Titel: Ueber das Reinigen des Speisewassers für Dampfkessel.
Fundstelle: Band 275, Jahrgang 1890, S. 412
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Ueber das Reinigen des Speisewassers für Dampfkessel. (Fortsetzung des Berichtes S. 364 d. Bd.) Mit Abbildung. Ueber das Reinigen des Speisewassers für Dampfkessel. Einen ausführlichen Vortrag über eine neue Vorrichtung zum Reinigen und Klären des Speisewassers für Dampfkessel hielt in der Versammlung in Köln vom 30. Juni 1889 vor dem Vereine deutscher Hüttenleute der Ingenieur Nimax. Den Apparat haben wir 1889 274 109 in dem Berichte über die Allgemeine Ausstellung zur Unfallverhütung bereits erwähnt und beschrieben. Es seien hier jedoch einzelne Bemerkungen über den Betrieb dieses, der Actiengesellschaft Humboldt in Kalk patentirten Apparates (D. R. P. Nr. 38032 vom 28. Mai 1886) und die Vortheile der Wasserreinigung im Allgemeinen nach dem uns vom Verfasser freundlichst übersandten Sonderabzug mitgetheilt. Der Vortragende geht von der Voraussetzung aus, daſs eine wirksame Wasserreinigung durch eine richtige Vereinigung der chemischen und mechanischen Reinigung am erfolgreichsten zu erzielen sei. Zu letzterem seien aber die gebräuchlichen Apparate allgemein in zu groſsen Verhältnissen ausgeführt. Bei den in Rede stehenden Apparaten – denen allerdings von anderer Seite ebenderselbe Vorwurf gemacht wird – wird die Beschleunigung des Niederschlagens der im Wasser schwebenden Verunreinigungen durch Anwendung der von Gaillet angegebenen beweglichen Böden erreicht, so daſs der Schlamm bei n vorhandenen Böden in \frac{1}{n} der sonst erforderlichen Zeit schon zur Ruhe kommt. Die Gaillet'schen beweglichen Böden haben hier noch eine Vereinfachung erfahren; dadurch nämlich, daſs sie geneigt gelegt werden, ist eine weitere Beweglichkeit überflüssig geworden. Der ausgeschiedene Schlamm sinkt auf der schiefen Ebene abwärts und findet bald seinen Weg zum Boden des Gefäſses. Der Vortragende weist diese Verhältnisse des Weiteren theoretisch nach, doch wollen wir auf diese Ausführungen nicht näher eingehen. Schon in der Einleitung hatte sich der Vortragende gegen die Ansicht ausgesprochen, daſs der Gyps bei einer gewissen Temperatur sich aus dem Wasser niederschlage und behauptet, daſs der Gyps sich erst bei einer bestimmten Concentration aus dem Wasser scheide, und daſs 500 Th. Wasser bei 150 bis 160° erfahrungsmäſsig 1 Th. Gyps gelöst halten können. Der Vortragende fährt dann fort: Bis jetzt habe ich in meinen Ausführungen der Temperatur des aufzubereitenden Wassers gar nicht erwähnt, was Sie vermuthen lassen dürfte, daſs es im Allgemeinen auf dieselbe weiter nicht ankommt, und so ist es auch in der That! Die hauptsächlichsten chemischen Reactionen bei der Weichmachung des harten Wassers, also die Umwandelung des löslichen, doppeltkohlensauren Kalkes durch Kalkwasser bezieh. Calciumoxyd in unlöslichen einfachkohlensauren Kalk, ebenso diejenige des löslichen schwefelsauren Kalkes (Gyps) durch Soda – kohlensaures Natron bezieh. Aetznatron – in unlöslichen einfachkohlensauren Kalk und löslich bleibendes schwefelsaures Natron (Glaubersalz) gehen bei jeder Temperatur vor sich, ganz besonders aber dann, wenn, wie im Humboldt-Apparate, die Berührungszeit der einzelnen Bestandtheile des Wassers eine so lange und deren Mischung, durch die stetige Bewegung, eine so innige ist. Wahr