Titel: Zur Verarbeitung der Alkalien (Patentklasse 75).
Fundstelle: Band 260, Jahrgang 1886, S. 231
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Zur Verarbeitung der Alkalien (Patentklasse 75). Zur Verarbeitung der Alkalien. Das Verfahren von O. N. Witt in Westend-Charlottenburg (D. R. P. Nr. 34395 vom 22. Mai 1885) zur Darstellung von Salzsäure und Ammoniak aus dem Salmiak des Ammoniaksodaprozesses gründet sich auf die Thatsache, daſs Salmiak sich mit syrupöser Phosphorsäure in Salzsäure und Ammoniumphosphate umsetzt. Man erhitzt das Gemisch beider bis zum vollständigen Entweichen der Salzsäure, welche in bekannter Weise aufgefangen und verdichtet wird. Der in den Retorten verbleibende Rückstand gibt bei weiterem Erhitzen sein gesammtes Ammoniak ab. Dasselbe wird aufgefangen und aufs Neue in der Sodafabrikation verwendet. Die schlieſslich in den Retorten verbleibende glasige Phosphorsäure wird in Wasser gelöst und zur Spaltung neuer Mengen Salmiak verwendet. Die Abscheidung des Salmiaks aus den Carbonisationslaugen der Sodafabrikation geschieht nach bekannten Verfahren entweder durch Abdampfen zur Trockne und Sublimation, oder durch passend geleitete fractionirte Krystallisation. E. W. Parnell und J. Simpson in Liverpool (D. R. P. Nr. 35122 vom 5. Juni 1885) wollen bei der Gewinnung von Ammoniak aus dem durch Behandeln der Rückstände des Leblanc'schen Prozesses mit Chlorammonium erhaltenen Schwefelammonium die Anwendung des Kalkes dadurch vermeiden, daſs sie die Rückstände mit den aus dem Ammoniaksodaprozesse erhaltenen Chlorammoniumlaugen auf 100° erhitzen. Die entweichenden Dämpfe von Schwefelammonium werden dann mit einer Ammoniumbisulfatlösung in einer geeigneten Weise zusammengebracht, beispielsweise dadurch, daſs man das genannte Sulfid durch einen Thurm hindurchleitet, in welchem das Bisulfat nach unten herabflieſst. Hierbei bildet sich neutrales Ammoniumsulfat unter Schwefelwasserstoffentwickelung. Die Lösung des neutralen Ammoniumsulfates wird in einem Bleikessel eingedampft und dann das trockene Ammoniumsulfat in einem anderen Gefäſse, welches aus Guſseisen bestehen kann, so lange erhitzt, bis ein Theil seines Ammoniaks etwa bis zu 30 oder 40 Proc. entweicht. Das Ammoniak wird in Wasser oder einer Soole gelöst und zur Darstellung von Soda durch den bekannten Ammoniakprozeſs verwendet, während das zurückbleibende Ammoniumbisulfat, in Wasser gelöst, durch eine weitere Schwefelammoniummenge behandelt und neutralisirt wird, bis es sich wieder in das neutrale Ammoniumsulfat umgewandelt hat. Diese Behandlung kann ununterbrochen wiederholt werden. Der bei diesem Vorgange entwickelte Schwefelwasserstoff kann zur Gewinnung von Schwefel oder Schwefelsäure durch eine der bekannten Methoden verwendet werden. Bei der Erhitzung des neutralen Ammoniumsulfats muſs, um das Ammoniak im freien Zustande zu erhalten, dafür Sorge getragen werden, daſs die Temperatur nicht über 380° steigt, da sonst ein Verlust durch Zersetzung des Ammoniaks in der Hitze eintritt. Behufs leichter Entwickelung von mehr als 30 bis 40 Proc. Ammoniak durch Erhitzen und unter geringem Verluste an solchem wird das Sulfat eines Alkalis, welches ein Bisulfat bilden kann, vor dem Einkochen dem Ammoniumsulfate zugesetzt. Geeignet soll namentlich Kaliumsulfat sein; da dieses eigentlich nur zur Absorption der aus dem Ammoniumbisulfate abgegebenen Säure dient, so kann eine gegebene Menge wiederholt verwendet werden. Wenn eine Sodafabrik Soda in etwa gleichen Theilen mit dem obigen Verfahren und mit dem Leblanc'schen Prozesse darstellt, so kann der für letzteren verwendete Schwefel zum Zwecke der Wiederverwendung oder zum Verkaufe durch das Chlorammonium des ersten Verfahrens wiedergewonnen werden, während die Ausgabe zur Beseitigung