Titel: Gewinnung von Glycerin in Seifensiedereien.
Autor: P. Naef
Fundstelle: Band 265, Jahrgang 1887, S. 512
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Gewinnung von Glycerin in Seifensiedereien. Gewinnung von Glycerin in Seifensiedereien. Der gröſste Theil des in den Handel gebrachten Glycerins wird durch Verseifung von Fett unter hohem Drucke durch Wasser bei Gegenwart einer geringen Menge einer Base dargestellt. Nach diesem Verfahren erhält man ein gutes Glycerin; die Fettsäuren aber, welche das Hauptproduct bilden, liefern eine bedeutend schlechtere Seife als diejenigen, welche durch einfache Verseifung mit Aetznatron erhalten werden. Aus der durch Verseifen mit Aetznatron erhaltenen wässerigen Lösung wird die Seife durch Zufügen von Kochsalz ausgefällt, das Glycerin aber bleibt in der so entstehenden Salzsoole gelöst. Diese Glycerinlösungen haben ziemlich wechselnde Zusammensetzung und enthalten neben Glycerin etwa 5 Proc. Natriumchlorid, -sulfat, -carbonat und -hydrat, suspendirte oder gelöste Seife, harzige, fette, eiweiſshaltige, sowie färbende Stoffe. In Widnes, wo Talg und andere Fette mit causticirter Rohsodalauge verseift werden, sind diese Laugen sehr unrein und schwierig zu behandeln. Sie enthalten bedeutende Mengen Hyposulfite, Sulfide, Sulfocyanide (etwa 1g in 1l) sowie Ferrocyanide und Cyanide. Die Schwefelverbindungen sind besonders nachtheilig, da sie bei der Destillation des Glycerins die Bildung von flüchtigen, organischen Schwefelverbindungen verursachen, welche das Glycerin zur Herstellung von Dynamit unbrauchbar machen. C. Kingzett, welcher im Journal of the society of Chemical Industrie, 1882 S. 78 die Herstellung von Glycerin aus Seifensiederlaugen besprochen hat, theilt die über diesen Gegenstand genommenen zahlreichen Patente in 3 Klassen ein: 1) Verfahren, welche die Entfernung oder Zerstörung der Albumin artigen und seifigen Bestandtheile bezwecken. 2) Verfahren, welche die Entfernung des Salzes erleichtern, und zwar durch Verringerung der Löslichkeit oder Benutzung eines anderen Salzes anstatt Kochsalz zum Ausfällen der Seife. 3) Patente, welche eine vortheilhafte Verdampfung der Laugen bezwecken. Gewöhnlich wird die Lauge zuerst angesäuert, mit offenem Dampfe erwärmt und von den ausgeschiedenen fetten und harzigen Bestandtheilen getrennt. Die so erhaltene klare Lösung wird mit Soda neutralisirt, filtrirt und in offenen Pfannen bis zu dem Siedepunkte von 132 bis 138° eingedampft. Das sich abscheidende Salz wird ausgeschöpft, gewaschen und centrifugirt, worauf es wiederum zum Fällen von Seife benutzt wird. Dann wird weiter bis zum Siedepunkte von 149° verdampft. Das erhaltene Rohglycerin, welches je nach den angewendeten Laugen von verschiedener Güte ist, hat höchstens 1,36 spec. Gew. und enthält 7 bis 14 Proc. mineralische Bestandtheile. Zur weiteren Reinigung muſs dasselbe in besonders gebauten Apparaten mit überhitztem Wasserdampf destillirt werden. Trotz zwei bis dreimaliger Rectification hält das Glycerin manchmal so viel Verunreinigungen zurück, daſs es nicht zur Herstellung von Dynamit benutzt werden kann. Den besten Vorschlag zur Verarbeitung der sehr schwierig zu behandelnden sogen. Lancashire-Laugen, welche mit causticirter Rohsodalauge erhalten werden, hat O. C. Hagemann (Englisches Patent 1885 Nr. 8051) gemacht. Nach Behandlung mit Kalk und Kochen mit Harz neutralisirt er mit Säure und fügt Eisenchlorid zu, so lange ein Niederschlag entsteht, Die gefällten Fettsubstanzen und das Berlinerblau werden von der Lauge getrennt. Letztere wird mit Salzsäure behandelt und erhitzt. Zur Oxydation von vorhandenem Hyposulfit wird Luft durchgeblasen und zuletzt mit Chlorkalk noch völlig oxydirt. Dann trennt man die Lauge von dem abgeschiedenen Schwefel, neutralisirt und dampft dieselbe ein. Obschon das Verfahren ein bedeutend besseres Glycerin liefert, hat es den groſsen Nachtheil, daſs es die Sulfocyanide nicht aus den Laugen entfernt. Um dies zu