Titel: Die Zukunft der Chlorindustrie; von Dr. F. Hurter.
Autor: S.
Fundstelle: Band 249, Jahrgang 1883, S. 126
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Die Zukunft der Chlorindustrie; von Dr. F. Hurter. Mit Abbildung auf Tafel 6. Hurter, über die Zukunft der Chlorindustrie. Die einzige Hoffnung, daſs der Ammoniak-Sodaprozeſs den Leblanc-Sodaprozeſs nicht ganz verdrängen kann, gründet sich darauf, daſs die Welt ebenso wohl Chlor, als Soda gebraucht. Weldon, Solvay und Mond thun ihr Bestes, um die Chlorindustrie mit dem Ammoniaksodaprozesse zu vereinigen, oder doch durch ein dem Chlorkalke und Chlorate äquivalentes Mittel die Chlorproducte zu entwerthen. Hurter sucht nun in einem eingehenden Vortrage (vgl. Journal of the Society of Chemical Industry, 1883 S. 103) darzuthun, in wie fern die Ammoniaksoda-Industrie der Chlorfabrikation gefährlich werden kann und in welchem Sinne gegen letztere vorgegangen wird; er erläutert an der Hand der Thermochemie, in welcher Richtung die jetzt bestehende Chlorindustrie noch gefördert werden kann. 1) Andere Bleichmittel ah Ersatz für Chlor. Da Chlor aus den Chlorcalciumlaugen der Ammoniaksoda-Industrie nicht in brauchbarer Form gewonnen werden kann, so sucht L. Mond ein anderes Oxydationsmittel, welches auch bleichend und desinficirend wirkt, dafür an die Stelle zu setzen. Mond hat ein Patent erworben für die Fabrikation von Calciumsuperoxyd und für dessen Anwendung in der Bleicherei. Da Calciumsuperoxyd unlöslich ist, wird man wahrscheinlich damit so bleichen müssen, daſs man es erst in Wasserstoffsuperoxyd umsetzt, was mit einer verdünnten Säure leicht geschehen kann. Nach diesem Verfahren [werden in einem Kupolofen getrocknete Stücke eines Gemisches von Bariumcarbonat, Pech und Sägespänen eingefüllt und auf etwa 1200° erhitzt. Das Bariumcarbonat setzt sich in Bariumoxyd um und die Kohlenstoff haltigen Producte brennen weg. Sinkt die Masse allmählich in den unteren Theil des Ofens, so kommt sie mit einem Luftstrome zusammen, welcher den Baryt auf etwa 500° abkühlt, worauf unter Absorption von Sauerstoff die Bildung von Bariumsuperoxyd erfolgt. Das kalt gewordene Bariumsuperoxyd wird mit Kohlensäure und Wasser unter Druck in Bariumcarbonat und Wasserstoffsuperoxyd umgesetzt; das Bariumcarbonat wird von Neuem verwendet und das Wasserstoffsuperoxyd mit Kalkmilch in Calciumsuperoxyd umgesetzt. Der Prozeſs ist sehr sinnreich und stehen ihm kaum unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Das theure Bariumsuperoxyd konnte natürlich nie mit Chlorkalk concurriren; daſs aber Barium nur als Sauerstoffüberträger benutzt wird, um das Kalksuperoxyd zu bilden, erleichtert das Aufkommen dieses letzteren neben Chlorkalk. Calciumsuperoxyd ist ein Hydrat von der Formel CaO2.8H2O; es enthält 7,4 Proc. nutzbaren Sauerstoff, was 32,8 Proc. bleichendem Chlore entspricht. Das Product kann also nur in dem Falle mit Chlorkalk concurriren, wenn es bedeutend billiger dargestellt werden kann als dieser. Nach Angaben von G. Lunge soll kaustischer Baryt in Frankreich erzeugt werden und, wenn einmal Baryt gegeben ist, sollte es nicht schwer halten, daraus das Superoxyd zu gewinnen. Die Superoxyde sind alle