Titel: Weiller's Siliciumbronze, ihre Darstellung und Verwendung.
Fundstelle: Band 254, Jahrgang 1884, S. 493
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Weiller's Siliciumbronze, ihre Darstellung und Verwendung. Weiller's Darstellung der Siliciumbronze und deren Verwendung. In dem erst kürzlich erschienenen Bulletin de la Société industrielle de Marseille, 1882 S. 150 ist ein anfangs des laufenden Jahres gehaltener Vortrag von X. Müller, Ingenieur bei Lazare Weiller in Angoulême veröffentlicht, welchem nachstehende Mittheilungen über den von L. Weiller erzeugten bereits vielfach und mit gutem Erfolge verwendeten Siliciumbronzedraht (vgl. auch 1884 253 134 und 479) entnommen sind. Die in der Masse eines Metalles oder einer Legirung vorhandenen Oxyde geben derselben eine Ungleichmäſsigkeit, welche eine Verschlechterung der wesentlichen Eigenschaften nach sich ziehen kann. In der Fabrik Weiller's angestellte Versuche über die geringste in ihren Legirungen zulässige Oxydmenge haben dies in überraschender Weise bestätigt und namentlich dargethan, welch schädlichen Einfluſs die Oxyde auf die Abnahme der Festigkeit und des Leitungsvermögens der für elektrische Zwecke bestimmten Drähte ausüben. Man hat sich daher vielfach bemüht, die leider beim Schmelzen sich erzeugenden Oxyde zu entfernen. Kohle als Reductionsmittel erwies sich als unzweckmäſsig, weil es ziemlich unmöglich ist, die nöthige Menge von Kohle im voraus genau zu bestimmen, jeder Ueberschuſs von Kohle aber bei vielen Legirungen mehr zu fürchten ist als Spuren von Oxyd. Phosphor, welcher der Masse als Phosphor oder in Form von Phosphüren zugeführt wird, schien günstiger; die Desoxydation erfolgt sehr rasch und liefert flüchtige Producte und Phosphate, welche sich auf der Oberfläche der flüssigen Legirung ausscheiden; aber auch Spuren von zurückbleibendem Phosphor geben dem Metalle schlechte Eigenschaften: es wird brüchig und sein Leitungsvermögen vermindert; Phosphor bleibt indeſs anwendbar, wo es sich nur um Festigkeit gegen Stoſs und Reibung handelt. Die Zweckmäſsigkeit der Anwendung von Silicium ist schon längst von Sainte-Claire Deville nachgewiesen; nur war der Preis desselben für eine allgemeine Verwendung zu hoch und seine Herstellung zu schwierig. L. Weiller hat seit 3 Jahren die Frage wieder aufgenommen und nach vielen Versuchen befriedigende Erfolge erzielt. Das Silicium wird der schmelzenden Masse als Kalifluorsilicat zugeführt, welches durch Zusatz von Natrium zersetzt wird, worauf das frei werdende Silicium die Reduction der Oxyde bewirkt.Wie L. Weiller (* D. R. P. Kl. 40 Nr. 27590 vom 4. Juli 1883, vgl. 1884 253 479) in der Patentschrift angibt, verfährt man bei der Darstellung seiner Siliciumbronze derart, daſs zunächst Legirungen von Kupfer, Zinn oder Bronze mit Natrium hergestellt und diese dann mit Kieselfluorkalium bezieh. -Natrium zusammengeschmolzen werden; oder aber es werden Gemenge von Kupfer, Zinn oder Bronze mit Natrium und Kieselfluorkalium oder -Natrium unmittelbar eingeschmolzen. Die Fluorüre von Kalium und Natrium wie die Kieselsäure schwimmen auf der Oberfläche und bilden eine vorzügliche Schlacke, welche den gröſsten Theil des nicht verbrauchten Siliciums in sich aufnimmt. In der Bronze bleiben nur unbedeutende Spuren von diesem Metalloide, welches übrigens die Elektricität gut