ist ja allerdings, daſs im Laboratorium die kohlensaure Magnesia sich bei niedriger Temperatur des Wassers durch Zusatz von Kalk und Soda nicht ausscheidet; aber in der Wirklichkeit sind mit kaltem Wasser durch den Humboldt-Apparat eine ganze Reihe der schönsten Resultate – trotz kohlensaurer Magnesia – erzielt worden, und es ist gerade die Zulässigkeit der kalten Aufbereitung, welche den Werth dieses Apparates begründet. Wenn die kohlensaure Magnesia im rohen Wasser nicht ausnahmsweise stark auftritt, was wohl in der Regel der Fall sein wird, so mag man ruhig das Wasser ohne besondere Vorwärmung behandeln, die Magnesia wird, nach den gemachten Erfahrungen, keinerlei Belästigungen im Dampfkesselbetriebe verursachen. Selbstredend aber ist es, daſs der Humboldt- Apparat sich auch zum Aufbereiten von warmem Wasser eignet, sei es, daſs solches zur Verfügung steht, oder daſs man das kalte Wasser durch Abdampf oder frischen Dampf vorwärmt, um die auſsergewöhnlich stark vorhandene kohlensaure Magnesia sicherer zu fällen. Der Wärmeverlust ist hierbei geradezu verschwindend, da der Wasserkörper des Apparates im Vergleiche zu seinen Abkühlungsflächen sehr bedeutend ist. Bei der kalten Aufbereitung ist es sehr empfehlenswerth, das gereinigte Wasser vor Eintritt in den Dampfkessel vorzuwärmen, weil dann die Vorwärmer nicht versteinern oder verschlammen und ihre volle Wirkung bewahren. Von mancher Seite trägt man der bei der Weichmachung angewendeten Soda ein gewisses Miſstrauen entgegen, man schreibt ihrer Gegenwart im Speisewasser üble Wirkungen auf die Kesselarmaturen zu, und nicht mit Unrecht! In allen Reinigungsanlagen mit gewöhnlichen Behältern ist man gezwungen, einen Ueberschuſs an Soda zuzugeben, weil sonst die Klärung des durch die ausgeschiedenen Kalksalze trüb gemachten Wassers nicht vollständig erfolgt. Beim Humboldt-Apparate hingegen ist ein Ueberschuſs an Soda nicht nöthig; es ist an Soda nur so viel zuzusetzen, als zur Ausscheidung bezieh. Umwandelung des Gypses gehört. Deshalb kann auch das in einem solchen Apparate gereinigte Wasser unbedenklich zu Koch- und Brauereizwecken verwendet werden. Sehr viele Speisewasser enthalten, auſser den stein- und schlammbildenden Kalk- und Magnesiasalzen, noch andere sehr lösliche Salze, z.B. Kochsalz, welche auf chemischem Wege nicht entfernt werden können. Für sich allein sind diese Salze völlig unschädlich, indeſs – ich erinnere nur an die sogen. „Salznasen“ an den Armaturen der Kessel – sie sehr störend im Verein mit den Kalksalzen wirken, deren Schlammtheilchen ihnen den Weg durch die kleinsten Undichtigkeiten nach auſsen bahnen. Enthält das Wasser keine stein- und schlammbildenden Theile mehr, so spielen die löslichen Salze absolut keine Rolle, vorausgesetzt, daſs man die Lösung derselben im Kessel nicht bis zur Uebersättigung kommen läſst, und eine solche wird, wie ich Ihnen an einem Beispiele vorrechnen werde, im normalen Dampfkesselbetriebe nicht vorkommen können. Ein in einem Humboldt-Apparate aufbereitetes Wasser enthielt, an löslichen Salzen, in 100l: 17,23g NaCl (Kochsalz, von Anfang an),   3,44 CaCl (Chlorcalcium, von Anfang an), 24,14 NaOSo3 (Glaubersalz, herrührend aus der Zersetzung desGypses durch die Soda). Die Löslichkeit der betreffenden Salze im heiſsen Wasser ist nun: für NaCl:   40 Th. in 100 Th. Wasser, CaCl: 300 100 NaOSo3: 240 100 Danach haben wir