Titel: Ueber Hochofenschlacken und deren Verwerthung.
Autor: R. Zsigmondy
Fundstelle: Band 279, Jahrgang 1891, S. 69
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Ueber Hochofenschlacken und deren Verwerthung. (Schluss des Berichtes S. 41 d. Bd.) Ueber Hochofenschlacken und deren Verwerthung. Unabhängig von der Publication von James Grosclaude (vergl. 1890 275 433 bis 445) erschien eine andere ausführliche Arbeit über Schlackencement in den Annales des mines, XVI S. 158 bis 207. – Ueber die Veränderung, welche die Schlacke durch Abschrecken mit Wasser erleidet, hat sich Tetmajer ausgesprochen. Er schreibt dem Einflüsse des Wassers eine dissociirende Wirkung auf die Moleküle der geschmolzenen Schlacke zu. (Vergl. 1886 261 532.) Anderer Ansicht ist Le Chatelier: Die granulirten Schlacken halten die ganze Krystallisationswärme, welche bei den in Kuchen gegossenen Schlacken während der Kristallisation frei wird, zurück. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass die einfachen oder zusammengesetzten Theilchen, aus denen sie bestehen, mehr Neigung haben, sich entweder unter einander oder mit dem Zusatzkalke bei Gegenwart von Wasser zu verbinden, als die Theilchen der krystallisirten Schlacke. Der Unterschied der beiden Schlacken liegt eben darin, dass die granulirte mehr disponible Energie besitzt als die krystallisirte. Die calorimetrischen Versuche bestätigen vollständig diese Voraussetzung. Verf. hat bedeutende Unterschiede in der Lösungswärme krystallisirter und granulirter Schlacke gefunden und theilt die Versuche, welche mit einer Schlacke von der Formel 2SiO2, Al2O3, 4 CaO ausgeführt wurden, mit. Berechnet man die Lösungswärme der einzelnen Bestandtheile in verdünnter Salzsäure (die Hydratisationswärme des Aluminiumoxydes hat der Autor nicht in Rechnung gezogen), so erhält man für 1 g Schlacke 510 Calorien. Bei der Lösung von langsam erkalteter Schlacke dieser Zusammensetzung werden 301, bei der Lösung der granulirten 420 Calorien frei. Die Differenz ergibt als Bildungswärme der letzteren 90 kleine Calorien, als Bildungswärme der ersteren 209 Calorien für 1 g Substanz. Je schneller die Abkühlung, um so besser eignet sich die Schlacke für die Cementerzeugung. – Syrupöse oder halb erstarrte Schlacken liefern, selbst wenn sie abgeschreckt werden, schlechte Cemente, da die Krystallisation bereits begonnen hat. Die mikroskopische Untersuchung dünner Schliffe zeigte bei krystallisirten sauren Schlacken Anhäufungen von länglichen, parallel gelagerten Kryställchen; bei basischeren Schlacken sind die Dimensionen derselben kleiner. Bei Betrachtung saurer granulirter Schlacken erscheint das Gesichtsfeld bei gekreuzten Nicols dunkel, ein Beweis ziemlich vollständiger Verglasung, während die basischen Schlacken meist von glänzenden Kryställchen durchsetzt sind. Ueber die Zusammensetzung der für die Cementgewinnung geeigneten Schlacke hat Tetmajer eingehende Versuche angestellt (vergl. 