Titel: Ueber Neuerungen an Glühlicht-Lampen.
Fundstelle: Band 252, Jahrgang 1884, S. 238
Download: XML
Ueber Neuerungen an Glühlicht-Lampen. Patentklasse 21. Mit Abbildungen. Ueber Neuerungen an Glühlicht-Lampen. Von neueren Glühlampen, welche sich in der Elektrischen Ausstellung zu Wien 1883 bemerklich machten, sind die von Bernstein, Müller, Gerard und Gebrüder Siemens zu nennen. Vielfach wurden in Wien 1883 Glühlampen von Accumulatoren gespeist. So beleuchtete die Electrical Power Storage Company mit Accumulatoren von Faure-Sellon-Volckmar (vgl. 1883 250 262) 4 Wohnräume der Zimmerausstattungen mit Glühlicht (Swan-Lampen). Diese Beleuchtung erwies sich frei von wesentlichen Störungen. – Ferner hatte die Südbahn zwei groſse Personenwagen 3. Klasse ausgestellt, welche für elektrische Zugbeleuchtung eingerichtet sind. In einer Abtheilung des einen Wagens befindet sich eine Dynamomaschine, welche während der Bewegung des Eisenbahnzuges den Antrieb von der Wagenachse erhält und den ganzen Zug mit Siflara-Lampen beleuchtet. Im Nebenschlüsse zur Maschine sind Accumulatoren (System De Caló, vgl. 1883 250 263) eingeschaltet, welche die Beleuchtung in Haltestationen besorgen. – Der Hofwagenfabrikant Lohner hatte einen 4sitzigen Wagen eingerichtet, bei welchem in den Wagenlaternen Swan-Lampen von 8 Normalkerzen angebracht sind und durch fünf kleine De Calo'sche Accumulatoren betrieben werden; letztere sind unter dem Kutschersitze aufgestellt. Die von einem Deutschen, Alexander Bernstein in Boston, herrührende Glühlichtlampe wurde unter dem Namen „Boston-Lampe“ in der Wiener Ausstellung von der Bernstein Electric Light Manufacturing Company vorgeführt. In dieser ganz neuen Lampe hat es Bernstein verstanden, der glühenden Kohle eine groſse leuchtende Oberfläche zu geben, ohne ihre Masse wesentlich zu vermehren. Er erreichte dies und zugleich einen verhältniſsmäſsig hohen Widerstand in seiner Lampe durch Verwendung dünnwandiger, aus seidenen Fäden geflochtener oder gewebter, gebogener Röhrchen, welche in Graphitpulver eingebettet, carbonisirt und hierauf in die Glaskugel eingeschmolzen werden. (Vgl. Oesterreich-ungarisches Patent vom 5. April 1883.) Fig. 1., Bd. 252, S. 239 Der Glaskörper der in Fig. 1 abgebildeten Lampe unterscheidet sich wenig von dem anderer Glühlampen. Die Einschmelzung der Platindrähte erfolgt durch ein aus der Abbildung deutlich erkennbares, etwas längeres Stück von blauem Schmelzglase und an den Platindrähten sind in der Lampe Kupferdrähte angeschmolzen, auf denen die Licht gebende Kohle selbst mittels eines Cementes befestigt ist. Diese Kohle hat die Form eines gebogenen hohlen Rohres und wird, wie weiter oben schon erwähnt, durch Verkohlung von geflochtenen hohlen Schnüren aus Seide hergestellt. Der verkohlte Körper hat ganz die Structur des Geflechtes und man kann denselben als aus einzelnen sehr feinen Fädchen bestehend betrachten, welche dadurch eine groſse Festigkeit erhalten, daſs sie in einander verschlungen sind. Gerade dieses Gefüge des Fadens scheint mit die Ursache des groſsen Nutzeffectes zu sein, welchen die Lampe aufweist, da derartig hergestellte Kohlen verhältniſsmäſsig gröſsere Stromstärken vertragen können als einfache Fäden. Am unteren Theile des Lampenhalses befindet sich ein Messingrohr und eine Schraube, welche beide Theile mit je einem Drahtende verbunden sind, während der Zusammenhang dieser Theile mit der Lampe durch einen Gypseinguſs bewerkstelligt wird. Messingrohr und