Titel: Eisenbahnwesen.
Fundstelle: Band 266, Jahrgang 1887, S. 156
Download: XML
Eisenbahnwesen. Ueber Eisenbahnwesen. A) Statistisches. Am 27. September d. J. sind 62 Jahre seit der Eröffnung der ersten Eisenbahn in England und am 7. December 52 Jahre verflossen, von dem Tage gerechnet, an dem das Dampfroſs zuerst die Schienenwege Deutschlands befahren hat. An diesen Jahrestagen wird die Gesammtlänge der Eisenbahnen der Erde bereits mehr als 500000km und für Deutschland mehr als 40000km erreicht haben (vgl. 1886 262 546). Die deutsche Bahnlänge genügt demnach, die Erde mit einem Bahngürtel zu umspannen, dessen Bahnachse der Aequator bildet und auf der man mit mittlerer Schnellzuggeschwindigkeit gerade einen Monat unausgesetzt fahren müſste, um die Erde einmal zu umkreisen; um jedoch die BahnlängeNicht Geleislänge, welche für Deutschland 66 Proc. gröſser ist. der Erde zu durchfahren, würden 12 solcher Umfahrten und die Zeit von einem Jahre erforderlich werden. Nach dem Archiv für Eisenbahnwesen1887 Heft 2 S. 214. betrug die Gesammtlänge der Eisenbahnen am Ende des Etatsjahres 1884/85 für Amerika 250663km, Europa 195057km, Asien 22178km, Australien 12941km und Afrika 6895km, zusammen 487734km. Deutschland hatte 37535km Eisenbahnen und mit Rücksicht auf die Doppelgeleise und Bahnhöfe 62394km Schienenwege. Die Zunahme an Bahnlänge betrug gegenüber dem Etatsjahre 1881/82 für Australien 53 Proc. Afrika 49 Proc. Amerika 31,3 Proc. Asien 29,8 Proc., Europa 12,9 Proc., Deutschland 9,5 Proc. und 8,8 Proc. des Schienenweges. In Deutschland, mit Ausschluſs von Bayern, betrug die Bahnlänge Ende März d. J. an: Staatsbahnen 28865km, Privatbahnen unter Staatsverwaltung 210km, Privatbahnen mit eigener Verwaltung 2521km und Nebenbahnen 1368km, zusammen 32964km. Die Herstellungskosten sind berechnet bis 1. April 1885 für die Eisenbahnen der Erde 104,1, für Europa 58,2, für Deutschland 9,45 Milliarden Mark und für 1 Kilometer für Europa 298283 M. und für die vier anderen Welttheile nur 156864 M. Letzteres wegen der geringeren Kosten für Grunderwerb. Der Durchschnittspreis für 1 Kilometer Bahnlänge für Deutschland beträgt 254020 M. und für die Erde 213441 M. Der Gesammtwerth der Eisenbahnen der Erde beträgt demnach zur Zeit etwa 107000000000 M.Zur Bezahlung dieser Summe ist eine Goldrolle aus 20-Markstücken von 8025km Länge oder ⅕ des Weltumfanges erforderlich und man würde mit Riesen Goldstücken eine Gürtelbahn um die Erde auf beiden Schienen dicht belegen können. Das Gewicht des Goldwerthes entspricht 38350t und das Volumen 2000cbm als massive Blöcke.Da der Werth der deutschen Bahnen jetzt 11 Milliarden überschritten hat, so sind etwa 10 Proc. dieses Goldwerthes auf Deutschland zu rechnen. Am 1. April 1886 betrug die Gesammtlänge der deutschen Bahnen 37511km, deren Werth sich zusammensetzt aus: Staatsbahnen mit 8847971142 M. und Privatbahnen 874135388 M., zusammen 9722106530 M. Auf diesen Bahnen waren im Dienst 22735 Personenwagen mit 174642008 M., 1414 Postwagen und 250313 Gepäck- und Güterwagen aller Art mit 736548115 M., zusammen 91190123 M. Anschaffungskosten. Ferner 12450 Locomotiven mit 588551463 M. Anschaffungskosten.Es kommt demnach 1 Locomotive auf 3km, 1 Personenwagen auf 1km,65 und 1 Güterwagen auf 0km,11 Bahnlänge.Die Gesammtanschaffungskosten der deutschen Bahnen betrugen am 1. April 1886 11221848116 M. Die Eisenbahnen