Titel: Die Ausstellung von Motoren und Werkzeugmaschinen für das Kleingewerbe in Wien bezieh. Ausstellung für Handwerkstechnik in Dresden; von Prof. Dr. H. Meidinger.
Autor: H. Meidinger
Fundstelle: Band 254, Jahrgang 1884, S. 86
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Die Ausstellung von Motoren und Werkzeugmaschinen für das Kleingewerbe in Wien bezieh. Ausstellung für Handwerkstechnik in Dresden; von Prof. Dr. H. Meidinger. Meidinger, über die Ausstellungen in Wien und Dresden. Zur Zeit sind zwei Ausstellungen ähnlichen Charakters eröffnet, welche ein erhöhtes Interesse seitens des Gewerbestandes beanspruchen: die eine in Wien (24. Juli bis 12. Oktober), die andere in Dresden (20. September bis 20. Oktober). Ihr Name ist zwar nicht gleichlautend; doch besagt die gewählte Bezeichnung im Wesen dasselbe. Die kürzere Dresdener Fassung ist sogar noch zutreffender und dürfte für die Folge bei ähnlichen Unternehmungen wohl bevorzugt werden; denn sie schlieſst auch „Werkzeuge“ in sich, welche man bei der Wiener Fassung für ausgeschlossen halten möchte, was jedoch durchaus nicht der Fall ist. Vorgänger hatten diese Ausstellungen, und zwar mit der Wiener Fassung, bis jetzt nur zwei: 1878 in Erfurt und 1881 in Altona. Die Erfolge, welche dieselben bis jetzt gezeigt haben, lassen sie als zeitgemäſse Unternehmungen ansehen, deren regelmäſsige Wiederholung sich in hohem Grade empfiehlt. Der Dresdener Gewerbeverein, welcher die dortige Ausstellung zur Feier seines 50jährigen Bestehens ins Leben gerufen hat, deutet auch schon auf die Fortsetzungen hin, indem derselbe die gegenwärtige als seine erste Ausstellung für Handwerkstechnik“ bezeichnet. Als Zweck dieser Ausstellungen ist anzusehen: dem kleinen Manne den Wettkampf mit der Groſsindustrie zu erleichtern, indem man ihm die Vortheile des motorischen Betriebes klarlegt, indem man ihm die Hilfsmittel vorfahrt, welche die zweckentsprechende Herstellung von Erzeugnissen des industriellen Betriebes im Kleinbetriebe ermöglichen. Diese Hilfsmittel sind innerhalb der letzten zwanzig Jahre eigentlich erst entstanden und in einer raschen Entwickelung begriffen, deren Verfolgung für den in der täglichen angestrengten Thätigkeit stehenden Gewerbetreibenden schwierig, ja fast unmöglich ist. Dieselben beziffern sich als vervollkommnete Werkzeuge, Instrumente, Apparate, als neue Arbeitsmethoden, kleine Werkzeugmaschinen und kleine Kraftmaschinen (Motoren). Von all diesen Fortschritten auf den verschiedensten Gebieten des Handwerkes, die bisher zum Theile nur Wenigen, zum Theile nur der Groſsindustrie zu Gute gekommen sind, sollen die fraglichen Ausstellungen Kenntniſs geben und damit ihre allgemeinere Einführung erleichtern helfen. Was die Organisation anlangt, so war dieselbe in Wien und Dresden ähnlich erfolgt. Es wurden die zur Ausstellung angebotenen Gegenstände auf ihre Zulässigkeit untersucht, es wurde von denselben eine Platzmiethe erhoben, die sich in Wien auf 12 fl. ö. W., in Dresden auf 15 M. für 1 Quadratmeter Bodenfläche belief. Preise sollten nicht ertheilt werden; hingegen sollten die sich dazu eignenden ausgestellten Gegenstände auf ausgesprochenen Wunsch einer technischen Prüfung unterworfen und sogen. „Certifikate“ dafür ausgestellt werden. Im Kataloge wurden mehrere Zeilen für Firma und Bezeichnung der Gegenstände unentgeltlich zur Verfügung gestellt; weiterer Raum wurde jedoch berechnet und zwar