Titel: Ueber die Zuckergewinnung aus Melasse mittels Kalk.
Fundstelle: Band 251, Jahrgang 1884, S. 415
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Ueber die Zuckergewinnung aus Melasse mittels Kalk. (Schluſs des Berichtes von S. 373 d. Bd.) Ueber die Zuckergewinnung aus Melasse mittels Kalk. Weiland berichtet in der deutschen Zeitschrift für Rübenzuckerindustrie, 1883 S. 657 über die in der Zuckersiederei Gutschdorf bei direkter Melasseverarbeitung durch das Sostmann'sche Fällungsverfahren erhaltenen Resultate. 100 Th. Melasse gaben 27,4 Th. erstes, 7,4 Th. zweites und 2,6 Th. drittes Product. Die Zuckerverluste betragen 10 bis 12 Proc. des Gesammtzuckers. Während nach E. O. v. Lippmann (Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie, 1883 S. 651. 880) beim Substitutionsverfahren (1882 243 143) zur Gewinnung des dreibasischen Saccharates durch andauerndes Verrühren von Melasselösung und Kalkmilch einbasischer löslicher Zuckerkalk hergestellt und dieser dann zum Sieden erhitzt wurde, fand man, daſs durch Einbringen von staubförmigem Kalke in Zuckerlösung eine sofortige Saccharatbildung herbeigeführt werden kann, so daſs man auf diese Weise unmittelbar dasselbe Saccharat erhält, welches beim Kochen reiner Lösung einen Theil des darin enthaltenen Zuckers in Form von dreibasischem unlöslichem Zuckerkalke abscheidet. Auf Grund dieser Entdeckung ist es nun Steffen gelungen, eine noch bedeutsamere Reaction zu finden und auf diese ein neues Verfahren zu begründen, welchem er den Namen Ausscheidung gegeben hat. Zur Hervorbringung einer sofortigen vollständigen Fällung des in einer Lösung enthaltenen Zuckers ist es nöthig, einen bereits mit Kalk gesättigten Saft anzuwenden, in welchem auf 100 Th. Zucker wenigstens 33 Th. bereits gelöster Kalk vorhanden ist. Wenn man nun in eine solche mit Kalk gesättigte Zuckerlösung neue Mengen Kalk einbringt, dann gelingt die sofortige Fällung des in der Lösung enthaltenen Zuckers und man kann die Fällung so weit fortsetzen, daſs sich zuweilen sogar Laugen ergeben, welche eine Links-Polarisation zeigen. Das so erhaltene dreibasische Saccharat besitzt eine körnige Structur und läſst sich von der Mutterlauge leicht trennen. Die Reinheit beträgt bereits bei dem Saccharate, wie es aus gewöhnlichen Melasselösungen direkt ausfällt, 91 bis 92, kann aber durch Auslaugen mit Leichtigkeit auf eine beliebige Höhe gebracht werden; denn die Durchlässigkeit des Materials ist eine ganz auſserordentliche. Auf diese Weise ist es also möglich, auf kaltem Wege, ohne Anwendung von Dampf oder Alkohol, eine möglichst vollständige Fällung hervorzurufen. Bei den Substitutionsverfahren hat man bisher die Schwierigkeit gehabt, daſs ein im Zuckerkalke etwa enthaltener Kalküberschuſs mit in den Scheidesaft eingeführt wurde. Der dreibasische Zuckerkalk nun, welcher nach der neuen Methode gewonnen wird, hat in hervorragendem Maſse die Eigenschaft, sich in Zucker haltigen, nicht mit Kalk schon gesättigten Flüssigkeiten mit der gröſsten Leichtigkeit aufzulösen, so daſs es z.B. durch geeignete Mischung des erhaltenen Zuckerkalkes mit nicht zu groſsen Mengen Rübensaft und darauf folgende sofortige Filtration leicht gelingt, den allergröſsten Theil desjenigen Kalkes, welcher nicht zur Structur des Saccharates gehört, zu entfernen. Wir werden also in Zukunft zur Saturation und Saftreinigung eine Masse verwenden können, welche bei einem Maximum von Zucker nur das unumgänglich nothwendige Minimum von Kalk enthält. W. Wolters (D. R. P. Kl. 89 Anmeldung Nr. 2546 vom 7. Juni 1883) beschreibt folgendes Verfahren zur Gewinnung des Zuckers aus wässerigen Lösungen als unlöslichen vierbasischen Zuckerkalk. Danach läſst sich mit dem von Hydrat