Titel: Altrömisches Leder des Fundes zu Mainz; von Prof. F. Knapp in Braunschweig.
Autor: F. Knapp
Fundstelle: Band 267, Jahrgang 1888, S. 182
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Altrömisches Leder des Fundes zu Mainz; von Prof. F. Knapp in Braunschweig. Knapp, über altrömisches Leder des Fundes zu Mainz. Der bekannte Fund an altrömischem Schuhmachermaterial und GeräthenEin solcher, ganz ähnlich, ist auch bei der „Saalburg,“ dem römischen Kastell, in der Nähe von Homburg v. d. Höhe aufgedeckt worden., aufgestellt im Museum in Mainz, kam in einer Gegend dieser Stadt, welche noch heute den Namen die „Insel“ führt, beim Ausschachten von Baugrund zum Vorschein. Das Material besteht – abgesehen von verschiedenem Schusterwerkzeug – theils aus fertiger, theils aus nur zugeschnittener halbfertiger Fuſsbekleidung der römischen Tracht, theils aus formlosen Stücken und Lappen des dazu verwendeten Materials. Unter dem Glaskasten, worin die ersteren aufgestellt sind, bewahrt das Museum einen erheblichen Vorrath von letzteren. Herr Direktor Lindenschmitt hat die groſse Güte gehabt, mir aus diesem Vorrath einen Theil zum Zwecke der technologischen Untersuchung anzuvertrauen. Das Material des ganzen noch vorhandenen Vorrathes in Mainz vor der Aufbewahrung abgespült und wieder getrocknetIch fand noch einen schmalen, dem Abspülen entgangenen Streifen darunter mit Erde bedeckt. Letztere fiel beim Einweichen des Wassers ab auf den Boden des Gefäſses und bestand aus sehr wenig vegetabilischem Stoffe und Sand, theils von linsengroſsem Korn, theils mehlfein, jedes einzelne Korn beiderlei Art stark abgeschliffen, ohne Ecken und Kanten., ist im Ansehen derart, daſs jeder – selbst der Gerber von Fach – es sofort und unbedenklich für Leder erklären wird. Die Lappen und Flecke, von unregelmäſsiger Form, sind durchaus von nur geringem Umfang, von der Gröſse eines Tellers etwa bis zur halben Handgröſse, verhältniſsmäſsig kleine Abschnitte einer ganzen gargemachten Haut. Die Farbe der Reste ist dunkel, mehr schwarz als braun und durchaus gleichmäſsig bei allen Stücken, wie auch innerhalb der Fläche der einzelnen Stücke. Der sonstigen Beschaffenheit nach, unterscheiden sie sich augenfällig in zweierlei Arten: eine schwächere und eine bedeutend stärkere. Die schwächere mit ziemlich losem, aber durch die ganze Dicke gleichförmigem Gefüge, ziemlich biegsam und – lufttrocken, wie sie vorlag – nicht zu Bruch geneigt; umgekehrt die stärkere; sehr dicht, fest, auch bei mäſsigem Biegen schon zu Bruch geneigt. Die schwächere Gattung ist, und zwar immer nur auf einer Seite (Fleischseite der Haut) mit einer sehr zerklüfteten, aber fest anhaftenden fast schwarzen, stark in die Augen fallenden Kruste überzogen. Bei der stärkeren Art fehlt eine solche augenfällige Kruste und haftet an der Oberfläche Fremdartiges nur in unbedeutender Menge. Die beiden Arten des antiken Leders verhalten sich unverkennbar zu einander, wie Oberleder zu Sohlleder; in der fertigen Fuſsbekleidung des Fundes sind sie auch in diesem Sinne angewendet, d.h. die starke steife Art gegen den Boden, die weiche gegen den Fuſs gewendet. Folgendes ist der Befund der Untersuchung beider Arten, chemisch, physikalisch und mikroskopisch: 1) Die weiche, leichte Ledersorte. Mehrere Tage in kaltes Wasser eingeweicht, verliert sie vollkommen was an Steife noch vorhanden war; nur die anhängende Kruste bleibt unerweicht und ungeschmeidig, haftet aber nicht mehr so fest am Leder