Titel: Zur Bildung von Erdöl und Erdwachs.
Autor: R. Zaloziecki
Fundstelle: Band 280, Jahrgang 1891, S. 69
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Zur Bildung von Erdöl und Erdwachs. Von R. Zaloziecki. Zur Bildung von Erdöl und Erdwachs. Obwohl nicht allgemein, so doch vorherrschend hat sich in letzter Zeit die Ansicht vom thierischen Ursprung des Erdöles und Erdwachses Bahn gebrochen. Die Entstehung der bekannten Oelterrains ist auf Grund naturwissenschaftlicher Untersuchungen durch Zersetzung fossiler Thiermassen abgeleitet worden, so des kanadischen und theilweise des nordamerikanischen von Whitney, Sterry Hunt Peekham, des karpathischen von Paul, Tietze, Uhlig, Olszewski, des kaukasischen von Bertels, Romanowski, des norddeutschen von H Credner, der Asphaltlager von Val de Trovers von Ch. Knar. Ausserdem hat sich eine Reihe von Forschern wie Müller, Zincken, O. Fraas, Piedboieuf, Oehsenius, Pfeiffer, Kreutz, Radrinewski, Windakiewier, Dunikowski, Lesley, Ashburn, Shaler, Orton und Andere ganz oder theilweise zu Gunsten des thierischen Ursprungs des Bitumens erklärt. In neuester Zeit haben wir den Arbeiten von Prof. Höfer in geologischer Beziehung und den Untersuchungen des Prof. Engler im Laboratorium vorzüglich zu danken, dass dieses interessante Kapitel der Naturkunde sich besser geklärt hat. Die Lehre von der Existenz der primären Lagerstätten vieler Oelfunde und die Thatsache, dass thierische Fette durch Druck und Wärme vollständig in eine dem Erdöle ähnliche Substanz ohne Ausscheidung und Zurücklassung eines erheblichen kohligen Rückstandes und ohne bedeutende Gasverlustezersetzt werden, sind als die wichtigsten Stützen dieser Hypothese zu betrachten, sofern es sich darum handelt, über das Bildungsmaterial ein Urtheil zu fällen. Damit ist jedoch nur ein Theil der Aufgabe, das „woraus“ gelöst und es bleibt noch die Beantwortung der zweiten wichtigen Frage: auf welche Art der Umwandlungsvorgang sich vollzogen haben konnte, welcher Art die Processe waren, welche aus thierischen Resten Erdöl und Erdwachs geliefert haben, also das „wie“ ausständig. Zweifelsohne bietet dieser Theil der Lösung grosse Schwierigkeiten angesichts des Umstandes, dass darüber wenige Anhaltspunkte vorliegen und wir über den Mechanismus und Chemismus dieses kurzweg Bituminisation genannten Vorganges keine directen Aufschlüsse besitzen. Die Untersuchungen Engler'sC. Engler, Zur Bildung des Erdöles (Bericht der deutschen chemischen Gesellschaft), Bd. 21 S. 1816, sowie dieses Journal 1888 269 136, 183. können nicht absolut als solche angesehen werden, vorzüglich aus zwei Ursachen: erstens ist zu deren Ausführung eine hohe Temperatur angewendet worden und diese Annahme muss bei der Bildung von Erdöl eliminirt werden, indem die wichtigsten Beobachtungen und Folgerungen dafür sprechen, dass wir es mit keinem pyrogenen Processe zu thun haben, und zweitens haben die Engler'schen Druckdestillate in chemischer Hinsicht nur eine einseitige Analogie mit Naturölen. Zwar bestehen die Druckdestillate und die Erdöle der Hauptsache nach aus Paraffinen, auch wäre die Erklärung des Verschwindens des zweiten Antheiles der Fettzersetzungsproducte, der Olefine im Erdöle genügend erklärt; doch fehlt jeglicher Aufschluss über die Gegenwart aromatischer Kohlenwasserstoffe im Erdöle und das reichliche Vorkommen der hydrogenisirten Kohlenwasserstoffe der aromatischen Reihe, der Naphtene, ist gar nicht berücksichtigt, obwohl dieselben den zweiten Hauptbestandtheil im Erdöle ausmachen, fast überall nachgewiesen wurden und ihre Existenz im Erdöle wahrscheinlich naturgemäss und zwingend ist. Trotzdem lassen sich meiner Ansicht nach die Engler'schen Versuche auch zur Erklärung des natürlichen Fettumwandlungsvorganges heranziehen und auf ihrer Grundlage eine Theorie des Bituminisationsprocesses aufstellen, welche zwar vorläufig der directen Beweise entbehren wird, jedoch mit der chemischen Zusammensetzung der Erdöle im vollen Einklänge steht und auch den sonstigen über Erdöl und Erdwachs