Titel: Ueber Fortschritte in der Stärke-, Dextrin- und Traubenzuckerfabrikation; von Prof. Ladislaus v. Wàgner.
Autor: Ladislaus v. Wàgner
Fundstelle: Band 266, Jahrgang 1887, S. 517
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Ueber Fortschritte in der Stärke-, Dextrin- und Traubenzuckerfabrikation; von Prof. Ladislaus v. Wàgner. (Patentklasse 89. Fortsetzung des Berichtes S. 471 d. Bd.) L. v. Wàgner, über Fortschritte in der Stärkefabrikation. In Frankreich hat sich seit der enormen Verbreitung der Phylloxera ein neuer Industriezweig in sehr hohem Maſse entwickelt: die Erzeugung von künstlichen Weinen, die Weinfabrikation („Fabrication de vins raisins secs“). Diese Industrie consumirt in erster Linie kolossale Mengen von Traubenzucker und speciell von Oenoglucose. Ich hatte Gelegenheit, nächst Paris eine solche Weinfabrik zu sehen, welche täglich 800 bis 900hl vorzüglichen Wein, aus Cibeben (getrockneten Weinbeeren) mit Zuhilfenahme von Oenoglucose erzeugt. 100k Cibeben liefern 3hl Wein, welcher zu 17 bis 35 Franken für 1hl (13⅗ bis 28 M.) reiſsend Absatz findet. Die jährliche Production dieser einen Fabrik beträgt somit 270000hl, und es gibt gegenwärtig deren mehr als 100 in Frankreich. Dies ist wohl ein gutes Prognostikon für die Oenoglucose-Industrie. Anknüpfend sei erwähnt, daſs ich jüngst vorzügliche Proben von Saccharin-Glucose und Saccharin-Syrup aus Deutschland und Amerika zugesandt erhalten habe. Saccharin-Glucose von tadelloser Weisse und vollkommen reinem Geschmack notirt für 100k: Type E 36 M., Type D 46 M., wobei hinsichtlich der Süſse 1k,5 E = 1k Rübenzucker und 1k,5 D = 2k Rübenzucker gleichwertig sind. Im Saccharin-Krystallsyrup ist bei Type E das Saccharin im Verhältnisse von 1 auf das Tausend dem Kartoffelsyrup zugesetzt, so zwar, daſs dieser Syrup für 1l den Süſswerth von 1k Rübenzucker besitzt und zum Preise von 33 M. für 100k verkauft wird. D ist im Verhältniſs von 2 : 1000 mit Saccharin versetzt; sein Süſswerth ist 2k Zucker für 11 und kostet 43 M. für 100k. Und nun wollen wir jene Neuerungen dieser Industrien Revue passiren lassen, welche auch für das Deutsche Reich mittels Patenten geschützt sind. B. Fricker in Magdeburg (D. R. P. Nr. 39144 vom 24. August 1886) lieſs ein Verfahren zur Benutzung des Kartoffelfruchtwassers von der Stärkefabrikation zur Herstellung von Hefe patentiren, welche Erfindung den Zweck verfolgt, das Fruchtwasser der Kartoffeln nutzbar zu machen. Dieses Fruchtwasser enthält bekanntlich Stickstoff haltige Körper und Kohlenhydrate, welche bisher zumeist zur Berieselung von Acker- und Wiesenflächen verwendet wurden. Um diese werthvollen Stoffe zur Hefebildung zu benutzen, empfiehlt Fricker folgendermaſsen zu verfahren: Das von den Kartoffeln abgegebene Fruchtwasser, oder falls die Pressung vermieden werden soll, das erste Spülwasser (wobei man 100l Wasser auf den Metercentner Kartoffeln rechnet), wird mit Grünmalz und zwar 6 bis 12k auf 100k Kartoffeln versetzt und in einem gewöhnlichen Vormaischbottich mit Siebboden zur Verzuckerung erwärmt. Darauf wird die Würze abgezogen, geklärt und etwas abgekühlt. Die Maische zeigt etwa 10 Saccharometergrade. Es erfolgt nun der Zusatz der Mutterhefe, welche durch Reinkultur gewonnen wurde. Die Hefebildung geschieht in irgend einer der üblichen Vorrichtungen, welche Kühlvorrichtung besitzt und findet in reichlichster Weise statt. Wird die Temperatur von 28° C. aufrecht erhalten, so kann die Hefe nach 10 bis 12 Stunden abgeschöpft werden. Das Waschen und Pressen der Hefe erfolgt dann wie gewöhnlich. J. FischerWir verweisen auf die betreffende Patentbeschreibung, welche (sammt Zeichnung) durch das Kaiserl. Patentamt in Berlin (zum Preise von 1 M.) bezogen werden kann. in Wien (* D. R. P. Nr. 39043 vom 16. Juli 1886, Zusatzpatent zu Nr. 