als vorher. Nach dem Einweichen während einiger Tage läſst sich die – wie bemerkt nur an der einen Oberfläche anhaftende – Kruste durch Abstreichen auf einem Brett o. dgl. unter einem Wasserstrahl mit einer stumpfen Klinge entfernen. Sie besteht theils aus grobfaserigem, alsbald im Wasser zu Boden fallendem Fasergewirre, theils einem ungemein fein zertheilten zarten Schlamm, der wochenlang im Wasser suspendirt bleibt, ohne sich abzusetzen und stark durch das Filter geht. Ein Tropfen Alaunlösung zu dem Wasser, worin er suspendirt ist, bringt ihn filtrirbar zu Boden. Dieser fein zertheilte Bestand der Kruste hängt nicht bloſs äuſserlich an, sondern imprägnirt auch die ganze Substanz der Lederlappen so stark, daſs er sich erst durch abwechselndes und lang fortgesetztes Streichen und Kneten unter dem Wasserstrahl entfernen läſst. Das dem Leder äuſserlich (als Kruste und als imprägnirende Substanz) Anhaftende ist, wie das Mikroskop auf den ersten Blick und schon bei 80facher Vergröſserung erkennen läſst, vegetabilischer Natur, ein Gemenge von histologischen Pflanzenresten: Der gröbere Theil aus Fasern und Gefäſsen, der zarte, leicht aufschlemmbare Theil aus in seine Elemente aufgelöstes Zellengewebe bestehend. Das grobe wie das feine brennen lebhaft, ohne besonderen Geruch nach brennenden Haaren o. dgl., mit Hinterlassung von etwas mineralischer Beimengung. Alles das sind Erscheinungen, wie sie der Torf, und zwar sehr alter schwarzer vom letzten Stadium des Torfbildungsprozesses bietet. Auch die Eigenschaft, einmal getrocknet, nicht mehr mit Wasser zu Schlamm aufzuweichen, gehört zu den unterscheidenden Kennzeichen des Torfes. Ebenso die Entwickelung von sauer riechenden und reagirenden Dämpfen. Die Lederstücke des Mainzer Fundes lagen also in torfigem Boden gebettet und eben diesem Torf verdanken sie ihre Erhaltung durch fast 2000 Jahre, wie die conservirende Kraft des Torfes für thierische Stoffe ja vielfach bewährt und bekannt ist. Die torfige Masse, die auf den leichteren Lederproben ziemlich gleichmäſsig sich vorfindet, beträgt ¼ vom Gewichte (eine Probe trockenes Leder gab 23,7 Proc. trockene Torfmasse, wovon 2 Proc. auf den feinschlammigen Theil kommen). – Das rohe (nur abgespülte und abgetrocknete Leder) hinterläſst eine reichliche Menge (über 8 Proc. des wasserfreien Leders) an unverbrennlichem Rückstande von Lehmfarbe, mit Eisen, Thonerde, viel Kalk und Phosphorsäure.Eisenphosphat ist bekanntlich eine häufige Erscheinung in Torfmooren. Davon kommt der Mehrbetrag auf die anhängende torfige Masse (3 Proc), etwas weniger auf das gereinigte Leder (2,5 Proc), der Rest findet sich gelöst in dem Wasser, worin das Leder aufgeweicht worden, mit organischen Substanzen verbunden. Dieser mit kaltem Wasser ausziehbare Theil des rohen Leders ist ziemlich beträchtlich (über 9 Proc. mit 2 Proc. Asche). Er wird von Gerbsäure nicht gefällt und besteht wesentlich aus Humussäuren (Quellsäure) mit den Basen der Asche. Nach dem Reinigen des Leders hinterbleiben ⅔ des Gewichtes von Rohleder (über 64 Proc. des Trockengewichtes) an gereinigtem Leder. Die Haarseite (der Narben) ist nunmehr deutlich von der Fleischseite zu unterscheiden, während bei dem Rohleder der Unterschied nicht deutlich hervortritt. 