Titel: Wilh. Meyer's schnell laufende Dampfmaschine.
Fundstelle: Band 260, Jahrgang 1886, S. 357
Download: XML
Wilh. Meyer's schnell laufende Dampfmaschine. Mit Abbildungen auf Tafel 22. Meyer's schnell laufende Dampfmaschine. Die allgemeinere Einführung der elektrischen Beleuchtung verlangt Dampfmaschinen, welche mit möglichst wenigen Uebertragungsmitteln die fast durchweg hohe Umlaufszahlen verlangenden Dynamomaschinen treiben können, deren Kurbelwelle also unmittelbar an die Ankerwelle der Dynamomaschine gekuppelt werden kann. Hierbei kommt oft noch die geringe Platzbeanspruchung der Dampfmaschine, wie z.B. auf Schiffen, weiter ein möglichst geringes Gewicht in Frage. Bisher ist die Lösung dieser Aufgaben zumeist durch die Anordnung mehrerer einfach wirkender Cylinder versucht worden. Alle diese Maschinen haben aber einen groſsen Dampfverbrauch, so daſs ihr Betrieb nicht sparsam genug wird. Man könnte nun ganz gut mit einer gewöhnlichen Schiebermaschine Umlaufszahlen bis zu 1000 in der Minute erzielen, wenn deren Theile entsprechende Anordnung erhalten. In erster Linie ist wohl die Dampfvertheilung durch einen hin und her bewegten Schieber zu beseitigen, da der wechselnde Zug und Druck in den Gelenkverbindungen der bewegenden Theile zu einer raschen Abnutzung derselben und damit zu einer schädlichen Einwirkung auf die Dampfvertheilung führen muſs. Die Benutzung von Drehschiebern und Kolbenschiebern, welche allseitig vollkommen dichtschlieſsend in ihrem Gehäuse zu laufen haben, kann nicht empfohlen werden, da die stete Dichthaltung meist schwer zu erreichen ist. Wilh. Meyer in Stefanau hat deshalb nach der Wochenschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins, 1886 * S. 34 zur Dampfvertheilung bei schnell gehenden Dampfmaschinen einen umlaufenden Kammerschieber vorgeschlagen. Derselbe besteht, wie aus Fig. 19 Taf. 22 zu entnehmen ist, aus einem Cylinder, in dessen Umfang eine Anzahl durch Stege abgetheilte Kammern ausgespart sind, so daſs dieser Schieber als eine Kreisanordnung mehrerer einfacher Muschelschieber, welche nach einander in Wirkung treten, aufgefaſst werden kann. Die Anzahl der Kammern des Schiebers ist gleichgültig, da nur die Breite der Stege und die lichte Weite der Kammern auf die Dampfvertheilung von Einfluſs sind. Der Dampf kann diesen Schieber stetig auf seinen Sitz drücken, so daſs derselbe dicht halten muſs, selbst wenn eine Abnutzung der schleifenden Flächen stattgefunden hat. Die schleifenden Flächen liegen auf dem Umfange eines Cylinders, so daſs dieselben überall und bei der gleichförmigen Drehung stets gleiche Geschwindigkeit haben. Die ebenen Stirnflächen des Schiebers brauchen nicht dicht zu halten, da der Dampfzutritt nur durch die Kammern erfolgt. Die Drehungsrichtung dieses Schiebers ist für die Dampfvertheilung ganz gleichgültig und erfolgt die letztere genau so wie beim gewöhnlichen Muschelschieber, wenn die Maſse der Kammer- und Stegweite nach den a. a. O. angeführten Bedingungsgleichungen berechnet werden; eine veränderliche Expansion ist daher nicht erreichbar. Es wird wie beim Muschelschieber lineares Voreilen gegeben und man hat es, wie dort, durch Vergröſserung der äuſseren Ueberdeckung in der Gewalt, eine stärkere Expansion zu erzielen, welcher natürlich dann auch eine stärkere, aber hier ganz erwünschte Compression entspricht. Die Anwendung