Titel: Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und Sprengtechnik.
Fundstelle: Band 253, Jahrgang 1884, S. 70
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Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und Sprengtechnik. (Patentklasse 78. Fortsetzung des Berichtes Bd. 252 S. 152.) Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und Sprengtechnik. In neuerer Zeit wird, insbesondere in den Tagesblättern, viel Lärm mit einem von Eug. Turpin in Carrière St. Denis (D. R. P. Nr. 26936 vom 4. August 1882) erfundenen Sprengstoffe gemacht, welcher unter dem Namen Panclastite allenthalben versucht wird, und hierbei nicht mit dem schon früher erwähnten Panclastite (vgl. 1884 252 153) zu verwechseln ist. Turpin's Verfahren beruht auf der Verwendung von Untersalpetersäure, die mit flüssigen Kohlenwasserstoffen (Erdöl, Theer und deren Derivate, Petroleumäther, Toluol, Xylol, Benzol, Naphtol), Stickstoffverbindungen der Theerderivate (Nitrobenzol, Nitroxylol, salpetersaures Anilin, Nitranilin) und verschiedenen Fetten (Schmalz, Butter, Leinöl) gemischt explosive Substanzen ergibt. Die fetten Körper müssen vorher mit Untersalpetersäure nitrirt und die Verbindung im Wasserbade erwärmt werden, um die gebildete salpetrige Säure auszutreiben. Diesem nitrirten Fettkörper oder den nicht nitrirten anderen Stoffen wird Untersalpetersäure in 1 bis 2facher Menge beigemischt, um sodann den Explosivstoff zu erhalten; letzteren läſst man wie Nitroglycerin von einem porösen Körper aufsaugen und schlieſst ihn luftdicht in Patronen aus Metall oder Glas ein. Wie die meisten indirekt explodirbaren Stoffe verbrennt auch Panclastite, wenn angezündet, ruhig und detonirt bei Anwendung eines Initialimpulses. Ferner soll durch Beigabe von Schwefelkohlenstoff die Mischung leichter explosiv und durch Vermehrung der Untersalpetersäure sprengkräftiger werden. Als Beispiele führt die Patentschrift an: 1 Th. Erdöl von 0,72 Dichtigkeit, mit 1½ Th. Untersalpetersäure gemischt; ferner 8 Vol. Erdöl mit 2 Vol. Schwefelkohlenstoff und 10 Vol. Untersalpetersäure; 1 Vol. Erdöl oder eines Gemisches von Erdöl und Schwefelkohlenstoff und 2 Vol. Untersalpetersäure. Auch die Herstellung der Untersalpetersäure ist, wenngleich nur flüchtig und fast übereinstimmend mit den Angaben in Muspratt's Chemie, beschrieben. Versuche, welche mit Panclastite angestellt wurden, sind in der Zeitschrift La Nature kürzlich beschrieben worden. Nach denselben soll flüssiges Panclastite unter einem Eisengewichte von 6k bei einer Fallhöhe von 4m nicht explodiren und 10g Panclastite sollen, auf einen Bleicylinder frei aufgelegt (nach den beigefügten Abbildungen zu urtheilen), mindestens doppelt so starke Wirkung ausüben, als 20g Gelatine-Dynamit. Es ist nothwendig, daſs an dieser Stelle gegenüber der mächtigen, dem Panclastite bereiteten Reclame ein nüchternes Urtheil erscheine; wollte man sich von den fortwährend mit groſsen Ansprüchen auftretenden Sprengmitteln so leicht erregen lassen, so wäre die Sprengstoff-Industrie selbst in ihrer Entwickelung vollständig aufgehalten. Panclastite erscheint gegenüber ruhiger Prüfung nur als eine Variation des Sprengel'schen Patentes (vgl. 1874 212 323), das schon vor 10 Jahren in England genommen und von H. Sprengel selbst als in der Anwendung aussichtslos bezeichnet wurde. An und für sich ist es zwar interessant, die Salpetersäure durch Untersalpetersäure zu ersetzen; allein