Titel: Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
Fundstelle: Band 269, Jahrgang 1888, S. 73
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Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. (Patentklasse 89. Fortsetzung des Berichtes Bd. 268 S. 464.) Mit Abbildung auf Tafel 5. Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. Zur Zuckerbestimmung kann auch die Ermittelung des entsprechenden Gewichtes der alkoholischen Gährungsproducte dienen. Die Menge dieser letzteren war aber bisher nicht in so sichere Beziehung zur Menge des vergohrenen Stoffes zu bringen, daſs die Methode der alkoholischen Gährung hätte häufigere praktische Anwendung finden können. Sie würde aber in vielen Fällen, namentlich auch bei der Melassenanalyse und zur Bestätigung der auf anderem Wege gefundenen Zahlen werthvolle Dienste leisten, und es ist daher eine gründliche und allseitige Klarheit verschaffende Arbeit M. Jodelbauer's (Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie, 1888 Bd. 38 * S. 308) von groſsem Werthe, da in derselben alle Bedingungen festgestellt sind, unter denen ein bestimmtes Verhältniſs von Gährproducten, insbesondere von Kohlensäure, aus den Zuckerarten erzielt werden kann. Der Verfasser beschreibt zugleich einen Apparat, mit welchem diese Bestimmung mit Zuverlässigkeit auszuführen ist, und zählt eine sehr groſse Anzahl von Bestimmungen auf, welche in der vollständig begründeten Weise ausgeführt und geeignet sind, ein Urtheil über die Wirkung aller zum Gelingen inne zu haltenden Vorsichtsmaſsregeln zu gewinnen. Alle Umstände, welche bisher wegen ihres nicht in Rechnung zu ziehenden Einflusses auf das Ergebniſs nicht beherrscht werden konnten, und die daher die Veranlassung gewesen sind, dem Verfahren bisher jede Zuverlässigkeit abzusprechen, hat der Verfasser einer gründlichen Untersuchung mit dem Erfolge unterzogen, daſs er die Gesetzmäſsigkeit der Einflüsse feststellen und folgende Schlüsse ableiten konnte: 1) Die Producte der alkoholischen Gährung sind unter gewissen Bedingungen constante. 2) Diese Bedingungen sind: a) Die Anwendung einer kräftig entwickelten Hefe, die einem in Gährung begriffenen Substrat entnommen ist und deshalb noch keinen Verlust an ihren Geweben oder dem protoplasmatischen Inhalt ihrer Zellen durch Selbstgährung erlitten hat. b) Das Einhalten eines gewissen Verhältnisses von Hefezusatz zur angewendeten Zuckermenge; die Hefemenge darf 50 Proc. des angewendeten Zuckers nicht überschreiten; im anderen Falle tritt nach vollständiger Verjährung des Zuckers eine Selbstgährung der Hefe ein, die eine Erhöhung der Gährproducte bewirkt. c) Der Abschluſs von freiem Sauerstoffe. Das Wachsthum der Hefe, das immer zum Theil auf Kosten des vorhandenen Zuckers vor sich geht, wird auf solche Weise beschränkt. d) Die Anwendung einer geeigneten Nährflüssigkeit. Durch den im Verlauf der Gährung stattfindenden Stoffwechsel werden der Hefe Substanzen entzogen, die sie aber nicht weiter zum Zwecke der Ernährung verwenden kann. Die Hefezelle muſs deshalb in der Gährflüssigkeit Stoffe vorfinden, die sie an Stelle jener ausgeschiedenen wieder in sich aufzunehmen vermag. Werden der Hefezelle die zu ihrer Ernährung und dem weiteren Aufbau ihrer eiweiſsartigen Bestandtheile nothwendigen Stoffe vorenthalten, so geht sie in einen Schwächezustand über, in dem sie den vorhandenen Zucker nur mehr langsam und unvollkommen umzusetzen vermag. 3) Die günstigste Temperatur für den Verlauf der Gährung ist 34°. 4) Als günstigste Concentration muſs eine solche von 8 Proc. bezeichnet werden. 5) Von den bei der alkoholischen Gährung entstehenden Producten ist die Kohlensäure am leichtesten und genauesten bestimmbar. 6) Der Rohrzucker und die wasserfreie Maltose liefern durch Vergährung 49,04., die Dextrose 46,54 Proc. Kohlensäure. 