Titel: Neue Luftcompressionsmaschine mit grosser Geschwindigkeit. Erbaut von der Gesellschaft Fives-Lille.
Fundstelle: Band 265, Jahrgang 1887, S. 385
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Neue Luftcompressionsmaschine mit groſser Geschwindigkeit. Erbaut von der Gesellschaft Fives-Lille. Mit Abbildungen auf Tafel 20. Neue Luftcompressionsmaschine mit groſser Geschwindigkeit. Im J. 1884 wurde die Compagnie de Fives-Lille von der Bergbaugesellschaft in Lenz mit dem Bau zweier Luftcompressionsmaschinen beauftragt. Dieselben liefern die Preſsluft für Bohrmaschinen, Förderung und Aufzug. Das Maschinenhaus ist 19m,6 lang, 7m,40 breit und enthält zwei liegende Compressionsmaschinen ohne Condensation, mit hinter einander liegenden Cylindern. Die Maschinen sind vollständig übereinstimmend gebaut und haben um 90° versetzte Kurbeln. Die Meyer'sche Schiebersteuerung ist durch Hand verstellbar (während die in D. p. J. 1886 260*49 durch den Regulator verstellbare Expansion hat). Die Dampfcylinder haben 700mm Durchmesser und 1m,600 Kolbenhub. Wegen der Länge des Cylinders sind die Schieber für jedes Ende besonders construirt, um den todten Raum zu verringern. Die Dampfkanäle liegen mit ihrer unteren Kante im niedrigsten Punkte des Cylinders, um den freien Ausfluſs des Condensationswassers zu ermöglichen. Die Expansion ist zwischen 30 und 80 Procent verstellbar, was einer Füllung von 0,65 bis 0,2 entspricht. Auf jeder Seite des Schwungrades, nahe der Mitte, sind die Excenter angebracht zur Bewegung zweier doppelt wirkender Injectionspumpen, welche das zum Kühlen der Luft erforderliche Wasser während des Ansaugens und der Verdichtung liefern. Der Plungerdurchmesser dieser Pumpen ist 140mm, ihr Hub 180mm. Die durchschnittliche Geschwindigkeit der Maschinen war auf 40 Umdrehungen in der Minute festgestellt, die aber bis zu 60 Umdrehungen sollte gesteigert werden können, ohne daſs bei dieser Geschwindigkeit von 3m,20 Stöſse oder Warmlaufen in den Maschinentheilen eintritt, Unsere Zeichnung bringt den Compressionscylinder zur Anschauung. Die Cylinderdeckel haben an ihrem oberen Theile je zwei Saugventile von 145mm Durchmesser; etwas unterhalb der Mittellinie befinden sich zwei Wasserzerstäuber und am unteren Theile ein Druckventil von 155mm Durchmesser. Mithin hat jeder Compressionscylinder 4 Saugventile, 2 Druckventile und 4 Colladon'sche Zerstäuber. Die Saugventile haben Becken, welche das Kühlwasser während der Eintrittszeit aufnehmen. Die Ventile sind von Stahl, haben lange Führungsstifte, welche in bronzenen Hülsen geführt sind. Sie werden von Spiralfedern, welche nach Bedarf zu stellen sind, geschlossen. Die Einspritzung des Wassers in die Cylinder erfolgt während des Ansaugens durch die Saugventile, und durch die Zerstäuber während der ganzen Zeit der Zusammendrückung. Die Pumpen liefern 4l Wasser für jedes Kilogramm der angesaugten Luft. Die Wassermenge wird durch Hähne geregelt. Ein etwaiger Ueberschuſs entweicht durch ein Sicherheitsventil, welches sich an jeder Pumpe befindet. Wasserkühlung an den Wänden des Cylinders und der Kolbenstange ist nicht vorhanden. Die Kolben haben acht Ramsbottom'sche Stahlringe, deren beide äuſsere mit dem Cylinderraume in Verbindung stehen, wodurch der sichere Abschluſs bewirkt wird. Die Druckröhren an beiden Enden des Cylinders sind mit einem gemeinschaftlichen stehenden Behälter verbunden, welcher in der Schwungradebene angeordnet ist. Jedes Rohr hat zwischen Cylinder und Behälter ein Sicherheitsventil und ein Thermometer. Im Behälter ist ein Schwimmerventil befindlich, welches das Kühlwasser bei einer gewissen Höhe entweichen läſst. Um Erschütterungen, welche gewöhnlich bei den Compressionscylindern auftreten, zu vermeiden und um die volle Ventilöffnung während des Ansaugens zu erhalten, ist folgende zweckmäſsige Einrichtung getroffen: Wenn beim Beginne des Ansaugens die Ventile unter dem Einflüsse der Verdünnung sich lüften, wirkt ein Daumen von besonderer Form auf die Ventilspindel und hält das Ventil geöffnet bis zum Ende des Kolbenweges. In diesem Augenblicke löst der Daumen die Spindel und das frei gewordene Ventil fällt unter dem Einflüsse der Feder rasch auf seinen Sitz. Während der Compressionsperiode, also während die Einströmungsventile unter dem doppelten Einflüsse der Luft und der Spiralfeder geschlossen sind, bewegen sich die Daumen nach oben, indem sie einen beweglichen Stift, welcher sich am Ende der Ventilspindel befindet, in