wer das nächstbeste chemische Werk über Untersalpetersäure zu Rathe zieht, wird finden müssen, daſs sie zur Erzeugung von Explosivstoffen absolut ungeeignet ist. Die Praxis verlangt, daſs dieselben mit ihren explosiven Eigenschaften genügende Stabilität und Sicherheit in der Handhabung bieten. Beide kann das Panclastite niemals erfüllen; denn Untersalpetersäure siedet bei + 22°, zerfällt bei Zutritt von Wasser in Salpetersäure und salpetrige Säure, kein Patronenmaterial (mit Ausnahme von Glas) kann demselben auf die Dauer widerstehen und die Handhabung eines Sprengstoffes, dessen Hälfte mindestens Untersalpetersäure ist, gehört zu den praktischen Unmöglichkeiten. Verschiedene kleinere Bedenken, wie die Nothwendigkeit, für jedes Bohrloch die Ladung besonders herzurichten, die bei normalen Temperaturen unvermeidlichen Dämpfe, die Unmöglichkeit mit Zündhütchen zu arbeiten, die schlechten Gase, welche bei der Explosion entstehen müssen u.s.w., seien nur gestreift. Wie stellt man sich denn dies aber in der Praxis vor – wie es Turpin und s. Z. auch Sprengel wünschten –, daſs der Sprengstoff an Ort und Stelle in der Grube erzeugt und sofort verwendet werde? Freilich nimmt es sich sehr schön aus, wenn man sagt, zwei ganz ungefährliche Stoffe werden besonders verfrachtet, im gegebenen Augenblicke zusammengeschüttet und ein unübertreffliches Sprengmittel ist fertig. Turpin, indem er die Herstellung am Verbrauchsorte wünscht, ist sich dessen offenbar bewuſst, daſs das fertige Panclastite ein so unstabiles und gefährliches Product ist, daſs keine Behörde hierfür eine Transport- oder Aufbewahrungs-Bewilligung geben würde. Nun soll der Arbeiter in der Grube, der ohnedies die Neigung hat, mit Sprengmitteln leichtsinnig umzugehen, mit seinen schwieligen Händen bei einer Lampe so leicht flüchtige Stoffe, wie Erdöl und Untersalpetersäure, abmessen, mischen, in Patronen füllen, dicht vermachen, zur Zündung zurichten u.s.w. Dies muſs schon an dem Kostenpunkte und der Unlust der Arbeiter scheitern, heiſst aber auch, wie Trauzl im Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten vereine bei einem ähnlichen Falle bemerkte, die sonst seltenen Unglücksfälle an den Gebrauchsorten verhundertfachen.Turpin ist, wie der Bericht der englischen Explosivstoff-Inspectoren meldet, im vorigen Jahre wegen verbotener Erzeugung von Panclastite angehalten worden, und heuer wieder geschah es ihm, daſs er von seinen Sprengmitteln Einiges im Reisekoffer mitnahm und als Attentäter verhaftet wurde. Ob diese Unannehmlichkeiten im Verhältnisse zum Sprengmittel stehen, wagt Referent nicht zu entscheiden. Aber zieht man die obigen Ausführungen in Betracht und ist die Ansicht richtig, daſs die oben erwähnten Versuche offenbare Unkenntniſs anderer Sprengmittel verrathen und ihre Richtigkeit demnach stark in Zweifel zu ziehen ist, so wird man die praktische Werthlosigkeit des Panclastite ohne weiteres zugeben. Die Vereinigten rheinisch-westfälischen Pulverfabriken haben in ihrer Fabrik zu Hamm a. d. Sieg seit dem Ende des vorigen Jahres die elektrische Beleuchtung eingerichtet. Die Betriebsdampfmaschine hat 25e und einen sehr empfindlichen Regulator von Chaieux und Comp. in Aachen (vgl. 1883 247 * 315). Eine Dynamomaschine, System Gülcher, von 130 Ampère und 65 Volt liefert den elektrischen Strom, dessen geringe Spannung diesem Systeme eigenthümlich ist. Zur Platzbeleuchtung dienen zwei Bogenlampen, welche von