7) Die Gährdauer ist wesentlich abhängig von der zur Vergährung gelangenden Zuckerart – der Rohrzucker bedarf der doppelten Zeit wie Dextrose und Maltose. Auf die Ermittelung dieser Gesetzmäſsigkeit in Bezug auf die verschiedenen in Betracht kommenden Versuchsverhältnisse hat der Verfasser sein Verfahren zur Anwendung der alkoholischen Gährung zur Zuckerbestimmung begründet und beschreibt dasselbe in folgenden Worten: Vor Allem hat man sich über den Charakter der zu bestimmenden Zuckerart durch Vorversuche zu orientiren. Dabei dürfte in den meisten Fällen schon die Art der Herkunft genügenden Aufschluſs ertheilen. Auſserdem können zur qualitativen Unterscheidung der Zuckerarten mit Vortheil die von E. Fischer (Verbindungen des Phenylhydrazins mit den Zuckerarten) beschriebenen Hydrazinverbindungen dienen. Sodann bestimmt man das Reductionsvermögen der zu untersuchenden Substanz und berechnet dasselbe auf Invertzucker, Dextrose oder Maltose. Zum Gährversuch wendet man so viel der Substanz an, als nach dem Reductionsvermögen 2g der betreffenden Zuckerart entsprechen würde. Die berechnete Menge wird in 25cc Wasser gelöst; zu dieser Lösung gibt man 1cc der Hayduck'schen Nährlösung (enthaltend 0g,025 Monokaliumphosphat, 0g,0085 krystallisirter schwefelsaurer Magnesia und 0g,02 Asparagin) und 1g einer frischen gereinigten, auf einer Thonplatte entwässerten Bierhefe. Die Zusammenstellung des Apparates geschieht in der unten beschriebenen und dargestellten Weise. Die Gährung verläuft im Wasserstoffstrom bei 34°. Es empfiehlt sich die Anstellung eines qualitativen Nebenversuches, welcher gestattet, den Endpunkt der Gährung festzustellen. Nach Verlauf von etwa 20 Stunden (bei Maltose oder Dextrose, bei Rohrzucker nach der doppelten Zeitdauer) überzeugt man sich, ob im Nebenversuche der Zucker vollständig vergohren ist.Am besten mit der Hydrazinreaction nach E. Fischer. Ist dies der Fall, so unterbricht man den Versuch in der Weise, daſs man den Wasserstoffstrom abschlieſst, die Gährflüssigkeit zum Sieden erhitzt und etwa 5 Minuten im Kochen erhält. Hierauf wird noch während 20 Minuten Luft durch den Apparat geleitet. Da die verschiedenen Zuckerarten bei der Gährung nicht die gleiche Menge Kohlensäure liefern, so muſs man, wenn die zu untersuchende Substanz Rohrzucker oder Maltose war, die erhaltene Kohlensäurezahl durch den Factor 49,04, war sie aber Dextrose, durch 46,54 dividiren. Man hat z.B. eine Substanz zu untersuchen, die unter anderen reducirenden Stoffen (DextrinenSpecielle Versuche zeigten, daſs innerhalb der für die Maltose erforderlichen Zeit keine bemerkbaren Mengen von Dextrin vergähren. u.s.w.) Maltose enthält und deren Reductionsvermögen auf Maltose berechnet 81,4 beträgt. Zur Vergährung wurde deshalb angewendet 2g,58 Substanz. Die erhaltene Kohlensäuremenge betrug 0g,9786. 49,04 (CO2) : 100,0 (wasserfreie Maltose) = 0,9786 : x x = 1g,99 Maltose. 2,58 : 1,99 = 100 : x x = 77,13 Proc. wasserfreie Maltose. Der Apparat, dessen sich der Verfasser zu seinen Bestimmungen bediente und dessen Anwendung er empfiehlt, ist in Fig. 11 Taf. 5 dargestellt. Derselbe ist ein doppelter, damit jedesmal, wie oben gesagt, der Endpunkt der Gährung durch einen gleichzeitigen Gegenversuch festgestellt werden kann. Ein birnförmiges Gährkölbchen von etwa 200cc Inhalt ist mittels eines doppelt durchbohrten Kautschukstopfens mit einem Gaszuleitungsrohr und mit einem aufrecht stehenden Rückfluſskühler verbunden. Das rechtwinkelig gebogene, mit Glashahn versehene Wasserstoffzuführungsrohr ist in eine feine Spitze ausgezogen und mündet bis auf den Boden des Kölbchens. Der obere Theil des Kühlrohres, im Bogen nach abwärts gekrümmt, steht mit einem U-förmigen Absorptionsrohr mittels Quecksilberverschluſs in Verbindung- der zweite Schenkel des U-Rohres trägt ein rechtwinkelig gebogenes Verbindungsstück mit