Titel: Untersuchungen über die Schweissbarkeit des Flusseisens.
Fundstelle: Band 252, Jahrgang 1884, S. 145
Download: XML
Untersuchungen über die Schweiſsbarkeit des Fluſseisens. Mit Abbildungen. Hupfeld, über die Schweiſsbarkeit des Fluſseisens. Auf Grund der Versuche der „Schweiſscommission“ des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleiſses (vgl. 1883 250 71) kommt H. Wedding zu dem Schlüsse, daſs eine durch Schweiſsung des Eisens hergestellte Verbindung auch bei der gröſsten Sorgfalt des Schmiedens unzuverlässig sei und daſs man daher Schweiſsungen bei Fluſseisen überhaupt vermeiden solle.Wenn einzelne Werke so weit gehen, Schmiedstücke aus packetrirtem Bessemereisen zu erzeugen und behaupten, daſs dieselben zuverlässiger seien, als solche aus groſsen oder façonnirten Guſsblöcken herabgeschmiedete, so scheint dies doch eher ein Rückschritt als ein Fortschritt zu sein und dürfte sich diese Methode wohl keiner gröſseren Verbreitung erfreuen; sie ist auch nicht neu, denn schon vor 12 Jahren wurden auf einem Schienenwerke der Alpenländer Schienpackete aus Enden unter dem Dampfhammer geschweiſst und auf Schienen ausgewalzt, welche sich aber im Betriebe nicht bewährten, weshalb man die Fabrikation gänzlich einstellte.H. Zu einer ganz anderen Ansicht gelangt A. F. Hill in seinem vor dem American Institute of Mining Engineers abgehaltenen und in den Transactions, Bd. 11 S. 251 bezieh. in Stahl und Eisen, 1883 S. 509 abgedruckten Vortrage. Hill nimmt die Schweiſsbarkeit des Fluſseisens als vollkommen erwiesen an und setzt dabei nur eine vorsichtige Behandlung im Feuer und einen erfahrenen Schmied voraus. Auch in England hält man im Allgemeinen zuverlässige Schweiſsungen mit Fluſseisen für anwendbar und macht in der Praxis häufigen Gebrauch davon. Im Allgemeinen gilt aber auch in Oesterreich, wie W. Hupfeld zu Prevali in der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1884 * S. 105 ausführt, das Fluſseisen für schweiſsbar und nicht nur Maschinenfabriken und Zeugschmiede setzen diese Eigenschaft bei weichem Bessemer- oder Martinmateriale voraus, sondern auch die k. k. Marine. Unter den Bedingungen für die Lieferung von Schiffswinkeln z.B. wird ausdrücklich eine „Schweiſsprobe“ gefordert und bei der Uebernahme in strengster Weise durchgeführt. Es wird dabei der eine Schenkel eingehauen, der Winkel dann um 90° gebogen, die über einander gelegten Lappen geschweiſst und der erkaltete Winkel dann wieder gerade gebogen. Bei dieser Bearbeitung darf die Schweifsnaht nicht aufgehen und es darf sich nicht der geringste Kantenriſs bilden. So streng diese Probe ist, hält sie doch das steierische Bessemermaterial anstandslos aus, sobald der ausführende Schmied einige Uebung erworben hat. Das Eisen braucht dazu nicht ganz weich zu sein, sondern kann 0,2 bis 0,25 Proc. Kohlenstoff enthalten bei einer Zerreiſsfestigkeit von 40 bis 50 k/qmm. Es stehen sich also die Ansichten ziemlich unvermittelt gegenüber und eine Entscheidung kann nur nach Ausführung sehr umfassender Versuchsreihen und Erwägung aller dabei in Betracht kommenden Faktoren getroffen werden und sich auch immer nur auf ein