den gefährlichen Gebäuden in gröſserer Entfernung aufgestellt sind. Die Beleuchtung der Fabriksgebäude geschieht durch 114 Glühlampen von Gebrüder Siemens und Comp. in Charlottenburg; bei den gefährlichen Gebäuden haben dieselben 16 bis 18, in den Maschinenräumen von 8 und 32 Kerzen Stärke. Die Glühlampen sind paarweise in tragbaren Laternen mit Chinasilber-Hohlspiegel von doppeltem Brennpunkte aufgehängt. Der Boden der Laterne enthält drei Contacte, mit denen man den Strom öffnen oder schlieſsen kann, entweder nur für ein Licht oder für beide zugleich. Vor den Fenstern der gefährlichen Gebäude sind eiserne Behälter befestigt, in welchen isolirte Leitungsschrauben zum genauen Aufsetzen der Laterne befestigt sind. Die Leitungsschrauben sind mit zwei Zungen für jede Lampe versehen, jedoch so, daſs der Strom nur geöffnet werden kann, wenn die Laterne genau eingepaſst ist. Die Leitungsdrähte bestehen aus dreifach isolirten und vulkanisirten Kautschukdrähten, welche auf hölzernen Isolatoren von einander entgegengesetzten Seiten zur Laterne geführt sind, damit unter keinerlei Umständen eine Berührung der Drähte stattfinden könne. Die gesammte Einrichtung, welche die Arbeiter sehr befriedigt, ist von B. Berghausen und Comp. in Ehrenfeld-Köln hergestellt worden. In Cerbère (Frankreich) fand in einem nächst dem Bahnhofe befindlichen Steinbruche eine Explosion einer bereits abgethanen Mine statt. – Diese bestand nach dem Portefeuille économique des Machines, 1884 S. 87 aus einem lothrechten Schachte, in hartem Schiefer bis auf 8m Tiefe getrieben, wo der Schiefer sich schon blätterig zeigte. Daselbst wurden nun zwei Seitenstrecken hergestellt, so daſs das Ganze die Form eines ⊥ hatte, und in die Seitenstrecken 660k Dynamit vertheilt. Die Zündung erfolgte durch einen sogen. Frictionszünder und hatte nur geringe Wirkung; man schrieb sie auf Rechnung des blätterigen Gefüges des Minenherdes. Dies war im Januar d. J. Am 18. April wurden in der Umgebung dieser Mine wieder Sprengungen vorgenommen und da fand denn in dieser alten Mine, glücklicherweise ohne Menschen zu beschädigen, eine heftige Explosion statt, welche die noch von der ersten Sprengung stehen gebliebene dünne Gesteinswand auf die Waarenschuppen des 80m entfernten Bahnhofes warf und damit eine Anzahl von Eisenbahnwagen zerstörte. Zweifellos war bei der ersten Sprengung ein Theil der Ladung nicht zur Explosion gelangt, wahrscheinlich deshalb, weil bei den räumlich entfernten 2 Ladungen die eine Zündung versagte. Als nun in der Nachbarschaft des Minenherdes Sprengungen vorgenommen wurden, waren die dadurch erzeugten Schwingungen genügend stark, um die Explosion auf das durch ein Steinmittel getrennte Dynamit zu übertragen. Groſse Minen sollen stets elektrisch gezündet und womöglich noch eine zweite Zündung vorgesehen werden, da bei solchen die Mehrkosten verschwinden. Auſserdem ist es eine nicht genügend gewürdigte Nothwendigkeit, daſs nach jeder Sprengung der Minenherd sorgfältig untersucht werde; denn wenn auch nur ein minder starkes Zündhütchen genommen wurde, so ist das Stehenbleiben eines Theiles der Ladung sehr leicht möglich. H. D. Windsor in New-York hat im Vereine mit mehreren Fachgenossen eine „Dynamit-Kanone“ entworfen und eine Commission der Vereinigten Staaten unter Lieutenant E. L. Zalinski macht damit Versuche. Die Idee zu einer solchen ist nicht neu. Hauptmann Trauzl hat vor 15 Jahren schon ein auf