haben mit dieser raschen Entwickelung einen Einfluſs auf alle politischen und socialen Verhältnisse erlangt, wie ein solcher kaum der Erfindung des Schieſspulvers zugeschrieben werden kann. Die Schifffahrt, welche eine gleich groſse Bedeutung für den Weltverkehr besitzt, wie das Eisenbahnwesen, bedurfte zu ihrer Entwickelung so viele Jahrtausende wie dieses Jahrzehnte und wenn dieselbe auch, nach Anwendung der Dampf kraft als Betriebsmittel, in diesem Jahrhundert einen mächtigen Aufschwung genommen hat, so darf doch hierbei nicht unbeachtet bleiben, daſs zu diesem Aufschwünge das Eisenbahnwesen durch Erschlieſsen des Binnenlandes einen erheblichen Theil beigetragen hat. Die Bedeutung des Eisenbahnwesens hat bei allen Nationen und in allen Schichten der Bevölkerung jetzt volle Würdigung gefunden. Es dürften deshalb die nachstehenden kurzen Berichte über die neuesten Erfindungen und Einrichtungen der Weltbahnen bei den Lesern dieses Blattes eine wohlwollende Beachtung finden. B) Oberbau. Als Material zur Herstellung des Oberbaues gelangte in diesem Jahrzehnt der Fluſsstahl, zu Schienen und Laschen fast ausschlieſslich, und zu Schwellen im Wettkampfe mit Holz, zur Anwendung. Schmiedeeisen wird nur noch zu Kleineisen zeug verwendet und Guſseisen zu Schienenstühlen und Einzelunterstützungen, zu letzteren seit 2 Jahren auch Hartglas. Der Fluſsstahl verdankt seine Anwendung zu Schienen vor Allem der billigeren Herstellung bei verhältniſsmäſsig geringer Abnutzung. Die Versuche, seine gröſsere Festigkeit zur Verminderung des Materialverbrauches auszunutzen, haben jedoch zu so ungünstigen Resultaten geführt, daſs heute nicht nur die Stahlschienen keine schwächeren Profile als die alten Eisenschienen erhalten, sondern viele Bahnverwaltungen, unter diesen die preuſsische und belgische Staatsbahnverwaltung, dazu übergehen, die Schienenquerschnitte bedeutend zu verstärken. Begründet ist dies in der Unzuverlässigkeit der Stahlschienen gegen Bruch. Viele Schienen brachen in den letzten Jahren dicht beim Ende durch die Schraubenlöcher über der ersten oder zwischen der ersten und zweiten Schwelle vom StoſseIn den Jahren 1880 bis 1. April 1886 brachen von durchschnittlich 604000 Schienen 716 Stück oder 0,12 Proc. Hiervon 130 durch den vollen Querschnitt, 93 durch die Schraubenlöcher und 493 durch Fehler.Von den ohne besondere Veranlassung erfolgten Brüchen gingen etwa 42 Proc. durch die Schraubenlöcher. (vgl. 1887 264 * 516). Es hat dies seinen Grund in dem Umstände, daſs die Laschen, obschon dieselben in den letzten Jahren fast durchweg verstärkt wurden, noch immer nicht stark genug sind, um den Querschnitt der Schiene vollständig zu ersetzen. Man rechnet auf Ersatz der Faserspannung durch Reibung und übersieht dabei, daſs durch die Wärmeeinflüsse bei fest geschraubten Laschen in den Berührungsflächen die umgekehrte Spannung entstehen kann, welche der zu übertragenden Faserspannung entspricht; daſs ferner bei weniger fest angezogenen Laschen auf eine continuirliche Wirkung überhaupt nicht gerechnet werden kann und dies um so weniger, da zwischen den Materialfasern der Schienen köpfe jede Verbindung fehlt. Nur eine Verlaschung, welche zwischen den nächsten Schwellen des schwebenden Stoſses eine Brücke bildet und die Schienenenden nach allen Richtungen mit groſser Sicherheit stützt, so daſs dieselben ohne Hilfe der Reibung zwischen