1890 275 435 und 1886 260 532). Um Irrthümer, welche durch vergleichende Prüfung von Schlacken verschiedener Herkunft entstehen können, unmöglich zu machen, hat Verf. aus einer Mischung von weissem Marmor, geglühter Thonerde und gepulvertem Quarz die Schlacken folgender Formeln hergestellt: Nr. 1     2 SiO2 0,25 Al2O3 2,25 CaO 2 2 0,50 2,50 3 2 1,00 3,00 4 2 0,25 3,25 5 2 0,50 3,50 6 2 1,00 4,00 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Ferner wurden die Schlacken Nr. 7 SiO2 = 38 Proc. und Nr. 8 SiO2 = 28 Proc. Al2O3 = 10 Al2O3 = 19,5 CaO = 46 CaO = 45 –––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––– Nr. 7 von Bilbao und Nr. 8 von Marnaval einer Untersuchung unterzogen. Die Schlacken wurden unter möglichst gleichen Bedingungen granulirt und in derselben Kugelmühle gemahlen. Jede Schlacke diente zur Herstellung von drei Cementen, nämlich: 1) der Cemente A, mit so viel Zusatzkalk, als die Formel m (SiO2, CaO) + n (Al2O3 3CaO) erfordert, deren Verhalten wohl der Prüfung werth erschien, obgleich die Cemente der Industrie nicht mehr Kalkzusatz erhalten; 2) der Cemente C mit 50 Thl. gelöschtem Kalk auf 100 Thl. Schlacke; 3) der Cemente B mit Kalkmengen, die durch das arithmetische Mittel aus den Quantitäten von Zusatzkalk der beiden anderen Cemente bestimmt wurden. Demnach ergaben sich folgende Verhältnisse von Kalk und Schlacke: Kalk auf 100 Theile Schlacke. Cement Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 A 14 24,5 29   0   0 17   6 12 B 32 37,2 39 25 25 33 28 31 C 50 50,0 50 50 50 50 50 50 In einigen Fällen wurden noch die Cemente D hergestellt unter Verwendung von hydraulischem Kalke von St. Astier. Die so dargestellten Cemente wurden auf Druckfestigkeit geprüft unter Anwendung des Apparates von Le Chatelier (die cylindrischen Probekörper hatten 3 cm Durchmesser und 3 cm Höhe und wurden aus Mörtel 1 Cement : 3 Sand unter Zusatz von 11 Gewichtsproc. (des trockenen Mörtels) Wasser hergestellt. Der Verf. hat die Probekörper nicht nach dem üblichen Verfahren, sondern nur leicht mit der Kelle bearbeitet, und daher zum Vergleich auch die Festigkeit des Portlandcementes von Boulogne in gleicher Weise bestimmt. Die energische Behandlungsweise der Cemente nach der Vorschrift des cahier des charges hätte etwa die dreifache Festigkeit ergeben, noch grössere Festigkeit aber die Prüfung nach dem deutschen Verfahren. Alle Probekörper wurden 24 Stunden in der Form belassen, und hierauf 728100 Tage in kaltem Wasser; ferner 100 in kaltem Wasser, 48 Stunden im Trockenschrank, 7 in heissem Wasser, 100 an feuchter Luft liegen gelassen. Die Cemente A, B und C der Schlacke Nr. 1 wurden nach 24stündiger und selbst nach 4tägiger Luftlagerung in Wasser gebracht und zerfielen sofort. In Uebereinstimmung mit den Angaben von Tetmajer ersieht man durch Vergleichen der Cemente 1 und 4, dann 2, 7 und 5, endlich 3, 8 und 6 den begünstigenden Einfluss des wachsenden Kalkgehaltes der Schlacke auf die hydraulischen Eigenschaften der Cemente. Auch durch zunehmenden Thonerdegehalt werden die hydraulischen Eigenschaften der Cemente erhöht. Der Vergleich der Serien 1, 2, 3, dann 7 und 8, ferner 4, 5, 6 und endlich 3, 4 lässt sich deutlich erkennen. Entgegen früheren Beobachtungen behauptet Verf., dass der höhere Thonerdegehalt ein Rissigwerden der Mörtel nicht unbedingt zur Folge habe, dass im Gegentheil die thonerdereicheren Cemente auch die besseren seien. Die grössere Neigung der Schlackencemente, Risse zu bilden, ist nach Ansicht des Verf. dem Umstände zuzuschreiben, dass dieselben mehr SchwefelVerf. hat mit schwefelfreien Materialien gearbeitet. enthalten als die Portlandcemente; dieser anfangs als Kalksulfid in der Schlacke enthalten, oxydirt sich an der Luft zu Sulfat und wirkt dann ebenso wie Gyps. Die Behandlung der Schlacke mit Kohlensäure, um einen Theil des Schwefels zu entfernen, hält Verf. für nachtheilig, da