2) Das schwere Leder. Bei ganz gleicher schwarzbrauner Farbe ist dieses Leder bedeutend, etwa um das Dreifache, stärker als das leichte, dabei, wie schon erwähnt, steifer und brüchiger. Auch noch in anderen Beziehungen weicht es von jenem ab. Bei dem leichten Leder ist der Narben erst nach der Reinigung durch Schaben deutlich erkennbar; bei dem schwereren gleich von vornherein und vor irgend welcher Bearbeitung bestimmt zu unterscheiden. Auf dem Schnitt zeigt es zweierlei Schichten von verschiedenem Gefüge: auf der Narbenseite eine dichtgewebte, sehr feste und brüchige; auf der Fleischseite eine gröbere, weniger dichte, lockere. Beim leichten Leder ist dieser Unterschied kaum wahrnehmbar. Er ist in der That nur die in dem Leder verbliebene ungleiche Beschaffenheit aller thierischen Häute: am Narben feinere und dichtere Webung, an der Fleischseite gröbere und mehr lose und locker. Bei schwachen Häuten (Fellen) tritt dies nach dem Gerben nicht so deutlich wie bei starken hervor; ebenso ist es in den vorliegenden Lederproben: bei den weichen kaum mehr bemerklich, bei den schwereren stark hervortretend. Sehr auffallend und bemerkenswerth ist der Umstand, daſs an den leichteren Ledern die nach dem Abspülen fest anhängende Torfkruste ebenso regelmäſsig vorhanden ist, als sie bei den schweren Ledern fehlt, oder doch nur einen leichten Ueberzug bildet von unerheblicher Dicke in zusammenhängenden Flecken. Nach dem Einweichen in Wasser blieb das starke Leder immer noch sehr steif und gab beim Auskneten unter dem Wasserstrahl so gut wie nichts von jenem zarten, im Wasser suspendirt bleibenden Schlamm, den das leichte Leder reichlich lieferte. Was sich mit der Klinge abschaben lieſs, eine grobfaserige Masse, betrug zwar nahe 10 Proc. des Trockengewichtes, lieſs aber unter dem Mikroskop nur spärlich vegetabilische Faser erkennen und bestand vielmehr weit überwiegend aus den Fasern des Hautgewebes (Bindegewebe) selbst; auch gaben die Producte der trockenen Destillation im wässerigen Theile entschieden alkalische Reaction. Wiederum übereinstimmend mit dem leichten Leder gab auch das schwerere an das Einweichewasser lösliche Theile ab, und zwar ziemlich die gleiche Menge (8 Proc), von der gleichen Beschaffenheit und Gehalt an Asche (15 Proc). Während in den Proben der leichten Gattung der Betrag an eigentlichem Leder nur ⅔ des Trockengewichtes ausmacht, steigt er bei dem schwereren auf nahe 9/10. Der Aschengehalt des ausgelaugten Leders betrug etwas über 3 Proc., wie auch zu erwarten war, da die torfige Masse und die gereinigte Ledersubstanz bezüglich des Aschengehaltes wenig verschieden sind. Art der Gerbung des antiken Leders. Der nach Beseitigung der Torfmasse zurückgebliebene Theil ist ein zusammenhängendes Gewebe, mager, bei der einen Art weich, lose und leicht, vom Ansehen etwa des schwarzen Schwammes; bei der anderen dichter und fester. Unter dem Mikroskop gibt es das unverkennbare Bild des als „Bindegewebe“ bekannten thierischen Gewebes, dem Hauptbestandtheil der Haut beim Gerber. Die histologische Form ist so klar und deutlich, wie bei frischer Blöſse, nur die Faser sehr dunkel gefärbt. Das Gewebe ist also die gerbermäſsig behandelte (reingemachte) thierische Haut mit einem anderen Stoff zu einem lederartigen Gebilde verbunden. Welches ist dieser Stoff? Die Gerberei der Jetztzeit kennt drei von jeher bekannte Hauptarten, Haut in Leder zu verwandeln, die hier in Betracht kommen können: mittels Fett oder Fett haltigen Stoffen (sämisch gar), mit Alaun und mit vegetabilischen Gerbstoffen (lohgar). Schon das Ansehen und die ganze Beschaffenheit, mehr noch die geringe Zugigkeit des antiken Leders entspricht in keiner Weise der sämischen