der Alkalirückstände vermieden und schädliche Gerüche nahezu vollständig-verhindert werden. Nach C. T. Richardson (Englisches Patent 1884 Nr. 10418) sollen Chlorcalciumlaugen vom Weldon'schen Prozesse, vom Ammoniaksodaverfahren u. dgl., um sie zu verwerthen, mit einer Lösung von schwefelsaurem Ammonium gefällt werden. J. W. Kynaston in Liverpool (D. R. P. Nr. 34825 vom 10. März 1885) will die Sodarückstände auf Schwefel und Calciumsulfit verarbeiten. Die Rückstände werden mit einer Lösung von Magnesiumchlorid von etwa 1,200 bis 1,225 sp. G. behandelt und zwar setzt man auf 1 Aeq. Calciumsulfit der Rückstände 1,5 Aeq. Magnesiumchlorid zu: CaS + MgCl2 + 2H2O = H2S + CaCl2 + MgH2O2. Etwa überschüssiges Magnesiumchlorid bleibt unverändert. Der gebildete Schwefelwasserstoff wird abgeleitet und im späteren Verlaufe der Arbeit verwerthet. Das verbleibende Gemisch, welches gleiche Theile Calciumchlorid und Magnesiumhydrat sowie das überschüssige Magnesiumchlorid und etwas Calciumcarbonat enthält, wird filtrirt, um die groben Bestandtheile auszuscheiden. In die filtrirte Lösung wird gasförmige Schwefligsäure eingeleitet, welche etwa durch Verbrennen von Pyriten oder aus Schwefelwasserstoff erzeugt werden kann. Die Säure wird gelöst und hierdurch das Calciumchlorid in Sulfit übergeführt. Das Magnesiumhydrat geht dabei in Chlorid über: CaCl2 + Mg(OH)2 + SO2 = CaSO3 + MgCl2 + H2O. Nach vollendeter Zersetzung des Calciumchlorids wird weitere Schwefligsäure eingeleitet, bis auch das Calciumcarbonat in das Sulfit übergeführt ist, wobei natürlich Kohlensäure frei wird. Das Endproduct besteht also aus unlöslichem Calciumsulfit, welches rasch zu Boden sinkt, und einer darüber stehenden Lösung von Magnesiumchlorid, welche letztere nach gehöriger Concentration zur Zersetzung einer weiteren Menge der Rückstände benutzt wird. Das Calciumsulfit wird sorgfältig gewaschen, um den letzten Rest von Magnesiumchlorid daraus zu entfernen, dann mit Wasser angerührt und nun der vordem gewonnene Schwefelwasserstoff eingeleitet. Hierbei kommt jedoch nur so viel Calciumsulfit zur Verwendung, daſs die in demselben enthaltene Menge an Schwefel halb so groſs ist wie die im Schwefelwasserstoffe. Gleichzeitig mit dem Einleiten des Schwefelwasserstoffes wird auf dem Boden des Gefäſses flüssige Salzsäure eingeführt und der Zufluſs derart geregelt, daſs auf je 2 Aeq. Schwefelwasserstoff 2 Aeq. Chlorwasserstoff kommen. Die Salzsäure kann auch in Gasform und gleich mit dem Schwefelwasserstoffgase in gleichen Mengenverhältnissen vermischt in das Sulfitgemisch eingeleitet werden. In beiden Fällen findet das Ausscheiden des Schwefels nach folgender Gleichung statt: CaSO3 + 2H2S + 2HCl = CaCl2 + 3S + 3H2O. Da Schwefligsäure nur dann frei wird, wenn sie mit Schwefelwasserstoff zusammentrifft, so wird angeblich die Bildung der Thionsäuren verhindert. Gerade die gleichzeitige Entstehung dieser Säuren soll aber daran Schuld gewesen sein, daſs alle bisherigen Versuche, durch Zersetzen von Schwefelwasserstoffgas mittels Schwefligsäure sämmtlichen Schwefel zu gewinnen, zu keinem erfolgreichen Ziele geführt haben. Der Rest des Calciumsulfits wird durch geeignete Behandlung mit Schwefligsäure in Bisulfit übergeführt. Zur Herstellung von Soda will A. Kayser (Amerikanisches Patent Nr. 320256) durch rothglühendes Natriumsulfat ein Gemisch gleicher Theile Kohlensäure und Kohlenoxyd leiten. Schwefligsäure soll entweichen, während Soda zurückbleibt. Das im Handel als Ammonium carbonicum albissimum vorkommende Ammoniumcarbonat gibt nach Analysen von Hanekop (Archiv der Pharmacie, 1886 Bd. 224 S. 21) im Mittel 23,54 Proc. Ammoniak und 53,84 Proc. Kohlensäure, ist daher im Wesentlichen halbgesättigtes saures Salz. An der Luft verdunstet es viel weniger rasch als