Titel: Kraftmesser für direkt und indirekt explodirbare Sprengstoffe.
Autor: G. Krantz
Fundstelle: Band 257, Jahrgang 1885, S. 295
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Kraftmesser für direkt und indirekt explodirbare Sprengstoffe. Krantz, über Guttmann's Kraftmesser für Sprengstoff. Der von Oscar Guttmann in Wien construirte, in D. p. J. 1883 250 * 118 beschriebene Kraftmesser für direkt explodirbare Sprengstoffe ist z. Z. auf der Gewerbeausstellung in Görlitz von den Sächsischen Pulverfabriken in Bautzen ausgestellt, welche den Apparat von dem Hofbüchsenmaeher Zieschang daselbst anfertigen lieſsen. So wenig bedeutend der Gegenstand erscheint, ist er doch geeignet, das Interesse der Fachkreise in hohem Grade anzuregen. Der Apparat besteht aus einem gehärteten Stahlrohre von 178mm Länge, 113mm Durchmesser mit einer Bohrung von 36mm,3 Weite. Dieses Rohr wird mit 15g Schieſspulver oder 20g Sprengpulver gefüllt, an beiden Mündungen durch Pappdeckel, Stahlstopfen und zuletzt durch 54mm lange Bleistopfen möglichst luftdicht verschlossen und durch zwei conisch durchbohrte stählerne Kopfstücke fest verschraubt. Die conischen Durchbohrungen sind an der inneren Seite 36mm,3 weit und verjüngen sich am Ausgange bis auf ein Rohr von 14mm Weite. Die Ermittelung der Stärke des zu prüfenden Pulvers geschieht dadurch, daſs es mittels einer in der Auſsenwandung verschraubten eigentümlichen Zündvorrichtung zur Explosion gebracht wird. Da die erzeugten Pulvergase nirgends entweichen können, treiben sie die an beiden Seiten des Pulvers befindlichen Bleistopfen in den leeren Conus der beiden Kopfstücke hinein und zwar um so weiter, je kräftiger das Pulver ist. Sehr kräftige Pulversorten oder verstärkte Ladungen treiben die Bleistopfen mit solcher Gewalt durch die Bohrungen der Kopfstücke heraus, daſs sich Theile davon in Form von Spitzkugeln ablösen und die Gewalt von abgeschossenen Büchsenkugeln ausüben. Der Apparat wurde durch die Sächsischen Pulverfabriken in Bautzen sorgfältigen Prüfungen unterzogen, wobei sich nach Verbrauch von über 200 Bleistopfen herausstellte, daſs die Verlängerung derselben wesentlich beeinträchtigt wird durch die von langsamerer oder schnellerer Entwicklung der Pulvergase bedingte Stauchung des Bleies, so daſs genau übereinstimmende Endzahlen nicht erzielt wurden. Anders verhält es sich mit dem durch die Bleistopfen luftdicht abgeschlossenen Räume, welcher im Inneren des Laufes durch die Ausdehnung der erzeugten Gase an Stelle des Pulvers entsteht. Dieser Raum ergab übereinstimmende Zahlen und ist allein maſsgebend für die Ausdehnung der Pulvergase, also für die absolute Kraft des erprobten Pulvers. Ermittelt wird der Raum, indem man die Länge der noch im Laufe befindlichen Enden, der Bleistopfen, der 4 Pappdichtungen und der Stahlstopfen zusammenzieht und von der Länge des Laufes in Abzug bringt. Zu berücksichtigen ist hierbei, daſs bei Pulversorten mit verschiedenem specifischem Gewichte, bei einer Ladung von 15g Raumunterschiede des Pulvers bis zu 1mm entstehen; auch bleiben bei geringeren Pulversorten mehr Rückstände übrig, deren Raum sich jedoch schwieriger feststellen läſst. Ein sehr schnell brennendes Schieſspulver Nr. 10 ergab beispielsweise eine Verlängerung des abgeschossenen Bleistopfens um 62mm, während Probe Nr. 15 ein stark körniges Schieſspulver mit langsamer Gasentwickelung den Bleistopfen nur um 43mm ausdehnte. Der erzeugte Gasraum lieferte ein von obiger Feststellung ganz abweichendes Ergebniſs, indem der erzeugte Gasraum bei dem schnell brennenden Pulver 59mm, bei dem langsamer brennenden Pulver dagegen 57mm, also nur 2mm weniger betrug. Die genannte Fabrik stellte gleichzeitig mit dem Kraftmesser eine Zusammenstellung von 29 Stück gebrauchter Bleistopfen aus, welche als Beispiele sehr zahlreicher Proben herausgegriffen sind. Die Proben wurden verschiedenen Originalsorten Schieſs-, Militär- und Sprengpulver entnommen und für etwaige Nachproben in der Pulverfabrik aufbewahrt. Guttmann hat die Verlängerung der Bleistopfen als Maſsstab für die Kraft des Pulvers angenommen und wurden dieselben daher auch nach dieser Auffassung geordnet; doch wurde an jedem Bleistopfen angegeben, wie viel Gasraum die betreffende Pulversorte erzeugt hat. Wären die Bleistopfen hiernach geordnet worden, so würde sich herausstellen, daſs 7 Sorten Schieſspulver verschiedener Fabriken Deutschlands und einer amerikanischen Fabrik, trotz der Abweichungen bis zu 22mm bei Ausdehnung der Bleistopfen, ganz gleiche Ergebnisse