Titel: Ueber Neuerungen im Mühlenwesen.
Autor: Fr. Kick
Fundstelle: Band 280, Jahrgang 1891, S. 97
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Ueber Neuerungen im Mühlenwesen. Von Prof. Fr. Kick. (Patentklasse 50. Fortsetzung des Berichtes Bd. 279 S. 193.) Mit Abbildung. Ueber Neuerungen im Mühlenwesen. 8) Ueber Hilfsvorrichtungen, Mehluntersuchung, Mahlverfahren. Bestimmung des Volumgewichtes (Hektolitergewichtes) des Getreides. Es ist allbekannt, dass trockenes Getreide um so grössere Mehl ausbeute liefert, je grösser sein specifisches Gewicht ist, bezieh. je mehr 1 hl desselben wiegt. Prof. E. Brauer hat nun einen „Getreideprüfer“ (D. R. P. Nr. 50887) construirt, welcher unmittelbar den Raumbedarf einer bestimmten Gewichtsmenge als Mass für die Güte ermittelt. Er hat diesen Apparat derart eingerichtet, dass durch eine Division sofort auch das Hektolitergewicht bestimmt wird. Indem Brauer's Getreideprüfer im Vergleiche zu den Qualitätswagen, d.h. jenen kleinen Wagen, welche das Hektolitergewicht (bezieh. das Gewicht von ½ oder 1/4 l) ermitteln, einige bemerkenswerte Vortheile bietet, so verdient derselbe besprochen zu werden.Vgl. 1890 278 574. Textabbildung Bd. 280, S. 97Brauer's Getreideprüfer von Lux. Die Figur zeigt den Getreideprüfer, eine Wage A, welche leer einspielt, wenn sie links die Schale B, rechts den Trichter C nebst Stopfen D trägt. Diese Wage wird benutzt, um ein bestimmtes Gewicht Getreide, und zwar 150 g, abzuwägen, wobei der einzige zu dem Apparate gehörige Gewichtsstein E benutzt wird. Der Trichter wird nach erfolgter Wägung abgehängt und auf das Glasgefäss F gesetzt, so dass beim Herausziehen des Stopfens die Körner aus stets gleichbleibender Höhe in die Kugel fallen und diese vollständig, das Rohr aber bis zu irgend einem Theilstrich füllen. Für die Bezifferung der Glasrohrtheilung sind 1,5 cc die Einheit. Die durch die Füllung erreichte Zahl gibt also an, wievielmal 1,5 cc durch 150 g oder, was gleichbedeutend ist, wievielmal 1 cc durch 100 g Getreide beansprucht wird. Die Eigenschaft, welche durch diese Zahl gemessen wird, nennt Brauer Sperrigkeit. Je sperriger das Getreide ist, um so geringer ist in der Regel dessen Güte. Dividirt man mit dem Sperrigkeitsgrad in die Zahl 10000, so erhält man das Gewicht in Kilogramm, welches 1 hl bei derselben Dichte der Lagerung besitzen würde, welche Rechnung durch eine beigegebene Tabelle erspart werden kann. (x cc wiegen 100 g, 1 cc wiegt \frac{100}{x}\,g oder 1 hl = 100 1000 cc wiegen \frac{100}{x}\,100\,k=\frac{10000}{x}\,k.) Der Getreideprüfer lässt Wägungsfehler nicht zu, da nur ein Gewichtsstein vorhanden ist, und ungleiches Füllen ist auch vermieden, weil das Getreide stets aus derselben Höhe einfällt, indem von dem Fabrikanten Friedr. Lux in Ludwigshafen a. R. dieselben Abmessungen eingehalten werden. Die Grösse des Füllgewichtes von 150 g ist mit Rücksicht auf das zulässige Mustersäckchen-Postgewicht von 250 g gewählt, daher keinesfalls zu gross. Für Qualitätsvergleichung trockenen Getreides derselben Gattung genügt die Ablesung am Messgefässe, also die Sperrigkeitsziffer, welche je grösser ist, je minderwerthiger das Getreide. Mehlmischmaschinen. Neuerungen auf diesem Gebiete liegen nicht vor; doch ist bezüglich der Mühlau'schen