Titel: | Ueber die neueren Mittel der Chrombefestigung und die Anwendung des Solidviolett in der Färberei und Druckerei. |
Fundstelle: | Band 258, Jahrgang 1885, S. 458 |
Download: | XML |
Ueber die neueren Mittel der Chrombefestigung und
die Anwendung des Solidviolett in der Färberei und Druckerei.
H. Schmid, über die neueren Mittel der
Chrombefestigung.
Das Chrom läſst sich bekanntlich nicht wie Eisen und Thonerde aus dem essigsauren
Salze durch Hängen auf der Faser unlöslich abscheiden. Um beizendes Chromoxyd auf
dem Wege unmittelbarer Fällung niederzuschlagen, wendet man, wie H. Schmid in der Chemikerzeitung, 1885 S. 1373 ff. ausführlicher berichtet, am besten
kohlensaures Natron an.
H. Koechlin rieth seiner Zeit, die Stücke in einem
warmen Bade von 50g Chromalaun in 1l zu klotzen, scharf zu trocknen und in einem
heiſsen concentrirten Sodabade zu fixiren (vgl. 1883 248
39. 83). Besser ist, die angewendeten Chrombeizen schon zum Voraus theilweise durch
Alkalicarbonat zu neutralisiren und z.B. aus dem normalen Sulfat und Nitrat des
Chromes die noch löslichen basischen Salze von der Formel: Cr4(SO4)3(OH)6 und Cr2(NO3)3(OH)3 herzustellen,
ehe man damit das Gewebe tränkt und dem fixirenden Einflüsse der Soda aussetzt.
Die Badische Anilin- und Sodafabrik in Mannheim schlug
vor einigen Jahren vor, zum Zwecke der Chrombefestigung die Faser in Türkischrothöl
zu beizen, bei höherer Temperatur (50 bis 60°) zu trocknen und durch abgestumpftes
Chromchlorid zu nehmen, wobei fettsaures Chrom sich abscheiden würde. Es ist dieses
Verfahren gewissermaſsen eine Nachbildung des neueren
Türkischroth-Beizprozesses.
Ein weiteres Mittel ist beim Chrombeizen von Garnen hier und da praktisch versucht
worden, indem man abwechselnd in Bäder von Kaliumbichromat und Natriumbisulfit
tauchte und diese Arbeit so lange wiederholte, bis sich die genügende Menge Chrom
auf der Faser niedergeschlagen hatte. Hierbei ging viel Chrom durch Reduction in den
Bädern verloren. H. Koechlin hat ein Verfahren
ausgebildet, welches im Grunde auf dieser Reaction beruht, aber, ohne die dort
gerügten Uebelstände zu zeigen, sich sowohl zur stellenweisen Befestigung des
Chromes beim Drucke, als auch zur sogen. Unibeizerei eignet. Die Beize besteht aus
800g Kaliumbichromat, 2l Wasser, 0l,6
Ammoniak, dann 800g Natriumhyposulfit, 4l Tragantlösung (60g in 1l) und 0l,5
Magnesiumacetat von 30° B. Man klotzt oder druckt diese Mischung, trocknet und
dämpft 1½ bis 2 Stunden. Das Kaliumammoniumchromat verliert unter dem Einflüsse des
Dampfes sein Ammoniak, wird sauer und läſst sich durch das Hyposulfit reduciren;
gleichzeitig verliert auch das Magnesiumacetat seine Essigsäure und Chromoxyd und
Magnesia bleiben in Form eines kräftiger wirkenden und solidere Lacke gebenden
Doppelbeize auf der Faser zurück. Man wäscht und färbt.
Diese Reaction erfordert, um nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, ein
anhaltendes, kräftiges Dämpfen. Leider betheiligt sich unter diesen Umständen auch
oft die Faser am Reductionsprozesse der Chromsäure und gibt, in Folge von Bildung
von Oxycellulose, Anlaſs zur Schwächung des Gewebes. Durch starkes Dämpfen kann
übrigens schon das essigsaure Chrom Chromoxyd auf der Faser abscheiden und,
namentlich in Gegenwart von essigsaurer Magnesia, eine gute Beize liefern, ohne
Angriff des Stoffes. Auf 3 Th. essigsaures Chrom von 20° B. nimmt man z.B. 1 Th.
essigsaure Magnesia von 25° und verdickt mit 3 Th. eines geeigneten
Verdickungsmittels. Je stärker der Antheil Magnesia, um so kräftiger wird z.B. der
mit Solid violett gefärbte Ton.
