Titel: Neuerungen in der Gasindustrie.
Fundstelle: Band 279, Jahrgang 1891, S. 116
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Neuerungen in der Gasindustrie. (Fortsetzung des Berichtes S. 94 d. Bd.) Neuerungen in der Gasindustrie. Mit der Gasbeleuchtung verbundene Lüftungsanlage; von A. Levy. Ein Ladenraum der Pariser Gasgesellschaft (Rue Condorcet Nr. 8, Paris), zur Ausstellung von Beleuchtungs-, Heiz- und Kochapparaten mittels Gas dienend, wurde im September 1889 mit Ventilationseinrichtung versehen. Der Raum hat 70,5 qm Grundfläche und 244 cbm Inhalt; die Höhe beträgt nur 3,5 m. Der Laden wurde 1872 eingerichtet und war bis 1886 mit 34 Argand- und Schnittbrennern beleuchtet, welche bei stündlichem Consum von 5,48 cbm 50 Carcel Leuchtkraft, d. i. 491 Vereinskerzen, lieferte, wobei auf 1 Carcel (9,826 Vereinskerzen) 109 1 Gas treffen. 1886 wurden die Brenner durch neue Regenerativlampen ersetzt, noch ohne Ventilation. Die Temperatur des Raumes stieg deshalb auf 26 bis 28° C. und wurden in Folge dessen 1889 die Lampen durch solche mit Ventilationseinrichtung ersetzt. Sechs Lampen sind in den Auslagen, sechs im Ladenraume vertheilt und fünf zu einem Lustre gruppirt, und zwar theils nach System Wenham, theils nach Cromartie. Jede Lampe hat eigenen Regulator; alle zusammen verbrauchen in der Stunde 3,25 cbm und liefern 81,5 Carcel, d. i. 800 Vereinskerzen, also 40 l auf 1 Carcel, wesentlich günstiger als bei der früheren Beleuchtungsart. Die Flammen sind 2,78 m über dem Boden angebracht. Das Anzünden geschieht mittels Inductionsfunkens. Die Art der Abführung der Rauchgase und der abgesaugten Luft ist in den Fig. 1 und 2 angegeben; die Lampen bezieh. deren Abzugsrohre sind in Blechumhüllung eingeschlossen, welche sich nach oben zu einer durchbrochenen Rosette erweitert, durch die die Luft einzieht. Ueber dem Abzugsrohre befindet sich ein weiter Abzugskamin, in welchem sich Rauchgase und Abzugsluft vereinigen. Die wagerechten Abzugsrohre an der Decke bestehen aus galvanisirtem Eisenbleche und ragen frei in den Raum herein; sie sind aber mit grösseren Holzkasten umgeben und damit an die Decke angeschlossen. Die zwischenliegende Luftschicht dient als Isolator. Je nach der Zahl der einmündenden Lampen sind die Grossen der Abzugskanäle verschieden gross gewählt. Seitliche Einmündungen sind stets in abgerundeten Curven eingeführt und beide Kanäle in diesem Falle auf 60 cm Länge durch Scheidewände getrennt. Das ganze Rohrnetz vereinigt sich im Nebenraume zu einem senkrechten Kanal von 25 × 30 cm bei 12,5 m Höhe. Auf diesen Kamin ist noch 4,6 m Blechrohr von 30 cm Durchmesser aufgesetzt, so dass gesammt 17 m Kaminhöhe verfügbar sind. Um zu Zeiten, in welchen keine Beleuchtung stattfindet, Ventilation zu haben, ist es ermöglicht, zwei Brenner von je 700 l stündlichem Consum im Sammelkanal einzuschalten. Textabbildung Bd. 279, S. 117 Lüftung eines Ladenraumes mittels Gaslampen. Die Gesammtlänge der verschiedenen Kanäle beträgt 52,45 m von den Massen 0,12 × 0,10 m; 0,14 × 0,10 m; 0,17 × 0,10 m, rundes Rohr von 0,10 m Durchmesser; 0,24 × 0,11 m; 0,25 × 0,11 m; 0,30 × 0,115 m. Die Blechdicken sind 0,8 mm; 1 mm; 1,5 mm. Die Verkleidungskanäle aus Holz haben alle gleiche Masse. Die frische Luft tritt zum Theil durch Oeffnungen ein, welche zu den beiden Kaminen