Mehlmischmaschine, welche von A. Deutloff in Würzen gebaut wird, die Bd. 270 S. 305 gemachte Angabe betreffs der stündlichen Leistung zu berichtigen. Diese Maschine soll bei dem Füllraum von 50 Ctr. stündlich 300 Ctr. (nicht 25) mischen. (D. Müller, 1889 S. 11.) Dass manche Mehlmischmaschinen die Aufgabe des Mischens auf kleinerem Raume besorgen können, als die verbreitete Anordnung, mit einem Streuteller an der Decke der Mischkammer, dies besorgt, ist zweifellos und kann dieser Vortheil in manchen Fällen entscheidend sein. Soll wirklich gut gemischt werden, so ist regelmässige Zuführung der zu mengenden Mehlsorten zur Mischvorrichtung nöthig und ist dieser Bedingung wohl bei jeder Mischmaschine zu entsprechen, welche die Mischung in einem Vorgange besorgt. Um diesbezüglich etwas unabhängiger zu sein, wendet man bei der Streutelleranordnung bekanntlich öfter zwei über einander gebaute Mischkammern an, wobei der Streuteller der zweiten aus der oberen Kammer gespeist wird, und sich die wagerechten Schichten der ersten Kammer in Folge des Abgleitens mengen. Ueber die Vertheilung der einzelnen Bestandtheile des Weizen- und Roggenkorns auf die verschiedenen Mahlproducte hat S. Weinwurm in den Mittheilungen der k. k. Landwirthschaftlich-chemischen Versuchsstation in Wien (II. Heft 1890) die Resultate von Untersuchungen veröffentlicht, welche in kurzem Auszuge hier wiederholt seien, weil diese Untersuchungen die Verdaulichkeit der einzelnen Mahlproducte, ermittelt durch Diastase, Pepsin und Pankreaslösung, einschlössen, daher besondere Beachtung verdienen. Die procentischen Angaben der nachstehenden Tabelle beziehen sich auf bei 105° C. getrocknete Producte. Der Nicht-Eiweissstickstoff, kurz Amidostickstoff benannt, wurde ermittelt, indem 10 g Substanz mit 200 cc Wasser und 0,5 cc Essigsäure durch 30 Minuten auf einem kochenden Wasserbade erhitzt, nach dem Abkühlen auf 500 cc gebracht und filtrirt wurden. Vom Filtrate wurden 50 cc entsprechend 1 g Substanz zur Amidostickstoffbestimmung verwendet. Der gefundene Gesammtstickstoff abzüglich des Amidostickstoffes ergab den Proteïnstickstoff. Die Amidosubstanzen (Asparagin, Glutamin, Pflanzenleim) wurden, da ihnen ein Stickstoffgehalt von annähernd 18 Proc. entspricht, ihrer Menge nach durch Multiplication des Amidostickstoffes mit 5,5 durch Rechnung bestimmt. Die Bestimmung des Fettgehaltes erfolgte durch Extraction mittels Aether, die Rohfaserbestimmung erfolgte durch Auskochen mit Schwefelsäure und Lauge von vorgeschriebener Concentration. Die stickstofffreien Extractivstoffe wurden aus der Differenz bestimmt. Die letzten zwei Zifferreihen der nachstehenden Tabelle enthalten die Angaben über die Mengen der verdaulichen organischen Substanzen der untersuchten Producte. Name Proteïn-substanz Amidosubstanz Rohfaser Fett StickstofffreieExtractivstoffe Asche VerdaulicheStickstoff-substanzen VerdaulichestickstofffreieSubstanzen Weizen 10,69 2,93 1,90 1,98 80,41 2,09 13,06 73,99 Weizenmehl Nr. 0   8,38 3,06 Spuren 0,83 87,26 0,47 11,44 87,24            „         „   1   8,32 3,06 0,92 87,20 0,50 11,38 87,18            „         „   2   8,87 2,95 0,97 86,69 0,52 11,75 86,72            „         „   3   8,94 2,89 1,05 86,57 0,55 11,81 86,58            „         „   4   8,75 3,17 1,10 86,45 0,53 12,00 