Titel: Ueber ein neues Druckblau; von Ed. Ullrich.
Fundstelle: Band 257, Jahrgang 1885, S. 379
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Ueber ein neues Druckblau; von Ed. Ullrich. Ed. Ullrich, über ein neues Druckblau. Im Bulletin de Mulhouse, 1885 S. 371 bringt E. Ullrich eine Notiz über sogen. Druckblau, unter welcher Bezeichnung die Farbwerke vormals Meister, Lucius und Brüning in Höchst a. M. pastenförmige Induline in den Handel bringen. Mit Gerbsäure befestigt, bieten diese Farbstoffe gegenüber den anderen basischen Farbabkömmlingen den Vortheil viel gröſserer Licht- bei gleicher Seifen-Beständigkeit dar. Zersetzt man durch längeres Kochen mit Aetznatron den gerbsauren Lack auf der Faser selbst, so bleibt die Farbbase unverändert:, man kann alsdann die Waare mit siedenden und verhältniſsmäſsig concentrirten Bädern von Mineralsäure behandeln, ohne vom Farbstoffe zu verlieren. Diese Behandlung ertheilt vielmehr der Farbe mehr Glanz, was beweist, daſs die Salze der Farbbase mit Mineralsäuren schöner sind wie die gerbsauren Verbindungen. Diese auſserordentliche Beständigkeit ist der Unlöslichkeit des Farbstoffes und seiner Salze in Wasser und verdünnten mineralischen Säuren zuzuschreiben. Die Löslichkeit des Farbstoffes in Alkohol konnte nicht zu seiner Fixirung ausgenutzt werden. Zum Zwecke der letzteren muſste also nach einem Lösungsmittel gesucht werden, welches während des Dämpfens vorübergehend als solches wirkt und die Verbindung der Indulinbase mit dem Tannin ermöglicht. Anfänglich wurden zu diesem Behufe groſse Mengen Essigsäure vorgeschrieben. Adolf Schlieper vom Hause Schlieper und Baum, der zuerst die Nützlichkeit des neuen Farbstoffes erkannt hatte, sah bald ein, daſs die Anwendung dieses Lösungsmittels in Folge seiner groſsen Flüchtigkeit eine regelmäſsige Entwickelung der Farbe auf dem Gewebe nicht zulieſs. Einführung von lösend wirkendem Oel oder Oelsäure war nur in beschränktem Maſse zulässig; ebenso besaſs die Farbe bei Ersatz der Essigsäure durch Weinsäure nie die Schönheit und Tonhöhe wie bei der Anwendung der Essigsäure in zwar praktisch leider unmöglichen Mengenverhältnissen. Schlieper fand in der Milchsäure ein beim Dämpfen nicht flüchtiges Lösungsmittel, welches beim Drucke eine immer gleichmäſsige, auſserordentlich schöne und dabei viel dunklere Farbe lieferte, als dies im Durchschnitte die Essigsäure that. Was sich indeſs bis jetzt der Anwendung dieser Säure hindernd in den Weg stellt, ist ihr zu hoher Preis. Ch. Brandt in Cosmanos fand in der Aethylweinsäure ein glücklicheres und ausgezeichnetes Ersatzmittel der Essigsäure. Dieser Stoff läſst sich billig herstellen und kann übrigens im rohen Zustande, in Gegenwart eines Ueberschusses von Alkohol, zur Verwendung kommen. Die Methylweinsäure kann nach Brandt das Aethylderivat vollständig ersetzen. Goldenberg, Géromont und Comp. in Winkel a. Rhein stellen die alkylirten Weinsäuren fabriksmäſsig dar. Das Methyltartrat übt dieselbe Wirkung aus wie die nur zur Hälfte mit Alkoholradikal gesättigte Säure. Das nicht theure Handelsproduct wird wahrscheinlich ein Gemenge von Methyl- oder Aethylweinsäure mit den normalen Estern und mit unveränderter Weinsäure sein. Die Wirkungsweise des neuen Lösungsmittels ist leicht erklärlich: Beim Dämpfen findet Verseifung statt und der frei werdende Alkohol besorgt vorübergehend die Lösung der wasserunlöslichen Induline. Die Aethylweinsäure, heute im Groſsen von Schlieper und von Brandt angewendet, besitzt