38397 vom 21. März 1886) hat einen vorzüglichen Sieb- und Filtrirapparat construirt, welcher für die Stärkefabrikation wesentliche Dienste zu leisten berufen ist. W. Loeser in Löbau (Sachsen) (* D. R. P. Nr. 38 747 vom 25. Juli 1886) empfiehlt ein Wickel- und Legegeräth zur Herstellung von Nudel-, Vermicelli- oder Maccaroni-Docken, welches aus einer Holzleiste mit beliebig schräg eingesetzten geraden oder gekrümmten Drahtstiften besteht. Julius Kesseler in Greifswald (* D. R. P. Nr. 39587 vom 26. September 1886) construirte einen Treber-Trockner, dessen Anwendung zum Trocknen der Maisstärkemaische, sowie der Kartoffeltreber empfehlenswerth ist. Dieser Trockenapparat ist durch die direkte Verbindung einer Trockenpfanne o. dgl. mit einem Dampfkessel gekennzeichnet, und zwar in der Weise, daſs der Boden der Pfanne gleichzeitig die Decke des Dampfkessels bildet und die in letzterem entwickelten Dämpfe also direkt den Boden der Pfanne bestreichen, das Condensationswasser aber sofort in den Kessel zurückflieſst; ferner durch die Verbindung des Kessels mit einem trichterförmigen Aufsatz und durch ringförmige Wände aus Blech oder Mauerwerk u.s.w. gebildeten Abzugskanälen für die Verbrennungsgase zu dem Zwecke, eine Ueberhitzung des im Aufsatz befindlichen Dampfes zu ermöglichen. Eugen Schniter in Zürich (D. R. P. Nr. 39937 vom 4. September 1886) lieſs sich einen Trockenapparat patentiren, welcher aus einer oder mehreren lang gestreckten liegenden Dörrbahnen besteht, deren Seitenwände und Decke durch horizontale, Hitze abgebende Feuerzüge bestrichen werden; diese Dörrbahnen werden durchkreuzt von Heiſsluftströmen, die den Wassergehalt der Dörrobjekte kurzer Hand wegführen. Ein groſser Vortheil dieses Trockenapparates soll nach Angaben des Patentinhabers darin bestehen, daſs die darin untergebrachten, lose aufhegenden Körper oder Stoffe bei geringstem Aufwand von Brennmaterial in ansehnlichem, äuſserlich möglichst wenig verändertem, porösem Zustande erhalten werden. Beachtenswerth ist ferner Emil Paſsburg's (in Breslau) Vacuum-Trockenapparat (vgl. 1886 259 * 86. * D. R. P. Nr. 40844 vom 17. Februar 1887, zweiter Zusatz zum Patent Nr. 28971 vom 8. Januar 1884). Paſsburg ändert die Construction seines bekannten und in der Praxis vielfach angewendeten Vacuumapparates in der Art ab, daſs die Wärmemagazine und der Heizofen in Form von geschlossenen Dampfkästen combinirt sind, auf welch letzteren die Bleche mit dem Trockengute vor Herstellung des Vacuums geschoben werden. Continuirlich wirkende Centrifugal-Filterpresse von Ernst Ludwig Hertel und Daniel Miller in Würzen, Sachsen (vgl. 1887 264 * 119). J. Kroog in Halle a. S. hat ein Patent auf zusammengesetzte Filterplatten (* D. R. P. Nr. 39202 vom 27. August 1886) erhalten, welche der-maſsen gebildet werden, daſs man an der Füllung einer vollen Platte zwei dünne, einseitig geriefte, an ihren oberen und unteren inneren Kanten abgeschrägte Platten befestigt. Die zur Befestigung der Platten dienenden Köpfe und Muttern der Schrauben sind ebenfalls gerieft. Schlieſslich bringt Kroog seitlich einen Luftsammler an, welcher mittels Bolzen und Druckschraube an der Platte befestigt ist. Zweck dieser Neuerung ist, einestheils die mit der Anwendung der bisher üblichen gerieften Platten verknüpften technischen Mängel (beispielsweise das Reiſsen der Tücher beim Arbeiten unter starkem Druck) zu vermeiden, anderentheils aber durch die zweekmäſsigere Bauart der gerieften Platten weitere technische Wirkungen zu erzielen. Konrad Dammeyer in Hoym (Anhalt) bringt zur mechanischen Filterung an Filterpressen bewegbar aufgehängte Filterrinnen an (* D. R. P. Nr. 39293 vom 11. November 1886), welche bei der Filterung den an der höchsten Stelle der Presse ausflieſsenden Saft abführen und beim Auspacken der Presse in einer