bezüglich der als absolute Kraft angenommenen Ausdehnung der Gase nachweisen.Die Abweichungen bis 22mm lassen sich vorderhand nur durch Mangel der Ausführung des Prüfungsapparates erklären; nach physikalischen Gesetzen muſs es ganz gleich sein, ob man den erzeugten Conus, oder den nach Herausdrücken des Conus verbliebenen Hohlraum miſst.Red. Geringere Gasausdehnung zeigten die Militärpulversorten Deutschlands, Ruſslands, Frankreichs, Englands, Rumäniens und das Schieſspulver einer italienischen und einer schweizer Fabrik. Obgleich die Proben des Sprengpulvers mit ¼ stärkerer Ladung, also mit 20g ausgeführt wurden, sind die Abweichungen noch zu wenig in die Augen fallend und sollen die Proben später mit 25g Ladung fortgesetzt werden, um bessere Unterscheidungen zu erzielen. Nach erhaltener Mittheilung wird demnächst ein Guttmann'scher Kraftmesser sehr starker Construction hergestellt, um darauf Schieſsbaumwolle, also einen brisanten Sprengstoff zu erproben, dessen Prüfung bisher etwas umständlich auszuführen war. Die Sächsischen Pulverfabriken bedienten sich seither zur Ermittelung der Kraft brisanter Sprengstoffe, wie Sprenggelatine, Gelatine-Dynamit, Dynamit und Bautzner Sprengstoff, der Trauzl'schen Bleicylinder (vgl. 1883 250 120. 1882 246 * 189) und stellten im Anschlusse an den Guttmann'schen Kraftmesser zwei lang durchgeschnittene gebrauchte Bleicylinder als Beispiel von über 100 ausgeführten Versuchen aus. Das Verfahren ist folgendes: Ein mit einem Bohrloche versehener, etwa 35k schwerer Bleicylinder wird mit 12g Sprengstoff geladen, das Bohrloch durch einen genau passenden durchbohrten Bleistopfen verschlossen und in einem starken eisernen Bügel durch eiserne Platten und Keile fest verkeilt. Die Detonirung geschieht durch eine Zündkapsel und eine durch den Bleistopfen geleitete Zündschnur. Die Bleicylinder haben 200mm Höhe und denselben Durchmesser, das Bohrloch ist 120mm tief und 40mm weit. Die durch die Detonirung des Sprengstoffes entstandenen eingeschlossenen Gase bauchen das Bohrloch an seinem unteren Ende in Form einer runden Flasche 100 bis 127mm weit aus. Je weiter diese Ausbauchung geschieht, desto kräftiger ist der Sprengstoff. Die genaue Ermittelung der Erweiterung geschieht dadurch, daſs der innere Raum des Bohrloches vor und nach dem Schusse mit Wasser ausgemessen wird. Die Ergebnisse erreichten trotz gröſster Sorgfalt wegen der unvermeidlichen Gasentweichung durch die Bohrung des Bleistopfens nicht die gehoffte vollständige Uebereinstimmung, so daſs bei Fortsetzung der Sprengversuche Cylinder eingeführt wurden, welchen eine Länge von 500mm und ein Durchmesser von 100mm gegeben wurde. Das Bohrloch erhielt 450mm Tiefe und 20mm Weite. Der zu prüfende brisante Sprengstoff wurde mit Zündkapsel und Zündschnur versehen, in den Cylinder versenkt und das Bohrloch, ohne jede Verkeilung, einfach mit Sand, Lehm oder Wasser ausgefüllt. Auf diese Art wurden endlich, besonders bei einfachem Wasserbesatze, übereinstimmende Endzahlen erzielt. Die Sprengversuche wurden hauptsächlich deshalb ausgeführt, um die Kraft eines von den Sächsischen Pulverfabriken hergestellten brisanten Sprengmaterials, des aus Salpeter und nitrificirter Cellulose hergestellten sogen. „Bautzner Sprengstoffes“ festzustellen. Die gefundenen Erweiterungen des Bohrloches betrugen bei: 75% Nobel'schem Dynamit   880cc bezieh. 100% Sprenggelatine 1490 170 Gelatine-Dynamit 1260 143 Bautzner Sprengstoff   700   80 Die gegen Dynamit 20 Proc. geringere Kraft des Bautzner Sprengstoffes wird dadurch aufgewogen, daſs der Verkaufspreis desselben nur halb soviel beträgt als für bestes Nobel'sches Dynamit. Gegen das Dynamit hat dieser Stoff auſserdem noch nachstehende Vorzüge: Derselbe ist ein trockener Stoff, welcher auch bei der gröſsten Kälte niemals in gefrorenen Zustand übergehen kann; er ist absolut gefahrlos herzustellen und unexplosibel, wenn er nicht durch sehr starke Sprengkapseln zur Detonation gebracht wird. Die entstehenden Gase sind gering und verursachen keine Kopfschmerzen. Um bei den Proben mit den Trauzl'schen Bleicylindern volle Uebereinstimmung zu erreichen, ist erforderlich, eine gröſsere Anzahl Bleicylinder gleichzeitig mit der gröſsten Sorgfalt aus ein und demselben Blei zu gieſsen, wodurch die Proben immerhin etwas kostspielig und zeitraubend werden. Wünschenswerth wäre es daher, wenn der einfach zu handhabende Guttmann'sche Kraftmesser in verstärkter Form im Stande wäre, der Gewalt der brisanten Sprengstoffe andauernd Widerstand zu leisten. G. Krantz.