also bloſs das am wenigsten lösliche Salz, das Kochsalz – NaCl – zu betrachten. Dasselbe ist in dem gereinigten Wasser enthalten zu 17g,23 in 100l oder zu 0,01723 Th. in 100 Th. Wasser. Bis zur Sättigung des Kesselwassers in dem vorliegenden Falle dürfte also der Kesselinhalt \frac{40}{0,01723}= etwa 2320mal verdampfen, angenommen selbst, daſs kein Tropfen Wasser anders als in Dampfform aus dem Kessel träte. Selbstredend wird man die Concentration des Kesselwassers nicht bis zur Sättigung treiben, wohl aber kann man ohne jegliche Umstände damit bis zu 5 Th. NaCl in 100 Th. Wasser gehen, denn auf Seeschiffen, wo man Wasser mit durchschnittlich 2,5 Proc. NaCl verwendet, welches auſserdem noch Kalksalze enthält, läſst man das Kesselwasser sich bis auf 9 Proc. Kochsalzgehalt concentriren, bevor man die Kessel ganz entleert. Für eine Concentration von 5 Proc. Kochsalzgehalt könnte, in unserem Falle, der Kesselinhalt also etwa \frac{2320}{8}=290 mal verdampft werden. Nehmen wir einen Cornwall-Kessel von etwa 100qm Heizfläche (Dimensionen 2300mm Durchmesser, 2 Feuerrohre je 850mm Durchmesser, 10000mm Länge) mit etwa 21cbm,25 Wasserinhalt; nach obiger Voraussetzung würde dieser Kessel also verdampfen 290 × 21,25 = 6162,5cbm = 6162500l bis zur Concentration des Kesselinhalts auf 5 Proc. Kochsalz. Bei einer durchschnittlichen Verdampfung von 20l in der Stunde und 1qm Heizfläche würde dies dauern: \frac{6162500}{100\,\times\,20}=3081\ \mbox{Stunden}=\frac{3081}{24}=128\ \mbox{Tage} zu 24 Stunden Betrieb. Würde man nun wöchentlich ein- oder zweimal den betreffenden Kessel etwas abblasen, so könnte der Zeitpunkt der Concentration des Kesselwassers noch weiter hinausgeschoben werden. Da aber nach 128 vollen Betriebstagen auch der Kessel jedenfalls von Ruſs und Flugasche gereinigt werden muſs, so darf man dreist annehmen, daſs eine schädliche Concentration des Kesselinhalts überhaupt nicht eintritt. Bezüglich der Ersparniſs an Brennmaterial bei steinfreien Kesseln sind mir auſser einigen allgemeinen Angaben in Lehrbüchern über Kohlenersparnisse von 10 bis 15 Proc. nur die ebenso allgemein gehaltenen Angaben einiger Industriellen bekannt, welche bekunden, daſs, seitdem ihre Dampfkessel mit gereinigtem oder weich gemachtem Wasser gespeist werden, eine Ersparniſs von 10, 15, ja 20 Proc. an Brennmaterial erzielt wird. Erst in neuester Zeit sind mir Ergebnisse mitgetheilt worden, auf welche ich ganz unbedenklich fuſse, weil dieselben in glaubwürdiger Weise aus den Geschäftsbüchern ausgezogen worden. Von diesen Ergebnissen nehme ich zwei heraus, weil zu deren Erzielung nichts anderes geschehen ist, als die Ersetzung des steinhaltigen Speisewassers durch steinfreies Wasser; andere Thatsachen, welche eine Ersparniſs an Brennmaterial herbeiführen konnten, lagen also nicht vor. Der erste Fall ist folgender: Mit steinhaltigem Speisewasser gespeist, brauchten drei Röhrenkessel täglich 9050k Kohle; nach sechsmonatlichem Betriebe mit weich gemachtem, steinfreiem Wasser gebrauchten diese drei Kessel nur mehr 8000k Kohle in einem Tage, obgleich sie Dampf für 40 ind. mehr als früher abgeben muſsten. Lassen wir das letztere auſser Betracht, da es ja wohl denkbar ist, daſs diese Mehrleistung von 40 ind. sehr leicht durch eine bessere Ausnutzung des einmal erzeugten Dampfes erzielt worden ist, so stellt der Unterschied von 9050 – 8000 = 1050k immerhin eine Ersparniſs von \frac{1050\,.