leitet und in mäſsigen Mengen sogar die Festigkeit der Legirung erhöht. Die angeführten Reactionen vollziehen sich ziemlich rasch. Es ist nur noch nöthig, die Legirung in Formen auszugieſsen, in denen dieselbe erstarrt; die Guſsbarren werden später in gewöhnlicher Weise gewalzt und gezogen. Dieses Desoxydationsverfahren ist auf verschiedene Legirungen anwendbar. Man erzeugt so Drähte für die Fabrikation von Metallgeweben, zu Kabeln für Minen und vorzüglich für elektrische Verbindungen. Die Siliciumbronzen eignen sich auch gut zur Herstellung von Gegenständen, von denen man einen groſsen Widerstand gegen Zusammendrückung, gegen Stoſs, gegen Reibung verlangt, z.B. Klappen, Ventile, Zahnräder, Lager, Hähne, Pumpenstiefel u.s.w. Für elektrische Leiter fordert man Leitungsvermögen und Zugfestigkeit; letztere Eigenschaft ist für oberirdische Linien höchst wichtig, weil von derselben die Spannweite zwischen den Stützpunkten abhängt; die Verminderung der Zahl der Stützpunkte hat wesentliche Ersparnisse im Gefolge. Die Eigenschaften der Siliciumbronzedrähte, wie solche jetzt von L. Weiller für telegraphische Zwecke geliefert werden, läſst im Vergleiche zu reinem Kupfer die beigegebene Tabelle erkennen. Aus dem Widerstände R0 bei 0° findet man den Widerstand Rt bei t° nach der Formel Rt = R0 (1 + kt), in welcher Formel für den Siliciumbronzedraht bei Telegraphen k = 0,0039 bezieh. bei Telephonen k = 0,0015 zu setzen ist. Daſs zwei verschiedene Sorten von Siliciumbronzedraht erzeugt werden, die eine für telegraphische Zwecke im engeren Sinne und die andere für telephonische Zwecke, hat seinen Grund darin, daſs für die telegraphische Verbindung weit von einander entfernter Orte der Draht ein möglichst guter Leiter Material Leitungswiderstand in Ohm bei 0° von1km Draht bei Drahtstärke mm Leitungs-fähigkeitbei 0° Reiſs-festigkeitk/mm Kilogrammgewicht von 1km Draht beiDrahtstärke mm   0,8 1,0   1,1   1,25 1,5 2 0,8 1,0 1,1   1,25 1,5 2 Reines Kupfer   32,14 20,57 17,00 13,18   9,13   5,14 100 28 4,47 6,99 8,45 10,92 15,72 27,96 Patent-Siliciumbronze für Te-  legraphen   33,25 21,28 17,58 13,63   9,45   5,32   97 45 4,48 7,00 8,47 10,94 15,75 28,00 Patent-Siliciumbronze für Te-  lephon 103,98 66,55 55 42,59 29,57 16,64   31 80 4,50 7,03 8,50 11,00 15,81 28,10 sein soll, während bei den gewöhnlich nur zwischen zwei verschiedene Stellen derselben Stadt zu spannenden Telephondrähten unbedenklich ein Theil des Leitungsvermögens zu Gunsten der Vergröſserung der Zugfestigkeit geopfert werden kann. Bei dem Siliciumbronzedrahte ist nun eine so groſse Festigkeit erreicht, daſs mit voller Sicherheit Spannweiten von 300 bis 350m zugelassen werden können. Das in solcher Weise ausgeführte Telephonnetz in Triest hat über alle Erwartung gut den heftigsten Sturmwinden widerstanden. Ein 2mm dicker ähnlicher Draht hat auch bei den Versuchen über die elektrische Kraftübertragung zwischen Vizille und Grenoble (14km) von Marcel Deprez gedient. Ein Siliciumbronzedraht von 5mm Durchmesser und nicht über 0,87 Ohm Widerstand auf 1km soll ferner bei der von Deprez vorbereiteten Kraftübertragung auf 51km Entfernung, zwischen Paris und Creil, zur Verwendung kommen, bei welcher es sich um die Uebertragung von 200e handelt, die elektromotorische Kraft nicht unter 7200 Volt bleiben und die Stromstärke 20 Ampère erreichen