sehr energische Oxydationsmittel. Nach Thompson sollen bei der Oxydation mit Wasserstoffsuperoxyd 23 064c für 1 Molekül mehr frei werden, als wenn mit freiem Sauerstoff oxydirt wurde. Da die frei werdende Wärme ein Maſs für die Energie der Reaction ist, so sollte man meinen, das neue Oxydationsmittel hätte jede mögliche Eigenschaft, um in Bleichkraft neben Chlorkalk vortheilhaft dazustehen. Obschon aber Wasserstoffsuperoxyd ein äuſserst energisches Oxydationsmittel ist, erscheint es doch zum Bleichen nicht besonders geeignet. Die Bleichkraft desselben ist so schwach, daſs man das Material nicht brauchen kann, wenn es auch bedeutend billiger würde als Chlorkalk. Wenn man in zwei Lösungen von gleicher oxydirender Kraft, von denen die eine Wasserstoffsuperoxyd, die andere Chlorkalk enthält, rohe Baumwolle legt, so findet man, daſs sich die Baumwolle in der Wasserstoffsuperoxydlösung selbst in 48 Stunden nicht verändert, während Chlorkalk in den ersten 5 Minuten sehr energisch bleicht. Der Unterschied der beiden Lösungen ist so entschieden und so abweichend von dem, was sich erwarten lieſs, wenn man die beiden Stoffe als Oxydationsmittel betrachtet, daſs man unwillkürlich zu dem Schlüsse kommen muſs, nicht der freie Sauerstoff wirke bleichend auf vegetabilische Fasern, sondern direkt das nutzbare Chlor. Gerhardt schreibt die bleichende Wirkung der Leichtigkeit zu, mit welcher Chlor an Stelle von Wasserstoff in organische Verbindungen eintritt. Ein Versuch bestätigt diese Ansicht: Schmilzt man gebleichte Baumwolle mit Soda, so findet man nachher in der Schmelze Chloride, während ungebleichte Baumwolle bei der gleichen Behandlung keine Spur Chlor erkennen läſst. Wasserstoffsuperoxyd ist die einzige Verbindung, welche billig genug dargestellt werden könnte, um neben Chlorkalk als Bleichmittel aufzutreten. Die Concurrenz mit Chlorkalk ist aber der langsamen Wirkung halber unmöglich, selbst wenn es 100 mal billiger abgesetzt werden könnte als Chlorkalk. Es sind von Zeit zu Zeit auch andere Bleichmittel vorgeschlagen worden, welche aber sämmtlich Oxydationsmittel sind. Wenn es also bleichendes Chlor und nicht Sauerstoff ist, welches die bleichende Wirkung besitzt, so ist die Wahrscheinlichkeit eine geringe, daſs diese Stoffe je Chlorkalk übertreffen werden. Eine Preisliste für die verschiedenen Bleichmittel, auf Mengen berechnet, welche 16t nutzbaren Sauerstoff enthalten bezieh. entsprechen, zeigt, daſs Chlorkalk wenigstens für die nächste Zukunft unübertroffen bleiben wird: Chlorkalk 20 Tausend M. Chlorsaures Kalium 30 Uebermangansaures Kalium 51 Chromsaures Kalium 109 Bariumsuperoxyd 480 Wasserstoffsuperoxyd 1490 Ferridcyankalium 2630 2) Gewinnung von Salzsäure. Aus Chlornatrium kann man Chlor bis jetzt noch nicht direkt erzeugen. Man stellt immer erst Salzsäure und aus dieser Chlor dar. Im Leblanc'schen Sodaprozesse wird das Natrium im Kochsalze erst durch Wasserstoff ersetzt, der durch Schwefelsäure zugeführt wird und als solcher etwa 2000 M. für 1t kosten mag. Beim Ammoniaksodaprozesse wird Calcium zur Vertretung des Natriums benutzt, welches erstere sich auf etwa 15 M. für 1t stellt. Auſser Calcium und Wasserstoff gibt es kaum zwei