die ganze Seite in Wien mit 15 fl., in Dresden mit 20 M.; Anzeigen wurden nicht aufgenommen. Dieser Vorgang kann als sehr empfehlenswerth bezeichnet werden; man erhielt auf solche Weise an beiden Orten vortrefflich ausgestattete, mit zahlreichen Abbildungen versehene, übersichtliche Kataloge; namentlich der Wiener ist in seiner 4. Auflage ein wahres Muster, auch im Format bequem, während der Dresdener für die Tasche etwas zu groſs ist. Die Wiener Ausstellung wurde von dem Niederösterreichischen Gewerbevereine veranstaltet und findet in dem Lokale der k. k. Gartenbau-Gesellschaft statt, die Dresdener auf dem Grundstücke der Gartenbau-Gesellschaft Flora und dem angrenzenden Prinz Max-Palais. Die Räume mögen in beiden Fällen von nahe gleicher Gröſse sein. Die Zahl der Aussteller ist in Wien etwas gröſser als in Dresden; hier 232, dort 278 nach dem Kataloge. Berücksichtigt man bloſs die seitens ihrer Verfertiger zur Ausstellung gebrachten technischen Gegenstände, nicht die Lehrmittel und Bücher, so vermindert sich die Zahl in Dresden auf 180 bezieh. 172, da 8 angemeldete Firmen nicht erschienen sind, in Wien auf 264. Da verschiedene Aussteller doppelt gezählt sind, indem sie in mehreren Gruppen erscheinen, so beträgt die wirkliche Zahl in Dresden 165, in Wien 225. Lediglich die Herkunft der ausgestellten Gegenstände nach dem Kataloge in Berücksichtigung ziehend, so gibt sich ein sehr groſser Unterschied zu erkennen: die Wiener Ausstellung ist zwar als internationale bezeichnet; sie erscheint aber als eine vorzugsweise – nicht österreichische, sondern – lokale Wiener. Unter 164 Ausstellern sind 155 aus Wien und Vorstädten, bloſs 9 aus dem übrigen Oesterreich-Ungarn (je 1 aus Bodenbach, Budapest, Czernowitz, Graslitz, Kula, Lissitz, Obergeorgenthal, Prag, St. Polten). Dazu gesellt sich weiterhin die allerdings nicht unbeträchtliche Zahl von 43 Ausstellern aus Deutschland, ferner 15 aus Frankreich (fast ganz aus Paris), 4 aus der Schweiz, 1 aus England. Das Ausstellungsland und wiederum der Ausstellungsort zeigen sich bei solchen Veranstaltungen zwar aus erklärlichen Gründen immer am stärksten vertreten und bei der hervorragenden Wiener Industrie kann es nicht Wunder nehmen, daſs Wien eine so erhebliche Zahl von Ausstellern gesendet hat; der groſse Gegensatz zu dem übrigen Reiche, welches so gut wie nichts vorgeführt hat, muſs nur auffallend erscheinen. Deutschland darf mit seinen 43 Ausstellern als gut vertreten angesehen werden; dieselben vertheilen sich auf Berlin, Leipzig (je 4), Chemnitz, Stuttgart (je 3), Aachen, Dresden, Frankfurt a. M., Köln (je 2), Altona, Aue i. S., Bautzen, Bremen, Breslau, Cannstatt, Düsseldorf, Frankenthal, Fulda, Glashütte, Hamburg, Hannover, Konstanz, Solingen, Merseburg, Wiesbaden, Zwickau (je 1 Aussteller). In anderer Weise tritt uns die Dresdener Ausstellung entgegen; das örtliche Element hat zwar hier auch hervorragende Bedeutung; doch erhebt es sich nicht ganz zur Hälfte aller Aussteller. Das übrige Sachsen ist nennenswerth vertreten; ebenso sind aus anderen Theilen Deutschlands viele Aussteller erschienen – lauge jedoch nicht alle, welche zugehörige Gegenstände fertigen. Es haben gesendet: Dresden 72, Chemnitz 19, Berlin 14, Leipzig 7, Hannover 4, Stuttgart, Halle, Frankfurt a. M. je 3, Glashütte, Planen (Dresden), Hamburg, Kötzschenbroda je 2, Altenburg, Aue