dieses nicht störenden Lage festgestellt werden. Fr. Demmin in Berlin (* D. R. P. Nr. 38975 vom 9. Juni 1886, fünfter Zusatz zum Patente Nr. 30381 vom 1. Juni 1884) verbesserte wesentlich seinen bekannten Apparat zum Abschleudern von Flüssigkeiten aus breiigen Massen (vgl. auch 1885 255 * 477). Karl Seck in Bockenheim (* D. R. P. Nr. 40121 vom 29. December 1886) erhielt ein Patent für eine Hohlwalze mit selbstthätiger Kühlung. Beim Verarbeiten des Getreides mittels Walzen zu Zwecken der Stärkegewinnung kommt es häufig vor, daſs sich das Mahlgut erhitzt, wodurch das Stärkemehl theilweise in Dextrin tibergeführt wird. Um dieser Calamität vorzubeugen – welche, abgesehen vom Materialverlust, auch das Absetzen der Stärkekörnchen auf den Rinnen bedeutend erschwert – empfiehlt Seck die Anbringung einer Hohlwalze, welche an beiden Enden zwischen Naben und Cylinder mit schraubenförmig angeordneten Speichen versehen ist, behufs Erzeugung eines ununterbrochenen Luftzuges zur Kühlung der Walze. Rudolf und Josef Gawron in Grabow bei Stettin (* D. R. P. Nr. 38102 vom 20. November 1885) regeln die Walzenstellung durch Mahlgutwärme, und beseitigen solcher Weise die Gefahr der Erhitzung des Mahlgutes. Alfred Seyberlich in Riga und Alexander Trampedach in Mitau lieſsen sich ein Verfahren zur Beseitigung der Salpetersäure aus Traubenzuckerlösungen patentiren (D. R. P. Nr. 39573 vom 9. November 1886, vgl. auch 1887 264 178). Bekanntlich verwendet man zur Darstellung von Traubenzucker behufs Verzuckerung der zu verarbeitenden Stärke, auſser Diastase, Schwefelsäure, Salzsäure u.s.w. auch Salpetersäure oder Salpetersäure haltige Säuregemische. Im Verlauf dieser beiden letzteren Darstellungsverfahren häufen sich in der Melasse die Salze, unter diesen auch die salpetersauren Salze derart an, daſs in gewissen Zwischenräumen die Restmelasse aus der Fabrikation ausgeschlossen werden muſs. Wenn auch die hierdurch herbeigeführten Glucoseverluste im Verhältnisse zu den gewonnenen Producten nicht groſs sind, so können sie für den Groſsbetrieb doch nennenswerth werden. Diesen Verlusten vorzubeugen, empfehlen Seyberlich und Trampedach die Anwendung von schwefliger Säure, wodurch nicht nur die Ausbeute an erstem Product bedeutend gesteigert wird, sondern sich auch der Betrieb – insbesondere in Bezug auf das häufige Abdampfen – wesentlich einfacher gestalten soll. Das Verfahren selbst besteht darin, daſs man der sauren Salpetersäure haltigen, heiſsen, Zucker haltigen Flüssigkeit, welche bei der Traubenzuckerfabrikation resultirt, so viel einer gesättigten wässerigen Losung von schwefliger Säure auf einmal zusetzt, daſs die heiſse Flüssigkeit deutlich darnach riecht. Die schweflige Säure veranlaſst sofort eine Zersetzung der in der Zuckerflüssigkeit enthaltenen gesammten Menge der Salpetersäure, wobei auf Kosten des Sauerstoffes der Salpetersäure die schweflige Säure unter Bildung von Stickoxydgas zu Schwefelsäure oxydirt wird. Die Reaction soll so glatt vor sich gehen, daſs man mit dem Schönbein'schen Reagens keine Spur von Salpetersäure mehr nachweisen kann. Die solcher Weise behandelte Flüssigkeit wird hierauf schnell erhitzt, um die überschüssige schweflige Säure zu entfernen. Dies muſs schnell und unter reichlicher Dampfeinströmung geschehen, damit die Zuckerlösung nicht zu lange mit der gebildeten Schwefelsäure in Berührung bleibe, da diese sonst auf die fertige Glucose zerstörend einwirken könnte. Schlieſslich wird die Zuckerflüssigkeit mit Kreide o. dgl. neutralisirt, mit kohlensaurem Alkali alkalisch gemacht, eingedampft und zur Krystallisation gestellt. Die auf diese Art gewonnene Füllmasse enthält nur ganz geringe Mengen von schwefelsaurem Natron und kann daher vollständig aufgearbeitet werden. Die Patentinhaber empfehlen die Anwendung dieses