Gerbung, namentlich steht das dichte feste Gefüge der starken Gattung damit in starkem Widerspruch. Auch hat sich Fett im Bestände der einen oder anderen Gattung nirgends nachweisen lassen. – Nicht viel besser stimmt die Beschaffenheit des antiken Leders mit der Alaungerbung, noch enthielten die Einweichwasser schwefelsaure Thonerde (der eigentliche Gerbstoff des Alaunleders). Solches war auch nicht zu erwarten, insofern die Alaungerbung, bekanntlich wenig beständig, in dem feuchten Boden der Fundstätte verschwunden sein muſste. Eben diese Unbeständigkeit gegen Feuchtigkeit macht auch das Alaunleder schlecht geeignet zur Anwendung auf Fuſsbekleidung, wie sie doch notorisch vorliegt. Am wenigsten verträgt sich die Annahme einer Alaungare mit dem Aschengehalt des Leders, der um das Mehrfache höher sein müſste. – Während Verhalten und Beschaffenheit des antiken Leders mit der Annahme einer sämischen und einer Gerbung mit Alaun nicht wohl vereinbar ist, läſst sich nicht das Gleiche in Bezug auf Lohgerbung sagen; im Gegentheil stimmen die Eigenschaften mit denen der lohgaren Leder sehr gut überein, ganz besonders und in charakteristischer Weise bei der starken festen Gattung, deren Steife und Festigkeit mit den beiden anderen Gerbungen nicht wohl erreichbar ist. Immerhin ist dasjenige, was das römische Leder, so wie es vorliegt, als gerbenden, garmachenden Stoff enthält, sicher keiner der Gerbstoffe aus den Lohrinden der heutigen Technik. Während das lohgare Leder die chemischen Reactionen jener Gerbstoffe zeigt, sich namentlich mit Eisenoxyd salzen schwarz färbt, fehlt beides dem antiken Leder. Es gelang schlechterdings nicht, auch bei gröſster Sorgfalt, durch Bestreichen oder Einweichen in Lösung von Eisenchlorid, auch mit völlig neutralen, die schwarze Farbe hervorzubringen. Wenn sonach auch kein Fett, kein Alaun, noch vegetabilischer Gerbstoff vorhanden, so ist das Material des Fundes dennoch keine bloſse Haut. Es ist im Gegentheil ein Etwas mit der Haut verbunden, welches das Gewebe als Leder charakterisirt. Dieses Etwas sind die Humusstoffe. Die Lagerstätte in torfigem Grund, die anhaftende Torfkruste und die Imprägnation mit loser Torfsubstanz weisen von vornherein darauf hin. Schon die oben beschriebene mit kaltem Wasser ausziehbare Quellsäure scheint gerbstoffartig gebunden im Leder; denn sie läſst sich nur sehr langsam und mit groſsem Ueberschuſs von Wasser ausziehen. Als wesentlich lederbildend sind jedoch die braunen Humuskörper – ob sauer oder indifferent – eingetreten. Sie werdenNach früheren Versuchen des Verfassers. von der thierischen Haut wie Gerbstoffe aufgenommen, aber zu einer Art Leder von sehr mittelmäſsiger Beschaffenheit. Das Product ist von einer todten, stumpfen, dunkelbraunen, ins Schwarze ziehenden Farbe:, der Schnitt ist lose, leer, es fehlt ihm an Schluſs, dem Leder an Fülle und Griff; die Humuskörper werden zwar fest, aber in einer für die Zwecke der Gerberei weitaus unzureichenden Menge gebunden. Genau so ist die Beschaffenheit des römischen Leders, sowohl in Bezug auf die unangenehme Farbe, als auch in dem Mangel an satter Gerbung.Auch bei der dickeren Gattung des Fundleders ist dieser Mangel nicht zu verkennen, obwohl einigermaſsen durch die Schwellung beim Garmachen (s.u.) maskirt. Sehr handgreiflich weist dies die chemische Analyse nach: Aus dem Stickstoffgehalt eines Leders läſst sich nämlich, mit hinreichender Annäherung an die Wahrheit, das Verhältniſs des Hautgewebes zu dem Gerbstoff eines Leders bestimmen. Auf diesem Wege ergab sich im Vergleich mit einem guten Riemenleder moderner Lohgerbung (in Procenten des trockenen Leders) jenes Verhältniſs wie folgt: Antikes Leder Modernes(Riemenleder) leichtes schweres  75Entsprechend 13,89, 12,26, 7,81 Stickstoff, bestimmt nach Dumas' Methode.  