Ein sinnreiches Verfahren der Chrombeizung, welches in Fällen, wo der Kostenpunkt
weniger ins Gewicht fällt, von Nutzen ist, verdanken wir C.
Koechlin; dasselbe beruht darauf, daſs ein unlösliches, auf der Faser
befestigtes Metalloxyd ein anderes aus seinen Salzlösungen auf sich niederschlagen
kann. Im vorliegenden Falle ist es Zinnoxyd, welches Chromoxyd aufnimmt, und zwar
wirkt hierbei am kräftigsten ein Gemenge von Zinnprotoxyd und Zinnperoxyd, SnO und
SnO2, wobei in den anzugebenden Bedingungen die
Entstehung eines Sesquioxydes, Sn2O3, angenommen werden kann, welches der beim Färben
wirksamen Form der anderen Metallbeizen Al2O3, Fe2O3, Cr2O3 entspräche. Man beizt die Baumwolle in einem Bade,
welches für 100k Waare 10 bis 12k Zinnsalz, 5k,3
Zinnchlorid von 55° B. (entsprechend 3l) und 2k,5 Schwefelsäure von 66° B. neben der zur vollständigen Benetzung nöthigen Menge Wasser enthält.
Man überläſst die ausgewundenen Stränge eine Nacht sich selbst behufs
vollständigerer Fixirung des Zinnes, wäscht dann gründlich und nimmt schlieſslich
durch ein Bad von 100g Sodakrystalle in 1l bei 40°. Nach Auswaschen ist die Waare zum
Chrombeizen fertig.
Die gezinnte Baumwolle wird während einer Stunde bei 80° in einem Bade von 40 bis
50g Chromalaun in 1l herumgezogen. Wahrscheinlich wäre auch hierbei
die Anwendung von schon zum Voraus theilweise abgestumpften Chromsalzen, wie Cr4(SO4)3.(OH)6,
zweckentsprechender. Hierbei zieht die Waare eine genügende Menge Chromoxyd an, um
beim Färben sehr solide und dunkle Töne zu erzeugen, wobei sich natürlich bei der
Lackbildung der Einfluſs des Zinnoxydes mit demjenigen des Chromoxydes mischt (vgl.
1883 247 430).
Die beschriebene Methode ist zu umständlich und zu kostspielige um eine allgemeine
Anwendung in der Praxis zu beanspruchen. H. Koechlin
ist es gelungen, dieselbe neuerdings durch eine einfachere und weit wohlfeilere
Methode zu ersetzen. Wie bekannt, lösen die kaustischen fixen Alkalien im
Ueberschusse den Niederschlag von Cr2(OH)6, welchen sie in Chromsesquioxydsalzen anfänglich
hervorgebracht haben, wieder auf. Die so erhaltene Lösung von dem Natriumaluminate
analogem Alkalichromit besitzt die merkwürdige Eigenschaft, in Berührung mit der
Pflanzenfaser in ganz kurzer Zeit ihr Chromoxyd an letztere abzugeben, so daſs beim
Waschen das Aetzalkali wegfällt und grünes, als Beize sehr wirksames Chromhydrat
fixirt bleibt. Die von der Faser ausgeübte rein physikalische Anziehungskraft spielt
hierbei die Hauptrolle; denn während das Chromoxyd sich im alkalischen Bade während
24 bis 48 Stunden in Lösung erhält, genügen 2 Stunden der Berührung mit dem
Zellstoffe, um vollständige Fällung hervorzurufen. H.
Koechlin geht vom essigsauren Chrom aus: 1l Chromacetat von 20° wird mit 2l
Natronlauge von 38° und 0,5 bis 1l Wasser
versetzt, das Gewebe oder Garn kalt mit dieser Lösung getränkt, ausgerungen oder
ausgepreſst und während etlicher Stunden sich selbst überlassen. Die Calico-Stücke
z.B. gehen breit durch die Klotzmaschine, rollen sich unmittelbar auf und bleiben
sich so z.B. während der Nacht überlassen: sie absorbiren im Allgemeinen zwischen
120 und 140 Procent der alkalischen Beize. Beim darauf folgenden Waschen sieht man
darauf, sie auf einmal mit einer möglichst groſsen Menge flieſsenden Wassers in
Berührung zu bringen, damit das freie Alkali sogleich möglichst verdünnt und
weggeschwemmt wird. Es ist dieser Beizprozeſs durchaus kein Seitenstück der
Thonerdebefestigung mit Hilfe von Natriumaluminat; denn bei letzterer wird
getrocknet und gehängt, damit die atmosphärische Kohlensäure die Thonerde fällt.