ermöglichen, hat A. H. Allen, wie er im Journal of the Society of Chemical Industry, 1887 Bd. 6 S. 87 berichtet, mit B. Nickels ein Patent zur Fällung mit Kupfer anstatt mit Eisensalzen erworben. Während Eisen, Zink, Blei und Kupfersalze Ferrocyan fällen, werden Sulfocyanide nur durch Kupfersalze gefällt. Aus Seifenlaugen werden durch Kupfer auch Sulfide, Cyanide, Silicate, ferner Albumin artige, harzige, fette wie auch färbende organische Stoffe ausgefällt. Der Niederschlag setzt sich sehr leicht ab und bei Anwendung von Kupferoxydsalzen wird auch ein Theil der Hyposulfite oxydirt. Bei Behandlung von löslichen Sulfocyaniden mit Kupferoxydsalzen fällt in concentrirten Lösungen schwarzes Cuprisulfocyanid, welches sich langsam in die weiſse Cuproverbindung umwandelt. Dabei wird das Sulfocyanid theilweise oxydirt, so daſs in der Lösung Sulfat auftritt und Cyanwasserstoffsäure entweicht. Nach Allen's Untersuchungen geht die Umwandlung nach folgender Gleichung vor sich: 6CuCl2 + 7NaCNS + 4H2O = 6CuCNS + 7NaCl + 5HCl + H2SO4 + HCN. Es scheint daher, daſs eine geringe Menge Hyposulfit zur Fällung des Sulfocyanides nur nützlich sein kann. Wird die Lauge mit einem Ueberschusse von Kupfer versetzt, so kann derselbe mit Schwefelwasserstoff, Eisen- oder Alkalicarbonat leicht wieder gefällt werden. Um den Rest der Thionsäuren zu oxydiren, muſs Chlorkalk oder ein anderes oxydirendes Mittel zugefügt werden. Trotz der groſsen Vorzüge, welche das Kupfer zum Reinigen von Glycerinlaugen bietet, wäre die technische Anwendung desselben dennoch ausgeschlossen, wenn es sich nicht sehr leicht zurückgewännen lieſse; gerade auch in dieser Hinsicht hat das Kupfer vor anderen Metallen Vorzüge. Durch bloſses Rösten des Niederschlages an der Luft und nachheriges Auflösen in Schwefelsäure kann wieder Kupfersulfat zurückgewonnen werden, oder der Niederschlag kann an Kupferhütten verkauft werden. Es läſst sich auch die aus Pyritrückständen hergestellte rohe Kupferlösung, aus welcher das Kupfer z.B. auf den Tharsis-Werken mit Eisen gefällt wird, ohne weiteres zur Reinigung der Laugen benutzen. Da der Kupfer haltige Niederschlag Ferrocyankupfer enthält, würde man durch direktes Rösten und Auflösen in Schwefelsäure Eisen haltiges Kupfersulfat erhalten. In diesen Fällen ist es daher angezeigt, die Glycerinlauge zuerst mit einem Eisen-, Zink- oder Bleisalze vom vorhandenen Ferrocyan zu befreien und dann erst die Sulfocyanide durch Behandlung mit Kupfersulfat zu entfernen. Das gefällte etwa 97 Proc. CuCNS enthaltende Kupfersulfocyanid kann dann geröstet oder auf lösliche Sulfocyanide verarbeitet werden. Das im letzteren Falle entstehende Kupferoxydul kann in Salzsäure gelöst und wiederum zur Reinigung von Laugen benutzt werden. Der praktische Werth des Verfahrens ist noch nicht endgültig festgestellt, aber mehrere in der Fabrik von Mathieson und Company in Widnes in groſsem Maſsstabe ausgeführte Versuche haben sehr ermuthigende Erfolge ergeben. Das zurückgewonnene Kochsalz ist bedeutend reiner als früher und auch das Glycerin wird jedenfalls bedeutend bessere Eigenschaften zeigen. Auch Laugen, welche mit fertigem Aetznatron hergestellt sind, und solche, welche kein Sulfocyanid enthalten, lassen sich durch Behandlung mit Kupfersalzen bedeutend verbessern, so daſs ein nur schwach gelb gefärbtes Glycerin erhalten wird. Das Kupfer bildet nämlich auch mit Fettsäuren, sowie mit harzigen, Albumin artigen und anderen organischen Stoffen sehr schwer lösliche Niederschläge. Trotzdem daſs die Anwendung von Kupfersalzen zur Reinigung von Laugen groſse Vortheile bietet, ist die Verarbeitung doch noch keine vollkommene. Ein sehr groſser Nachtheil besteht vor allem darin, daſs enorme Mengen von Salz angewendet werden müssen. Die Trennung des Salzes vom Glycerin durch Dialyse, wie sie von Flemming (vgl. 1882 244 256) vorgeschlagen worden ist, ist keine vollständige. (Vgl. auch F. J. O'Farrel 1883 247 143; ferner E. Brochon und Comp. 1884 251 95.) P. Naef.