Titel: Ueber die Destillirung des Silberamalgams im Vacuum; von F. Gutzkow in San Francisco.
Autor: F. Gutzkow
Fundstelle: Band 254, Jahrgang 1884, S. 80
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Ueber die Destillirung des Silberamalgams im Vacuum; von F. Gutzkow in San Francisco. Mit Abbildung. Gutzkow's Destilliren des Silberamalgams im Vacuum. Das sogen. Retortiren des Silberamalgams, um das Quecksilber von dem zurückbleibenden Silber zu trennen, geschieht in Amerika bekanntlich in cylindrischen, etwa 1m,5 langen und 0m,4 weiten Retorten aus Guſseisen. Die Arbeitsöffnung wird mittels einer eisernen Platte unter Anwendung eines Kittes aus Holzasche verkeilt. Gewöhnlich liegt diese Thür auſserhalb des Ofens wie bei einer Gasretorte, seltener ganz im Ofen, und ist dann durch eine Thür im Ofengemäuer zugänglich. In ersterem Falle schützt sich der Arbeiter, meist erst nach übler Erfahrung, vor Speichelfluſs durch sorgfältige Verkittung, mit besserem Erfolge durch möglichste Vermeidung des Arbeitsraumes; im zweiten Falle entweichen die Quecksilberdämpfe in den Schornstein; wie viel Quecksilber hierbei verloren geht, ist selten festzustellen, da der eingeborene Hüttenmann Arbeiten, wie das Buchführen über das Gewicht von Amalgam, retortirtem Silber und wiedergewonnenem Quecksilber als europäische (speciell „Freiberger“) Umständlichkeit gründlich verachtet. Die Destillation von etwa 400 bis 500k Quecksilber für jede Retorte dauert ungefähr 12 Stunden. Wenn die Retorte nach dem Erkalten geöffnet wird, zeigt sich selten, daſs es an Hitze gefehlt hat. Das Silber findet sich halb und, wo es die Retortenwände berührt, auch wohl ganz geschmolzen. Trotzdem lassen sich in den kälter gebliebenen Theilen immer Quecksilberkügelchen entdecken, die nun auch dem Arbeiter, welcher das Silber einschmilzt, Aussicht auf Speichelfluſs eröffnen. Ich habe von jeher, glücklicherweise mit vielen Anderen, einen Abscheu gehabt vor Einrichtungen, welche den Arbeiter der Einwirkung schädlicher Dämpfe aussetzen und sich mit etwas Nachdenken vermeiden lieſsen. An Gelegenheit, zu bessern, fehlt es hier nicht.Schon vor 20 Jahren beseitigte ich in Californien den Gebrauch, das Gold durch aufgeworfenes Quecksilbersublimat geschmeidig zu machen, durch Anwendung von Salmiak. Ich bemerke dies deswegen, weil in dem letzten Bande von Percy's Metallurgie der Bericht australischer Münzbeamten erwähnt wird, der die Einführung der Miller'schen Goldscheidung mittels Chlor besonders deshalb empfiehlt, weil derselbe die Anwendung des theuren Sublimates beseitige. Es wäre also Zeit, wenn die englischen Münzen von der californischen Verbesserung Kenntniſs nähmen. Weniger also, um der Hütte Holz und Quecksilber zu ersparen, als um die Gefahr der Quecksilbervergiftung zu beseitigen, construirte ich den im Nachfolgenden beschriebenen Apparat, bei welchem die Destillation des Quecksilbers in einer mehr oder minder hohen Luftverdünnung geschieht. Das Entweichen von Dämpfen aus der Retorte wird dadurch unmöglich und die Destillation erfolgt weit schneller und vollständiger. Für die Verdampfung keiner anderen Substanz ist die Anwendung der Luftleere so angezeigt, wie für die des Quecksilbers. Der Vergleich der Destillation mit oder ohne Luftleere mit der Wasserverdampfung in der Vacuumpfanne der Zuckerfabriken und der im Dampfkessel wäre noch gar nicht genügend. Die langsam steigende Spannung des Quecksilberdampfes und sein hohes specifisches Gewicht erschweren sein Entweichen aus der Retorte ungemein und erfordern eine beträchtliche Temperaturerhöhung über den Kochpunkt. Die Skizze zeigt den Apparat in senkrechtem Durchschnitte. Ein guſseiserner Behälter A, etwa 1m hoch, 0m,5 breit und so lang, um sämmtliche Retorten aufzunehmen, also etwa 4m für 4 Retorten, wird der Rückwand des Ofens parallel in einiger Entfernung davon aufgestellt. Die Quecksilberdämpfe werden auf gebräuchliche Weise durch eine doppelwandige, wassergekühlte Röhre nach Liebig's Prinzip niedergeschlagen, so daſs Quecksilber und Gase gemeinschaftlich durch das Rohr E austreten. Nach bisheriger Weise läuft das erstere einfach in den Sammelbehälter A und E steht mit der Atmosphäre in Verbindung. Meine Verbesserung besteht in der Art, wie das Rohr E mit dem Behälter A verbunden wird, und in der Construction des Behälters A. Letzterer erhält eine Form, wie ich sie mit Erfolg in einer hiesigen Goldscheideanstalt für einen neuen Raffinirprozeſs anwendete (vgl. 1882 245 * 338). In dem Guſsstücke wird in geeigneter Weise eine Unterlage für einen schmiedeisernen falschen Boden B und einen auf Gummistreifen ruhenden guſseisernen Deckel C geschaffen und dasselbe