führen, die den Laden heizen, zum Theil durch zwei Schieber über der Eingangsthür. Der Querschnitt der beiden letzteren beträgt 0,42 qm, also sechsmal so viel als die Fläche des Abzugskamins. Die Geschwindigkeit der Gase in letzterem beträgt im höchsten Falle 2 m in der Secunde, so dass die der einströmenden Luft nie grösser als 0,3 m ist. Mittels zehn Thermometern wurden während neun Tagen Temperaturmessungen bei geschlossenen Luftklappen über der Thür angestellt, ebenso neun Tage bei freiem Luftzutritt. Im letzteren Falle betrug die Temperatur im Mittel: Aussentemperatur 8,11° C. Innentemperatur bei Beginn der Beleuchtung 17,86° C. nach 1 Stunde 19,01° C. 2 Stunden 20,09° C. Temperatur der abziehenden Gase 60,00° C. Die Temperaturzunahme im Local betrug bei geschlossenen Luftklappen offenen Luftklappen nach 1 Stunde 2,53° 1,14° 2 Stunden 4,24° 2,23° Textabbildung Bd. 279, S. 117 Abführung der Gase und der Luft bei Gaslampen. Es ist hieraus deutlich zu sehen, wie sehr die Ventilation durch ungenügenden Luftzutritt verringert wird. – Ausserdem wurde die strahlende Wärme der Gasflammen untersucht, um die Entfernung kennen zu lernen, in welcher die strahlende Wärme nicht mehr fühlbar ist. Unter dem Lustre mit fünf Regenerativlampen und 600 l stündlichem Gasverbrauch wurden in 0,35 und 1,7 m Entfernung Thermometer angebracht und abgelesen. Durch die strahlende Wärme stieg die Temperatur bei 0,35 m Entfernung von 20° auf 36° C., also um 16° C. bei 1,70 m Entfernung von 22,5° auf 23,5° C., also um 1° C. Im Abstande von 1,4 m steigt demnach die Temperatur durch Strahlung nur mehr um 1,8°, was in diesem Falle vernachlässigt werden kann. Daraus ergeben sich folgende Höhen als zweckmässig: Abstand der Flammen vom Plafond 1,00 m       „        „         „           „    mensch-    lichen Kopfe 1,40 m, so dass bei einer Entfernung des Kopfes    vom Fussboden von 1,70 m –––––– die geringste erforderliche Höhe des    Raumes 4,10 m betragen würde. Im vorliegenden Falle ist derselbe nur 3,5 m hoch, und wären deshalb besser statt des Lustres Lampen von geringerer Höhe in Anwendung gekommen. Die anemometrischen Messungen ergaben, dass bei voller Beleuchtung die abgesaugte Luftmenge im Sammelkanale 491 cbm in der Stunde betrug; da der Ladenraum 244 cbm Inhalt hat, so ergibt sich eine zweifache Lufterneuerung in der Stunde. Der Kohlensäuregehalt im Laden betrug bei Beginn der Beleuchtung 2,9 pro Mille, 2½ Stunden nachher 2,8 pro Mille, ist also nicht gestiegen. Eine weitere grössere Ventilationsanlage wurde im grossen Geschäftssaale der Pariser Gasgesellschaft ausgeführt. Da über demselben sich kein weiteres Stockwerk befindet, so konnte die Abzugsröhre direct über das Dach hinaus geführt werden. Der Saal besitzt eine Länge von 27,30 m, eine Breite von 11,38 m, eine Höhe von 5 m, bei 1500 cbm Rauminhalt. In dem Saale sind 114 Beamte beschäftigt. Die alte Beleuchtung bestand aus 60 Argandbrennern mit einem stündlichen Consum von je 200 l. Die frühere Ventilation wurde durch vier Kamine bewirkt, in welchen Gasflammen von 500 bis 600 l Consum brannten; doch war die Höhe wie der Querschnitt unzulänglich, und betrug das abgesaugte Luftquantum nur 900 cbm stündlich. Die alte Beleuchtung wurde einstweilen nur theilweise durch die neue Regenerativbeleuchtung ersetzt; an die Stelle von 