Titel: Zur Bildung von Erdöl und Erdwachs.
Autor: R. Zaloziecki
Fundstelle: Band 280, Jahrgang 1891, S. 134
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Zur Bildung von Erdöl und Erdwachs. Von R. Zaloziecki. (Schluss des Berichtes S. 85 d. Bd.) Zur Bildung von Erdöl und Erdwachs. Die geschilderten Vorgänge sind als eine Reihe von Abspaltungen einfacher Gruppen und Complexe aus den Fettsäuremolekülen zu betrachten, die durch Wirkung der bereits geschilderten Factoren in einer enorm langen Zeit neben oder nach einander sich vollzogen haben konnten und als Resultat ein Gemisch von homologen Reihen gesättigter und ungesättigter Kohlenwasserstoffe neben Kohlensäure geliefert haben. Kohlensäure und die gasförmigen Anfangsglieder dieser Kohlenwasserstoffreihen bilden thatsächlich die Bestandtheile der Erdgase, der nachgewiesenen Zersetzungsproducte der Erdöllager, und finden sich die höheren Glieder derselben Reihen in den Erdölen wieder. Dass dieselben jedoch quantitativ in ihrem den Zersetzungsgleichungen entsprechenden Verhältnisse sich geändert haben und daneben noch andere Reihen zum Vorschein kommen, ist auf secundäre Ursachen zurückzuführen und wird später die Erklärung dafür folgen. Vorläufig drängt sich die Frage auf, auf welche Art auf Grund der mitgetheilten Zersetzungen sich die Bildung von Erdöl und Erdwachs, bezieh. eine Ansammlung dieser Naturproducte auf ihren natürlichen Lagerstätten vorzustellen ist? – Zwei Möglichkeiten können hierbei in Betracht kommen – einmal das, was man eine trockene Destillation nennt, d.h. Bildung von flüchtigen Zersetzungsproducten und deren örtlich getrennte Condensation, und zweitens eine Zersetzung mit Häufung der Zersetzungsproducte an Ort und Stelle. Im ersten Falle müsste man eine vollständige Zerlegung der Ausgangssubstanz in gasförmige oder wenigstens flüchtige Producte annehmen und durch nachträgliche, theils physikalische, theils chemische Condensation die Bildung des Erdöles ableiten, oder Erdgas als ausschliessliches Zersetzungsproduct der Fettstoffe betrachten und daraus erst Erdöl entstehen lassen. Im zweiten Falle dagegen würde eine bloss theilweise nebensächliche Abspaltung von Gas, wie sie durch Uebergang einer höheren molekularen in eine einfachere Verbindung mitunter nothwendig ist, vorausgesetzt und Erdöl und Erdwachs als Zersetzungsrückstand der Fettstoffe aufgefasst werden, wobei eine theilweise Condensation der dazu veranlagten gasförmigen Zersetzungsproducte im Bildungsherde nicht ausgeschlossen bleibt. Gegen die erste Annahme sprechen ziemlich gewichtige Bedenken, vor allem die gegen die Emanationshypothesen (welche auch auf einer Verdichtung einfacher gasförmiger Kohlenwasserstoffe basiren) ins Feld geführten geologischen Gründe, sodann der Mangel jeglicher Analogie vom chemischen Standpunkte, denn wie geläufig es dem Chemiker im Allgemeinen ist, sich Dissociationsvorgänge complicirter organischer Stoffe vorzustellen, besonders die destructive Spaltung von Thier- und Pflanzenkörpern, ebenso schwierig ist die Vorstellung von einer Synthese derselben aus einfachen Verbindungen, und scheint dieses Vermögen den Functionen lebender Zellen beinahe ausschliesslich anzugehören. Den Repräsentanten der ungesättigten Reihen wohnt zwar eine Verkettungstendenz inne, und deren Condensation und Polymerisation ist nicht nur denkbar, sondern auch natürlich; dagegen fehlt jeder Anhaltspunkt für die Möglichkeit der