86,27            „         „   5   8,94 3,00 1,15 86,36 0,55 11,94 86,20            „         „   6   9,38 3,00 0,02 1,17 85,87 0,56 12,13 85,47            „         „   7   9,82 3,06 0,09 1,28 85,01 0,74 12,75 84,35            „         „   8 10,06 3,22 0,06 1,30 84,55 0,81 13,06 83,62            „         „   8½ 12,56 2,72 0,08 1,91 81,52 1,21 15,12 80,49            „         „   8¾ 14,34 3,00 1,02 3,51 75,90 2,23 17,13 75,23            „         „   9 15,02 2,55 1,55 4,02 74,20 2,66 16,68 71,68 Weizen-Dunstkleie 13,50 3,06 8,71 4,54 63,64 6,55 14,57 40,76       „    -Mittelkleie 13,38 2,72 9,08 3,96 63,97 6,89 13,00 33,69       „    -Grobkleie 13,44 3,17 9,79 3,46 62,13 8,01 13,43 31,54 Roggen   9,38 2,50 1,66 1,94 82,42 2,10 10,88 74,72 Extra-Roggenmehl   3,81 1,67 0,09 0,45 93,46 0,52   5,37 90,42 Weisses       „   6,13 2,72 0,41 1,14 88,80 0,80   8,87 86,02 Schwarzes   „ 12,87 3,77 1,37 2,65 77,23 2,11 15,62 72,77 Roggenkleie 13,25 4,19 4,80 3,72 69,06 4,98 14,75 48,65 Es verdient hervorgehoben zu werden, dass die Kleien wesentlich ärmer an verdaulichen Substanzen sind, als selbst die gröbsten Mehle, und die grobe Kleie ärmer als die feine. Der Nährwerth der Weizenmehle Nr. 0 bis 6 ist nahezu derselbe. Die Stickstoffsubstanzen sind im Extra-Roggenmehl in wesentlich geringerer Menge vorhanden, als im Weiss-Roggenmehle und besonders im Schwarz-Roggenmehle, und verhält sich diesbezüglich Roggen wesentlich anders als Weizen. Eine Erklärung für diese überraschende Erscheinung hat Herr Weinwurm nicht gegeben. Mühleneinrichtungen, Mahlverfahren. Es ist begreiflich, dass bei einem so zusammengesetzten Sonderungs- und Zerkleinerungsprocesse, wie er in der Müllerei vorkommt, bei den wesentlich verschiedenen Eigenschaften der Getreidevarietäten, bei den mannigfachen ökonomischen Verhältnissen und den ebenso verschiedenen Forderungen der Consumenten verschiedene Einrichtungen der Mühlen und verschiedene Verfahren platzgreifen. Im Allgemeinen lässt sich diesbezüglich wohl nur sagen, dass die Hochmüllerei, wenn auch nicht in der vollen, besonders in Pest ausgebildeten Feinheit der Entwickelung, so doch mit wesentlicher Benutzung von Griesputzmaschinen sich immer mehr Eingang verschafft. Die möglichste Ausbeute weisser Mehle ist nur bei einer sehr allmählichen Verkleinerung in Verbindung mit vorzüglich eingerichteter, auf die verschiedenen Griesgrössen Rücksicht nehmender Griesputzerei möglich, und hierbei ist die Anlage einer automatischen Müllerei nicht vollkommen durchführbar, weil die Manipulation zu sehr von der wechselnden Qualität des Getreides abhängt. Wo aber die ökonomischen und Verkehrsverhältnisse zur Massenproduction besonders hinleiten, wo das Bedürfniss nach hochfeinen Mehlen minder vorhanden ist, da lässt sich allerdings eine weniger automatische Anlage durchführen und sind solche mehrfach zur Anwendung gekommen. Theilweise sind diese Anlagen in ziemlich roher Form zur Ausführung gelangt. Wenn z.B. das Schrot von einem Walzenstuhle durch den darauffolgenden Siebcylinder (Scalper) nur in drei Grössengruppen, und zwar in Mehldunst, in Griese und in Schrot geschieden wird und nun die Griese ihrer Grösse nach unsortirt in eine sogen. Sortirmaschine (Sorter) gelangen, welche Maschine aber, ohne Sieb arbeitend, säinmtliche