billigere Elemente, welche das Natrium leicht vertreten könnten. Das Chlor im Chlorcalcium ist fast ebenso fest gebunden wie das Chlor im Chlornatrium. Die Affinität zwischen Calcium und Chlor ist nur etwa 5 Proc. geringer als diejenige zwischen Natrium und Chlor. In der Salzsäure dagegen ist das Chlor sehr lose am Wasserstoffe gebunden und kann deshalb verhältniſsmäſsig leicht daraus frei gemacht werden. Solvay und Weldon bemühen sich, die Chlorcalciumlaugen des Ammoniakverfahrens für die Darstellung von Chlor nutzbar zu machen, mit einem Prozesse, der in Folgendem besteht: Das Calcium soll im Chlorcalcium durch Wasserstoff ersetzt werden. Chlorcalcium wird, mit Thon gemischt und in kleine Stücke geformt, bei hoher Temperatur dem Einflüsse von überhitztem Wasserdampfe ausgesetzt. Es bildet sich dabei sehr verdünnte Salzsäure, aus welcher mit concentrirter Chlorcalciumlauge der Wasserdampf aufgenommen und die Salzsäure dann für sich condensirt wird (vgl. Lunge 1882 243 161). Arbeitet man mit 20procentigen Chlorcalciumlaugen und erhält ein durch Wasserdampf auf 5 Proc. reducirtes Salzsäuregas, so hat man für je 100t zersetztes Chlornatrium etwa 1000t Wasser (aus der Chlorcalciumlauge, welche wieder auf die erste Concentration eingedampft wird) zu verdampfen. Bedenkt man, daſs für jedes Molekül frei gewordene Salzsäure etwa 26000c zugeführt werden müssen, daſs Reactionen, welche Wärme absorbiren, äuſserst langsame sind und daſs der ganze Prozeſs viel Arbeit und Apparate verlangt, so sieht man ein, daſs von dieser Seite die Leblanc'sche Chlorindustrie nicht so schnell gefährdet werden kann. Vorster und Grüneberg empfahlen vor Jahren ein Verfahren, Chlornatrium und Thon zu erhitzen und daraus Natriumsilicat und Salzsäure zu gewinnen, muſsten es aber aufgeben, da die Reaction einer auſserordentlich hohen Temperatur bedarf und weil die Kosten für Ausbesserungen allzu groſs wurden. Verschiedene Chlorverfahren. Zersetzt man Chlornatrium nach dem alten Sulfatprozesse mit Schwefelsäure, so kann man die gasförmige oder die flüssige Salzsäure zur Darstellung von Chlor verwenden, je nachdem man nach Deacon's oder Weldon's Verfahren arbeitet. Bei Hargreaves' Verfahren kann man nur die flüssige Säure verwenden, da die gasförmige zu stark mit Stickstoff verdünnt und zu arm an Sauerstoff ist. Um die Salzsäure in Chlor umzusetzen, muſs man ein anderes Element mit Wasserstoff vereinigen und zwar kann dieses nur Sauerstoff sein (vgl. Fig. 7 Taf. 6, woraus zu entnehmen, daſs jede andere Wasserstoffverbindung eine niederere Bildungswärme hat, Wasser ausgenommen). Die Affinität zwischen Wasserstoff und Chlor und die zwischen Wasserstoff und Sauerstoff ist so wenig verschieden, daſs der bloſse Uebergang vom flüssigen in den gasförmigen Zustand die Verhältnisse ändert. Die Affinität, in Wärmeeinheiten ausgedrückt, welche während der Vereinigung frei wurden, ist für: Flüssig Salzsäure 2HClWasser H2O == 7864068360 ––––– Cl2 > 0 Ueberschuſs 10280 Gasförmig Salzsäure 2HClWasser H2O == 4400058700 ––––– O > Cl2 Ueberschuſs 14700 Wegen dieser Verschiedenheiten ist eine direkte Zersetzung von flüssiger Salzsäure durch freien Sauerstoff unmöglich, während diese im Graszustande