Dann vervollständigt man die Fixation durch Salmiakbäder. Die Kohlensäure der Luft
hat beim Chrom verfahren keine Zeit, in merklicher Weise einzuwirken, und
Ammoniaksalz haltige Abzugsbäder sind nutzlos. Ueberhaupt erscheint das
Alkaliverfahren der Chrombefestigung insofern als die vollkommenste und einfachste
Art der Beizerei, als alle bei den gewöhnlichen Beizen unumgänglichen, Zeit
raubenden Arbeiten des Trocknens, Hängens oder Oxydirens, Kuhkothens oder
Degummirens wegfallen. Es wird eines der Endziele der Färberei sein, die Befestigung
der Metalloxyde im Allgemeinen auf ein solches Maſs der Arbeit zu beschränken, d.h.
ihre Beizen derart zu construiren, daſs sie durch bloſse Berührung mit der Faser und
auch schon im feuchten Zustande den wirksamen Theil darauf niederschlagen (vgl. 1885
255 447).
Die Koechlin'sche Beizflüssigkeit kommt ziemlich theuer
zu stehen (20 bis 25 Pf. für 1k), da sich schon
der Herstellungspreis des Ausgangspunktes, des essigsauren Chromes, auf etwa 45 bis
50 Pf. berechnet. Schmid hat deshalb praktisch das
Chromacetat unmittelbar durch Chromhydrat ersetzt und so durch Umgehung der Essigsäure die Kosten
fast auf die Hälfte herabgerückt. Chromalaun wird mit Sodasalz gefällt und die
gewaschene Chrompaste in Natronlauge gelöst; die Menge der letzteren könnte hierbei
zudem um diejenige vermindert werden, welche zum Voraus zur Sättigung der Essigsäure
im Chromacetat unnütz verbraucht wurde. Die Beize besteht aus 17k,5 Chromoxydpaste, 40l Natronlauge von 36°, 12 bis 15l
Wasser. 150 Th. dieser Chrompaste entsprechen 100 Th. krystallischem Chromalaun, zu
deren Fällung 32 Th. Soda verwendet werden; sie enthält demnach 10 Proc. Cr2O3. Man löst zuerst
das Chromoxyd in der concentrirten Lauge kalt unter Umrühren und verdünnt hierauf
mit dem Wasser.
Die alkalische Chrombeize ist leider nicht haltbar; nach 1 bis 2 Tagen findet
vollständige Fällung in der Flüssigkeit statt. Dieselbe kann allerdings durch Zusatz
von Glycerin auf längere Zeit hinausgeschoben werden; doch muſs mit letzterem sehr
vorsichtig umgegangen werden, indem bei einer zu starken Gabe die Faser kein
Chromoxyd mehr zurückhält. Zu dem zuletzt angegebenen Bade dürfte z.B. nicht mehr
als 1k Glycerin zugesetzt werden. Da in Gegenwart
eines starken Ueberschusses von Aetznatron die Chromlösung klar bleibt, so hat Schmid vorgezogen, die Haltbarkeit der bleibenden Beize
in der Weise zu erreichen, daſs er sie nach der Behandlung mit einem bekannten
Ueberschusse von Lauge versetzte und denselben bei einer neuen Beizbehandlung mit
der entsprechenden Menge Chrompaste wieder abstumpfte. In allen Fällen wird man nie
mehr wie die nöthige Menge Beizbad auf einmal bereiten. Je kaustischer im
Allgemeinen die Chromlösung ist, desto besser beizt sie. Bei einer unzureichenden
Menge von NaOH scheidet sich, trotz vollständiger Lösung, kein oder ungenügendes
Chromoxyd ab. Auf der anderen Seite erleidet bei zu weit getriebener Kausticität die
Faser eine starke Zusammenziehung; letztere findet bei diesem Beizverfahren immer
statt, aber sie ist, in bescheidenem Maſse ausgeübt, insofern nicht unwillkommen,
als durch eine eigenthümliche Wirkung der „Mercerisation“ die Faser dabei an Festigkeit gewinnt. Zarte
Musselingewebe wurden durch die alkalische Chrombeizung fast unzerreiſsbar. Das auf
der Faser haftende Chromoxyd hält etwas Natron chemisch gebunden zurück, welches man
demselben durch Waschen nicht entziehen kann, wie durch Erhitzen mit Salmiaklösung
leicht festzustellen ist. Die Beize ist daher als ein sehr saures Natriumchromit zu
betrachten, d. i. eine Verbindung von Cr2O3 und Na2O, worin
das erstere die Rolle der Säure spielt.