Quecksilberverschluſs, das mittels eines glatten, dickwandigen Kautschukschlauches mit einem Kaliapparat verbunden ist. Das Absorptionsrohr wird mit ungefähr rapskorngroſsen Glasperlen beschickt und mit concentrirter Schwefelsäure gefüllt. Zur Entfernung der überschüssigen Schwefelsäure dient der mit einem Glasstopfen verschlossene Ablauftubulus. Selbstverständlich ist ein Abdichten des Stopfens mittels Einfetten durch die Gegenwart der concentrirten Schwefelsäure unnöthig. Nach jedesmaliger Benutzung wird die unbrauchbar gewordene Schwefelsäure durch wiederholtes Aufgieſsen und Ablaufenlassen frischer Schwefelsäure ersetzt. Dieses Absorptionsrohr hat nicht nur die Aufgabe, die aus der Gährflüssigkeit entwickelte Kohlensäure zu trocknen, sondern auch von Alkohol dampf zu befreien, welche Aufgabe die concentrirte Schwefelsäure in vollkommener Weise erfüllt, wie ein besonderer Gegenversuch gezeigt hat. Der für die Absorption der Kohlensäure bestimmte Geiſsler'sche Kaliapparat ist anstatt mit einem Chlorcalciumrohr mit einem eingeschliffenen kleinen cylindrischen Waschfläschchen verbunden, das zu etwa einem Drittel mit concentrirter Schwefelsäure und etwas Glaswolle beschickt ist, da, wie es sich herausstellte, das Chlorcalcium bei den mehrere Stunden dauernden Versuchen das aus dem Kohlensäureabsorptionsapparat durch den continuirlichen Gasstrom mitfortgeführte Wasser nicht vollkommen zurückhält. Ein Chlorcalciumschutzrohr, welches das Hinzutreten von Wasserdampf aus der Auſsenluft zu letztgenannter Absorptionsvorrichtung verhindert, bildet das Endstück des Apparates. Der Kaliapparat wird mit Kalilauge (1 Th. Aetzkali, 2 Th. Wasser) in bekannter Weise gefüllt. Die Gährversuche werden bei unveränderter Temperatur ausgeführt mit Zuhilfenahme eines Wasserbades, in welchem ein Soxhlet'scher TemperaturregulatorTemperaturregulatoren, unabhängig von Barometer- und Gasdruckschwankungen, ohne Luft- und Dampfraum, mit Alkoholfüllung halten die Temperatur bis auf 0,1° constant. eingesetzt war. Nach Beendigung des Gährversuches wird das Wasserbad entfernt, der durch den Apparat gehende Gasstrom unterbrochen, die Flüssigkeit im Gährkölbchen zum Sieden erhitzt, 5 Minuten im Kochen erhalten und schlieſslich – zur Verdrängung aller Kohlensäure – noch 20 Minuten lang Luft durch den Apparat gesaugt. Untersuchungen über die Beziehungen zwischen der Zusammensetzung des Rübensaftes und der Art, wie dieser (bei der Rübenuntersuchung) gewonnen wird, sind von Strohmer und Merlitschek ausgeführt worden (Oesterreichisch-Ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie und Landwirthschaft, 1888 Bd. 17 S. 20). Es ist aus vielen Untersuchungen, namentlich aus denen Stammer's, bekannt, daſs diese Zusammensetzung von der Feinheit des Rübenbreies einerseits und von der Höhe des zum Auspressen angewandten Druckes andererseits, d.h. also von der Menge des ausgepreſsten Saftes abhängig ist, wonach unter verschiedenen hierauf bezüglichen Verhältnissen aus denselben Rüben verschiedene Säfte und somit auch Untersuchungsergebnisse erzielt werden können. Es ist hiernach für die Berechnungen und Beaufsichtigung des Betriebes wünschenswerth, daſs die Saftuntersuchung allgemein durch die unmittelbare Bestimmung des Zuckers in der Rübe ersetzt werde. Leider bricht sich diese unzweifelhaft einzig richtige Anschauung nur langsam Bahn, und in vielen Fällen geschieht die Rübenuntersuchung noch immer in der Weise der Saftuntersuchung und Rückrechnung auf Rüben in vollkommen unsicherer und schwankender Weise. Man rechtfertigt oder entschuldigt dieses Festhalten am ungenauen Alten vielfach dadurch, daſs bei der Rübenuntersuchung die Bestimmung der Reinheit nicht ausführbar sein soll, vergiſst aber, daſs die übliche Bestimmung der scheinbaren Saftreinheit eine unsichere und eine eigentlich ganz unbrauchbare ist, die nur zu