i. S., Bautzen, Breslau, Bremen, Cannstatt, Deuben, Deutz, Dohlen, Essen, Einsiedel, Gera, Groſsröhrsdorf, Groſsenhain, Halle, Köln, Langefeld, Liegnitz, Lauter, Magdeburg, Niederlöſsnitz, Ostritz, Pulsnitz, Riesa, Simonshaus, Wiesbaden, Zeulenroda je 1 Aussteller. Aus dem Auslande haben sich bloſs 2 Aussteller gefunden, und zwar je einer aus Wien und Graz. Sechzehn deutsche Firmen haben gleichzeitig in Dresden und in Wien ausgestellt, je 3 aus Leipzig und Chemnitz, 2 aus Dresden, je 1 aus Aue, Berlin, Bremen, Cannstatt, Glashütte, Hannover, Köln, Wiesbaden. Minder auffallend wie nach der Herkunft der Aussteller zeigt sich der Unterschied zwischen Dresden und Wien nach der Gattung des Ausgestellten. Der Eindruck ist ein ähnlicher, was zum Theile auch seinen Grund darin hat, daſs unter den an beiden Orten erschienenen deutschen Ausstellern eine Anzahl hervorragender Firmen mit zahlreichen Gegenständen auftreten, wie Kircheis in Aue mit seinen Blechbearbeitungsmaschinen, die Deutsch-Amerikanische Maschinenfabrik Kirchner und Comp. in Leipzig-Seilerhausen, sowie auch die Sächsische Stickmaschinenfabrik in Kappel bei Chemnitz mit ihren Holzbearbeitungsmaschinen u.a.; die Deutzer Gasmotoren lassen sich auch hierbei nennen, die allerdings von einer besonderen Firma in Wien für Oesterreich hergestellt werden, ebenso Hofmeister mit seinen Dampfmotoren, welche in Wien und in Berlin gefertigt werden u. dgl. m. Findet man auch sonst viel Aehnliches an beiden Orten, was von verschiedenen Ausstellern stammt, insbesondere auf dem Gebiete der Metall- und Holzbearbeitung, wo sich allmählich bestimmtebetimmte Typen von Maschinenformen auszubilden beginnen, so bleiben doch auch noch zahlreiche unterscheidende Merkmale, so daſs jede der beiden Ausstellungen neben der anderen manches Beachtenswerthe für sich enthält. Auch ohne eingehenderes Studium springt dies schon in die Augen. In Wien ist die Cigarren- und Cigarrettenfabrikation im Betriebe vorgeführt, in Dresden hingegen Bäckerei und Wurstbereitung in groſsen, vortrefflich eingerichteten Anlagen. Abgesehen von manchem anderen Technischen gibt sich ein groſser Unterschied in den zur Anschauung gebrachten Lehrmitteln zu erkennen. In Wien ist die vollständige gewerbehygienische Sammlung von F. Reichel, kgl. preuſs. Gewerberaths und Docenten an der Hochschule in Aachen, ausgestellt, welche 475 Nummern enthält, darunter zahlreiche sehr lehrreiche Darstellungen. Andere Lehrmittel treten dagegen in den Hintergrund. In Dresden sind von verschiedenen Anstalten Lehrmittel für den gewerblichen Unterricht sowie Schülerarbeiten vorgeführt, die ein vortreffliches Bild von dem hohen Stande des industriellen Unterrichtes in Sachsen geben. Aussteller sind das Polytechnikum in Dresden, die technischen Lehranstalten in Chemnitz, die Fachschule für Blecharbeiter in Aue, die deutsche Uhrmacherschule in Glashütte; interessant sind auch die japanesischen Sammlungen (Lacke, Bronze, Email, Werkzeuge) des kgl. Kunstgewerbe-Museums und das von der kgl. Kunstgewerbe-Schule Vorgeführte. Zahlreich ist die ausgelegte Fachliteratur, insbesondere von den Verlegern Hartleben (Wien), Nitzsckke (Stuttgart), Voigt (Weimar). Ein besonderes Interesse gewährt die Zusammenstellung der Fachzeitschriften, 97 an Zahl, welche jedoch alles in unserer Sprache Erscheinende noch nicht umfassen. Nach diesem Ueberblicke möge eine kurze Besprechung der bemerkenswerthesten Ausstellungsgegenstände selbst folgen. (Fortsetzung folgt.)