Bewegung setzen. Beim Zurückgange vollzieht sich die umgekehrte Wirkung des Daumens und die Ventile öffnen sich von Neuem während des ganzen Kolbenweges. Es ist dies eine bemerkenswerthe Construction. Die Vollkommenheit der Diagramme zeigt am besten die Wirksamkeit dieser Daumen. Die Druckventile sind ebenfalls von Stahl mit Bronzesitz, werden von einer langen Spindel geführt und schlieſsen sich während des Ansaugens durch eine Feder, deren Spannung leicht gestellt werden kann. Die Druckröhren haben 160mm lichte Weite. Der Luftbehälter hat 1m Durchmesser und 2m,500 Höhe. Die Kolbenstange des Compressionscylinders ist am äuſseren Ende verlängert und mit Stopfbüchse und Schutzrohr versehen. Das Ganze ist kräftig und schön gebaut. Die sorgfältig ausgebildeten Theile entsprechen ihrer Bestimmung. Nach 6 monatlichem Gebrauche wurden die Compressionsmaschinen vermittels Richard'scher Indicatoren auf jeder Seite, sowohl der Dampf- als der Luftcylinder, untersucht und bei ein und demselben Hub der Maschine gleichzeitig Diagramme genommen, und zwar bei 19, 26, 40 und 54 Umdrehungen in der Minute. Alle diese Diagramme zeigen eine vorzügliche Ausnutzung des Dampfes und eine recht gute Wirkung sowohl der Dampf- als der Luftcylinder. Bei der auſsergewöhnlichen Geschwindigkeit von 54 Umdrehungen sind die Dampfdiagramme am Schlusse etwas gedrückt, doch war dieses Ergebniſs vorauszusehen, da anders die Kanäle und Schieber eine für die Durchschnittsgeschwindigkeit zu bedeutende Gröſse erhalten hätten. Die Diagramme bei 19 Umdrehungen ergeben eine Leistung im Dampfcylinder von 209 Pferd, im Luftcylinder 185,4 Pferd bei einem Drucke von 6k,5. Die Nutzleistung ist also 88,7 Procent und die angesaugte Luftmenge 612l in der Secunde. Die Diagramme bei 26 Umdrehungen zeigen entsprechend 289,82 und 257,4 Pferd, also eine Nutzleistung von 88,8 Procent bei einer Luftmenge von 837l. Die Diagramme bei 40 Umdrehungen, also der normalen Umdrehungszahl, zeigen entsprechend 487,12 und 391,28 Pferd mit 80,3 Proc. Nutzleistung und 1288l Luft. Die Diagramme endlich bei 54 Umdrehungen ergeben 680,26 und 532,36 Pferd bei 1739l, also einer Nutzleistung von 78,3 Procent. Unsere Quelle macht dazu folgende Bemerkung: Wir kennen keine andere Compressionsmaschine, welche bei einem solch raschen Gange ein solches Ergebniſs geliefert hätte, besonders bei der Vermeidung der äuſseren Kühlungsvorrichtung für den Compressionscylinder. Die Maschinen des Postamtes zu London, welche oft als besonders wirksam angeführt werden, verdichten die Luft nur auf 1k,6 bei einer Kolbengeschwindigkeit von 0m,76 und ergeben nur 87 Proc. Nutzleistung. Die von uns angeführten Ergebnisse sind genau geprüft und zeigen, daſs hier ein bemerkenswerther Fortschritt gemacht worden ist. Wir sind übrigens der Meinung, daſs die künftige Verwendung der comprimirten Luft bedingt wird durch die Fortschritte auf dem Gebiete der elektrischen Motoren. Beim jetzigen Stande von Theorie und Praxis bietet die gepreſste Luft anderen Systemen gegenüber den Vortheil, die Orte, wo sie zur Verwendung kommt, gesünder zu machen. Sie ist weniger geeignet für weite Entfernungen als die Elektricität, auch sind die Einrichtungskosten verhältniſsmäſsig beträchtlich; aber die wesentlichen Stücke sind besser durchgearbeitet und ausprobirt als diejenigen bei Verwendung der Elektricität. Die gepreſste Luft bietet weder in den Straſsen noch in den Häusern irgend eine Gefahr. Der Dampf erfordert viel mehr Vorsicht für längere Leitung, das Wasser bietet zahlreiche Unzuträglichkeiten bei Verwendung zu Motoren. Die elektrischen Kabel sind nur in seltenen Fällen zu verwenden, verdünnte Luft findet wenig Anwendung, nur die comprimirte Luft ist jedem anderen Systeme überlegen, vielleicht mit Ausnahme der Elektricität. Die Zukunft der Kraftübertragung gehört ohne Zweifel der Elektricität. Vorläufig kann die gepreſste Luft für sich oder in Verbindung mit der Elektricität groſse Dienste leisten. Gegenwärtig errichtet man in der Straſse St. Fargeau eine Anlage, welche mehrere tausend Pferdekraft in Preisluft liefern soll. Diese Kraft wird in Paris an eine groſse Anzahl von Abnehmern vertheilt, für den Bedarf der kleinen Industrie und besonders zum Betriebe der dynamoelektrischen Maschinen, welche zur Erleuchtung der Magazine, der Kaffeehäuser und Privatwohnungen bestimmt sind. (Nach dem Portefeuille économique des Machines, 1887 Bd. 12 S. 82.)

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