Condensation höherer gesättigter Kohlenwasserstoffe aus niederen, etwa des festen Paraffins aus Sumpfgas. Nicht, unerwähnt darf auch die Aeusserung J. L. Piedboeuf'sPetroleum Centraleuropas etc., Düsseldorf 1883. gelassen werden, welche einen Vorwurf gegen die Condensationshypothesen darin zum Ausdruck bringt, dass die Verbindungen des Erdöles Condensationstemperaturen von 0° bis 300° besitzen, und dass die einzelnen Bestandtheile in Dampfform in verschiedenen Schichten sich verdichtet haben müssten, somit nicht als Mischung innerhalb einer Erdschichte vorkommen können. Es bleibt deshalb die zweite Annahme übrig, wonach die thierischen Fette oder eigentlich die Fettsäuren auf ihrer Ablagerungsstätte allmählich abgebaut und zersetzt wurden, unter Abspaltung von Kohlensäure, in complicirte feste oder flüssige Kohlenwasserstoffe und nachträglich und allmählich zum grossen Theil in niedere Glieder verwandelt wurden mit Ausscheidung von Kohlenwasserstoffgasen, welche entweder in benachbarte Schichten entweichen konnten, theilweise jedoch durch die Undurchlässigkeit der Umgebung an dem Entweichen gehindert, in Folge ihrer Spannung den Druck innerhalb des Bildungsraumes hoben, die Zersetzung event. Condensation der bereits gebildeten (ungesättigten) Spaltungsproducte beeinflussten, bezieh. auch eine vollständige Dislocation des gebildeten Erdöles in andere Schichten besorgten oder dasselbe in die Poren der benachbarten Gesteine trieben. Das Charakteristische dieses ganzen Vorganges bestünde darin, dass derselbe sich innerhalb eines Bildungsraumes abspielt, dass vorzüglich Spaltungserscheinungen, also Abbau der Moleküle im Spiele und Gase Nebenproducte sind, dass Erdöl dagegen als der Zersetzungsrückstand thierischer Fette und nicht als Condensations- oder Destillationsproduct, wie gewöhnlich behauptet wird, anzusehen ist. Ich habe bereits früher, anlässlich der Bildungsanalogie der Bitumina mit Kohlen, von Zersetzungsstadien gesprochen und will an dieser Stelle dieselben in Anwendung bringen in Verbindung mit dem im Vorhergehenden Abgeleiteten, dass das Erdöl flüssiger Zersetzungsrückstand thierischer Fette ist. Es ist beinahe selbstverständlich, dass dieser Zersetzungsrückstand event. erst im Laufe der Zeiten bei weiter gediehener Zersetzung flüssig geworden ist und dass derselbe in vielen Fällen anfänglich fest sein müsste, oder dass ein Zersetzungsstadium existiren dürfte, wobei die Fettsäuren durch Abspaltung von Kohlensäure ihren Säurecharakter bereits verloren haben und in eine vorzüglich feste Kohlenwasserstoffmasse mit geringem flüssigen Antheile sich verwandelt haben. Solches Zersetzungsproduct findet sich thatsächlich in der Natur in den Ozokerit- und Erdwachsvorkommnissen, welche ich, entgegen den sonst üblichen und verbreiteten Ansichten, nicht als Condensations- und Verdichtungsproduct des Erdöles, sondern als erstes, festes, charakteristisches und fassbares Zersetzungsstadium der thierischen Fette ansprechen und demnach dasselbe nicht aus Erdöl, sondern das Erdöl vermittelnd daraus entstehen lassen muss. Eine ähnliche Ansicht wurde bereits von Prof. F. KreutzKosmos, 1881 S. 150 (poln.). Verhandlungen der geologischen Reichsanstalt, 1881 Nr. 8, 10 und 16. früher ausgesprochen, ohne jedoch eine gebührende Würdigung zu erfahren. Da dieselbe vielleicht nicht allgemein bekannt sein dürfte, jedoch viele Beweismomente in sich führt, will ich sie gedrängt wiedergeben. Prof. Kreutz