66Entsprechend 13,89, 12,26, 7,81 Stickstoff, bestimmt nach Dumas' Methode. 42Entsprechend 13,89, 12,26, 7,81 Stickstoff, bestimmt nach Dumas' Methode. Hautgewebe. 25 34 58 Gerbemittel. Der Betrag an Gerbemittel im antiken leichten Leder ist daher nur 3/7, vom schweren nur ⅗, vom Gerbstoff der modernen. Der Mangel an satter Gerbung gibt sich weiterhin in der Eigenschaft der antiken Leder zu erkennen, noch beträchtlich mehr Gerbstoff (z.B. Galläpfelgerbsäure) zu demjenigen (im vorliegenden Falle Humusstoffe) aufzunehmen, den sie bereits enthalten: so gaben 100 Th. trockenes Leder, in Galläpfelgerbsäure nachgegerbt, die leichte Gattung 150,7 Gew.-Th., die schwere 146,1 Gew.-Th. gesättigtes Leder. Jenes vermochte also noch sein halbes Gewicht, das schwere Leder nicht ganz so viel (6/13) Gerbsäure aufzunehmen. – Frisches lohgares Leder gibt mit Wasser gekocht keine Lösung von Leim; die Bindegewebefaser verwandelt sich dabei wohl in Leim, aber sie bleibt ganz mit dem reichlich vorhandenen Gerbstoffe zu einer formlosen dunkelbraunen Masse mit glasigem Bruch verbunden. Eine solche hinterläſst auch das antike Leder beim Kochen mit Wasser, aber wegen der unzureichenden Menge des Gerbmittels (hier der Humusstoffe) geht ein Theil des Hautgewebes in das vorhandene Wasser über und bildet damit eine nach dem Eindampfen klebrige, mit Gerbsäure stark fällbare Lösung – also Leim. Von gereinigtem trockenem Oberleder, lange unter öfterem Wechseln des Wassers gekocht, blieben schlieſslich 75,8 Proc. von dem dunklen Rückstande mit glasigem Bruch, während die entstandene Lösung nach dem Abdampfen 24,6 Proc. des Leders trockenes Extract (Leim) hinterlieſs. Auch das sonstige Verhalten stimmt ganz mit dem des selbst hergestellten Humusleders überein. Kohlensaures Ammoniak entzieht dem Leder nur sehr wenig und färbt sich, selbst nach mehreren Tagen, nur blaſs weingelb. Energischer ist die Wirkung von verdünnter AetznatronlaugeIn concentrirter Aetznatronlauge zergeht das Leder gänzlich zu einer dicken, schleimigen Lösung., namentlich aber von verdünntem Ammoniak; diese färben sich lebhaft dunkelrothbraun und lassen mit Säure neutralisirt einen braunen flockigen Niederschlag fallen; sie werden von Eisenoxydsalzen und von Leim braun gefällt. Während lohgares Leder von denselben Agenden völlig entgerbt wird, so daſs der Rückstand beim Sieden mit Wasser wieder Leim gibt, ist dies mit dem Humusleder keineswegs der Fall. Ersetzt man die braun gewordene alkalische Lösung durch frische, so färbt sich diese schon viel schwächer, beim zweiten Wechsel gar nicht mehr; dabei behält das Leder während der Operation sein Ansehen unverändert, ohne in Haut reducirt zu werden. Man kann daher sagen, diese Humusgerbung, bei allen ihren sonstigen Mängeln, ist solider als die lohgare. – Wenn sonach das römische Leder in dem Zustande des Fundes humusgar ist, so darf man selbstverständlich daraus nicht schlieſsen, daſs die Römer etwa mit humösen Stoffen, Torf u. dgl. gegerbt hätten. Die Sache liegt umgekehrt. Das römische Leder ist – wie nach den weiter unten beizubringenden Gründen kaum zu bezweifeln – ursprünglich lohgares gewesen; der Gerbstoff