Laschen und Schienen keine erheblichen horizontalen oder vertikalen Verschiebungen gegen einander erleiden, kann den Mangel gründlich beseitigen. Auch die ungleiche Höhe von neu eingelegten, gegenüber den bereits abgenutzten Schienen, zu deren Ausgleichung in jüngster Zeit Vorschläge gemacht worden sind, findet noch zu wenig Beachtung. Es brechen jedoch auch Schienen an anderen Stellen in gröſserer Entfernung vom Ende. Ein besonders interessanter Bruch einer Bessemerstahlschiene in 17 Stücke durch einen überfahrenden Schnellzug, welcher dabei nicht entgleiste, ist von dem Oberbau- und Geh. Regierungsrath a. D. Funk mitgetheilt worden.Organ für Fortschritte des Eisenbahnwesens, 1887 Heft 1 S. 5. Nach den, mit dem erhaltenen Ende ausgeführten Proben betrug durchschnittlich die Zugfestigkeit 48k,13 pro Quadratmillimeter gegenüber mindestens 50k, die Querschnittsverminderung 54,42 Proc. gegenüber mindestens 20 Proc. und die Güteziffer 102,55 gegenüber 85, welche letztgenannten Zahlen vorgeschrieben sind. Es blieb demnach nur die Festigkeit wenig hinter der geforderten zurück, die anderen Zahlen waren sehr günstig, auch die chemische Zusammensetzung konnte nicht als Grund für die Zerstörung der Schiene angesehen werden. Einen erfahrenen Schienencontroleur wird dieser Vorgang nicht sonderlich befremden. Es ist für denselben bekannte Thatsache, daſs Schienen derselben Charge bei den Proben ganz verschiedene Resultate ergeben, daſs sogar ein und dieselbe Schiene an dem einen Ende brüchig und an dem anderen fest und dehnbar sein kann. Die Gründe sind theilweise darin zu suchen, daſs das flüssige Eisen zu dem Bessemer-Verfahren nicht mehr wie früher, nach vorheriger Probe und vorsichtiger Auswahl in besonderen Schmelzöfen gewonnen wird, sondern bei vielen Hüttenwerken, behufs billigerer Herstellung, direkt vom Hochofen in den Converter gelangt. Bei Eisenwerken, welche in kurzen Zwischenräumen graues Guſseisen zum Handelsgusse und Spiegeleisen zum Bessemer-Prozesse in demselben Ofen niederschmelzen, kann auf ein ganz gleichmäſsiges Material sicher nicht gerechnet werden. Ganz besonders aber scheint die rohe Behandlung, der der empfindliche Stahl in den Walzwerken noch ausgesetzt wird, die verschiedene Beschaffenheit von Schienen, welche aus ganz gleichem Material gewalzt sind, herbeizuführen. Das zum Kühlen der Walzen verwendete Wasser läuft möglichst schlecht vertheilt und deshalb in sehr reichlicher Menge auf den glühenden Stahl hinab. Die getroffenen Stellen kühlen sich, kurz vor dem Eintritte in die Walzen rasch ab und sind demnach weniger dehnbar als die sie umgebenden, glühenden Stahlmassen, wodurch Trennungen von den letzteren entstehen müssen, welche sich zwar beim weiteren Walzen theilweise wieder schlieſsen und leider der Beachtung oft ganz entziehen, jedoch niemals durch Zusammenschweiſsen unschädlich werden können. Nach längerem Leergange oder Stillstände der Walzstraſse sammelt sich das unausgesetzt rieselnde Wasser auf den Hunden in groſser Menge. Der erste glühende Stahlblock, welcher auf den Walztisch geworfen wird, erleidet an seinem vorderen Ende eine einseitige plötzliche Abkühlung, welche sich meist unter Dampfbildung durch einen Knall, ähnlich einem Kanonenschlage, bemerkbar macht und es dürfte kaum zweifelhaft sein, daſs hierbei die Entstehung eines schlechten Schienenendes an einer sonst guten Stahlschiene