\,100}{9050}=11,6 Proc. dar. Im zweiten Falle wurden früher, bei einer Stahlproduction von 100 Proc., in 24 Stunden 40000k Steinkohlen verstocht; nach der Speisung der Kessel mit weich gemachtem Wasser und einer Erhöhung der Stahlerzeugung um 25 bis 30 Proc. betrug der Verbrauch an Stochkohle in 24 Stunden nur mehr 27000k. Nehmen wir auch hier keine Rücksicht auf die vermehrte Erzeugung, so beziffert sich die festgestellte Kohlenersparniſs auf \frac{(40000-27000)\,100}{40000}=32,5 Proc. Was ich Ihnen da anführe, sind keine Resultate von „Versuchen“, welche angestellt wurden, um eine Kohlenersparniſs zu beweisen, sondern ziffermäſsige Darlegungen, welche sich aus den monatlichen Ausgaben für Kohlen ergeben haben. Wie sind solche Ersparnisse nur möglich angesichts der geringen Meinung, welche man allgemein von dem Einflüsse des Kesselsteins auf den Wärmedurchgang durch die Kesselwände hegt? Der Wärmeleitungsfähigkeit von feinkörnigem Kalkstein (Kesselstein), die 16mal kleiner als bei Eisen ist, miſst man keine allzu groſse Wichtigkeit bei, und wohl mit Recht, denn käme diese Fähigkeit, die Wärme durchzulassen, ganz und voll zur Geltung, so müſste jedes Kesselblech, welches mit einer 5 bis 10mm dicken Kesselsteinschicht belegt ist und die Wirkung der Stichflamme zu ertragen hat, baldigst verbrennen oder wenigstens stark leiden. Ich neige dagegen zu der Ansicht, daſs durch eine Kesselsteinschicht von einigen Millimetern Dicke die Temperatur an der Feuerseite des Bleches nur um etwa 50 bis 100° C. erhöht wird. Sehen wir uns nunmehr den pyrometrischen Vorgang einer Kesselfeuerung etwas genauer an: Der gröſste Verlust bei einer Feuerung kommt daher, daſs die abziehenden Gase Wärme mit sich fortnehmen, diese Verlustquelle ändert sich stetig, je nach der Art des Betriebes. Die anderen Verlustquellen für die entwickelte Wärme sind bedingt durch die Art des Brennstoffes, die Einrichtung der Feuerung, der Einsäuerung u.s.w., und sind dem Einflüsse des Betriebes selbst entzogen. Im vorigen Jahre hat A. Siegert in München eine Formel veröffentlicht, welche er mit Hilfe zahlreicher Versuchsresultate aus den bekannten pyrometrischen Formeln entwickelt hat; diese Formel, deren gute Uebereinstimmung mit der Wirklichkeit genügend erwiesen ist, lautet: V=0,65\,\frac{T-t}{CO_2} Proc., d.h. der Verlust (in Procenten des ganzen Heizwerthes einer Kohle) an freier Wärme, welche die Gase mit zum Schornsteine hinausnehmen, ist 0,65 von dem Werthe, den man erhält, wenn man den Temperaturüberschuſs der Gase gegen die äuſsere Luft (T – t) dividirt durch die Anzahl Procente an Kohlensäure in den Heizgasen. Es sei für die Feuerung eines kesselsteinfreien Kessels T – t = 200° C. und CO2 = 10 Proc., so folgt V=0,65\,\frac{200}{10}=13,00 Proc. Verlust des Heizwerthes. Wird dieser Kessel mit steinabsetzendem Wasser gespeist, so wird die allmählich sich verdickende Steinschicht dem Durchgange der Wärme in das Innere des Kessels so viel Widerstand entgegensetzen, daſs die Temperatur an der Feuerseite des Bleches um ein Gewisses, sagen wir 50° C, sich steigern muſs, damit in derselben Zeit, wie früher vor der Steinbildung, dasselbe Quantum Wärme in den Kessel dringe, in anderen Worten, das Feuer muſs forcirt werden, was zur Folge hat, daſs die Feuergase mit einem um mindestens 50° höheren Temperaturüberschuſs zum