soll; dieser Draht wird zur Verhütung von Unglücksfällen isolirt werden und ein Kabel von höchstens 9mm äuſserem Durchmesser bilden. Da die Festigkeit des Siliciumbronzedrahtes an sich schon hinreichend groſs ist, so braucht dieses Kabel nicht erst eine Schutzhülle aus Eisen zu bekommen, welche demselben die erforderliche Festigkeit verleiht, ein Umstand, der auch für die unterseeische Telegraphie in Bezug auf die Herstellung leichter Kabel von Bedeutung ist. Gegenüber der Verwendung von Eisen- oder Stahldraht ist darauf hinzuweisen, daſs ein Siliciumbronzedraht von 2mm für 1km ungefähr 28k wiegt und einen 5mm dicken Eisen- oder Stahldraht ersetzen kann, von dem 1km 150k wiegt, also 6mal so viel; dies ist bei stetig wachsender Anzahl der auf ein Gestänge zu legenden Drähte nicht gleichgültig, um so mehr, da der Siliciumbronzedraht auch noch gröſsere Spannweiten zuläſst. Verfasser gibt ferner aus dem Bulletin de la Société Internationale des Téléphones folgende Kostenanschläge für den Bau von 1000km Leitung von gleicher Leitungsfähigkeit: 1) Bei verzinktem Eisendraht von 5mm Durchmesser. Draht 156000k zu 30,40 M. für 100k 47424 M. Versendung des Drahtes, 16 M. für 1000k 2496 Stützen u. Isolatoren, 15000 Stück zu 1,60 M. 24000 Anbringen der Isolatoren und Auflegen    und Spannen des Drahtes, 8 M. für 1km 8000 Säulen, 25 (5 einfache und 10 doppelte)    auf 1km zu 9,60 M. 240000 Versendung der Säulen, zu 0,80 M. das Stück 20000 Aufstellung der Säulen, 1,60 M. das Stück 40000 Verbindung der Doppelsäulen, 1,60 M. das    Paar 16000 ––––––––––– 397920 M. 2) Bei Siliciumbronzedraht von 2mm Durchmesser. Draht, 28000k zu 3,20 M. für 1k 89600 M. Versendung, 16 M. für 1000k 448 Stützen und Isolatoren, 12000 Stück zu 0,80 M. 9600 Anbringen der Isolatoren, Auflegen und Spannen des    Drahtes, 3,20 M. für 1km 3200 Säulen, 16 (8 einfache und 4 doppelte) auf 1km zu 8 M. 128000     Versenden der Säulen, zu 0,80 M. das Stück 12800 Aufstellung der Säulen, 1,60 M. das Stück 25600 Verbindung der Doppelsäulen, zu 1,60 M. 6400 –––––––––– 275648 M. Bei dieser Ersparniſs von mehr als 30 Procent der Anlagekosten besitzt der Siliciumbronzedraht als alter Draht noch einen höheren Materialwerth und hält sich unter den Witterungseinflüssen besser als der Eisendraht; er überzieht sich nämlich höchstens mit einer dünnen Oxydulschicht, welche weitere Veränderungen verhütet und sogar bis zu einem gewissen Grade gegen Stromverluste schützt. In Frankreich ist der Siliciumbronzedraht von den Telephon-Gesellschaften vielfach verwendet worden und auch das französische Ministerium der Posten und Telegraphen hat in Reims einen ersten Versuch damit gemacht und steht im Begriffe, denselben auch für das Telephonnetz in Reims zu verwenden. – In Oesterreich ist nach der Zeitschrift für Elektrotechnik, 1884 S. 109 der Siliciumbronzedraht, auſser für zahlreiche elektrische Leitungen jeder Art, für die Telephonnetze von Wien, Prag, Triest, Graz, Lemberg, Krakau und noch anderen im Baue begriffenen Städteanlagen ausschlieſslich verwendet worden; auſserdem wird derselbe zum Theile für das ungarische Telephonnetz und für viele Eisenbahn- und Feuerwehr-Telegraphen benutzt und war auch für die aus Anlaſs der elektrischen Ausstellung in Wien 1883 errichteten Linien für telephonische Uebertragung auf weite Entfernung in Gebrauch.