Das von H. Koechlin durch Einwirkung von
Nitrosodimethylanilin auf Gallussäure dargestellte Solidviolett wird seit einigen Jahren regelmäſsig vom Hause Durand und Huguenin in Basel erzeugt und hat in letzter
Zeit sehr an Bedeutung gewonnen in Folge des Bekanntwerdens des damit erzielbaren,
sich in Bezug auf Schönheit und Widerstandsfähigkeit dem Indigo nähernden Blau. Die beliebtere, den Krystallen vorzuziehende Handelsform ist
die einer dünnen, cantharidengrünen, bei Verdünnung lebhaft violetten, 10procentigen
Paste, welche, zum Färben bestimmt, auf 64l mit
1l concentrirter Bisulfitlösung, behufs
Erhöhung der Löslichkeit, versetzt ist und auch als „Violet solide B. S.“ bezeichnet wird (vgl. 1882 243 162).
Dieser Farbstoff kann unmittelbar auf die in angegebener Weise mit Chrom gebeizte
Baumwolle gefärbt werden und erzeugt hierbei schöne blauviolette Töne, welche in
Bezug auf Lebhaftigkeit an Anilinviolett erinnern, aber sich hiervon in
vortheilhafter Weise durch ihre ungleich gröſsere Beständigkeit unterscheiden. Färbt
man das Solidviolett in Gegenwart gelber Farbstoffe, wie Quercitron, Kreuzbeeren u.
dgl., so erhält man dunkelblaue, Indigo ähnliche Töne, welche sich in kurzer Zeit
die Gunst des Färbers erobert und auf dem Festlande, wie in England, in Wettbewerb
mit dem eigentlichen Indigo, vielfach aufgefärbt werden.
Das Färbebad wird je nach dem gewünschten Tone mit 10 bis 15 Procent vom Gewichte der
Baumwolle an Solidviolett und 6 bis 12 Proc. Quercitronextract von 10° B.
zusammengesetzt und hierzu fügt man noch, um etwas gröſsere Lebhaftigkeit und
gröſsere Indigoähnlichkeit zu erzielen, 1 bis 2 Proc. Tannin und 0,1 bis 0,2 Proc.
Methylenblau. Stückwaare kann in dieser Flotte breit im Aufsetzkasten (Gigger) oder
im Strange gefärbt werden. Man fährt bei gewöhnlicher Temperatur ein und steigert
letztere ganz allmählich und regelmäſsig in 1½ Stunden bis auf 70°, bei welcher
Temperatur man ¼ bis ½ Stunde verbleibt. Das Bad wird vollständig ausgezogen.
Hierauf wäscht man und trocknet. Läſst man Dämpfen folgen, so dunkelt nicht nur die
Farbe bedeutend nach, sondern wird auſserdem viel widerstandsfähiger. Ebenso ist der
Farbstoff ergiebiger, wenn die alkalische Chrombeize auf Stoff gebracht wurde,
welcher in Zinnchlorid (1l SnCl4 von 55° auf 16l
Wasser) vorbereitet wurde. Das erhaltene Blau widersteht dem Seifen und dem Lichte
sowie verdünnten Säuren ausgezeichnet und, wenn es auch gegenüber kohlensauren
Alkalien nicht die Solidität des Küpenblau zeigt, so besitzt es dafür über das
letztere den Vortheil, beim Reiben nicht abzufärben. Die Faser ist eben durch und
durch gefärbt und von dem Farblacke durchdrungen, während der Indigo bekanntlich
mehr an der Oberfläche sitzt und sich daher bei oft wiederholtem Waschen und der
dabei stattfindenden Reibung je länger desto mehr ablöst.