bekannten naturwissenschaftlichen Thatsachen nicht zuwiderläuft. Der Schwierigkeit der unternommenen Aufgabe mir vollbewusst, beabsichtige ich, bevor ich auf die Darlegung derselben eingehe, die Emanationshypothese, welche noch viele Anhänger zählt, einer Stütze zu berauben, was meiner Ansicht nach deren Unhaltbarkeit nach sich ziehen muss. Dass ich mich hiebei bloss auf die Mendelejef'sche Hypothese beschränken werde, ist selbstverständlich, denn dieselbe verdient, abgesehen von der Autorität ihres Verfassers, auch vom allgemein chemischen Standpunkte ein besonderes Interesse, indem die von Mendelejef zur Erklärung mitgetheilten pyrogenetischen Reactionen auch durch den Versuch erhärtet werden können. In erster Linie waren es die Geologen, welche diese Emanationshypothesen zu Falle gebracht haben, indem sie die Oelfunde nicht in den Erklärungsrahmen dieser Theorie unterringen konnten. Ausser diesen geologischen Widersprüchen stiegen mir Bedenken gegen den Mechanismus dieser Theorie auf, welche ich gedrängt wiedergeben möchte. In seiner russischen Originalmittheilung macht MendelejefNieftaunaja promystlennost w siew. amer. sztatie Pensylvanii i na Kaukazie D. Mendelejewa, St. Petersburg 1877 (russ.). bei der Besprechung der Verhältnisse im Erdinneren, speciell an der Grenze der festen Erdkruste einen Vergleich mit einem im Betrieb befindlichen Hochofen und will offenbar dadurch anzeigen, dass ebenso wie bei letzterem wir uns beim Erdkrustendurchschnitte eine Zone von Kohlenmetallen, speciell Kohleneisen und darüber eine Schlackenzone vorzustellen haben. Diese Schlackenzone liefert das Material zu vulkanischen Eruptionen und gab Veranlassung zur Bildung von Basalten, Trachyten, Porphyren u.s.w. Wie bekannt gipfelt die Ausführung des russischen Gelehrten darin, dass sich an den Gebirgsrändern in Folge der secundären Hebungen tief in das Innere sich erstreckende Risse und Spalten bildeten, auf welchen Wasser in das Innere bis zu den glühenden Kohlenmetallen eindrang und daselbst Zersetzungen einging, welche Kohlenwasserstoffe erzeugen konnten. Zum Zustandekommen dieser Reaction ist eine unmittelbare Berührung der auf einander einwirkenden Stoffe unerlässlich; dieselbe ist jedoch andererseits unmöglich, wie man leicht bei der Verfolgung des von Mendelejef selbst entworfenen Bildes des Erdinneren einsehen wird. Vergegenwärtigen wir uns zu diesem Zwecke abermals den Erddurchschnitt, so können wir von unten nach oben in der uns interessirenden Sphäre, d.h. an der Grenze der festen Erdkruste folgende Zonen unterscheiden und zwar: eine flüssige kohlenstoffhaltige Metall- resp. Eisenzone, darüber die Schlacken und zwar unmittelbar über dem Metall in flüssigem, darauf in dickflüssigem, halberstarrtem, jedoch vollständig plastischem Zustande und erst darüber die erstarrten Massen, die Grundlagen unserer Erdkruste. Die Bildung von Rissen und Spalten kann nur so weit reichen, als das Material fest und spröde ist, im weichen plastischen Material oder gar im flüssigen sind dieselben undenkbar. Die feuerflüssigen Metalle sind daher vor dem Eindringen des Wassers durch die flüssigen Schlackenzonen vollständig geschützt und demnach auch eine Wechselwirkung ausgeschlossen – kleine Partikelchen von Metallen, sofern sie in den erstarrten Schlackenschichten vor der Verschlackung geschützt wurden, werden sich wohl im Inneren der Masse, aber nicht an Rissen und Spaltflächen erhalten haben, sind aber auch sonst von keinem grossen Belang. Eine gründliche Widerlegung der Emanationstheorien ist deshalb von Bedeutung, weil dadurch der Bildungsherd des Erdöles aus dem Bereiche der Pyrosphäre entrückt und die Annahme hoher Temperaturen als Bildungsfactoren ausgeschlossen werden muss. Bei der Forschung nach den Bildungsbedingungen haben wir uns auf die Verhältnisse der geologisch ältesten primären Lagerstätten des Bitumens, als äusserste Extreme zu beschränken und dadurch bereits einen engeren Kreis um dieselben geschlossen. Die Erfahrung hat bestätigt, dass, abgesehen von