bestimmtes Fabrikat beziehen. Das vorliegende Material ist noch sehr lückenhaft; namentlich sind noch ziemlich wenig Zerreiſsproben bekannt geworden. Hupfeld veröffentlicht daher als Beitrag zur Lösung dieser Frage seine Erfahrungen, beansprucht jedoch für die daraus gezogenen Schlüsse keine allgemeine Bedeutung, da sie sich lediglich auf das eigene Fabrikationsmaterial und zwar nur auf eine bestimmte Sorte desselben beziehen. Für die Versuche benutzte Hupfeld gewöhnliches Bessemereisen, Härte Nr. 6 der österreichischen Skala (0,25 Proc. Kohlenstoffgehalt), welches auf Nebenbahnschienen verarbeitet wird. Das betreffende Bessemer-Roheisen wird aus 50 Raumtheilen Karwiner Kokes und 50 Th. Holzkohlen aus einem Möller von 60 Proc. Hüttenberger Weiſserzen, 30 Proc. ebensolchen Braun erzen und 10 Proc. Puddlingsschlacken bei 20 Proc. Kalkzuschlag erblasen und hat bei feinkörnig grauem Bruche 2 bis 2,5 Proc. Silicium, 5 bis 6 Proc. Mangan, 3 bis 3,5 Proc. Gesammtkohlenstoff, 0,03 bis 0,04 Proc. Phosphor, 0,01 bis 0,02 Proc. Schwefel, sowie Spuren von Kupfer. Es wird direkt vom Hochofen in Posten von etwa 7000k verwendet, bis auf Eisen Nr. 7 (0,1 Proc. Kohlenstoff) herabgeblasen und dann mit 4 Proc. kaltem oder 5 Proc. flüssigem krainerischem Spiegeleisen von 12 Proc. Mangan zurückgekohlt. Die Posten gehen heiſs, verlangen 12 bis 15 Proc. kalten Einsatz und werden so kalt als möglich abgegossen. Dadurch wird es möglich, ein ganz ruhiges Metall zu erzielen, was beim Gieſsen nur in seltenen Fällen etwas treibt und bloſs dann verkeilt werden muſs. Die Blöcke verwalzen sich sehr gut und liefern ohne nennenswerthen Ausschuſs tadellose, namentlich sehr reine Schienen. Textabbildung Bd. 252, S. 146 Die Proben wurden mit 27 auf einander folgenden Schienenstahlhitzen ausgeführt. Bei jeder Hitze wurden 2 Probeguſsblöcke abgegossen mit 70mm Seite und 300mm Länge, welche nicht bedeckt wurden; der eine diente für die Schweifsprobe, der andere für den Versuch mit dem ungeschweiſsten Materiale. Unter einem Dampfhammer von 200k Fallgewicht wurde dann der eine Probeblock in zwei Stücke zerschrotet und jedes derselben auf 35mm Seite bei 150mm Länge ausgeschmiedet und an dem einen Ende mit einem Zangengriffe versehen. Die stärkeren Enden wurden abgeschärft, erhielten in demselben Schmiedefeuer eine schnelle saftige Hitze unter Anwendung gewöhnlichen Schweifssandes, wurden dann auf dem Ambosse 70mm mit den schrägen Flächen über einander gelegt und mit dem Handhammer geschweiſst. Nach einer zweiten gelinden Hitze kam das geschweiſste Stück unter den Dampfhammer und wurde zunächst auf 20mm im Quadrate und dann im Gesenke auf 18 bis 19mm Durchmesser bei 350mm Länge ausgeschmiedet. Die Schweifsstelle war immer in der Mitte des Probestabes. (Vgl. die vorstehenden Figuren, in welchen jedoch die eingeschriebenen Maſse von den Textzahlen zum Theile abweichen.) Auf der Drehbank wurden alle Stäbe auf etwa 15mm Stärke abgedreht, sorgfältigst polirt und genau cylinderisch hergestellt. An jedem Ende wurde zum Einschrauben in die Backen der Zerreiſsmaschine ein Gewinde mit 16mm kleinstem Durchmesser eingeschnitten und kam die ganze