ist Anhänger der Theorie des vegetabilischen Ursprungs des Bitumens, obwohl er thierischen Antheil daran nicht vollständig ausschliesst. Die Veranlassung zur Bildung von Wachs und Oellagerstätten boten nach ihm die Anschwemmungen von harzreichen Landhölzern durch Flüsse und Bäche in vom Meere theilweise abgeschnittenen Buchten und Becken, wozu noch Seepflanzen und Seethiere hinzutraten. Dieses Material wandelte sich im Laufe der Zeiten in Erdwachs und Erdöl theilweise gleichzeitig, theilweise nach einander um und die Ursache, warum die Pflanzenreste nicht wie gewöhnlich der Verwesung mit Kohlenbildung anheimgefallen sind, ist in dem Salzgehalte des Seewassers zu suchen. Für unsere Darlegung wichtiger sind jedoch die Gründe, welche Prof. Kreutz veranlassen, die übliche Bildungschronologie von Erdöl und Erdwachs zu verschieben oder zu identificiren. Vorerst die Thatsache, dass Erdwachs nur in den jüngsten Bildungen der Tertiärperiode in grösseren Massen, ja beinahe ausschliesslich aufgefunden wird. Die Wachslagerstätten von Boryslaw, Wolanka, dem benachbarten Truskawiec gehören den Salzthonschichten des Miocäns an, ebenso die davon entfernten neueren Fundorte in Dzwiniacz, Starunia und Ropyszcze. Das Erdwachs kommt darin wenig in Adern, sondern als concordante Lager zwischen flachen Sandstein- und Thonschieferschichten und auf Klüften vor, welche öfters bis 1 m Dicke zeigen. Die Ausfüllung solch weiter Klüfte mit Wachs, wobei in den entsprechenden Lagern sich ein Auskeilen gegen die Mitte zeigt, spricht dagegen, dass Wachs aus Oel durch Verdunstung entstanden sei, denn die Seiten wände weiter, mit Oel gefüllter Klüfte wären nicht haltbar, würden nachgestürzt sein und die Hohlräume ausgefüllt haben. Ein Eindringen von Oel aus der Tiefe ist aus diesen Gründen unmöglich, weil das das Wachs bergende Gesteinsmaterial weder porös noch hart ist und keine Sprünge zeigt, die Bildung der Klüfte dagegen im genetischen Zusammenhang mit Wachs dadurch steht, dass beim theilweisen Schwinden der darin abgelagerten organischen Materie ein Nachsetzen der überlagernden Schichten nachfolgen musste; somit ähnliche Erscheinungen; wie sie bei der Bildung von Kohlenflötzen bestanden. Wenn man ausserdem noch in Betracht zieht, dass durch Verdunstung von Erdöl kein Erdwachs dargestellt wurde, sondern dass dieser Process naturgemäss mit einer Oxydation verbunden ist, weil sich derselbe in oberen, lockeren Erdschichten abspielt und Erdtheer, Erdpech oder Asphalt producirt, und dass im Alluvium und Diluvium aus den Tiefen eingeflossenes Oel, welches die besten Bedingungen für eine Verdunstung hätte, sich keineswegs in Wachs verwandelt hat, so muss man zugeben, dass die Ansicht, Ozokerit sei aus Erdöl entstanden, keine Stütze hat. – Schon der Umstand allein, dass Erdwachs nur in jüngeren Sedimenten vorkommt, dass Oel dagegen fast ausnahmslos älteren Bildungen, sofern es nicht auf einer veränderten Lagerstätte sich findet, angehört und im letzteren Falle sich nicht in Erdwachs verwandelt hat, sondern als solches oder im verharzten, oxydirten Zustande herausquillt, sprechen dafür, dass hier die Annahme eines umgekehrten Vorganges am Platze ist. Wenn auch nicht gerade eine Bestätigung, so bietet auch die Vergleichung der chemischen Eigenschaften des Ozokerits und des Erdöles eine Unterstützung dieser Ansicht. Es ist bis jetzt eigentlich zu wenig Material für die Erdölchemie vorhanden und noch