denselben Prinzipien beruhendes Geschütz angegeben (damals erschien die Sache freilich noch abenteuerlich) und Engels in Kalk hat sich vor einigen Jahren ein Sprenggeschütz patentiren lassen, welches durch mechanische Mittel Dynamit auf Gestein wirft und dasselbe sprengt. Windsor's Dynamitkanone ist im Scientific American, 1884 Bd. 50 S. 214 abgebildet. Dieselbe besteht aus einer 12m,2 langen, 5cm im Lichten weiten und 6mm,5 starken Stahlröhre, die auf einem leichten stählernen Träger ruht; dieser ist auf einem guſseisernen Ständer drehbar so aufgehängt, daſs durch Verlängerung von Gelenkstangen oder Drehen eines am Gestelle befestigten kleinen Zahnrades die Kanone in lothrechter oder wagerechter Richtung bewegt werden kann. Es wird gepreſste Luft durch das Gestelle in das eine hohle Zapfenlager, von hier durch ein an der Seite befindliches Rohr in ein Ventil am hinteren Ende der Kanone so eingelassen, daſs, nachdem das Geschoſs eingeführt ist, durch Umlegen eines Hebels das Ventil geöffnet wird, welches durch einen selbstthätigen Regulator die Luft zuerst langsam eintreten läſst, bis die Ruhe des Geschosses überwunden ist, sodann vollen Druck gibt und schlieſslich, wenn es die Kanone verlassen hat, sofort absperrt. Das Geschoſs besteht aus zwei Theilen. Der rückwärtige Theil ist aus Holz und erweitert sich allmählich auf die Gröſse der Rohrseele. Dieser „Stöpsel“ trägt eine dünne Metallhülse mit der Dynamitladung; auf dieser befindet sich eine weiche Masse, in welche ein Zündspiegel eingebettet ist. Eine conische Kappe mit einem darin befestigten Stifte stöſst beim Aufschlagen des Geschosses in den Zündspiegel und bringt so die Ladung zur Explosion. Bei den bisherigen Versuchen soll unter einem Drucke von 31 k/qc aus der 2zölligen Kanone das Geschoſs 2000m weit geworfen worden sein. Das Geschoſs selbst soll in Folge seiner eigenthümlichen Form durch Seitenwind nicht aus seiner Flugbahn gebracht werden. Die Dynamitkanone kann wohl hauptsächlich nur zur Küstenvertheidigung bestimmt sein, da dort oder in Festungen, Forts u. dgl. Preſsluft leicht beschafft werden kann; doch wäre auch ihre Verwendung auf Kriegsschiffen im Belagerungskriege nicht ausgeschlossen. Vorläufig müssen noch weitere Versuche, insbesondere in der Richtung abgewartet werden, ob der Geschoſsmechanismus unter allen Umständen, auch bei schrägem Auftreffen, sicher arbeitet. Der 8. Bericht der englischen Explosivstoff-Inspectoren für das J. 1883 gibt abermals ein sehr anschauliches Bild der betreffenden englischen Industrie (vgl. 1883 250 184). Zu Ende des J. 1883 bestanden (auſser den Spielzeug-Feuerwerk-Laboratorien) 104 Fabriken für Explosivstoffe; 5 waren neu hinzugekommen, 1 hat zu bestehen aufgehört, der Zuwachs beträgt sonach 4. Der Stand der Spielzeug-Feuerwerkfabriken ist 13 geblieben. An Zusatzlicenzen wurden in diesem Jahre 35 ertheilt, Magazine bestanden 329 (um 9 mehr als im J. 1882, nachdem 17 concessionirt, 8 aufgelassen wurden); hierzu kommt noch ein Magazin, welches von den Explosivstoff-Inspectoren im Vereine mit der Londoner Polizei für die Aufbewahrung mit Beschlag belegter Explosivstoffe errichtet wurde. Die Anzahl der Lager (kleine Magazine bis zu 1815k Pulver oder zur Hälfte Dynamit u. dgl.) am 1. April 1883 war 2108 (Zuwachs 63), die der eingeschriebenen Verkaufsläden dagegen 19386 (Zuwachs 3717 gegen das J. 1880). 99 Eisenbahn- und 106 Kanalgesellschaften verfrachten Explosivstoffe, 14 bezieh. 