Ein weiterer Vortheil des mit Solidviolett erzeugten Echtblau liegt in der
Leichtigkeit, mit welcher sich sein Ton, je nach Wunsch, vom reinen Violett bis zum
grünsten Blau, ändern läſst durch einfache Aenderung der wechselseitigen
Mengenverhältnisse von Violett B. S. und Quercitron, während Indigo diese,
Aenderungen nicht zuläſst. Vergleicht man in Bezug auf den Kostenpreis die beiden
Blau mit einander, so wird, wenn man nur den Aufwand der nöthigen Stoffe in Betracht
zieht, das neue Blau bei
den heutigen herabgegangenen Preisen des Indigo nicht viel billiger zu stehen kommen
als das Küpenblau; aber seine Erzeugung ist eine so einfache und in vielen Fällen
bequemere, daſs sie namentlich solchen Färbern einleuchten wird, welche möglichst
echte „Uniblau“ zu färben haben und sich doch nicht zur Aufstellung der
Küpenfärberei entschlieſsen können. Der erwähnte Umstand, daſs man auſserdem seine
Schattirungen und Tinten in der Hand hat, trägt hierzu das Seinige bei. Verstärkt
man endlich das Färbebad durch kleine Mengen von Blauholzauszug, so lassen sich sehr
dunkle und dabei doch beständige blaue Töne zu verhältniſsmäſsig billigen Preisen
herstellen.
Ein nicht zu verachtender Vortheil des Solidviolett ist jedenfalls auch seine
chemische Doppelnatur; es ist nicht nur, seinem Hauptcharakter entsprechend, ein
phenolartiger Farbstoff, welcher sich wie Alizarin u. dgl. mit Metalloxyden zu unlöslichen Verbindungen vereinigt,
sondern kann sich auch andererseits wie die Farbamine verhalten und sich mit Gerbsäure zu Lacken verbinden. In der That läſst sich
Gallocyanin mit Tannin allein fixiren, wenn auch diese Farbe nicht so schätzenswerth
ist wie die durch Chrom erzeugte. Das mit Metalloxyden befestigte Solid violett
verhält sich wiederum wie die meisten sauren Hydroxylfarbstoffe und zieht
Anilinfarbstoffe auch ohne Mithilfe von Tannin an: mittels der letzteren können also
die Gallocyaninfarben „remontirt“, „raffleurirt“, d.h. geschönt
werden.
Was dem neuen Blau im Vergleiche zum Indigoblau abgeht, ist die Aetzbarkeit. Es läſst sich bis jetzt durch kein Mittel
schön und rein vom Stoffe entfernen; sollten also z.B. weiſse Muster auf blauem
Grunde hervorgebracht werden, so müſste schon die Chrombeize vor dem Färben weiſs geätzt werden, sei es durch Entfernung des Cr2O3 mittels
Citronensäure, sei es durch Verwandlung desselben in lösliches Alkalichromat;
letzteres lieſse sich durch Aufdruck von Ferricyankalium und Durchziehen durch
Natronlauge erreichen.
Der grünen Chromoxydbeize gehört die Zukunft; sie zieht
alle anderen sauren Hydroxyl haltigen Farbstoffe mit derselben Leichtigkeit an wie
Gallocyanin; mit Alizarin, den Purpurinen und Nitroalizarin gibt sie die als Granat,
Puce, Braun u. dgl. bezeichneten Farbtöne, mit Coerulein Grün mit Olivestich, ein
kräftiges Blau mit Alizarinblau S, ein solides Schwarz mit Blauholz und auch
Victoriablau scheint sich auf derselben zu fixiren. In den angegebenen Farbstoffen
besitzt man ein Mittel, die Gallocyanintöne in der verschiedensten Weise zu wechseln
und zur Bildung einer schätzenswerthen und nützlichen Farbenreihe heranzuziehen.