belanglosen Fundstätten secundärer Natur der ganze Bitumenreichthum im Sedimentgesteine aufgespeichert ist, somit die Bildung desselben aus dem Gehalte der Formationen an thierischen Leichen als wahrscheinlich vorausgesetzt, die Umwandlung derselben, was äussere Einflüsse anbelangt, analog oder sehr ähnlich den äusseren Bedingungen der Sedimentgesteinsbildung und Umwandlung war. Es lassen sich bereits aus dieser Analogie werthvolle Folgerungen ziehen, deren hauptsächlichste die ist, dass ebenso, wie das zu einer Zeit abgelagerte Sedimentmaterial im Laufe späterer Zeiten weiteren Veränderungen unterworfen war und dieser Umformungsprocess eigentlich auch in der Gegenwart dauert, ebenso die gleichzeitige organische Ablagerung anhaltenden und fortschreitenden Umwandelungen unterworfen ist und man eigentlich nur von einem temporären Bildungsstadium bei einem wie beim anderen sprechen kann. Ein zweiter Schluss ergibt sich aus der Vergleichung der Oelfunde, sofern man nur ausgesprochen primäre Lagerstätten im Auge behält nach der Altersfolge der Schichten. Es ist beinahe mit Sicherheit anzunehmen, dass in jüngsten Gebilden im Alluvium und Diluvium das Erdöl als primäres Product fehlt, es somit erst in der Tertiärformation ursprünglich (d.h. im genetischen Zusammenhang mit den Schichten) aufgefunden wurde. Da nun kein Grund vorliegt, das Vorhandensein des Materials zur Bildung von Erdöl in der Alluvial- und Diluvialzeit, ebenso wenig wie in der Gegenwart zu läugnen, so muss nothwendiger Weise die Zeit als wirksames Agens in Betracht gezogen werden, oder wir sind berechtigt, das geologische wichtige Moment, den Zeitfactor, dessen Wirkung auf die Gesteinsbildung und Umwandelung eminent ist, in den Kreis der Bildungsbedingungen einzuführen. Bereits früher wurde die Berechtigung der Annahme einer hohen Temperatur abgesprochen und die Bildungschronologie zwischen Gestein und eingelagertem Erdöl erfordert die Bestätigung dessen, denn Niemanden wird es einfallen, zum Zustandekommen der Sedimentgesteine hohe Temperaturen zu Hilfe zu ziehen. Selbst bei der Voraussetzung einer höheren mittleren Jahreswärme in früheren Zeitaltern und höher anwachsenden Geothermen dürfen wir in den Tiefen, in denen Erdöl sich bildete, keine hohen Temperaturen voraussetzen, d.h. nicht in dem Sinne, dass diesem Einflüsse allein organische Substanzen der Destruction anheimfallen könnten. Dagegen steht die Annahme eines höheren Druckes in der Bildungssphäre des Erdöles unumstösslich fest und dem Einfluss desselben muss unter allen Verhältnissen eine bedeutende Rolle eingestanden werden. Die Ursache für das Zustandekommen des Druckes im Inneren der Erdöllager ist eine doppelte und zwar wird der Druck, der anfänglich bei der gleichzeitigen Ablagerung von Sediment und thierischen Reststoffen nicht vorhanden war, dadurch hervorgerufen, dass die ursprünglichen Schichten weiter überlagert und in Folge eines hohen Grades der Plasticität, welche frischen Gesteinsbildungen eigen ist, von oben zusammengedrückt werden. Sobald die thierische Reste einschliessenden Gesteine härter geworden sind und einen gewissen Grad von Festigkeit angenommen haben, hört dieser mechanische Druck ganz oder grösstentheils auf und an dessen Stelle tritt der Gasdruck, der in Folge Zersetzung organischer Substanzen gebildeten gasförmigen Producte. Es ist wohl selbstverständlich, dass die Wirkung derselben von dem Momente beginnt, als die Zersetzungstendenz sich stärker äussert, die gebildeten Gase jedoch an dem Entweichen durch festes und dichtes Gefüge der um- und anliegenden Gesteinschichten gehindert werden. Als weitere Agentien, welche beim Bildungsprocesse des Erdöles eine Rolle spielen können oder müssen, wären die chemischen Bestandtheile des Wassers und das letztere an und für sich im flüssigen, event. im gasförmigen Zustande, die ursprünglich innerhalb der Gesteinsschichten eingeschlossene Luft resp. deren Sauerstoff, die Wirkung der Capillarität, welche dadurch geweckt wird, dass der Bildungsraum der Oele