solcher umlaufender Kammerschieber empfiehlt sich nicht nur für eincylindrige Dampfmaschinen, sondern auch vortheilhaft bei Dampfmaschinen mit zwei und mehr Cylindern, welche mit versetzten Kurbeln arbeiten, da dann alle Kammerschieber auf einer gemeinschaftlichen Welle befestigt werden können, während man bei gewöhnlichen Muschel- oder Kolbenschiebern für jeden derselben besondere bewegende Theile nöthig hat. Die erste Dampfmaschine, welche mit Kammerschiebersteuerung ausgerüstet von der Maschinenfabrik Andritz der Oesterreichischen alpinen Montangesellschaft ausgeführt wurde, ist eine gekuppelte Maschine mit zwei aus einem Stücke gegossenen Cylindern von 100mm Bohrung und 100mm Hub mit einer über den Cylindern liegenden Schieberkammer, wie in Fig. 17 und 18 Taf. 22 veranschaulicht ist. Der Schieber für beide Cylinder ist ein Guſsstück, dessen Kammern entsprechend den unter 90° versetzten Kurbeln um ¼ der Theilung der Kammern (Stegbreite + lichte Weite der Kammer) gegen einander versetzt sind. Diese Dampfmaschine war auf der Elektrischen Ausstellung in Steyr 1884 im Betriebe vorgeführt und befindet sich jetzt in der Fabrik von B. Egger und Comp. in Wien zum Betriebe einer Dynamomaschine aufgestellt. Um den Dampfverbrauch sparsamer zu machen, wurde eine weitere Maschine nach dem Compoundsysteme ausgeführt, wo also der Dampf hinter einander in beiden Cylindern, welche je mit 0,6 Füllung arbeiten, zur Wirkung kommt. Zur Umsteuerung von Dampfmaschinen mit solchem Kammerschieber bedarf es nur der einfachen Verdrehung des Schiebers um einen geringen Winkel, so daſs sich diese Maschinen auch für Schiffszwecke empfehlen. Die in Fig. 17 und 18 dargestellte Maschine besitzt einen sehr empfindlichen Regulator, bei welchem durch Veränderung der Spannung der Belastungsfeder die Maschinenumlaufszahl in den Grenzen von 400 bis 800 Umläufen in der Minute eingestellt werden kann. Der Regulator wirkt auf ein Drosselventil. Eine auf der Budapester Ausstellung 1885 vorgeführte Maschine, welche auf einer Seite mit einer Dynamomaschine für 7 Bogenlampen, auf der anderen Seite mit einer solchen für 60 Glühlampen gekuppelt war, lieſs den mit Hilfe dieses Regulators hervorgebrachten gleichmäſsigen Gang erkennen. Zu bemerken ist noch die Schmierung der Kurbel- und Kreuzkopfzapfen. Ein von Zeit zu Zeit aus einem Oelgefäſse (vgl. Fig. 18) abfallender Tropfen vertheilt sich auf einem guſseisernen Rinnenstücke nach 4 Seiten. Am Ende der 4 Rinnen werden die sich bildenden Tropfen von den eng vorbeigehenden zu schmierenden Maschinentheilen abgestrichen. Bezüglich des Dampfverbrauches liegen Ergebnisse von allerdings nur kurze Zeit andauernden Versuchen vor, wonach eine von der oben erwähnten Maschinenfabrik Andritz ausgeführte Compounddampfmaschine mit umlaufenden Kammerschiebern bei einer Dampfspannung von 6at und 864 Umdrehungen in der Minute 19 Pferd leistete und dabei für 1 Pferd und Stunde 26 bis herab zu 23k Dampf verbrauchte. Gegenüber dieser Zahl beansprucht eine Volldruckmaschine 31 bis 36k Dampf für 1 Pferd und Stunde. Eine Dampfmaschine nach Fig. 17 und 18 Taf. 22 mit zwei Cylindern von 120 bezieh. 180mm Durchmesser und einem gemeinschaftlichen Hube von 120mm mit einer Leistung von 15 Pferd wiegt nur 430k, gegenüber dem Gewichte einer gleich starken Volldruckmaschine von 360k.

Tafeln

Tafel Tafel
									22
Tafel 22