zudem den Vortheil, die Entwickelung der benachbarten, namentlich der Alizarin-Farben, nicht zu beeinträchtigen; es bilden sich keine jener Höfe oder gelben Säume, wie sie so leicht entstehen, wenn in den Weinsäurefarben aus den Chlorhydraten oder Chlorzinkdoppelsalzen der basischen Farbstoffe sich Salzsäure abspaltet, welche zersetzend auf die Alizarinlacke einwirkt. Die Zersetzung jener Salze durch Weinsäure findet übrigens nach A. Schlieper hauptsächlich schon beim Trocknen der Stücke statt. Die substituirten Weinsäuren hingegen vermögen diese Zersetzung nicht mehr hervorzurufen und die Alizarinfarben bleiben vollständig unverändert. Zwar bildet sich bei der Verseifung der Alkylabkömmlinge der Weinsäure unter dem Einflüsse des Dampfes auch freie Weinsäure; aber wahrscheinlich geht diese Reaction erst nach der Bildung der Alizarinlacke vor sich; die Salzsäure, welche in demselben Maſse wie Weinsäure frei wird, wird durch den Dampf sofort verdünnt und weggenommen, so daſs der erwähnte Uebelstand nicht mehr eintreten kann und die Alizarinfarbe sich ohne Schwierigkeit und ohne Hofbildung entwickelt. Die aus der Salzsäureentwickelung hervorgehende Gefahr ist übrigens um so bedeutender, je schwächer das Färbevermögen des Farbstoffes ist und je dunkler die Töne sind, welche er liefern soll. Es bewahrheitet sich dies namentlich bei den Indulinen. Obgleich annähernd das gleiche Molekulargewicht und die gleiche Menge Salzsäure enthaltend, ergeben die Vertreter dieser Klasse weniger wie die Hälfte als die anderen basischen Farbstoffe. Die letzteren können also da durchaus noch unschädlich sein, wo die Induline schon die Faser und benachbarten Farbstoffe anzugreifen beginnen. In Bezug auf weitere Einzelnheiten des Druckes der Indulinfarbstoffe genügen folgende Bemerkungen: Es soll die verdünnte Tanninlösung in jedem Falle erst zur fertigen, alle übrigen nöthigen Bestandtheile schon enthaltenden Farbe gebracht werden. Mit Unrecht mischt man sie oft schon mit dem gekochten und sogar noch warmen Stärkekleister. Im letzteren Falle spielt die Gerbsäure nicht ausschlieſslich das Befestigungsmittel des Farbstoffes auf der Faser, sondern scheint vielmehr mit der Stärke eine besondere Verbindung einzugehen, gleichsam „tannirte Stärke“ zu bilden, welche sich später mit Farbstoff' belädt. Hierbei fixirt sich der Lack schlecht und fällt beim Waschen ab. Man dämpft die wohl getrocknete Waare am besten in mittelfeuchtem Dampf. Zu trockener Dampf schwärzt die Farbe. Eine Dauer von 45 Minuten genügt; 1 Stunde gedämpft, wird die Farbe dunkler, verliert aber merklich an Schönheit; noch länger der Einwirkung des Dampfes ausgesetzt, schwärzt sie sich und nimmt den Ton an, welchen Chlorbehandlungen oder eine mehrmonatliche Aussetzung an der Luft hervorrufen. In Bezug auf Lichtbeständigkeit steht die Farbe auf der Höhe des Alizarinblau und des Indigos; nur dunkelt sie nach, während diese Farbstoffe erbleichen. Die Brechweinsteinbehandlung ist nicht unumgänglich nothwendig, doch trägt sie bedeutend zur Vermehrung der Waschechtheit bei. Vor dem Waschen und Seifen muſs die gedämpfte Waare breit durch Kreide oder Kuhkoth gezogen werden. Ein Uebelstand, der diesem Farbstoffe anhaftet und der auf seiner groſsen Solidität beruht, muſs noch erwähnt werden. Die Mitläufer, auf welche sich derselbe abdruckt, sind sehr schwierig zu bleichen. Auch sollen alle Artikel mit hellen Böden vor der Berührung mit der nicht fertigen blau bedruckten Waare bewahrt werden.