durch eine seitliche Oeffnung mit dem Dampfstrahl-Saugapparate D verbunden. Der Dampfstrahl steht, wie ersichtlich, mit der Atmosphäre in Verbindung, so daſs ein Abschlieſsen des Dampfes sofortige Aufhebung der Luftleere in A bewirkt, und mündet schlieſslich auſserhalb des Gebäudes entweder in die Luft, oder einen Wasserbehälter. Eine Dampföffnung von 6mm Durchmesser ist genügend, um bei 4at Dampfdruck eine Luftleere entsprechend einer Quecksilbersäule von 0m,45 mit ausreichender Schnelle zu beschaffen. Durch umständlichere Apparate lieſse sich leicht ein höherer Erfolg erreichen; doch ist die angegebene Spannung genügend und die in der Figur angedeutete Einrichtung empfiehlt sich durch ihre Billigkeit. Selbstverständlich ist die Anwendung eines anderen Metalles als Eisen in irgend einem Theile des Apparates ausgeschlossen. Textabbildung Bd. 254, S. 81 Der Behälter A ist zur Höhe von 0m,30 über dem falschen Boden mit Wasser gefüllt. So lange die Retorte angeheizt wird, steht dieselbe durch die Röhre G in Verbindung mit der äuſseren Luft. Sobald das erste Quecksilber durch den Hahn h läuft, wird letzterer geschlossen, Dampf angedreht und das nachfolgende Quecksilber schlieſst G. Luft und Dämpfe müssen nun durch F unter und durch das Wasser strömen, um den Saugstrahl zu erreichen. Das Wasser braucht selten erneuert zu werden, während der Destillation gar nicht, da es sich wenig erwärmt; denn die groſse Hauptmenge des Quecksilbers erreicht das Rohr E bereits condensirt. Der Rest der Dämpfe ist wenigstens abgekühlt und ihre latente Wärme ist sehr unbedeutend. Wenn der Liebig'sche Kühler richtig construirt wird, lang genug, mit allmählich verringertem Durchmesser, so ist das Wasser überhaupt zu entbehren. Die hierzulande üblichen Kühler sind aber so unvollkommen, daſs dieselben den mit so viel gröſserer Schnelligkeit durchziehenden Dämpfen die Wärme nicht genügend schnell entziehen; daher die direkte Wassercondensation. Keinenfalls darf das für letztere verwendete Wasser ins Freie entweichen, ohne vorher Gelegenheit zu haben, aufgenommene Quecksilberkügelchen abzusetzen, weshalb es sich empfiehlt, den Dampfstrahl in solches zu klärendes Wasser ausmünden zu lassen, um durch Hitze eine Vereinigung des Quecksilbers zu bewirken. Für den Fall, daſs durch einen Bruch, Verstopfung o. dgl. die Luftleere im Behälter A plötzlich zerstört wird, dient die Röhre G als Sicherheitsröhre, um zu verhindern, daſs das Wasser in die Retorte steigt. Für gewöhnlich steht nämlich das Quecksilber in G zu einer Höhe, die den hydraulischen Hindernissen, welche die durch F ziehenden Dämpfe in A vorfinden, entspricht. Ein höherer Druck in A verursacht ein Zurückfallen der Quecksilbersäule in G und Einströmen der Luft in E durch die geringe Quecksilberhöhe in dem unteren Theile von E. Zur Sicherheit führt man die Röhre F etwa 1m höher als die Figur andeutet. Unerläſslich ist ferner für den Arbeiter eine freie Beobachtung der condensirenden Quecksilbermenge. Wie das Quecksilber während bestehender Luftleere durch die Röhre H in den Brunnen J fällt und aus letzterem durch n in den Sammelbehälter A steigt, wird leicht verständlich sein. Es bilden sich nämlich zwei Barometer. In H flieſst das Quecksilber in den langen Schenkel und veranlaſst ein Fallen im kurzen Schenkel. Umgekehrt erhöht der Zufluſs in den kurzen Schenkel von n auch die Höhe der vom Luftdrucke getragenen Säule im langen Schenkel, folglich den Austritt in das Gefäſs A. Das Verschwinden des Quecksilbers aus dem Brunnen J und sein Sinken in der Röhre n dient dem Arbeiter zugleich als Luftleeranzeiger, auſserdem der Brunnen selbst, um das Quecksilber, wenn nöthig, zu entfernen. So lange Quecksilber in J steht, kann natürlich kein Ausflieſsen von Wasser unter gewöhnlichem Atmosphärendrucke aus dem Behälter A stattfinden, nur ein Heben des Quecksilberspiegels entsprechend der Wasserhöhe. Durch Schlieſsen des Hahnes e und Eingieſsen von Quecksilber in die Röhre o, bis es im Trichter steht, verwandelt man die Röhren E und G in Barometer und sperrt die betreffende Retorte von dem Saugapparate ab. Da ein Sammelbehälter und die Kühlvorrichtung ohnehin vorhanden sein müssen, so beschränkt sich die Nebenausgabe auf einige Gasröhren, den kleinen, für 4 Retorten ausreichenden Dampfstrahl und die Wartung auf das An- und Abdrehen des Dampfes zu Beginn und zu Ende der Destillation. Dies sollte veranlassen, der Anwendung der Luftleere auch bei der Destillation anderer Stoffe mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als bisher geschehen ist, eine Hoffnung, welche mich hauptsächlich zur Mittheilung des beschriebenen kleinen Apparates anregte.