Lange des Probestabes mit 350mm in die Maschine. Die Markendistanz betrug bei allen Proben 200mm. Das Probiren selbst, wobei die Belastung durch einen mit Wasser gefüllten Cylinder mittels eines Hebelverhältnisses von 1 : 20 auf die senkrecht eingespannten Probestäbe wirkt, geschah mit möglichster Schärfe und Gleichmäſsigkeit und dauerte eine Probe 7 bis 8 Minuten. Der Verlauf aller Proben war ein sehr gleichmäſsiger: bei 5500 bis 6000k Belastung, entsprechend einer Festigkeit von 36 bis 40k/qmm machte sich bei sämmtlichen Proben, geschweiſsten wie ungeschweiſsten, eine plötzliche Dehnung von 4 bis 7mm bemerklich, das Ueberschreiten der Elasticitätsgrenze scharf markirend. Wartete man nun bis zu einer neuerlichen steigenden Belastung etwa eine Minute lang, so erfolgte erst bei 6500 bis 7000k eine weitere Dehnung. Auch diese konnte in den meisten Fällen bei constanter Belastung zum Aufhören gebracht werden und erst bei 7500 bis 8000k fing eine schnellere Dehnung an, sich bemerklich zu machen. Es konnte also auch hier die schon so oft gemachte Beobachtung wiederholt werden, „daſs man es mit mehreren Elasticitätsgrenzen zu thun hat, sobald man dem zu prüfenden Materiale Ruhepausen gönnt, in denen sich die wandernden Moleküle wieder consolidiren können“. (Vgl. Hugo Fischer 1884 251 * 337.) Der Bruch erfolgte immer unter Bildung einer sehr starken lokalen Einschnürung mit einem convexen Kopfe, dem eine 1,5 bis 2mm tiefe Höhlung des anderen Theiles entsprach. Der äuſsere Befund der geschweiſsten und nicht geschweiſsten Stäbe war sowohl vor, als nach dem Zerreiſsen ein ganz gleicher. Schweifsnähte konnten weder vor, noch während der Prüfung bemerkt werden und ebenso wenig an dem Zerreiſsquerschnitte, welcher in Folge der geringen Dicke und der starken Contraction niemals ein krystallinisches, sondern ein mattes sammtgraues Aussehen hatte. Es ist dies jedenfalls der starken mechanischen Bearbeitung zu verdanken, welcher die Probestücke unterworfen waren, ehe sie auf die Drehbank gelangten, da die sonstigen Zerreiſsproben aus Schienenköpfen und mit gröſserem Durchmesser immer einen körnigen Bruch und eine geringere Contraction zeigen, während die Festigkeit und Dehnung zusammengenommen den vorliegenden Ziffern ziemlich gleich sind. Nach den Durchschnittsziffern der in der angezogenen Quelle mitgetheilten Einzeluntersuchungen ergibt sich aus den Festigkeitsproben mit geschweiſstem Bessemereisen 54,6k/qmm Zerreiſsfestigkeit, 19,1 Proc. Dehnung und 55,4 Proc. Contraction gegenüber den analogen Werthen mit ungeschweiſstem Materiale 55,3k/qmm, 18,8 Proc. bezieh. 57,5 Proc. Hiernach wird die Zerreiſsfestigkeit durch das Schweiſsen um 1,75 Proc. vermindert (im Maximum um 5 Proc., in einzelnen Fällen gar nicht); nimmt die Dehnung durch das Schweiſsen um genau ebenso viel zu, vermindert sich zwar die Contraction im Durchschnitte durch das Schweiſsen um 3,75 Proc; doch kommen eine Reihe von Posten vor, bei denen sie zunimmt, so daſs in dieser Beziehung eine Regel nicht aufgestellt werden kann. Dagegen kann man mit voller Sicherheit aus dem vorliegenden Materiale den Schluſs ziehen, daſs sich ein Bessemereisen