Kamin abziehen und, da die Verbrennung weniger vollkommen, die Gase auch weniger Kohlensäure enthalten. Aus den mir vorliegenden Ergebnissen von Verdampfungsversuchen in München entnehme ich folgende Angaben: Temperaturüberschuſs der abziehenden Heizgase 209° 228° 247° Kohlensäuregehalt 11 Proc. 10 Proc. 9 Proc., woraus ich schlieſse, daſs hier um je etwa 20° Erhöhung des Temperaturüberschusses der Gehalt an Kohlensäure um 1 Proc. abnimmt. Für den obigen Fall will ich also annehmen, bei T – t = 250°, CO2 = 8 Proc. Der Verlust an freier Wärme berechnet sich jetzt also zu V_1=0,65\,\frac{250}{8}=20,3 Proc. Die Kesselsteinschicht hat also einen Wärme- bezieh. Kohlenverlust von V1 – V = 20,3 – 13 = 7,3 Proc. verursacht. Würde man annehmen, was keineswegs ungerechtfertigt erscheint, T – t = 300° und CO2 = 6 Proc., so käme V_2=0,65\,\frac{300}{6}=32,5 Proc. und V2 – V = 32,5 – 13 = 19,5 Proc. Die obigen Rechnungen sollen lediglich zeigen, daſs man sich die festgestellten Kohlenersparnisse auf die angegebene Art erklären kann. Erst wenn Versuche die Werthe von T – t und CO2 ermittelt hätten, dürfte ich auf diese Werthe fuſsen, um eine endgültige Rechnung durchzuführen. Wenn Sie nun auch meinen Deductionen beipflichten, so kann ich doch nicht für die ganze Kohlenersparniſs, im zweiten der angeführten Fälle – 32½ Proc., eine genügende Erklärung geben; die schlechtere Verbrennung allein genügt dazu nicht. Ich glaube aber noch weitere Thatsachen ins Feld führen zu müssen, die sich in dem genannten Falle – dem Hüttenwerke – ergeben haben. So lange man dort die Kessel mit dem harten Wasser speiste, litten alle Maschinen, besonders aber die Locomotiven derart an undichten Steuerungsorganen, daſs bei letzteren die Spiegelflächen der Schieber alle vier Wochen nachgearbeitet werden muſsten: der aus den Kesseln mitgerissene Schlamm wirkte wie Schmirgel auf die reibenden Theile, und dieser Schlamm konnte doch nur durch von Dampf mitgerissenes Wasser in die Maschine gebracht worden sein. Ich darf als unbestritten folgendes aussprechen: schmutziges, schlammiges Wasser in den Dampfkesseln gibt stets nassen Dampf, reines Wasser aber nie oder nur äuſserst gering, wenn die Dampferzeugung in der Stunde ein gewisses Maſs nicht überschreitet. In der Nr. 8, 12 und 15 des laufenden Jahrganges der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure finden sich sehr interessante Erörterungen über die Corliſs-Dampfmaschine. Eine groſse Rolle in diesen Erörterungen spielt die äuſserst wichtige Frage der Schädlichkeit des nassen Dampfes, hinsichtlich der Dampfökonomie, in den Dampfmaschinen, und naturgemäſs taucht dabei die weitere Frage auf, an der auch ich mich bei früheren Anlässen in der Oeffentlichkeit betheiligt habe, ob der nasse Dampf sein Wasser bereits aus dem Kessel mitgebracht – mit-gerissen – habe, oder ob er erst durch condensirten Dampf in der Leitung naſs geworden sei. Auf diese Streitfrage will ich mich hier nicht ausdrücklich einlassen, sie scheint mir durch die nachfolgenden Betrachtungen ihrer Lösung näher gebracht zu werden. In seinen Ausführungen gibt Prof. Lüders seiner Ansicht Ausdruck, welche dahin geht, daſs „in der groſsen Mehrzahl aller Fälle – wobei er selbstredend reines Wasser voraussetzt – der aus dem Dampfkessel strömende Dampf trocken ist“. Er beruft sich dafür auf sehr lehrreiche Versuche, welche Herr