weniger Kenntnisse besitzen wir über Erdwachs, so dass auf Grund derselben man über die sich darin findenden Körperklassen kaum ein zuverlässiges Urtheil fällen kann und noch weniger über das quantitative Verhältniss der einzelnen Gruppenbestandtheile. Aus den vielen Untersuchungen jedoch, die uns darüber vorliegen, können wir bloss den allgemeinen Schluss ziehen, dass Erdöl mannigfaltiger und complicirter zusammengesetzt ist als Erdwachs, welches eine gewisse Einheitlichkeit in der Zusammensetzung zeigt. Das gilt besonders von den reineren Wachssorten, wie sie vielfach in den bekannten Boryslawer Bergwerken gefördert werden, denn dunkle bis schwarze Erdwachssorten müssen bei dieser Betrachtung ausser Acht gelassen werden, schon aus dem Grunde, weil sie oxydirenden Einwirkungen ihr Aussehen und sonstige Eigenschaften verdanken. Solches Vorkommen steht immer in Zusammenhang mit dem Durchlässiggewordensein der überlagernden Deckschichten, ist somit auf eine Oxydationswirkung der eingedrungenen Luft zurückzuführen, ebenso wie das Verharzen und Verpechen des Erdöles. Die lichtfarbigen Sorten dagegen waren in günstigeren Abschlussbedingungen gegen aussen, was daraus bereits gefolgert werden kann, dass beim Aufschliessen von Lagern oder Klüften von reinem Ozokerit sich Gase mit starkem Druck zeigen, welche mitunter Wachs in den Schächten bis zu Tage treiben (Mutterwachs) und öfters den ganzen Schachtbau zerstören. Gasdrucke kommen nicht beim Erschürfen von schlechteren Erdwachslagern, den dunklen schwarzen Sorten vor, weil in diesen Fällen eine Lockerung des Obergrundes für ein langsames Entweichen der Gase und Eindringen der Luft ins Innere vorgearbeitet hat. Die Erscheinung der stark gespannten Gase innerhalb der Erdwachslager zeugt übrigens gewichtig gegen die Bildung derselben durch Verdunstung aus Erdöl, denn dieser Process ist wohl kaum denkbar unter einem starken Drucke. Die lichten natürlichen Erdwachssorten, welche übrigens sehr häufig und reichlich in den Bergwerken sich finden, zeichnen sich durch einen hohen Reinheitsgrad aus, der bei weitem nicht von Erdölen im Allgemeinen erreicht wird. Es kommen zwar auch helle Erdöle vor, so das bernsteingelbe, paraffinreiche, dicke Oel von Klentschany, das leichte hellgrüne von Pasieczna und Starawies in Galizien, ein schwach gefärbtes in Surakhany auf der Halbinsel Apscheron, auch sollen derartige Oele ausnahmsweise sich im amerikanischen Territorium finden; doch ist im Allgemeinen ein derartiges Vorkommen sehr vereinzelt und spärlich und lässt sich auf andere Ursachen zurückführen, welche nicht immer die gleichen sein müssen. Ohne gerade vorgreifen zu wollen, ist die Erscheinung des Klentschaner Oeles, welches, nebenbei bemerkt, sich auch in Klüften ähnlich wie das Erdwachs findet und eine sehr dicke, in kalten Jahreszeiten feste Consistenz hat, leicht damit zu erklären, dass man dasselbe nicht mit Erdöl, sondern mit Erdwachs in eine Reihe stellt, ohne weiter zu untersuchen, ob die mehr flüssige Beschaffenheit einem ebenso gearteten Urfette, oder einer weiter gediehenen Zersetzung zu verdanken ist. Bei leichten und lichten Oelen kann man selbstverständlich diese Deutung nicht versuchen; man hat zwei andere Eventualitäten zu ihrer Erklärung: und zwar zeichnen sich manche Gesteinsarten; besonders Thone und Thonschiefer durch ein hohes Entfärbungsvermögen aus und das Gel konnte bei seiner grossen Beweglichkeit und event. Ausschluss