direkt durch Sauerstoff zersetzt werden kann, weil im Gaszustande das Wasser, im flüssigen Zustande die Salzsäure die festere Verbindung ist. Um aus flüssiger Salzsäure Chlor darstellen zu können, muſs man nicht allein Sauerstoff zuführen, sondern auch eine gewisse Menge chemische Energie: man muſs nascirenden Sauerstoff haben, welcher unter Wärmeentwickelung frei wird. Solcher ist nur von einem Oxyde zu erhalten, welches unter Bildung von Chlorid sowohl Sauerstoff, als auch die nöthige Wärme zur Abtrennung des Chlores von Chlorwasserstoff abzugeben im Stande ist. Da das Oxyd mehr Sauerstoff enthalten muſs, als dem Chlore entspricht, welches nachher Chlorid bildet, so sind wir auf Superoxyde angewiesen und unter den Superoxyden speciell auf Mangan, da kein anderes Element sich aus dem Chloride so leicht als Superoxyd regeneriren läſst und kein anderes sich im Preise so günstig stellt. Ein Blick auf die Figur 7 Taf. 6 wird dies erläutern: Es befindet sich dort kein anderes technisch brauchbares Element, von welchem 2 Oxyde und nur 1 Chlorid bekannt sind, mit Ausnahme von Blei und Barium. Bei Barium würde es sehr schwer halten, das Chlorid in das Superoxyd umzusetzen, wegen des groſsen Unterschiedes in den Bildungswärmen der beiden Verbindungen. Blei kommt auſser Frage, einerseits des Preises, andererseits seines hohen Aequivalentgewichtes halber. Mangan ist in seiner Stellung einzig; das Chlorid desselben steht zwischen den beiden Oxyden, so daſs es verhältniſsmäſsig leicht sein muſs, das Chlorid in Superoxyd umzusetzen. Was nun Weldons Prozeſs Nr. 1 (vgl. 1882 245 * 24. 246 421), wie er jetzt allgemein im Gebrauch ist, betrifft, so ist derselbe nur dann zu übertreffen, wenn ein Superoxyd gefunden werden kann, welches billiger ist als die Kosten der Regeneration des Mangansuperoxydes, was nach dem oben Gesagten sehr schwer halten wird, oder wenn die Regeneration selbst viel billiger ausgeführt werden kann. Der groſse Nachtheil von Weldon's Prozeſs Nr. 1 ist, daſs man durch ihn theoretisch nur ⅓ der Salzsäure als Chlor gewinnt. Weldon's neuer Prozeſs Nr. 2 soll diesen Fehler vermeiden und eine vollständige Gewinnung des Chlores in der Salzsäure gestatten. Magnesiummanganit, durch Verfahren Nr. 1 gewonnen, wird in den Chlortrögen mit Salzsäure zersetzt. Man erhält dabei ¼ der Salzsäure als freies Chlor neben einer Lösung von Chlormangan und Chlormagnesium. Die Lösung wird zur Syrupdicke eingedampft und mit einer gewissen Menge trockenen Manganits gemischt, in Stücke geformt, in einen dem Hargreaves'schen ähnlichen Apparate beschickt und einem heiſsen Luftstrome ausgesetzt, wobei 90 Procent der vorhandenen Chloride unter Bildung von Magnesiummanganit freies Chlor abspalten. Wenn nun nach Hurter überhaupt in Chlortrögen gearbeitet werden muſs, so kann der Chlorkalk nicht billiger werden, da man im besten Falle den Kalk spart, der jetzt zum Oxydiren nöthig ist, etwa 500k für 1t Chlorkalk. Die Kosten für Luft würden durch eine Menge kleiner Schwierigkeiten reichlich aufgewogen. – Was hat man in diesem neuen Prozesse alles zu thun, um die 500k Kalk zu sparen? Die ganze Chlorbrühe muſs zur Trockene eingedampft werden, etwa 3t Wasser für 