Vinçotte, Direktor des Belgischen Kesselüberwachungs-Vereins, im J. 1880 in seinem Rapport sur les exercices, 1878 et 1879, veröffentlicht hat. Diese Versuche sind in Zuckerfabriken gemacht, wo die Kessel mit reinem Wasser, sogen. Brüdenwasser, welches keinen Stein absetzt, gespeist werden. Herr Vinçotte hat gefunden, daſs der Dampf aus diesen Kesseln noch trocken austrat, wenn die mittlere Verdampfung die Zahl von 340k in der Stunde und 1cbm Dampfraum nicht überstieg: und selbst jenseits dieser Dampfentnahme hat er nie mehr als 1 Proc. mitgerissenes Wasser im Dampf feststellen können. Ein Circulations-Röhrendampfkessel (System Humboldt) von 100qm Heizfläche hat 3cbm,9 Inhalt des Dampfraumes, nach den Vinçotte'schen Zahlen wäre die Grenze der trockenen Dampfentnahme dieses Kessels bei 3,9 × 340 = 1326k oder 13k,26 für 1qm Heizfläche und Stunde – reines Wasser vorausgesetzt! Das mag wohl mit unseren Erfahrungen über eine gute Verdampfung in Röhrenkesseln übereinstimmen. Ein Cornwall-Kessel von etwa 100qm Heizfläche (Dimensionen 2300mm Durchmesser, 2 Feuerrohre je 850mm Durchmesser, 10000mm Länge) hat etwa 8cbm,9 Inhalt des Dampfraumes; bevor dieser, nach Vinçotte, nassen Dampf gebe, könnte er in der Stunde 8,9 × 340 = 3026k oder für 1qm Heizfläche 30k,26 Dampf erzeugen – ebenfalls reines Wasser vorausgesetzt! Dieses Resultat läſst sich nun weniger gut mit unseren Erfahrungen in Einklang bringen, da eine solche Verdampfungsziffer bei einem gewöhnlichen Cornwall-Kessel wohl nicht allzu leicht zu erzielen sein dürfte. Höchstens könnte man, wenn die Vinçotte'schen Ergebnisse auf alle Kesselarten zuträfen, sagen: ein mit reinem Wasser gespeister Cornwall-Kessel gibt immer trockenen Dampf, eine Behauptung, die ich vor der Hand aber noch für zu gewagt halte. Immerhin geht aus meinen Ausführungen hervor, daſs diejenigen Dampfkessel, welche reines Wasser verdampfen, für gewöhnlich trockenen oder nur sehr wenig nassen Dampf liefern. Was hat man nun unter reinem Wasser zu verstehen? Reines Wasser, in obigem Sinne, ist nur ein solches, welches auch während des Verdampfens keine schlammigen Theile absetzt, und somit können wir als reines Wasser nur destillirtes und ein solches Wasser bezeichnen, welches vor seiner Verwendung im Dampfkessel von seinen stein- und schlammbildenden Theilen befreit worden ist. Nun, in dem Zustande liefern ja unsere Apparate das aufbereitete Wasser ab, dieses wird also für gewöhnlich nur trockenen Dampf liefern, und der Unterschied in der Trockenheit des Dampfes gegen früher wird um so gröſser sein, wenn in unserem Apparate das Speisewasser nicht nur weich gemacht, sondern auch noch von mechanisch mitgeführten Schlammtheilchen und organischen Substanzen befreit wird. Und das letztere war gerade der Fall bei dem erwähnten Hüttenwerke, wo das Wasser einem kleinen Flusse entnommen wird. Für die Dampf- bezieh. Kohlenersparniſs, welche durch Erzeugung und Verwendung von möglichst trockenem Dampfe erzielt wird, kann ich Ihnen, nach dem heutigen Stande der Dampfmaschinenkunde, keine genauen Zahlen angeben, aber das vorhin Ausgeführte wird wohl auch Sie überzeugen, daſs diese Ersparniſs unter Umständen wohl bedeutend sein kann und in dem angeführten Falle des bewuſsten Hüttenwerkes sicherlich groſs genug gewesen ist, um die noch fehlenden Procente der festgestellten Kohlenersparniſs auszumachen.“ (Fortsetzung folgt.)