von Feuchtigkeit die färbenden Substanzen, welche eine grosse Verwandtschaft zu Erdsilicaten in fein vertheiltem Zustande haben, durch anhaltende Berührung mit denselben verlieren. Ein lichtgefärbtes und leichtes Erdöl könnte auch auf eine andere Weise und nachträglich zu Stande kommen, wenn man auch anderen, wie den allgemein gültigen Bildungsfactoren, nämlich der Mitwirkung hoher Temperaturen, ausnahmsweise Zugeständnisse macht. Ein solches Gel würde sich durch einen Destillationsprocess durch Berührung oder Nähe heisser eruptiver Massen aus einem Bitumen oder Kohlenlager ausgeschieden und in kälteren Regionen verdichtet haben. Diese im Ganzen und Grossen spärlich auftretenden Specialitäten hätten demnach mit den allgemeinen Bildungsbedingungen der Bitumina keine Beziehung und sind ihr Vorkommen und ihre Lagerstätten auf secundäre Ursachen zurückzuführen. Wenn ich mich auch nicht auf das vergleichende Feld der chemischen Eigenschaften speciell einlassen kann, wegen Mangel an erschöpfenden, zum Vergleich brauchbaren Untersuchungen, so muss ich doch im Allgemeinen hervorheben, dass bis jetzt im Erdwachs ausser den gesättigten Kohlenwasserstoffen keine anderen Körpergruppen nachgewiesen wurden und dass selbst die reinsten Erdölsorten deren mehrere enthalten, und doch wäre nach der verbreiteten Ansicht über die Entstehung des Erdöles und Erdwachses eher das Gegentheil anzunehmen, denn ein primäres Product wird naturgemäss einfacher zusammengesetzt sein müssen, wie ein secundäres, welches aus jenem erst durch eine Reihe Umwandlungen hervorgegangen ist. Ganz unerklärlich bleibt es auch, wenn, wie es gewöhnlich geschieht, die Verdunstung als der das Erdöl umwandelnde Process angesehen wird, dass der Verdunstungsrückstand reiner und einfacher sei, als das der Verdunstung ausgesetzte Material, welches ein Gemisch von homologen Reihen von flüchtigsten bis zu schwersten Bestandtheilen vorstellt. Diese Bedenken werden zerstreut durch die entgegengesetzte Annahme, zu welcher uns schon die früher angegebenen Thatsachen geführt haben, so dass mit grosser Berechtigung behauptet werden kann, dass das Erdwachs in der Bituminisation der Thierfette die erste, Erdöl da gegen die zweite Stufe bildet und dass, wenn von einer Entstehung des einen aus dem anderen die Rede ist, die bis jetzt verbreitete Ansicht geändert werden muss dahin, dass man sagt: Erdöl kann aus Erdwachs entstanden sein. Diese Einschränkung ist nothwendig aus dem Grunde, weil anders geartete Bildungsbedingungen und besonders eine anders consistirte thierische Fettsubstanz nicht unter allen Umständen ein wohlcharakterisirtes Ozokeritzwischenstadium garantiren können, obwohl im Allgemeinen die Annahme desselben zulässig ist. Verfolgen wir weiter die bereits aufgestellte Analogie zwischen Thierfettumwandlung und Mineralisirung der Pflanzenreste von dem ersten Stadium, welches bereits früher als Adipocire einerseits und Torf oder Lignit andererseits characterisirt wurde, so können wir als zweites Stadium Erdwachs den Braunkohlen gegenüberstellen und Erdöl und Schwarzkohle als drittes Stadium der relativen Bildungschronologie bezeichnen. Selbstverständlich können die drei aufgestellten Stadien der Thierfettumwandlung nur ganz im Allgemeinen als Typen bezeichnet werden und es müssen starken Abweichungen in chemischer und physikalischer Hinsicht und ebenso in geologischer Beziehung Zugeständnisse gemacht werden, in