der Lohe hat sich zersetzt, ist in Gallussäure, dann weiter in Humuskörper übergegangen, die sich mit denen des ungebundenen Torfes auf die frei gewordene Gewebefaser niedergeschlagen haben: das Leder des Fundes ist ein Ergebniſs natürlicher Substitution. Wenn sich auch mit voller Sicherheit nicht mehr feststellen läſst, welches die ursprüngliche Gerbung des Lederfundes war, so bietet doch die Verschiedenheit der Beschaffenheit beider Gattungen desselben wichtige Anhaltspunkte zur Beurtheilung der Frage. Wir meinen die Abweichungen, in erster Linie der Festigkeit und Dichte, der Dicke; dann aber auch der Menge der anhängenden Torfmasse und der Art, wie sie damit behaftet sind. Folgende Momente sind es, die dabei in Betracht kommen: Die steife feste Gattung bildet thatsächlich in den mit aufgefundenen fertigen römischen Schuhen das Sohlleder, wie umgekehrt das weiche leichte das Oberleder. Sohlleder muſs zum Schutz des Fuſses vor allen Dingen eine beträchtliche Stärke, es muſs bei einem bestimmten Grad von Elasticität und Steifigkeit einen dichten vollen Schnitt neben möglichster Festigkeit gegen Abnutzung besitzen. Diese Forderungen sind durch passende Wahl der Haut (möglichst schwere) nur sehr theilweise zu erfüllen; das Beste muſs die Kunst thun, und diese Kunst ist das „Schwellen,“ d. i. Behandlung der Haut in sauren Gerbbrühen. In solchen sauren Brühen schwillt die Primitivfaser des Hautgewebes stark an, zugleich schlieſsen sich die Maschen des Gewebes, die Fasern liegen ohne klaffende Zwischenräume an einander, die Haut „geht auf“ bis zur doppelten Dicke und darüber. Dieser Zustand der Schwellung bleibt auch nach dem völligen Garmachen erhalten; das fertige Leder verharrt in dieser Verfassung, welche ihm die Festigkeit, die Elasticität und den geschlossenen Schnitt verleiht. Die als Sohlleder verwendete Gattung des Mainzer Fundes besitzt eine Beschaffenheit, namentlich Steifigkeit und Dichte, wie sie die Haut an sich nicht bietet; sie kann nur durch Schwellen hergestellt sein. War aber das römische Sohlleder durch Schwellung gar gemacht, dann kann die Gerbung auch nicht wohl eine andere gewesen sein, als lohgare; denn die Schwellung hält sich bei Sämisch- und Alaungerbung nicht, sie „verfällt,“ wie der Gerber sagt. Bei dem ungleichen Zustande der beiden Gattungen des römischen Leders, des ungeschwellten und des geschwellten, muſste sich auch die umgebende Torfmasse gegen beide verschieden verhalten: während sie in das lose Gewebe des ersteren eindrang und sich mit seiner Oberfläche zu fest anhängender Kruste verfilzte, blieb ihr das geschlossene Gefüge des geschwellten unzugänglich und gab keinen Anhalt zur Verfilzung und Krustenbildung. – Bei der sonst gleichen Beschaffenheit beider Gattungen des antiken Leders, namentlich in Farbe und chemischem Verhalten, ist übrigens – abgesehen von der Schwellung – kein Grund, eine verschiedene Gerbung anzunehmen; sie ist für beide ursprünglich schwerlich eine andere, als die lohgare gewesen. Diese Schluſsfolgerung als richtig angenommen – und sie ist keineswegs eine so kühne, wie sie auf den ersten Blick erscheint – gestaltet sich die Veränderung, die das Leder bei seinem Jahrhunderte langen Aufenthalt im torfigen Grund erfahren hat, als eine unerwartete und merkwürdige. Was sich in Wahrheit erhalten hat an dem ursprünglichen lohgaren Leder, ist nur die thierische Faser, das Bindegewebe; der vegetabilische Gerbstoff ist verschwunden und durch Humuskörper ersetzt.