im Voraus angemeldet wird. Es erscheint dringend nöthig, dahin zu wirken, daſs diese Walzenkühlung, sowie die Abkühlung und das Richten der fertigen Schienen in anderer, weniger schädlicher Art ausgeführt wird. Die Dauer der guten Fluſsstahlschiene ist eine sehr bedeutende, da Breitfahren und Breitschlagen der Köpfe nur selten eintritt, so daſs nur die Abnutzung der Lauffläche eine Auswechselung nöthig machen kann. Die Abnutzung beträgt für eine über das Schienengeleis geführte Bruttolast von 1 Million Tonnen für Feinkornschienen 0,085 bis 0mm,099, für cementirte Eisenschienen 0,099 bis 0mm,13, für Puddelstahlschienen 0,12 bis 0mm,15 und für Fluſsstahlschienen 0,12 bis 0mm,14 (vgl. 1885 258 * 117). Eine gute Fluſsstahlschiene kann demnach erst durch Befahren des Geleises mit 100 bis 125 Millionen Tonnen Bruttolast um 15mm abgenutzt und unbrauchbar werden. Rechnet man jährlich 2 Millionen Tonnen auf Bahnen mit mittlerem Verkehre, so wird eine gute Fluſsstahlschiene 50 bis 60 Jahre auf derselben liegen können, während von den besten Eisenschienen nur 25 Procent das 25. Jahr überdauerten. Wie bereits bemerkt, hat auch die Anwendung des Eisens und in jüngerer Zeit fast ausschlieſslich des Fluſseisens zu eisernen Lang- und Querschwellen die Holzschwellen noch lange nicht beseitigt. Im April 1885 waren in Deutschland 18,33 Proc. aller Geleise mit eisernem Oberbau versehen, und von diesen 10,01 Proc. mit Querschwellen und 8,32 Proc. mit Langschwellen. Von den Holzschwellen bestanden damals 55,5 Proc. aus Eichenholz, 43,4 Proc. aus Nadelholz, besonders Kiefernholz, und 1,1 Proc. aus Laubholz, besonders Buchenholz. Zur Zeit werden in Deutschland etwa 25 Proc. aller Geleise auf eisernem Oberbau ruhen und es sind dabei als neu seit 1885 fast ausschlieſslich Querschwellen aus Fluſsstahl an Stelle von Holzschwellen zur Anwendung gelangt. Der Langschwellenoberbau wird aus Gründen, welche bei der Construction neuerer Oberbauten zur Besprechung gelangen, und welche der Verfasser vor 20 Jahren bereits öffentlich vertreten hat, eine gröſsere Verwendung nicht mehr finden oder doch durch gemischte Systeme ersetzt werden. Von den Holzarten kommt Eichenholz immer weniger, dagegen Kiefern- und Buchenholz immer mehr zur Einführung. Nach einem Berichte des Baudirektors der orientalischen Eisenbahnen, H. Sarazin, hat derselbe seit 1882 40000 Stück Buchenschwellen verwendet. Dieselben bieten gegenüber dem Kiefernholz bei ihrer gröſseren Härte den Unterlagsplatten einen besseren Sitz und den Hakennägeln einen gröſseren Halt, besonders gegen seitliches Ausweichen. Das Reiſsen derselben wird durch Einschlagen von S-Klammern aus Messereisen verhindert. Die mit Zinkchlorid unter hohem Druck bis ins Herz getränkten Holzschwellen haben durchschnittlich fast die doppelte Dauer der natürlichen Holzschwellen. Die hohen Kosten jedoch, welche besonders unter Beachtung der Transportkosten zur und von der Imprägniranstalt entstehen, haben bis jetzt keine ausgedehnte Anwendung aufkommen lassen. Aus dem gleichen Grunde hat das Verzinken bei eisernen Oberbautheilen mit Ausnahme der Holzschwellenschrauben bis jetzt noch keine Anwendung gefunden. Es dürfte jedoch kaum zweifelhaft sein, daſs es sich als vortheilhaft erweisen wird, besonders schwächere Theile zu verzinken und es steht zu erwarten, daſs Versuche bald ausgeführt werden. (Fortsetzung folgt.)