die Kohlensäure, seiner Ansicht nach, einen Theil des wirksamen Kalkes absättigt. Der Zusatz von hydraulischem Kalk scheint keinen besonderen Vortheil zu bieten nach den Versuchen des Verf. Selbst ein schnelleres Abbinden scheint derselbe nur ausnahmsweise zu bewirken. Die Bindezeiten der reinen Cemente (mit 35 Proc. H2O) waren: Cemente Schlacken Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 St. M. St. M. St. M. St. M. St. M. St. M. St. St. M. A 3,0 2,45 1,40 1,45 1,30 1,15 2 1,50 B   2,25 2,45 1,30 1,45 1,15 1,15 2 1,50 C   3,10 2,45 1,30 1,30 1,15 1,15 2 1,50 D   3,10 2,45 1,30 Die Quantität des zugesetzten Kalkhydrates ist begreiflicher Weise von bedeutendem Einfluss auf die Erhärtung. Ein Kalkzusatz, welcher der Formel m (SiO2, CaO) + n (Al2O3, 3CaO) entspricht, ist für die Erhärtung nur bei den minderwerthigen Schlacken vortheilhaft; für die besseren Schlacken ist ein Zusatz von 50 Proc. CaO etwas zu hoch; es scheint, dass die richtige Menge Kalk gerade in der Mitte dieser beiden Extreme liegt. Die Beobachtungen des Verf. bestätigen auch die Bemerkung Tetmajer's, dass man um so mehr Kalk zusetzen müsse, je thonerdereicher die Schlacke ist, sie stimmen auch mit den Angaben überein, dass in Choindez 40 bis 45 Proc. Kalk, in Donjeux 40, in Cleveland 33 Proc. Kalk der Schlacke zugesetzt werden. Von den bemerkenswerthen Eigenschaften der Schlackencemente ist besonders die abweichende Zusammensetzung der fertigen Producte von der chemischen Zusammensetzung der Portlandcemente zu erwähnen. Während die Portlandcemente sich in den hier angegebenen Grenzen bewegen, SiO2 21,70 bis 25,40 Al2O3 7,48   6,65 Fe2O3 3,57   2,75 CaO 65,54 61,60 MgO 0,90   1,08 SO3 1,97   1,94, enthalten die Cemente von Choindez bloss 54 Kalk, 19,5 SiO2 und 17,5 Al2O3; die von Braunschweig 49,7 CaO, 25,56 SiO2, 11,2 Al2O3, endlich die von Donjeux und Saulnes die in der Tabelle angegebenen Mengen von Kieselsäure, Kalk und Thonerde. Cemente von Donjeux VonSaulnes1 1 2 3 Kieselsäurehydrat   0,25   0,25 SiO2 23,85 24,85 24,55 22,45 Al2O3 13,95 12,10 14,05 13,95 Fe2O3   1,10   3,85   1,85   3,30 CaO 51,40 49,20 49,25 51,10 MgO   1,95   1,75   1,60   1,35 SO3   0,45   1,35   0,60   0,35 S   1,30 Glühverlust   7,05   5,65   7,75   7,50 1 Die Fabrik wurde von den Herren Raty und Comp. vor einigen Jahren eingerichtet, nachdem 1883 der Versuch, Cement aus gegossener Schlacke darzustellen, gescheitert war. Die Production beläuft sich auf etwa 100 Millionen Kilo fertigen Cementes. Man ersieht, dass die Schlackencemente im Allgemeinen mehr Kieselsäure und Thonerde und weniger Kalk enthalten, als die Portlandcemente. Die Schlackencemente binden im Allgemeinen langsam ab, doch hat man durch passende Zusätze die Dauer des Abbindens namentlich in Donjeux sehr zu kürzen verstanden. Bezüglich der Anwendung der Schlackencemente ist zu bemerken, dass dieselben einen hohen Grad von Feuchtigkeit bedürfen, um ihre volle Festigkeit zu erlangen. Bei Mauerwerken, die häufig den Sonnenstrahlen, der Abwechslung von Nässe und Trockenheit ausgesetzt sind, ist dieses Erzeugniss wenig zu empfehlen, nicht nur wegen der zu schnellen Verdunstung von Wasser, an dessen Verweilen die Festigkeitszunahme geknüpft ist, sondern auch wegen der damit verbundenen Contraction der Massentheilchen, die Schwindrisse zur Folge hat. Schwindrisse werden auch begünstigt durch Glätten der Mörteloberfläche, ebenso durch Anwerfen