das alte kohlensaure Ammoniak. G. Lunge und J. Schmid (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1885 S. 3286) versuchten die Grenzen der Umwandlung von Natriumcarbonat in Natriumhydrat durch Kalk festzustellen. Die Versuche unter gewöhnlichem Luftdrucke ergaben folgende Zahlen: Die Lauge enthält vor demKausticiren: Nach dem Kausticiren sind vorhandenim Zustande von NaOH von100 Th. Natron: Proc. Na2CO3 Spec. Gew. Versuch I Versuch II   2 1,022 bei 15°       99,4 Th.       99,3 Th.   5 1,052 99,0 99,2 10 1,107 97,2 97,4 12 1,127 96,8 96,2 14 1,150 94,5 95,4 16 1,169 bei 30° 93,7 94,0 20 1,215 90,7 91,0 Die Analyse der erhaltenen kaustischen Laugen wurde in der Weise ausgeführt, daſs man den genannten alkalimetrischen Titer mittels Methylorange und den Gehalt an Natriumhydrat mittels des Verfahrens von Cl. Winkler: Zusatz von Chlorbarium und von Phenolphtaleïn als Indicator, Austitriren mit Oxalsäure bis zum Verschwinden der Farbe, festgestellt. Bezügliche Versuche, welche unter Druck bei 148 bis 153° ausgeführt wurden, ergaben: Die Lauge enthält vor demKausticiren: Nach dem Kausticiren sind vorhandenim Zustande von NaOH von100 Th. Natron: Proc. Na2CO3 Spec. Gew. Versuch I Versuch II 10 1,107 bei 15°         97,06 Th.       97,5 Th. 12 1,127   96,35 96,8 14 1,150 95,6 96,6 16 1,169 95,4 94,8 20 1,215   91,66   91,61 Hiernach verspricht die Anwendung von Hochdruck bei der Kausticirung keine ersichtlichen Vortheile. Wohl aber dürfte es sich empfehlen, gründlicher umzurühren, als es jetzt meist geschieht. (Vgl. K. W. Jurisch 1881 239 395.) Nach C. Wigg (Englisches Patent 1884 Nr. 3673 und 7525) werden aus den beim Ammoniaksodaprozesse erhaltenen Salmiaklaugen Ammoniak und Ammoniumcarbonat abdestillirt; die Lauge wird dann verdunstet, der gewonnene Salmiak mit gepulverter Kreide erhitzt, um Ammoniumcarbonat zu gewinnen. Der Rückstand wird mit Schwefelsäure erwärmt, um Salzsäure und Gyps zu erhalten. Nach einem zweiten Vorschlage wird das in gewöhnlicher Weise erhaltene Sulfat mit einer starken Lösung von Ammoniumcarbonat gemischt und in einem geschlossenen Gefäſse erwärmt. Dann wird Kohlensäure unter Druck eingeleitet, bis alles Ammoniumcarbonat in Bicarbonat verwandelt ist, so daſs Natriumcarbonat ausfällt und Ammoniumsulfat in Lösung bleibt. Das Gemenge wird zunächst durch Gewebe, dann durch Gyps filtrirt, damit etwa der Reaction entgangenes Ammoniumcarbonat zu Ammoniumsulfat umgesetzt werde. Das Filtrat wird abgedampft, um Ammoniumsulfat zu erhalten, oder es wird mit Kochsalz versetzt und bis zum Ausfällen von Natriumsulfat eingedampft, so daſs Salmiak gewonnen wird. Um das beim Ammoniaksodaprozesse erhaltene Natriumbicarbonat völlig von Ammoniak zu befreien, soll es nach A. Gaskell in Widnes (Englisches Patent 1884 Nr. 11775) in einem Kohlensäurestrome erhitzt werden. Zur Gewinnung von Soda will W. Robinson in Gateshead (Englisches Patent 1884 Nr. 10080) eine innige Mischung von Kochsalz, Kohle und Schwefelsäure in einem Ofen erhitzen, aus den entwickelten Gasen Salzsäure und Schwefligsäure gewinnen, den Rückstand aber auf Soda verarbeiten. Zur Herstellung von Krystallsoda wird nach Mactear in Glasgow (Englisches Patent 1884 Nr. 10651) die Rohsodalösung in einem langen Troge, dessen doppelter Boden von Kühlwasser durchflössen wird, kräftig gerührt, damit sich Krystallmehl abscheidet. S. F. Bolton in Westminster (Englisches Patent 1884 Nr. 14866) mischt zur Gewinnung von Aetznatron und Salzsäure Chlornatrium und fein gepulvertes natürliches oder gefälltes Barium- oder Strontiumsulfat, glüht in einer Retorte und leitet überhitzten Dampf darüber. Die entweichende Salzsäure wird in bekannter Weise wieder gewonnen, aus dem Rückstande Natron ausgelaugt und durch Eindampfen von Chlornatrium befreit.