Schraube passen in entsprechende Theile des Lampenhalters. Die von der technisch wissenschaftlichen Commission der Wiener Ausstellung (Abtheilungsvorsitzender Prof. Dr. Kittler) ausgeführten Versuche mit 2 solchen Lampen (Nr. 2, neuerer Construction, von 60 Kerzen und Nr. 4 von 90 Kerzen Lichtstärke) haben folgende Zahlenwerthe ergeben: Für die 60 Kerzen-Lampe: Versuchs-Nr. Ampère Volt Lichtstärke inNormalkerzen Volt-Ampère 1 3,977 21,588   10,94   85,86 2 4,120 22,286   13,94   91,82 3 4,294 23,120   17,80   99,28 4 4,450 23,880   22,02 106,27 5 4,869 25,894   35,98 126,07 6 (normal) 5,391 28,387   60,71 151,03 7 5,825 30,445   91,87 177,34 8 6,129 31,773 113,03 194,74 9 6,464 31,372 142,18 202,79 10 6,854 33,018 195,44 226,31 Für die 90 Kerzen-Lampe: Versuchs-Nr. Ampère Volt Lichtstärke inNormalkerzen Volt-Ampère 1   6,582 27,776      27,689 182,82 2   6,988 29,291       37,897 204,68 3   7,694 31,580       56,779 242,99 4   8,360 33,805       88,600 282,61 5 (normal)   8,540 34,334       95,576 293,21 6   9,251 36,523   138,96 337,87 7   9,286 36,523   150,08 339,15 8   9,657 37,673   180,20 363,81 9 10,701 41,200   287,47 440,88 10 11,226 43,349   344,42 486,64 11 11,831 45,773 467,0 541,60 12   616,52 (Hier ging die Lampezu Grunde.) Man sieht hieraus, daſs die Lampe bei ihrer Normalstärke von 60 Kerzen nur 2,5 Volt-Ampère auf 1 Kerze beansprucht, ein Resultat, welches als auſserordentlich günstig betrachtet werden muſs und bisher noch bei keiner Glühlampe erreicht worden ist. Für Deutschland hat die Elektrotechnische Fabrik Cannstatt in Cannstatt (Württemberg) die Ausführung der Boston-Lampe übernommen. Während der Wiener Ausstellung schon waren bei B. Egger und Kremenetzky in Wien die ersten noch in Boston verfertigten Glühlampen dieses Systemes in Thätigkeit und befriedigten allgemein. Zur Zeit werden zwei Arten der Boston-Lampe angefertigt, die eine für 50 Volt Spannung und 3 Ampère Stromstärke, die andere für 25 Volt und 6 Ampère, beide zu etwa 50 Kerzenstärken. Das dickere Kohlenröhrchen derselben thut dem Auge wohler als der feine hell leuchtende Kohlenfaden anderer Glühlampen und ist dabei dauerhafter; ein Schwarzwerden der Glaskugel tritt bei der Boston-Lampe niemals ein, was eine Folge der verhältniſsmäſsig geringen Spannungsdifferenz ist. Bernstein weist darauf hin, daſs die Lampen von 16 Kerzenstärken dem Bestreben ihren Ursprung verdanken, je eine Gasflamme durch eine Glühlampe zu ersetzen, daſs aber das elektrische Licht wie das Gaslicht um so kostspieliger werde, je mehr man es in kleine Lichter vertheilt, daſs man daher, wie für das Gaslicht gröſsere Brenner, so beim Glühlichte Lampen von gröſserer Kerzenstärke nehmen müsse, wenn man die Anlage- und Unterhaltungskosten niedrig haben wolle. Er hält Lampen von 50 bis 60 Kerzenstärken den jetzigen Bedürfnissen der elektrischen Beleuchtung für am meisten entsprechend. Wie nun bei seiner Lampe die Betriebskosten der Motoren sich erniedrigen, daſs man für einen bestimmten Lichteffect einen geringeren Aufwand an Kraft nöthig hat, so sinkt der Ersatz der Lampen auf ⅓ bis ¼ der bisherigen Kosten herab, da an Stelle von 3 bis 4 Lampen jetzt 1 Lampe getreten ist, deren Dauer nach den bisherigen Erfahrungen jedenfalls eher als höher betrachtet werden kann als die Lebensdauer der jetzt gebräuchlichen Lampen. Was die Stärke der Leitungen anbelangt, so wird dieselbe für kleine Anlagen zur Erzielung desselben Lichteffectes wesentlich dieselbe, da es gleichgültig