von reiner Cementmasse auf dem Mörtelverputz, während durch Rauhmachen der Oberfläche die Gefahr der Schwindrissigkeit bedeutend herabgesetzt wird. Ein weiterer Uebelstand der besprochenen Cemente ist der, dass dieselben nach dem Erhärten der Abnützung nicht so grossen Widerstand entgegensetzen, wie die Portlandcemente. Immerhin kann man recht dauerhafte Platten aus Schlackencement herstellen, wenn man ihn mit 1 bis 2 Theilen Sand mischt und durch passende Behandlung vor Schwindrissigkeit schützt. Man mischt die Masse mit möglichst wenig Wasser und stampft dieselbe mit einem eisenbeschlagenen Stössel fest. Magere Mischungen widerstehen weit weniger gut der Abnützung. Die Schlackencemente sollen wenig empfindlich sein gegen Frost (vergl. die Ansicht von Tetmajer 1886 261 532) besonders dann, wenn man sie nach dem Abbinden der Kälte aussetzt. Ferner bewahren sie ihre hydraulischen Eigenschaften beim Aufbewahren, ohne etwas davon einzubüssen. Ein Cement, der in einem Papiersack 15 Monate hindurch allen möglichen Einflüssen der Atmosphäre ausgesetzt war, war fast ganz unverändert geblieben. Bosse hat angerathen, folgende Mengen Anmachwasser zuzusetzen: 21,0 Proc. d. Gew. d. Cements für Mörtel aus reinem Cement 26,8 1 Cement : 1 Sand 32,6 1      „        2     „ 37,0 1      „        3     „ Für die reinen Cemente ist dies etwas wenig. Das Laboratorium der École des ponts et chaussées hat 26 Proc. als diejenige Menge bezeichnet, die mit einem Cement von Saulnes eine Masse von guter Consistenz gibt. Tetmajer gibt 25 Proc. an; allerdings handelt es sich hier um Laboratoriumsversuche. Zur Entschwefelung von Hochofenschlacken schlägt A. D. Elbers (Engineering and Mining Journal, 1889 S. 522) vor, die flüssige Schlacke in Drehbirnen zu bringen und hier mit Hilfe verschiedener Stoffe zu entschwefeln. Die Wärme, welche zur Flüssighaltung der Schlacke nothwendig ist, soll durch die Oxydation des Schwefels geliefert werden, auch kann man den Schmelzpunkt der Schlacke durch Zusatz billiger Flussmittel bedeutend herabsetzen. – Als Nachtheile des Schwefelgehaltes werden hervorgehoben, dass die Sulfide in Folge ihres niedrigen Erstarrungspunktes im Verhältniss zu dem der Silicate ungesunde Güsse bedingen, die sehr brüchig sind. Diese Nachtheile werden behoben, wenn man für diesen Zweck entschwefelte Schlacke nimmt. In diesem Zustande ist die Schlacke viel dehnbarer und plastischer und liefert gute Güsse. (Einen geringeren Zusammenhalt der Masse konnte Referent auch beim Einbringen von Sulfiden in Glas beobachten.) Zur Zerkleinerung von Thomasschlacken empfiehlt Jenisch eine Cylinder-Kugelfallmühle (Berg- und Hüttenmännische Zeitung, 1889 S. 150. Th. Ch. Hutchinson leitet zur Vorbereitung von Hochofenschlacke für die Herstellung von Schlackencement die flüssige Schlacke langsam in wenig Wasser und schöpft dieselbe noch warm heraus. (Englisches Patent 1887 Nr. 13539.) Zur Zerkleinerung und Aufschliessung der basischen Schlacke wird dieselbe nach E. Meyer (D. R. P. Nr. 47984) in erhitztem Zustande mit Kaliumsulfat oder auch Pyrosulfat vermischt und nach dem Erkalten vermählen. Le Chatelier bespricht die Einführung von Schlackencement in Frankreich; die Arbeit enthält nichts Neues. Henry war der erste, der Schlackencement in Frankreich erzeugte, nachdem andere Länder dasselbe bereits producirt hatten. (Bulletin de la société d'encouragement 1890 S. 26.) Dr. R. Zsigmondy.