freien Kalke die in Wasser unlösliche Verbindung von 1 AtomStatt Atom muſs offenbar überall richtiger Molekül stehen.Ref. Zucker mit 4 Atom Kalk erzeugen. Es soll zweckmäſsig sein, den Kalk in jenen Zustand zu versetzen, in welchem derselbe sich schwer löscht: sogen, überbrannter Kalk. Man kann dies durch höhere anhaltendere Temperatur im Kalkofen oder auch durch ein Nachbrennen des Kalkes erreichen. Da jedoch der Kalk in Pulverform zu verwenden ist und bei der Pulverung die Feuchtigkeit nicht ganz fern gehalten werden kann, so ist es zweckmäſsig, die Zerkleinerung anfangs nur grob auszuführen und die wesentlich feine Pulverisirung im Gemenge mit der Zuckerlösung vorzunehmen, weil bei Gegenwart von Zucker und Kalk der schwer löschbare Kalk sich leichter mit Zucker als mit dem Wasser verbindet. Es bildet sich ein löslicher dreibasischer Zuckerkalk, welcher dann mit 1 Atom Kalk nach einigem Stehen als vierbasischer Zuckerkalk sich abscheidet und durch Filterpressen von der Flüssigkeit getrennt werden kann. Sind etwa in Folge ungenügender Pulverung weniger als 4 Atom Kalk zur Wirkung gekommen und ist deswegen ein Theil des Zuckers in Lösung geblieben, so kann durch einen neuen Zusatz von Kalk – auf 1 Atom dreibasischen Zuckerkalk 1 Atom Calciumoxyd – der verbleibende An theil als vierbasischer Zuckerkalk nachgefällt werden. Wolters denkt sich den Vorgang beim Kalkbrennen folgendermaſsen: Beim Austreiben der Kohlensäure, welches schon bei Halbrothglut vor sich geht, tritt eine engere Verbindung der Kalkatome unter sich ein, welche durch höhere Temperatur (Gelbglut) wieder aufgehoben wird. Bei noch höherer Hitze (Weiſsglut) wird der frühere Zustand der engeren Bindung wieder hergestellt. Der bei niederer Temperatur (Rothglut) gebrannte Kalk sowohl wie der, welcher Weiſsglut erhalten hat, sind unfähig, den Zucker als vierbasischen Zuckerkalk aus wässerigen Lösungen zu fällen; dagegen fällen dieselben den Zucker als achtbasische Verbindung. Erst der nach dem Austreiben der Kohlensäure längere Zeit bei Gelbglut erhaltene Kalk hat alle Affinitäten im freien Zustande. Beim Zusammenbringen mit Wasser werden beide Arten von Kalk in Hydrat übergeführt. Der längere Zeit bei Gelbglut erhaltene Kalk geht etwas schwerer in Hydrat über als der andere. E. O. v. Lippmann (Deutsche Zuckerindustrie, 1883 S. 695) vermag in diesen Angaben etwas wirklich Neues und Patentfähiges nicht zu entdecken, die Existenz eines vierbasischen Saccharates ist noch zu beweisen. W. Wolters (daselbst S. 722) gibt dagegen folgende Vorschrift zur Gewinnung von vierbasischem Zuckerkalk: Man nehme bei Gelbglut nachgebrannten Aetzkalk, pulverisire denselben in einer trockenen Reibschale grob, gieſse dann gleich soviel einer 8 bis 10 procentigen Zuckerlösung darauf, daſs auf 1 Atom Zucker über 3 Atom Kalk kommen, und pulverisire dann möglichst gut bei Vermeidung hoher Temperatur, also im Sommer mit Abkühlung, und filtrire. Im Filtrate werden auf 1 Atom Zucker 3 Atom Kalk vorhanden sein. Dieser Lösung setze man gleicherweise, also unter Uebergieſsung des grobgepulverten Kalkes, noch 0,5 Atom Kalk zu, pulverisire und filtrire. Der entstehende Niederschlag wird stets, wenn man die nicht zur Wirkung gekommenen gröberen Theile durch ruhiges Abgieſsen zurückläſst, die Zusammensetzung von 1 Zucker auf 4 Kalk zeigen. Die Feinreibung des Kalkes muſs gleich nach dem Zugieſsen der Zuckerlösung bezieh. Zuckerkalklösung beginnen, sonst bildet sich ein Theil Kalkhydrat. Solche Entstehung des vierbasischen Saccharates beim Verreiben nur eines halben Atomes Kalk in einer Lösung, welche auf 1 Atom Zucker 3 Atome Kalk enthält, ist seiner Ansicht nach als Beweis der Existenz der vierbasischen Verbindung anzusehen.