die sich vom Hämateïn ableiten. Während des Färbens wird das Weiſs aber beträchtlich befleckt, da, sobald diese Verbindungen in Lösung kommen, sie Säure abspalten, welche die Beize auflöst und sie an die ungeheizten Theile des Tuches heftet. Die neuen Hämateïn Verbindungen färben Baumwolle, die mit Alaun gebeizt ist, matt roth, mit starker Eisenlösung schwarz, mit schwacher schieferfarbig und mit einem Gemische von Thonerde und Eisen chokoladefarbig. Die Schwefelsäureverbindungen des Hämateïns jedoch geben Farben mit Thonerde, die röther sind als die anderen. Beim Seifen werden alle diese Farben etwas blauer. Die Brasileïnverbindungen färben auch fast so wie die oben beschriebenen Hämateïnverbindungen; nur sind die Farben etwas heller. E. Erdmann und G. Schultz (Liebig's Annalen, 1883 Bd. 216 S. 232) haben zur Herstellung von Hämotoxylin die harten krystallinischen Krusten, welche sich beim langen Stehen des Blauholzextractes in den Kufen abgesetzt hatten, gepulvert, mit Wasser zu einem Breie angerührt, diesen wiederholt mit Aether ausgezogen, den Aether abdestillirt und den syrupartigen Rückstand mit heiſsem Wasser versetzt. Am folgenden Tage ist das Hämatoxylin auskrystallisirt und wird durch Umkrystallisiren rein erhalten. Die Mutterlauge enthält bereits etwas Hämateïn. Da durch Einwirkung von Chloracetyl auf Hämatoxylin die Verbindung: C16H9O6(C2H3O)5 entsteht, so hat Hämatoxylin nur 5 Hydroxylgruppen. Zur Gewinnung von Hämateïn empfiehlt es sich, die ammoniakalische Lösung des Hämatoxylins in geräumige flache Glasschalen zu gieſsen, so daſs die Flüssigkeit eine möglichst groſse Oberfläche darbietet, dann durch öfteren Zusatz einiger Tropfen Ammoniak für einen beständigen geringen Ueberschuſs desselben zu sorgen und von Zeit zu Zeit kleine Proben der Flüssigkeit im Reagenzglase mit Essigsäure zu versetzen; sobald hierdurch sofort oder nach einiger Zeit ein Niederschlag entsteht, der beim Kochen in glänzende Krystallflitter übergeht, was gewöhnlich bereits nach 2 Tagen der Fall ist, thut man gut, den Versuch abzubrechen, das ganze Product in einem Kolben zum Kochen zu erhitzen und mit Essigsäure zu neutralisiren. Das Hämateïn scheidet sich dann in silberglänzenden, prachtvoll flimmernden Blättchen aus, welche abfiltrirt und mit kochendem Wasser gewaschen werden; das Filtrat wird in die Glasschale zurückgegossen, mit Ammoniak alkalisch gemacht und wieder einen Tag lang der Oxydation durch die Luft überlassen; man fährt in dieser Weise so lange fort, als man noch eine Ausbeute an Hämateïn erhält. Die Analyse desselben führte zur Formel C16H12O6 (vgl. 1881 241 311). Ueber Pikamar und Cörulignol hat P. Pastrovich (Monatshefte für Chemie, 1883 S. 182) Untersuchungen ausgeführt. Danach enthalten die über 270° siedenden Fractionen des Buchenholztheeres neben Pikamar noch Propylpyrogallussäuredimethyläther und Blauöl (vgl. 1878 229 387). Zweckmäſsiger noch können die über 270° destillirenden Antheile des Birkenrindentheeres hierzu verwendet werden, welche Pikamar in gröſserer Menge als die Buchentheeröle enthalten. Die Rohöle können durch fractionirte Destillation nicht gereinigt werden, da mit den höher siedenden Fractionen immer solche von niedrigerem Siedepunkte übergehen und umgekehrt. Sie wurden daher mit etwa der 8 fachen Menge heiſser wässeriger Kalilauge von 1,1 sp. G. zusammengebracht; beim Erkalten krystallisirt ein Gemenge von Pikamarkali, C10H12K2O3, und der Kaliverbindung des Propylpyrogallussäuredimethyläthers heraus, während das Blauöl in Lösung bleibt. Der Krystallbrei wurde durch Auspressen von der tief braun gefärbten Mutterlauge getrennt, in verdünnter heiſser Kalilauge von 1,03 sp. G. aufgelöst und in der Wärme krystallisiren lassen; hierbei schieſst nur Pikamarkali in Nadeln an, während die Kali Verbindung des Propylpyrogallussäuredimethyläthers gelöst bleibt. Durch mehrmaliges Umkrystallisiren wurde schlieſslich ein reines Präparat erhalten. Dieses wurde mit verdünnter Salzsäure zersetzt, das abgeschiedene Oel getrocknet und mehrmals destillirt. Das so erhaltene Pikamar ist eine farblose, ölige Flüssigkeit von groſsem Lichtbrechungsvermögen, welche sich bei längerem Stehen am Lichte schwach gelblich färbt; es siedet bei 290° und hat bei 15° das specifische Gewicht 1,10228; in Wasser ist es wenig, in Alkohol, Aether und Essigsäure sehr leicht löslich; es besitzt einen bitteren pfefferminzartigen Geschmack und charakteristischen Rauchgeruch. Die Zusammensetzung des Pikamars entspricht der Formel C10H14O3. Eine verdünnte alkoholische Lösung von Pikamar wird durch neutrale alkoholische Eisenchloridlösung blaugrün gefärbt. Mit überschüssiger Salzsäure auf 140° erhitzt zersetzt sich das Pikamar nach der Gleichung: C10H14O3 + HCl = C9H12O3 + CH3Cl. Zur Gewinnung des Cörulignols (Reichenbach's oxydirendes Prinzip) wurde das erwähnte Blauöl in verdünnter Essigsäure gelöst, die Lösung in viel Wasser gegossen und das sich ausscheidende Oel rectificirt. Das so erhaltene Oel, C10H14O2, ist fast farblos, hat einen kreosotähnlichen Geruch und siedet bei 240 bis 241°. Es ist in kaltem Wasser sehr schwer, leichter in heiſsem Wasser, in Alkohol, Aether und Essigsäure aber in fast unbeschränkten Mengen löslich; die Lösungen reagiren neutral. Concentrirte Schwefelsäure färbt das Blauöl roth, mit Kalilauge färbt es sich beim Stehen an der Luft dunkel. Barytwasser bringt in der alkoholischen Lösung eine prachtvolle Blaufärbung hervor, welche auch bei direkter Behandlung des Oeles mit Chlorkalk auftritt. Alkoholisches Eisenchlorid färbt die alkoholische Lösung des Blauöles grün, wässeriges Eisenchlorid die wässerige Lösung prächtig carmoisinroth. Beim Erhitzen mit Salzsäure zersetzt es sich nach der Gleichung C10H14O2 + HCl = C9H12O2 + CH3Cl. Das Cörulignol scheint dem Guajacol homolog zu sein. Durch Oxydation liefert es Eupittonsäure (vgl. 1880 237 255).