Anwendung des Gallocyanins in der Druckerei. Soll das
Solidviolett als solches für sich allein fixirt werden, so ist für eine
entsprechende Dampffarbe folgende Formel zu empfehlen: 3k Stärke, 3k gebrannte Stärke, 5l Wasser, 15l
Solidviolettpaste, 2l Essigsäure von 8°, kochen
und kalt zufügen
5l Chromacetat von 20°, 500g Rhodankalium. Die groſse Wichtigkeit des
Solidviolett liegt jedoch nicht in seiner Anwendung als Violett, welches ja
bekanntlich eine verhältniſsmäſsig wenig gebrauchte und beliebte Farbe ist, als
vielmehr in seiner Benutzung in den verschiedenen, heutzutage in „Robes- und
Möbelartikel“ eine so wichtige Rolle spielenden Misch- und Modefarben. Was
dem Coloristen bis jetzt bei der Schöpfung seiner reichen und vielfarbigen
Dampfwaaren gefehlt hat, ist das violette oder blaue, mit Chrom fixirbare
und hinlänglich beständige Element. Alizarinviolett
allerdings wäre eine derartige beständige Farbe; aber es verlangt zu seiner
Befestigung Eisen und eignet sich daher nicht so gut zur Mischung mit allen anderen
auf Anwendung der Chrombeize gegründeten Farbenmischungen; zudem läſst seine
Conservirung sehr zu wünschen übrig. Alizarinblau S
wäre das blaue Element ersten Ranges; die Bezeichnung „gutfärbig“ gebührt
demselben mit Recht; aber sein Preis ist für gewöhnliche Mischfarben unerschwinglich
und auch es unterliegt in Folge seiner chemischen Zusammensetzung, seines
Bisulfitgehaltes, einer mehr oder weniger raschen Veränderung in den fertigen
Farben. Es bleibt also nichts mehr zur Hervorbringung der Unzahl von Olive-, Mode-,
Cachou- u. dgl. Tönen wie der Blauholzauszug oder seine oxydirten und nachträglich
wieder reducirten Substitute, wie Indigoersatz, sogen. „Noir réduit“ o. dgl. Die Schwierigkeit, mit Campecheextract
regelmäſsig arbeitende und in den Tönen sich gleich bleibende Farben herzustellen,
kennt man ebenso gut wie der letzteren mangelhafte Lichtbeständigkeit. Das
Gallocyanin, frei von diesen Nachtheilen, möchte also mit Vortheil an Stelle all der
genannten Farben angewendet werden. Viele Drucker, namentlich in England, stellen
ihre Olivetöne her durch Mischen von mit Chrom fixirtem Quercitron-,
Kreuzbeerenextract u. dgl. mit einem Gemenge von Anilinviolett und Anilingrün; das
Prinzip „billig, aber schlecht“ ist in diesem Systeme unverkennbar und im
Interesse der Hebung des Credites der bedruckten Erzeugnisse wäre es zu wünschen,
daſs beständigere Farben an Stelle jener hinfälligen Theerderivate treten
möchten.
Durch Mischen von Kreuzbeeren-, Quercitron- oder Wauextract mit Gallocyanin lassen
sich, in Gegenwart von Chromacetat, alle möglichen Schattirungen von Olive erzeugen,
welche durch gleichzeitige Anwendung von Alizarin ins Braune, Cachou, gezogen und,
wenn anstatt durch Chrom allein durch ein Gemenge von Chrom und Aluminium fixirt
wird, wiederum in mannigfacher Weise geändert werden können. Durch ein Gemenge von
Kreuzbeerenextract, Gallocyanin und Alizarin oder von Coeruleïn und Gallocyanin
können hübsche echte Grau erhalten werden; Alizarin und Gallocyanin mit Chrom geben
lebhafte Pflaumen- und Pucetöne; Gallocyanin mit Blauholzextract, in Gegenwart von
Chlorat, oder mit Indigoersatz ohne Chlorat, erzeugt beim Dämpfen ein
verhältniſsmäſsig beständiges Dunkelindigoblau.
Eine nützliche Anwendung des Gallocyanins im Woll- und Seidendrucke von H. Koechlin betrifft ein Aetzblau auf Azofarbstoffen. Die Wolle wird zuerst eintönig in Ponceau
oder einen anderen beliebigen Azofarbstoff gefärbt. Hierauf druckt man ein Gemenge
von Solidviolett, Indophenol und einem alkalischen Reductionsmittel auf und dämpft;
der Azofarbstoff erleidet hierbei durch Reduction die bekannte charakteristische
Spaltung, während die blauen, in Leukoverbindungen verwandelten Farbstoffe in die
Faser eindringen und beim nachherigen Aussetzen an der Luft unlösliches, fest
haftendes Blau auf rothem Grunde regeneriren. Folgendes ist die Zusammensetzung der
Farbe: 4k Indophenol in Pulver, 10l Zinnoxydulhydratpaste, 14l dickes Dextrinwasser (2k,5 Dextrin auf 1l), 6l Wasser, 4k Sodakrystalle, 10l Solidviolett B. S., 5l Glycerin. Man
erwärmt während ½ Stunde auf 60° bis zur vollständigen Reduction, welche durch
gelbliche Farbe des Gemisches angezeigt wird. Dann druckt man, dämpft und läſst sich
das Blau durch Hängen vollständig entwickeln. In dieser Weise ersetzt man auf Wolle
in hübscher Weise den bekannten Schlieper und
Baum'schen Alizarin-Indigoartikel.