ähnlicher Art, wie es auch mit den Stadien der Verkohlung der Pflanzenstoffe der Fall ist. Alle bis jetzt gebrachten Erörterungen umfassten die als primäre Wirkungen der erdölbildenden Factoren bezeichneten Vorgänge auf Grund der im Laboratorium öfters zur Ausführung gebrachten Spaltung der Fettsäuren in homologe Reihen gesättigter und ungesättigter Kohlenwasserstoffe. Wie bekannt, haben jedoch viele sich mit Erdölchemie beschäftigende Forscher, wie Warren de la Rue, H. Müller, Pawlewski, Freund, Lachowicz, Engler, Markownikof, Oglobin, Spady, Krämer und Böttcher, Beilstein und Kurbatov u.a., ausser gesättigten und ungesättigten Reihen aromatische Kohlenwasserstoffe, und die letzteren Chemiker hydrogenisirte aromatische Kohlenwasserstoffe oder NaphteneIch lasse die Frage unentschieden, ob die ganze Masse der als Naphtene bezeichneten Körper thatsächlich mit hydrirten aromatischen Kohlenwasserstoffen identisch ist, oder ob dieselben auch andere der Formel CnH2n entsprechende Verbindungen vertreten können, welche durch eine andere Gruppirung, vielleicht durch eine theilweise Ringschliessung wie in Tri- oder Tetramethylenen, den gesättigten Charakter erlangen. in imponirender Quantität aufgefunden, wonach dieselben neben den Paraffinen als zweiter Hauptbestandtheil der Erdöle angesehen werden müssen. Es wurde auch die Erklärung für die Bildung aromatischer Kohlenwasserstoffe im Erdöl versucht und entweder auf einen Oxydationsvorgang mit Wasserabspaltung aus den gesättigten Kohlenwasserstoffen oder auf eine Condensation ungesättigter Kohlenwasserstoffe durch pyrogene Reactionen zurückgeführt. In neuester Zeit hat A. VeithChemiker-Zeitung, 1890 S. 1368. im Anschlusse an die Engler'sche Hypothese den Ursprung derselben aus Glycerin unter Vermittelung von Acrolein unter Druck und Wärmebedingungen abgeleitet. – Ohne Zweifel ist die Gegenwart aromatischer Kohlenwasserstoffe secundären Vorgängen zuzuschreiben, und scheint mir die Verkettungstendenz ungesättigter Kohlenwasserstoffe, der Acetylene, deren Entstehung bei der ursprünglichen Spaltung der Fette wahrscheinlich ist und früher erörtert wurde, die einfachste veranlassende Bildungsursache zu sein. Wir müssen freilich pyrogene Processe, welche diese Reactionen gewöhnlich bedingen, ausschliessen, dagegen uns immer gegenwärtig halten, dass wir bei einer niedrigeren Temperatur in einem hohen Drucke und einer unermesslich langen Zeitwirkung vollständigen Ersatz finden können. Nicht auszuschliessen sind auch die polymerisirenden Wirkungen der in mit Erdgasen gesättigten und deshalb auch stark kohlensäurehaltigen Wässern gelösten Gesteinsbestandtheile, etwa der Carbonate oder Sulfate, besonders unter hohem Drucke. Diese Erklärung verhilft uns auch gleichzeitig zu einer anderen, sehr wichtigen und bis jetzt nicht versuchten. Ich meine die Erklärung für das Vorhandensein der hydrogenisirten aromatischen Kohlenwasserstoffe oder Naphtene, welche meiner Meinung nach auch secundären Reactionen der Erdölbildung ihr Dasein verdanken. Das gleiche quantitative Verhältniss von Kohlenstoff und Wasserstoff in denselben und in den Aethylenen und die bekannte Polymerisationstendenz der letzteren bringt mich darauf, die Entstehung der ersten aus den letzten anzunehmen und zwar nicht auf dem üblichen Condensationswege zu höheren Gliedern, sondern mit gleichzeitiger Ringschliessung, wozu die Veranlagung zweifelsohne vorhanden ist. Eine Bekräftigung findet