Griesgrössen gemeinsam einem Saugluftstrome aussetzt; so treibt der Luftstrom die kleinen Kerngriese nothwendig zu den minderwerthigen, gröberen Ueberschlägen und diese Vermengung ungleichwerthiger Theile ist eine wesentliche Unvollkommenheit. Lässt man die ersten Ueberschläge vom Griessorter des zweiten Schrotes mit den geputzten Griesen des dritten Schrotes – wie dies bei einem englischen Systeme geschieht zusammen zu den vierten Brechwalzen gehen; führt man desgleichen die zweiten Ueberschläge des zweiten Schrotes, die ersten Ueberschläge des dritten Schrotes und die geputzten Griese des vierten Schrotes zusammen zu den fünften Brechwalzen, so vereinigt man auch in Grösse und Qualität ungleichartige Producte und es ist nicht möglich, die richtige Verkleinerung und die wünschenswerthe Rücksichtnahme auf die Qualität zu erzielen; mit anderen Worten, man arbeitet roh. Es hätte daher wenig Werth, diesbezügliche Vermahlungsschemas oder hierher gehörige Mühlendispositionen wiederzugeben, denn es wären dieselben fast nur Beispiele, wie nicht vorgegangen werden sollte, oder ziemlich lückenhafte Mittheilungen, weil wohl hie und da Mühlenpläne zur Veröffentlichung gelangten, aber ohne Beifügung des Vorganges und ohne genügende Vollständigkeit. Aehnliches lässt sich auch über den in der Mühle 1891 Nr. 13 S. 198, enthaltenen Vermahlungsplan einer Mühle für 30000 k tägliche Leistung sagen, welcher als „vereinfachtes Mahlverfahren unter Anwendung des Haggenmacher'schen Plansichters“ bezeichnet ist. Das Ding sieht recht einfach aus, aber dass diese Einfachheit nur eine scheinbare ist, zeigt sich am schlagendsten daraus, dass im Schema, für 30000 k tägliche Vermahlung (300 Meter-Centner), nur zwei Griesputzmaschinen (sage zwei) eingesetzt erscheinen. Hiernach wird es nicht Wunder nehmen, dass Schrotputzmaschinen gänzlich fehlen und zwei Mahlgänge genügen sollen. Auf solche Dinge näher einzugehen hiesse Oberflächliches ernst nehmen. Fast allerorts hat sich die räumliche, vollständige Abschliessung der Kopperei oder Getreideputzerei eingeführt und diese ist auch durchwegs automatisch durchgeführt. So manche von den neueren Mühlenanlagen benutzten als Verkleinerungsmaschinen lediglich Walzen. Doch hat sich, in Bestätigung der von mir wiederholt geäusserten Ansicht, diese Ausschliesslichkeit nicht bewährt, und besonders dort, wo ökonomische Gründe das Ausmahlen der Kleien gebieterisch forderten, wurden Mahlgänge und auch Desintegratoren zugefügt. In Bezug auf die Wahl der Mahlgänge ist zu bemerken, dass die oberläufigen Gänge die weitaus meist, ja fast ausschliesslich angewendeten sind, und hat dies seinen Grund wesentlich darin, dass bei den Unterläufern als Druck auf den Spurzapfen die Summe des Steingewichtes und der Pressung zur Wirkung kommt, während beim Oberläufer der Spurzapfendruck gleich dem Steingewichte weniger der Pressung des Mahlgutes ist, daher die Lager hier weit besser Stand halten; auch kann die Pressung beim Oberläufer das Steingewicht nie übersteigen, daher durch ungeschickte Behandlung nicht so leicht ein Schaden entstehen. Betreffs der Walzenstühle ist zu bemerken, dass die Hartgusswalzen weitaus überwiegen, die Porzellan walzen aber, namentlich für das Auflösen weicherer Feingriese, sich gleichfalls bewährt haben.