11 nicht. 133 Häfen und Docks gestatten unter gewissen Vorschriften den Verkehr in Explosivstoffen, 23 haben denselben auf 13k,6 eingeschränkt, 69 ganz verboten und 47 haben angezeigt, daſs bei ihnen keine Aussicht auf solchen Verkehr sei. Eingeführt wurden: 582967k Pulver (+ 119540), 871207k Dynamit (+ 413956), 4627k Knallquecksilber (– 998), 6770k Sprengkapseln (– 480850). Von Pulver wurden 7293358k ausgeführt. Die 3 Inspectoren haben 1391 verschiedene Besuche gemacht, der ihnen zur Seite stehende Chemiker A. Dupré 233 Analysen ausgeführt; der Chef-Inspector, Oberst Majendie, hat den gröſsten Theil des Jahres mit der Sammlung von Material für ein neues Mineralöl-Gesetz, sowie mit dem Besuche deutsch-österreichischer Dynamitfabriken verbracht und alle Inspectoren waren durch die vielen wirklichen und vermeinten Attentate sehr stark in Anspruch genommen. In 9 Fällen muſsten die Inspektoren, in 49 Fällen die Ortsbehörden strafweise vorgehen. Insgesammt haben 172 Unglücksfälle stattgefunden, welche mit 39 Tödtungen und 109 Verletzungen verbunden waren; hierin sind aber 48 Explosionen einzelner Sprengkapseln und fast ausschlieſslich harmloser Natur enthalten, wie sie bei deren Erzeugung nahezu täglich vorkommen; dagegen sind Explosionen von Pulver nicht eingerechnet, welche in Bergwerken vorfielen und ohne Beschädigung verliefen. Von den Unglücksfällen ereigneten sich mit: bei Erzeugung Aufbewahrg. Gebrauch u. dgl. Versand Summe Schieſspulver 26 1 26 1 54 Dynamit   2 22 24 Schieſswolle   6   9 15 bei Erzeugung Aufbewahrg. Gebrauch u. dgl. Versand Summe Knallquecksilber   1   1 Munition 66Davon 48 Sprengkapseln. 4 70 Feuerwerkskörper   5 1   6 Verschiedene Stoffe 2   2 Neu concessionirt wurden: E. C. Dynamit, identisch mit dem Nobel'schen Kieselguhr-Dynamit, und metallische Sprengzünder, bestehend aus mit Pulver gefüllten Bleiröhrchen. Der Bericht erwähnt, daſs die Hindernisse, welche der Erzeugung von Sprenggelatine bisher im Wege standen (Wärmeprobe) demnächst überwunden sein werden, daſs Espir's Pulver (vgl. 1883 249 455) allmählich auſser Gebrauch kommt, E. C. Jagd-Pulver und Schultzen's Pulver (vgl. 1883 249 455) immer beliebter werden. Von wichtigeren Unglücksfällen (vgl. 1884 252 157) sind folgende zu erwähnen: Von den 26 Unglücksfällen in Schießpulverfabriken waren 19 Explosionen in Kollermühlen, wobei nur ein Mann Brandwunden erhielt. Der bisher einzige Unglücksfall mit Sprengmitteln beim Versand entstand dadurch, daſs ein Junge in Papier gepacktes Pulver auf der Gasse verstreute und ein Taubstummer ein brennendes Zündhölzchen hinein warf. Von den im Vereine mit F. Abel und A. Dupré angestellten Versuchen ist folgendes bemerkenswerth: 136 Muster von heimischem und fremdem Dynamit wurden geprüft und kein Einziges beanstandet. Es wurden Versuche darüber angestellt, ob auch die für Maschinen- und schnellfeuernde Geschütze verwendeten Metallpatronen durch die Detonation einer Patrone nicht alle mit entladen werden, wie dies für die Kleingewehr-Hinterladerpatronen bereits festgestellt ist. Die Versuche haben ergeben, daſs die Patronen für die einzölligen Nordenfeldt'schen Mitrailleusen gegen Massendetonation sicher sind, die der 6pfündigen Schnellfeuerkanonen von Nordenfeldt, Hotchkiss und Armstrong aber die Entladung auf einander übertragen. Die Sache wird erklärlich, wenn man erfährt, daſs die Ladung der einzölligen Nordenfeldt'schen Patronen nur 40g,5, die der schnellfeuernden Kanonen aber 1,247 bezieh. 