1t Chlorkalk. Es müssen für 1t Chlorkalk 5 bis 7t Chlorid und Oxyd gemischt und in Stücke geformt werden. Von dem trockenen Manganit müssen für 1t Chlorkalk mindestens 2t in die Zersetzungsapparate beschickt werden, die 10 fache Menge Material wie beim jetzigen Deacon-Prozesse. Es ist kaum vorauszusehen, wie viel man bei den umständlichen Apparaten durch Undichtheiten zu leiden hätte, da die Luft durch 8 Cylinder, durch Condensationsthürme und Chlorkalkkammern gesaugt werden muſs. Dann würde man nur sehr schwaches Chlorgas erhalten, welches der Theorie nach schwächer ist als im Deacon-Prozesse. Wer nun weiſs, daſs bei letzterem Verfahren Alles von einer guten Zersetzung, von an Chlor reichen Gasen abhängt und daſs sich die Kosten für Arbeitslohn und Apparate mit den Schwierigkeiten mehren, die sich bei der praktischen Durchführung zeigen, der wird sich vorstellen können, was ein so schwaches Chlorgas für die Fabrikation von starkem Chlorkalk bedeutet. Gewiſs würde der gesammte Chlorkalk vom Weldon-Prozesse Nr. 2 nicht billiger als das der Menge nach kleinere Ergebniſs von Prozeſs Nr. 1. Sehen wir, was die Thermochemie uns von dem Prozesse verspricht. Die Umsetzung von Manganchlorid in Superoxyd wird eine doppelte sein, deren Wärmeverhältnisse ungünstige sind. Bei der Umsetzung von MnCl2 in MnO wird weit mehr Wärme absorbirt, als bei der Umsetzung von MnO in MnO2 frei wird, und zwar so viel mehr, daſs die Temperatur des Luftstromes in den Apparaten 300 bis 400° niederer würde. Einige Versuche zeigen, daſs das Magnesium völlig passiv bei der Reaction bleibt, daſs die Oxydation nicht weiter als Mn2O3 geht und daſs die Umsetzung von Chlorid in Oxyd im besten Falle auf 90 Proc. kommt. Dann entsteht nicht Chlor allein, sondern ziemlich viel Salzsäure daneben, was sich jedoch im Groſsbetriebe ändern möchte. Vergleichen wir den Deacon-Prozeſs mit dem neuen Weldon'schen Verfahren Nr. 2; er ist der einzige, welcher bis jetzt im Stande ist, Salzsäuregas durch eine einfache Reaction in Chlor umzusetzen. Bei der Reaction: 2HCl + O = H2O + Cl2 wird Wärme frei. Sie wird durch Catalyte beschleunigt, am günstigsten durch Kupferchlorid wegen dessen Dissociationsvermögen bei hoher Temperatur, wobei dann Wärme in chemische Energie umgesetzt wird. Kupferchlorid zersetzt sich bei etwa 400° in Kupferchlorür und Chlor unter Absorption von Wärme:     2CuCl2 = Cu2C12 + C12 . . . . . . (1) 103260c = 65760c + 37500c (absorbirt). Kupferchlorür absorbirt Sauerstoff und wird, zu Kupferoxyd umgesetzt unter Freiwerden von Chlor- das Kupferoxyd setzt sich mit Salzsäure in Kupferchlorid und Wasser um:     Cu2Cl2 + 2O = 2CuO + Cl2 . . . . . . (2)     65760c = 74320c – 8560c       (frei geworden). 2CuO + 4HCl = 2CuCl2 + H2O . . . . . . (3) 74320c + 88000c = 103260c +114000c – 54940c (frei geworden). In diesen beiden Reactionen (2) und (3), welche in gleichem Maſse vor sich gehen, wird Wärme frei und zwar mehr, als in der ersten bei der Dissociation von Kupferchlorid gebunden wird. Es gibt kein anderes Element, welches 2 Oxyde und 2 Chloride bildet, welche so leicht in einander umgesetzt werden können; es gibt auch keinen billigeren und wirksameren Catalyt wie Kupfer und darum wird der Deacon-Prozeſs der einzige bleiben, welcher Salzsäuregas in Chlor umzusetzen im Stande ist. Wir sind bei folgenden Schlüssen angekommen: 1) Kein anderes Chlorid eignet sich so vortheilhaft zur Fabrikation von Chlor wie Chlorwasserstoff. 