ist, ob der für 3 Ampère bestimmte Draht durch eine 60-Kerzenlampe führt, oder sich bei Anwendung kleinerer Lampen in 3 oder 4 Zweigströme theilt. Handelt es sich jedoch um die jetzt in Aussicht genommenen Centralanlagen in groſsen Städten, so sind die Kosten der Leitungen allerdings ein wesentlicher Faktor, so daſs man auch gegenwärtig nur kleine Bezirke von einer Stelle aus mit Strom versehen kann. In diesem Falle wäre es vortheilhaft, wenn die Spannungsdifferenz in den beiden Hauptleitungen nicht 100 Volt wie bisher, sondern etwa 200 Volt, gleich der höchsten in Häusern zulässigen Spannungsdifferenz betrüge. Diese Spannungsdifferenz von 200 Volt entspricht der Hintereinanderschaltung von 4 Lampen zu je 50 Volt und 60 Kerzen. Nach Allem erwartet Bernstein, daſs sich mit seinen Lampen die Gesammtkosten auf die Hälfte der Kosten bei anderen Glühlampen stellen werden. Für Straſsenbeleuchtung und die Beleuchtung von groſsen Flächen, z.B. von Rangirbahnhöfen, aber empfiehlt Bernstein die Lampen von 25 Volt Spannung und 6 Ampère Stromstärke. Die Rücksichten auf die Kosten der Leitungen drängen bei der Straſsenbeleuchtung dazu, möglichst viel Lampen hinter einander zu schalten und die einzelnen Stromkreise durch Parallelschaltung zu verbinden. Fig. 2., Bd. 252, S. 241 Fig. 3., Bd. 252, S. 241 C. H. Lorenz Müller in Hamburg (* D. R. P. Nr. 25458 vom 18. Februar 1883) erzielt in seiner Lampe (Fig. 2) eine Vergröſserung der Licht gebenden Oberfläche dadurch, daſs er einen dreifach spiralförmig gewundenen Kohlenfaden anwendet, welcher beim Erglühen vom Auge nicht als solcher wahrgenommen wird, sich vielmehr als eine nach allen Richtungen hin hell leuchtende Flamme darstellt. Die Fassung dieser Lampe ist aus Hartgummi hergestellt und enthält eine Art Bajonnetverschluſs, welcher als Contactvermittler dient. Der Contact selbst wird hier durch zwei seitlich an der Lampe vorspringende Kupferlappen gebildet, welche durch eine Spiralfeder, die an ihrem Ende einen Hartgummiknopf umfaſst, auf die Contacttheile der Zuleitung gedrückt werden. Die in Fig. 3 veranschaulichte Lampe von A. Gerard in Lüttich enthält; zur Vergröſserung der leuchtenden Oberfläche 4 geradlinige Kohlenstäbchen von dreieckigem Querschnitte; letztere werden aus einer Kohlenmasse erzeugt, welche derjenigen ähnlich ist, die zur Herstellung der groſsen Kohlenstifte für Bogenlampen verwendet wird. Die Art der Herstellung dieser Masse selbst sowie der Prozeſs, wodurch die Stäbchen die erforderliche Elasticität und Widerstandsfähigkeit erhalten, sind derzeit noch Fabriksgeheimniſs. Die Stäbchen sind an ihren Enden derart mit einander verbunden, daſs sie zwei sich kreuzende langschenkelige Dreiecke bilden, welche in der Gesammtheit ihrer Lichtwirkung eine einzige sehr ausgebildete Flamme liefern. Das zwischen die beiden senkrecht stehenden Mittelseiten der beiden Dreiecke eingefügte horizontale Kohlenstäbchen dient als federndes Mittelglied dazu, dem ganzen Systeme die nothwendige Elasticität zu geben, weil die sonst in demselben unvermeidliche Starrheit leicht zum Abbrechen der einzelnen Theile führen würde. Der in dem lang gestreckten Lampenhalse eingeschmolzene cylindrische Isolator ist aus schwarzem Glasschmelz hergestellt und dient zur Einführung der Platindrähte in die Lampe. Die Verbindung derselben mit den beiden, die äuſseren Schenkel der besagten zwei Dreiecke bildenden Kohlenstäbchen wird durch zwei kleine, in der Figur deutlich sichtbare Kohlencylinder hergestellt. Die in Rede stehenden Lampen werden in 8 Gröſsen angefertigt und zwar Nr. 00 bis 6 für bezieh. 