0,886 und 0k,964 beträgt. Andere Versuche sollten feststellen, welche Zündmassen auſser Knallquecksilber geeignet sind, Dynamit bezieh. das zu den Attentaten verwendete Cellulose haltige Dynamit (vgl. 1884 252 157) zur Detonation zu bringen. Es wurden folgende je 6g,5 schwere Knallsätze verwendet: a) 1 Th. chlorsaures Kali, 1 Th. Schwefelantimon, b) 1 Th. chlorsaures Kali, 1 Th. Zucker, c) 1 Th. chlorsaures Kali, 1 Th. Zucker, 0,4 Th. Realgar, d) 4 Th. chlorsaures Kali, 1 Th. Zucker, 1 Th. Realgar, e) 2 Th. chlorsaures Kali, 1 Th. Bleieisencyanür (trocken gemischt), f) ein gewöhnliches 3faches Zündhütchen mit 4g,9 Ladung. Die Knallsätze a und c hatten in manchen Fällen, die von d und e stets vollständige Detonation zur Folge. Der Satz b erwies sich als werthlos; nur in einem Falle konnte er das Dynamit entzünden. Dieselben Sätze beim Attentatdynamit benutzt, ergaben das etwas überraschende Resultat, daſs der Satz a keine, dagegen alle übrigen (auch b) vollkommene Entladung erzielten. Versucht wurde ferner, aus Anlaſs eines Falles in einer Feuerwerkfabrik, ob eine Zeit lang aufbewahrte Holzkohle zu freiwilliger Entzündung neigt, wenn man sie, feucht geworden, wieder trocknet. Trotz wiederholter sorgfältigster Versuche konnte eine Temperaturerhöhung nicht gefunden werden. Es wurde weiters untersucht, ob Schießpulver, in trockener oder feuchter Luft mit Eisen bei Temperaturen bis zu 100° in Berührung gebracht, sich entzünden könne. Alle Versuche lassen eine solche Möglichkeit entschieden verneinen. Diese Thatsache ist für gewisse Sprengstoff-Fabriken von Wichtigkeit, bei welchen es hauptsächlich um rasches, vollständiges Trocknen sich handelt, eine möglichst hohe Temperatur dabei also von bedeutendem ökonomischen Vortheile ist. Oscar Gattmann. Elektrische Sprengungen und Beleuchtung beim Steinbruchsbetriebe, Für die Wasserversorgung Liverpools ist nach dem Engineer, 1884 Bd. 57 S. 417 ein etwa 113km entferntes Thal in den Welsh Hills durch eine mächtige Steinmauer abgeschlossen und so durch Aufstauung des Flusses Vyrnwy in einen groſsen See verwandelt worden. Die Steine zu dieser Mauer wurden in einem etwa 1km,6 entfernten Steinbruche gebrochen und auf einer zweigeleisigen schmalspurigen Eisenbahn mit gleichmäſsiger Steigung von 1 : 30 und einigen sehr scharfen Curven herbeigeschafft. Die Steine gehören der unteren silurischen Gruppe an und besitzen etwa 30° Fall nach West in Schichten von 2 bis 3m, welche nach und nach abgebaut werden. Etwa 600 Mann arbeiten im Bruche; Tag und Nacht wird der Betrieb nicht unterbrochen, so daſs über 300t Bruchsteine täglich geliefert werden. Trotz des anfänglichen heftigen Widerstrebens der Arbeiter wurde eine elektrische Sprengung eingerichtet. Unter der Leitung des Ingenieurs wurde ein Mann und ein Bursche auf die Anfertigung der Zünder und auf das Abfeuern der Schüsse eingeübt. Die Elektricität liefert ein Siemens'scher Dynamo-Minenzünder für hohe Spannung mit einem beigegebenen Condensator aus Glimmer und Zinnfolie. Die im Condensator aufgespeicherte Elektricität wird nach der dritten Umdrehung der Kurbel des Minenzünders entladen und feuert die sämmtlichen Schieſslöcher zugleich ab. 50 Löcher könnten zugleich abgeschossen werden; doch läſst die Schwierigkeit der Isolirung so vieler Löcher es gerathen erscheinen, nicht mehr als 30 zugleich abzufeuern. Die Löcher sind 2m,7 tief, 31mm weit, 0m,9 von einander entfernt und 2m,7 vom Rande des Felsens der Schicht abstehend. 