Verfahrens, ebenso für die zu diesem Zwecke mit Schwefelsäure angesäuerte Melasse, als auch für die während der Darstellung von Traubenzucker entstehenden noch sauren Zuckersäfte. Sie bemerken, daſs auf diese Weise nicht nur die Salpetersäure nach ihrer Benutzung zur Verzuckerung aus den Säften bezieh. der Melasse fortgeschafft wird, sondern gleichzeitig Zucker aus der Melasse gewonnen werden kann, bezieh. eine gröſsere Ausbeute aus den Zuckersäften – wegen der gröſseren Reinheit derselben – erreicht wird, und daſs sich endlich der Aschengehalt der nach diesem Verfahren gewonnenen Melasse (da die Schwefelsäure aus derselben zum gröſsten Theile in Form von Gyps entfernt ist) bedeutend verringert. Bezüglich des Verfahrens von H. Oppermann zur Reinigung von Zuckerlösungen mittels Magnesiahydrat vgl. 1887 265 556. Bezüglich des von Matthew Forster Heddle, David Corse Glen und Duncan Stewart in Glasgow eingeführten Verfahrens zum Filtriren und Entfärben von Zuckerlösungen, Syrupen und anderen Flüssigkeiten vgl. 1887 265 555. Die Methode E. Heffler in Altjauer bei Jauer (Schlesien) zur Klärung von Zuckersäften mittels Gerbsäure ist bereits 1887 265 557 besprochen. Bezüglich E. de Buck's (Brüssel) Vorrichtung zum Filtriren von Zucker haltigen und anderen Lösungen vgl. 1887 263 * 189. 266 * 130. Die Sangerhäuser Actien-Maschinenfabrik und Eisengieſserei (vorm. Hornung und Rabe) und F. J. Weiſs in Basel (Schweiz) haben eine Neuerung an Mehrköper- Vacuum- Verdampfstationen zur Hervorbringung und selbstthätigen Erhaltung bestimmter Drucke und Siedetemperaturen in jedem der einzelnen Verdampfkörper patentiren lassen (* D. R. P. Nr. 40421 vom 26. November 1886). Für gröſsere Betriebe soll diese Construction – deren nähere Beschreibung aus der betreffenden Patentschrift zu ersehen ist – bestens empfohlen sein. Julius Schwager in Berlin hat einen Apparat zum Condensiren von Brüdendämpfen und zur gleichzeitigen Erwärmung von Wasser construirt (* D. R. P. Nr. 40819 vom 11. Januar 1887). Dieser Apparat hat die Aufgabe, jene häufigen Betriebsstörungen zu beseitigen, welche in der Zuckerindustrie in Folge des Verstopfens der zum Condensiren der Brüdendämpfe bestimmten Spritzrohre entstehen. Der Krystallisationsmethode mittels Unterleitung von L. Wulff in Gadebusch ist bereits S. 132 d. Bd. Erwähnung gethan. Gustav Baumgarth's in Braunschweig Füll- und Meſsapparat für Zuckerfüllmasse und andere Substanzen (* D. R. P. Nr. 40256 vom 25. November 1886) dürfte ebenfalls in der Anhydridzuckerfabrikation Anwendung finden. Die Emmericher Maschinenfabrik und Eisengieſserei van Gülpen, Lensing und v. Gimborn in Emmerich hat einen höchst sinnreichen Probenehmer bei Rösttrommeln erfunden (* D. R. P. Nr. 39592 vom 6. November 1886), der den Röstgummi- und Dextrinfabrikanten bestens empfohlen sein soll. Schlieſslich sei hier auch eines Verfahrens von Emil Serrant in Paris gedacht, welches auf der Verwendung von Dextrin zur Darstellung einer Art Zwieback beruht (D. R. P. Nr. 40130 vom 10. November 1886). Serrant stellt eine Art Zwieback vorzüglicher Qualität dar, indem er Weizenmehl mit 20 Proc. Mehl von Hartkorn (Triticum durum) und 1 bis 2 Proc. Dextrin zu einem Teig mischt, diesen mit Hilfe einer durch Gährung von Traubenmaische, Glucose, Cachou und phosphorsauren Salzen hergestellten Weinhefe oder von Sauerteig aus einer früheren Operation gähren läſst, backt, dann unvollkommen trocknet, hierauf zwischen heiſsen Platten preſst und das so bearbeitete Product bei mäſsiger Wärme vollständig trocknet. Der so gewonnene Zwieback kann trocken gegessen werden. Wenn man denselben aber mit Hilfe von wenig warmem Wasser oder Dampf sich mit Feuchtigkeit laden und aufgehen läſst und dann von Neuem erhitzt, so soll man daraus frisches Brod von gutem Geruch und Geschmack erhalten.