irrthümlichen Ansichten und Vorstellungen führen kann, während mit der Bestimmung des Zuckers in der Rübe nach den neueren Angaben Stammer's auch die Bestimmung der brauchbaren und genauen wirklichen RübenreinheitVgl. Stammer's Lehrbuch der Zuckerfabrikation, 2. Aufl. S. 143 und 146. unschwer verknüpft werden kann. Die Verfasser haben nun nochmals Untersuchungen über die erwähnten Einflüsse angestellt und sind, wie zu erwarten stand, zu dem Ergebniſs gelangt, daſs diese, wie erwähnt, die Untersuchung des Saftes unbrauchbar machen; es haben aber dabei auch einige neue Thatsachen festgestellt werden können. Zur Saftgewinnung wurden die Rüben jedesmal in zwei Theile getheilt, der eine auf einem Reibeisen, der andere mittels der Rübenmühle zerkleinert und der so erhaltene geriebene, wie der geschliffene Brei verschieden hohen Pressungen unterworfen. Aus den oben erwähnten hier beobachteten Verschiedenheiten lieſs sich ein gesetzmäſsiger Einfluſs nicht ableiten, was unzweifelhaft damit zusammenhängt, daſs die erhaltenen Saftmengen in allen Fällen einen zu geringen Bruchtheil des Gesammtsaftes ausmachen. Es stellte sich ferner heraus, daſs auch die Menge des zum Auspressen (in einem Preſsgefäſs von bestimmtem Querschnitte und bei demselben Drucke) angewendeten Breies auf die Zusammensetzung des Saftes von Einfluſs ist, wohl deshalb, weil die Menge des letzteren mit Vermehrung der Dicke der auszupressenden Schichten sehr rasch abnimmt. Die erlangten Zahlenergebnisse finden sich im Einzelnen in mehreren Tafeln zusammengestellt. Nimmt man mit Stammer an, daſs nur jene Saftgewinnungsmethode eine der wirklichen Zusammensetzung des in der Rübe enthaltenen Saftes möglichst nahekommende Probe liefert, welche den Höchstbetrag der Saftausbeute liefert, so wird es jene sein, bei welcher der feinste Brei und der gröſste Druck und eine nicht 300g überschreitende Probemenge zur Anwendung kommt. Um daher vergleichbare Untersuchungsresultate bei verschiedenen Rübenproben zu erhalten, wird man stets dieselbe Breimenge, dieselben Druck Verhältnisse und denselben Feinheitsgrad des Breies einhalten müssen. Die ersten beiden Bedingungen sind stets und leicht zu erfüllen, anders steht es mit der verlangten gleichmäſsigen Feinheit des Breies. Für dieselbe könnte nur eine einheitliche Zerkleinerungsvorrichtung als Bedingung für das Erlangen wirklich vergleichbarer, also verhältniſsmäſsig richtiger Zahlen bei Rübenuntersuchungen aufgestellt werden, und würde sich hierzu die Suckow'sche Reibe am besten empfehlen. Wie aus genauerer Betrachtung der hier mitgetheilten Versuchsergebnisse hervorgeht, ist aber die Feinheit des Breies von gröſstem Einflüsse, von gröſserem als wie Druck- und Mengenverhältnisse, auf die Zusammensetzung des Saftes, und ist schon aus diesem Grunde die alte Saftpolarisation als nicht geeignet zur Gewinnung von richtigen Zahlen, welche zu Vergleichen herangezogen werden könnten, zu bezeichnen. Die Unterschiede in der Ausbeute, je nach wechselndem Druck, sind bei geriebenem wie bei geschliffenem Brei gleich, die Schwankungen in der Zusammensetzung der hiernach erhaltenen Säfte sind jedoch bei geriebenem Brei weit gröſser als bei geschliffenem. Aus diesen und den übrigen Beobachtungen ergibt sich jedenfalls, daſs die alte Rübenuntersuchungsmethode durch Saftpolarisation selbst in jener Form, in der sie wenigstens annähernd vergleichbare, also verhältniſsmäſsig richtige Zahlen liefern könnte, nämlich Schleifen der Rübe und Auspressen von 200g des so erhaltenen Saftes, bei 300at Druck keine Berechtigung mehr hat. Die direkte Bestimmung des Zuckers in der Rübe sollte daher überall an ihre Stelle treten. Die gleichzeitige Bestimmung der Reinheit der Rüben (s. oben) ist zweckmäſsig damit zu verbinden. Stammer. (Fortsetzung folgt.)

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