12 alten Brennern à 210 l kamen 12 Cromartielampen à 170 l stündlich, an die Stelle von 12 anderen alten Brennern kamen 8 Cromartielampen à 200 l. Der Gasverbrauch, der früher 5,04 cbm stündlich betragen hatte, wurde dadurch auf 3,64 cbm, also um 30 Proc. verringert; trotzdem ist die Beleuchtung jetzt eine bessere. Die Ventilationsabzüge wurden vertheilt, wie Fig. 3 und 4 zeigen. Vier Rohre vom inneren Durchmesser 0,38 m und 3,5 m Höhe über dem Plafond dienen als Abzüge und sind unten mit denselben Brennern versehen, welche früher in den alten Kaminen den Zug herstellten. Die anemometrischen Messungen ergaben, dass sämmtliche Kamine stündlich 2500 cbm Luft und Verbrennungsgase abführen, also das 1,67fache des Saalinhaltes. Die eintretende frische Luft, welche vorgewärmt werden kann, tritt durch 12 Oeffnungen mit dem vierfachen Querschnitte der vier neuen Abzugskanäle ein. Es ist noch eine Erweiterung der Beleuchtungs- und Lüftungsanlage in Aussicht genommen, so dass die erstere dann besteht aus 24 Regenerativlampen mit Ventilation à 170 l, 16 à 200 l, 8 Lampen ohne Ventilation à 200 l. Die vier Kamine entfernen dann die Verbrennungsgase von 40 Lampen, und werden die vier Hilfsbrenner à 500 bis 600 l überflüssig. Nach Vollendung dieser Anlage wird der stündliche Gasverbrauch gesammt 8,88 cbm betragen, während früher für Beleuchtung 12,60 cbm, für Ventilation 2,4 cbm, zusammen 15 cbm erforderlich waren. Eine andere Ventilationsanlage wurde in einem Studirsaale der École Monge eingerichtet; die Abzugsröhren liegen frei auf der Decke und münden in eingemauerte Schornsteine. Die Röhren sind mit Isolirmasse überzogen um Wärmeausstrahlung zu vermeiden. Eine weitere Anlage wurde in einem zur Notre Dame-Kirche gehörigen Unterrichtssaale ausgeführt. Das Theater Beaumarchais wurde mit neuer Gasbeleuchtung und einer zweckmässigen Ventilation versehen; der grosse Kronleuchter bildet eine Vereinigung von Regenerativlampen in Verbindung mit Ventilation.. Derselbe verbraucht stündlich 10 cbm Gas und liefert eine Leuchtkraft von 190 Carcel, d. i. 1867 Vereinskerzen. Der Inhalt des Zuschauerraumes beträgt 1800 cbm. Der Lustre, welcher in der Mitte des grossen Abzugsschlotes hängt, befördert bei offenen Thüren 13000 cbm Luft heraus; letztere können aber nur während der Zwischenacte offen stehen, bei geschlossenen Thüren beträgt das abgesaugte Quantum nur 10500 cbm. Da das Theater 1000 Zuschauer fasst, so treffen auf den Kopf stündlich über 10 cbm frische Luft. Die Temperaturzunahme in Gegenwart von 520 Personen betrug in einem Falle während drei Stunden im Parterre 1° C, auf der 1. Galerie 1,5° C, auf der 2. Galerie 2°C, auf der 3. Galerie 2,6° C. Die Anlagekosten betrugen: Rohrleitung zum Kronleuchter 1200 M. Kronleuchter nebst Aufstellung 4400   „ Abzugskamine 1200   „ ––––––– Gesammt 6800 M. Die Betriebskosten betrugen: Gasverbrauch für 1200 Brennstunden    à 10 cbm zu 24 Pf. 2880 M. Tilgung der Anlagen zu 15 Proc. 1020   „ ––––––– Gesammt 3900 M. Dieselben betragen also auf 190 Carcels stündlich 3,25 M., auf 1 Carcel stündlich 1,7 Pf. Man ersieht daraus, dass sich durch Anwendung passender Regenerativbrenner nicht nur Ventilation herstellen, sondern auch bei gleichem Gasverbrauche die Lichtausbeute bedeutend steigern lässt. (Journal des usines à gaz, 1889 Bd. 13 S. 315.)