von der angegebenen ZusammensetzungDurchschnittlich 0,15 Proc. Silicium, 0,20 Proc. Kohlenstoff, 0,50 Proc. Mangan. Der Phosphor überschreitet nie 0,045 Proc., Schwefel nie 0,02 Proc. und den bezeichneten, noch für flinkes Schweiſsen mit Hand geeigneten Abmessungen ohne besondere Kunstgriffe und zuverlässig schweiſsen läſst, sobald es möglich ist, den zu schweiſsenden Flächen einen genügenden Querschnitt zu geben und das Stück nach der Schweiſsung entsprechend zu bearbeiten, d.h. zu strecken. Der Schweiſsprozeſs macht zwar das Bessemereisen etwas weicher, jedoch nur in so geringem Maſse, daſs davon keinerlei üble Folgen zu befürchten sind. Den groſsen Unterschied zwischen diesen Resultaten und denen der oben erwähnten Schweiſscommission vermag Hupfeld gar nicht zu erklären. Während Wedding unter 18 Versuchen mit weichem Fluſseisen neun miſslungene anführt, kam hier unter 27 Proben keine einzige mit Schweiſsfehlern vor. Es ist daher leicht möglich, daſs die Ausführung der Schweiſsproben eine nicht entsprechende gewesen ist, daſs nämlich die Schmiede das Stahlschweißen nicht verstanden. Diese Kunst, obwohl sie an sich sehr einfach ist, scheint leider noch sehr wenig allgemeine Verbreitung gefunden zu haben, wie die vielen Fälle beweisen, in welchen ein Bessemermaterial zur Verfügung gestellt wird, weil es angeblich sich nicht schweiſsen läſst, während es in Wahrheit von ungeübten Schmieden lediglich verbrannt ist. Allerdings werden in der Schmiede zu Prevali alljährlich Tausende von Schweiſsungen vorgenommen und hat das Personal dadurch eine groſse Uebung erlangt, welche nicht bei Jedem vorauszusetzen ist; miſslungene Schweiſsungen fallen aber gerade deshalb immer mehr der Behandlung als dem Materiale zur Last. Einen besonderen Einfluſs der chemischen Zusammensetzung konnte Hupfeld nicht feststellen, hält aber im Allgemeinen Ledebur's und Reiser's Ansicht (vgl. 1884 251 76), daſs für die Schweiſsung der reine Kohlenstoffstahl am geeignetsten sei, für vollkommen richtig. Keinesfalls wäre aber Wedding beizupflichten, wenn er Silicium als die Schweiſsung befördernd ansieht und Mangan als das Gegentheil. In geringeren Mengen bei Abwesenheit von Phosphor und Schwefel und bei niedrigem Kohlenstoffgehalte schaden beide Körper gar nichts, sondern haben einen sehr günstigen Einfluſs auf Festigkeit und Contraction. Steigt aber der Siliciumgehalt über 0,45 Proc., so hört nach Hupfeld's Erfahrungen die Schweiſsbarkeit sehr bald auf, namentlich bei gleichzeitig zunehmendem Kohlenstoffgehalte. Der Mangangehalt fällt und steigt in Prevali immer mit dem Siliciumgehalte und können sich daher bei diesem Materiale die Eigenschaften beider Bestandtheile nicht gegenseitig ausgleichen. Einen Bessemerstahl von 0,5 Proc. Kohlenstoff und 0,6 Proc. Silicium, welcher dann etwa 1 Proc. Mangan haben würde, wird man nicht mehr schweiſsen können; reinen Kohlenstoffstahl schweifst man aber in Schweden noch mit 1,5 Proc. und mit 0,8 bis 0,9 Proc. auch in Prevali ohne Anwendung besonderer Hilfsmittel. Das Thema von der Schweiſsbarkeit der eigentlichen Stahlsorten überläſst Hupfeld berufeneren Fachgenossen zur Behandlung.