10, 15, 25, 40, 80, 150, 300 und 600 Normalkerzen. Bezüglich der Beanspruchung von motorischer Kraft sei erwähnt, daſs je vier der in der Ausstellung brennenden Glühlampen Nr. 3 (zu 80 Kerzenstärken) dieses Systemes 1e, die Lampen Nr. 5 (zu 300 Kerzen stärken) je 0e,75 erfordert haben. Hierbei wurde eine sehr bedeutende Wärme-Entwicklung nachgewiesen, so zwar, daſs die Glasglocken nach kurzer Zeit glühend heiſs wurden. Fig. 4., Bd. 252, S. 242 Bei der in Fig. 4 ersichtlichen Lampe der Gebrüder Siemens und Comp. in London besteht der U-förmige Kohlenbügel aus einem eigenartig zubereiteten Papierstoffe. In dieser Beziehung bietet also diese Lampe nichts Neues; wohl aber unterscheidet sich dieselbe ganz wesentlich von sämmtlichen anderen Systemen durch die Art der Zuführung des Stromes; letztere erfolgt nämlich nicht mittels eines massiven Platindrahtes, sondern durch eine Anzahl sehr feiner Platindrähte, welche durch die Glastheile der Fassung getrennt von einander laufen und dann hinter ihrer jeweiligen Eintrittsstelle zusammengedreht werden. Durch diese Anordnung ist in der einfachsten Weise dem sonst häufig auftretenden Uebelstande vorgebeugt, daſs die Glaskörper, durch welche die Platindrähte gezogen werden, in Folge der Erhitzung dieser letzteren leicht springen. Aus eben diesem Grunde ist auch die Höhlung des gläsernen Bügelträgers nicht voll ausgegossen, sondern mit Glaspulver angefüllt. Bei den mit den Lampen von Müller bezieh. von Siemens vorgenommenen Versuchen fand Uppenborn nach dem Gastechniker, 1883 S. 79 nachstehende Zahlenwerthe, denen noch die ebenda S. 77 gegebenen Werthe für Edison- und Maxim-Lampen angereiht werden mögen. System Lampe Nr. Spannung Vin Volt Strom-stärke A inAmpère Lichtstärke Nin Normal-kerzen \frac{V\,A}{N} Müller   1  2  3  4  5  6  7  8  910   70  72  74  76  78  80  81  83  85    86,5 0,750,760,810,820,860,900,910,930,940,97   3,8    4,25    5,25  6,6    7,85  9,811,714,617,621,3 13,813,011,4  9,3    8,55    7,35    5,48    5,28    4,65    3,95 Siemens   1  2 105105   0,413  0,750     8,68  17,40     5,00    4,47 System Lampe Nr. Spannung Vin Volt Strom-stärke A inAmpère Lichtstärke Nin Normal-kerzen \frac{V\,A}{N} Edison A 1    2    3    4    5    6    7    8    9 909090909090909090 0,4850,4850,5300,5200,5250,5100,5250,5800,580   9,4  9,4  9,2  9,3  9,4  7,1  8,012,410,3   4,65  4,65  5,18  5,07  5,02  6,50  5,23  4,20  5,05 Maxim     1    2    3    4     52,83    55,28    56,91    59,53 1,4911,5621,6081,654 5,14,94,0  3,95 Fig. 5., Bd. 252, S. 243 In ihrer für Oesterreich vom 1. August 1883 ab patentirten Glühlampe verwenden Frank Wright und Matthew Will. W. Mackie in London eine Kohlenfaser, welche eine doppelte Schraubenlinie bildet. Dieselbe wird so hergestellt, daſs eine vegetabilische Faser A (Fig. 5) um eine cylindrische Metallform B gewunden und, während sie sich noch auf der Form befindet, in Dampf erhitzt wird, wodurch sie diese Form bleibend annimmt. Dann wird die Faser von der Form abgenommen und in gewöhnlicher Weise carbonisirt, nachdem vorher ihre geraden Enden gegen das Verkrümmen geschützt wurden. Diese beiden Enden der verkohlten Faser werden in die zuvor bereits in eine Glaskugel eingeschmolzenen, schraubenförmig gewundenen Enden zweier Platindrähte eingesteckt und durch Auftragen von Platinchlorid und Erhitzen in Kohlengas eine gute Verbindung hergestellt.