diese Ansicht darin, dass wir im Erdöl die Aethylene bis auf geringe Spuren missen, obwohl sie das zweite Hauptspaltungsproduct der Fette sind und dass an ihrer Stelle eine neue Körperklasse in quantitativ demselben Masse auftritt, deren Entstehung uns sonst vollständig räthselhaft wäre. Das Verschwinden der Aethylene wurde zwar von B. Kerl mit Untersuchungen J. A. Le Bel's in Zusammenhang gebracht, wonach deren langsame Veränderung durch Wasser bewerkstelligt werden konnte. Diese Deutung ist jedoch nicht ohne weiteres annehmbar, weil in den Erdgasen, wo die Bedingungen für eine Einwirkung des Wassers die günstigsten waren, Aethylene als wichtige Bestandtheile gefunden wurden. Es ist über hydrogenisirte aromatische Kohlenwasserstoffe so viel wie nichts bekannt, es fehlen auch Untersuchungen über Polymerisationsverhältnisse der Aethylene, besonders der höheren Glieder, so dass es erlaubt ist, dieselben diesbezüglich in eine Analogie mit Acetylenen zu bringen und in Consequenz dessen aus ihnen hydrogenisirte Kohlenwasserstoffe der aromatischen Reihe ebenso entstehen zu lassen, wie reine Benzolkohlenwasserstoffe aus Acetylenen, zumal wir beim Erdöl das Auftreten der einen mit dem Verschwinden der anderen in Zusammenhang bringen können. Eine endgültige Entscheidung ist damit selbstverständlich nicht gegeben, es soll bloss eine rationelle Erklärung des Auftretens einer zahlreichen Körpergruppe, von dem man sich sonst keine Rechenschaft geben kann, versucht werden und bleibt es erst dem Experimente überlassen, unwiderlegliche Beweise dafür zu liefern. Vielleicht ist diese Darlegung berufen, zu Untersuchungen in diesem Gebiete anzuregen und unsere Kenntnisse über die in letzter Zeit eine grosse Bedeutung annehmenden hydrogenisirten aromatischen Kohlenwasserstoffe zu erweitern. Indem ich am Ende angelangt bin, will ich abschliessen mit einer kurzen Uebersicht meiner Anschauungen über die Bildung von Erdöl aus thierischen Ueberresten. Ich setze eine allmähliche Veränderung des thierischen Leichenmaterials unter Einfluss des Seewassers in den Meeresuferablagerungen vorerst durch Fäulnissgährung und nachträglich nach Aenderung der äusseren Bedingungen, Ueberschichtung und Luftabschluss durch die eigentliche Bituminisation voraus. Unter BituminisationIch möchte das Wort Bituminisation für die geologische Veränderung thierischer Substanzen scharf gegenüberstellen der Verwesung, welche den analogen Process pflanzlicher Ueberreste gut zum Ausdrucke bringt. ist zu verstehen ein bei nicht zu hoher Wärme unter Druck und Zeitwirkung vor sich gehender allmählicher Abbau des Fettsäuremoleküls unter Ausscheidung von Kohlensäure event. Kohlenoxyd und Spaltung in gesättigte und ungesättigte Kohlenwasserstoffreihen. Letztere unterliegen in weiterem Verlaufe secundären Veränderungen durch Condensationen und Polymerisationen, welche zur Bildung von reinen und hydrogenisirten Kohlenwasserstoffen führen. – Nach meiner Auffassung ist Erdöl und Erdwachs Zersetzungsrückstand thierischer Substanzen in ähnlicher Weise, wie Mineralkohlen Rückstände vegetabilischen Verwesungsprocesses sind, und analog diesen kann man Bituminisationsstadien, Fettwachs (Adipocire), Ozokerit (oder ein ozokeritähnlicher Zustand) und Erdöl in chronologischer Folge unterscheiden, welche mit den Verwesungsstadien, Torf (Lignit), Braunkohle und Schwarzkohle in eine relative Parallele zu stellen sind. Lemberg, im Februar 1891.