30 solcher Locher bringen 585t Gestein in Blöcken von 3 bis 5 und 10t nieder, von denen die von 3 bis 7t die nutzbarsten sind, während die schwereren von den beim Baue benutzten Krahnen nicht gehoben werden können. Um den durch Absprengen zu groſser Blöcke, die sich nicht gut und vortheilhaft in kleinere brechen lassen, entstehenden Verlust zu verhüten, müssen die Schieſslöcher sehr mit Ueberlegung angesetzt werden; nach vielen Versuchen haben sich die eben angegebenen Gröſsen der Löcher als zweckmäſsig herausgestellt. Die benutzten Zünder sind die Abel'schen für hohe Spannung; sie bestehen aus zwei mit Guttapercha überzogenen Eisendrähten von 0m,9 Länge, welche zusammengedreht sind. Das eine Ende derselben ist in eine kleine Holzkapsel eingeschlossen und in dieser stehen sich die beiden zugespitzten Enden mit einem Zwischenräume von 0mm,8 gegenüber, welcher mit dem Zündsatze ausgefüllt ist. Der überspringende Funke entzündet den Zündsatz und dieser dann die Patrone. Gewöhnlich sind diese Zünder nur mit einigen Centimeter isolirten Drahtes versehen; eine gröſsere Länge des Drahtes wird angeknüpft und die Bindestellen in dem Loche untergebracht und verborgen. Dies war aber die Ursache vieler Versager und wurden deshalb die Zünder mit 0m,9 langen Drähten versehen, welche vom Pulver bis zur Mitte der Entfernung vom nächsten Zünder reichen; über die entblöſsten Bindestellen wurde ein Stück Kautschukrohr behufs der Isolirung geschoben und festgebunden. Die Sprengung so vieler Löcher auf einmal bietet besonders bei Nacht ein prächtiges Schauspiel. Da im vorhergehenden Winter der Bau der Steinmauer bei elektrischem Lichte fortgesetzt worden war, so entschloſs man sich im Sommer 1883, den folgenden Winter auch den Steinbruch elektrisch zu beleuchten und zwar unter Belassung der Maschinen bei der Mauer und Führung des Stromes auf einer oberirdischen Leitung nach dem Steinbruche. Die Dynamomaschinen bestanden aus vier 3000-Kerzen-Maschinen von Siemens mit besonderer Erregungsmaschine; letztere wurde aber nicht benutzt, vielmehr die Dynamomaschinen hinter einander geschaltet und selbsterregend gemacht; dieselben laufen mit 750 Umdrehungen in der Minute. Die Leitungsdrähte wurden auf die Spitzen von 9m hohen und in 73m Entfernung von einander stehenden Stangen gelegt und zwar auf weiſse Isolatorglocken an den Enden eines Querstückes nahe an der Stangenspitze. Der Leiter ist eine Litze aus 5 Kupferdrähten Nr. 16 (1mm,6 dick) und hat auf seiner ganzen Länge etwa 5 Ohm Widerstand. Die Steinbruchfläche wurde in drei möglichst gleiche Abtheilungen getheilt und in jeder ein 24m hoher Mast aufgestellt, woran je eine Siemens'sche Differentiallampe in passender Höhe aufgehängt wurde. Jede Lampe hat zwei Paar Kohlenstäbe, welche abwechselnd etwa 14 Stunden brennen und dann erneuert werden. Falls eine Lampe während der Nacht versagt, wird an ihrer Stelle ein derselben gleicher Widerstand von 5 Ohm eingeschaltet, damit die Drähte in den Maschinen sich nicht zu stark erhitzen. Diese Beleuchtungsanlage eines Steinbruches in Wales hat die Beleuchtung der vielen im Tagebau und unterirdisch betriebenen dortigen Schiefer-Steinbrüche in Anregung gebracht sowie der dazu gehörigen Bearbeitungsräume, welche von 300 bis 600qm Fläche unter einem Dache einnehmen und die Triebkraft ohnedies schon besitzen.