mitunter in die Poren der Gesteine sich erstreckt und endlich die chemische Einwirkung des Gesteinsmaterials innerhalb des Ursprungs- und Communicationsherdes aufzuzählen. Dass diese verschiedenen Einflüsse, wie die Veränderlichkeitstendenz des Materials, erhöhte Temperatur, hoher Druck, chemische Wirkung des Wassers event. deren Bestandtheile und der Luft, Wechselwirkungen des Gesteines, Capillaritätserscheinungen unter Mithilfe des gewaltigen Zeitfactors mannigfache Veränderungen primärer und secundärer Art hervorrufen müssen, ist einleuchtend und erklären dieselben das Resultat ihrer Collectivwirkung, die chemische Beschaffenheit der Erdöle im Allgemeinen zur Genüge. Sehr schwierig ist jedoch der Fall vom speciellen Standpunkte, wenn es sich darum handeln sollte, die Wirkung der einzelnen Agentien zu bezeichnen und die durch die Wechselwirkung der einzelnen Factoren hervorgerufenen Zersetzungsstadien zu präcisiren, weil es zweifellos ist, dass bei solch complicirtem Vorgange, wie die Bituminisation, nur eine graduelle und allmähliche Veränderung des Ursprungsmaterials zulässig ist, welche auch eine allmähliche und stetig fortschreitende Aenderung der Eigenschaften des Productes zur Folge haben wird, deren gewisse Zwischenzustände sich event. durch ausgeprägte äussere Beschaffenheit werden unterscheiden und charakterisiren lassen. Bei dieser Darlegung, die übrigens sehr natürlich ist, habe ich die Analogie mit der Zersetzung der vegetabilischen Stoffe, d.h. mit der Bildung von Mineralkohlen im Auge gehabt. – Es ist eigentlich zu verwundern, warum auf diesen Vergleich, der so nahe liegend ist, bis jetzt nicht nachdrücklicher hingewiesen wurde, da ja unter Beziehung desselben manche werthvolle Momente gewonnen werden können bei der Beurtheilung der Zersetzung thierischer Reste. Die Bituminisation der Holz- und Pflanzenbestandtheile lässt sich leichter in den einzelnen Phasen und Stadien verfolgen, weil sie durch bekannte und gut charakterisirte Zwischenproducte illustrirt wird, und wenn auch den Bestandtheilen des Thierkörpers andere chemische Zusammensetzung zukommt, so nehmen doch dieselben chemischen Elemente daran Theil wie bei den Pflanzenstoffen, und die schliesslichen Producte der Zersetzung sind bei beiden im Ganzen und Grossen verwandt. Eine auffallende Analogie zeigen in qualitativer chemischer Zusammensetzung die natürlichen Zersetzungsproducte des Thier- und Pflanzenkörpers, die Kohlen- und Erdgase, indem Kohlenwasserstoffe der gesättigten und ungesättigten Reihen, Kohlensäure und Kohlenoxyd daran Theil nehmen. Die Gegenwart des Kohlenoxyds führt bereits Bunsen, Schmidt, dann HebeReise in die Steppen des südlichen Russlands, Bd. II S. 138. an; dasselbe wurde auch von EnglerDas deutsche Erdöl von Dr. C. Engler aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleisses, 1887, dieses Journal 1888 267 * 506, 555, 592. im Pechelbronner Erdgase nachgewiesen und von ihm früher als Stütze des Destillationsprocesses und der Mendelejef'schen Hypothese angesprochen. Da jedoch das Auftreten von Kohlenoxyd in Gasen aus Braunkohlenlagern eine gewöhnliche Erscheinung ist und man die Bildung der Braunkohlen wie der Mineralkohlen überhaupt ausser jeden Zusammenhang mit pyrogenen Processen gebracht hat, so muss das Kohlenoxyd entweder als ein normaler oder accessorischer Bestandtheil der Producte des Bituminisationsvorganges angesehen werden und liegt in dem Nachweise desselben in Erdgasen kein Widerspruch. Die Verschiedenheit der Endproducte bei der Pflanzen- und Thierkörperzersetzung – harte kohlenstoffreiche Stoffe einerseits und flüssige oder wachsartige, relativ wasserstoffreiche Producte andererseits – kann nicht Wunder nehmen, wenn man die Verschiedenheit des Ausgangsmaterials in physikalischer Hinsicht und hauptsächlich das quantitative Verhältniss von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff – die Cellulose in einem Falle und Thierfette in anderen in Betracht zieht.Engler, Zur Bildung des Erdöles, ibid. (Fortsetzung folgt.)