2) Soll Chlorwasserstoff im flüssigen Zustande zersetzt werden, so kann dies nur mit Mangandioxyd geschehen, da kein anderes Superoxyd sich aus dem Chloride so leicht regeneriren läſst. 3) Soll Chlorwasserstoff im Graszustande zersetzt werden, so bedarf man eines Catalyten. Wenn ein solcher vortheilhafter als Kupfer überhaupt gefunden wird, so bleiben die Apparate doch wesentlich dieselben. Die Veränderungen, welche nach dem Vorangegangenen der Chlorindustrie bevorstehen, sind die, daſs der Deacon'sche Prozeſs wesentlich derselbe bleiben und daſs im Weldon'schen Prozesse, eine günstigere Regeneration des Superoxydes gefunden werden muſs, wobei dann die Salzsäure besser ausgenutzt wird. Beide Verfahren werden aber nach wie vor neben einander bestehen. Erklärung des Diagrammes Fig. 7 Taf. 6: Die der Groſsindustrie zugänglichen Elemente sind so zusammengestellt, daſs die Verbindungen derselben über deren Atomgewicht stehen und zwar so hoch auf der Abscisse, als den Bildungswärmen der betreffenden Verbindungen entspricht, d.h. der Wärmemenge in Wärmeeinheiten, welche bei der Verbindung der einzelnen Elemente frei wird. Wasserstoff steht z.B. auf Abscisse 1. Bei der Vereinigung von Wasserstoff und Chlor werden 44000c frei; somit steht Salzsäure auf Ordinate 44. Es ist immer leicht, eine Reaction auszuführen, bei welcher Wärme frei wird, während es umgekehrt verhältniſsmäſsig schwer, oft unmöglich ist, Wärme in chemische Energie umzusetzen; es wird also leicht sein, eine Verbindung mit kleiner Bildungswärme in eine andere mit gröſserer Bildungswärme umzusetzen, während das Umgekehrte in einer einfachen Reaction immer schwer, oft unausführbar ist. So läſst sich Na2O in NaCl leicht umsetzen, ebenso K2O in KCl u.s.f., während das Umgekehrte durch einfache Reactionen kaum möglich ist. Die Reactionen, bei denen Wärme gebunden wird, sind meist um so schwieriger, je mehr Wärme absorbirt wird. Die Schwierigkeiten bestehen natürlich nicht allein darin, durch Brennmaterial die nöthige Wärme zuzuführen, sondern hauptsächlich in dem Umstände, daſs solche Reactionen überhaupt schwer durch einfache Reactionen auszuführen sind und nur durch kostbare, indirekte Prozesse umgangen werden können. Bei dem Beispiele Kupfer sehen wir, daſs es leicht sein muſs, irgend eines der Chloride oder Oxyde in ein beliebiges anderes umzusetzen, da die Bildungswärmen aller 4 Verbindungen sehr nahe beisammen liegen (wie bei keinem anderen Elemente). Bei Mangan sollte es, nach der Bildungswärme zu schlieſsen, sehr leicht sein, das Chlorid in Superoxyd umzusetzen. In Chlorwasserstoff muſs der Wasserstoff nach dem Diagramme sehr reactionsfähig sein, weil alle anderen Chlorverbindungen viel höher stehen. Damit steht natürlich im Zusammenhange, daſs die Chloride sehr feste beständige Verbindungen sein müssen. S.

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Tafel Tafel 6
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