Titel: Versuche mit rothglühenden Flammenrohren.
Autor: Fr.
Fundstelle: Band 280, Jahrgang 1891, S. 246
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Versuche mit rothglühenden Flammenrohren. Mit Abbildungen. Versuche mit rothglühenden Flammenrohren. Um die allgemein verbreitete Ansicht zu widerlegen, dass Wassermangel in vielen Fällen die Ursache eingetretener Kesselexplosionen sei, liess vor Kurzem die Manchester Steam Users Association durch ihren Oberingenieur Lavington E. Fletcher mit einem Zweiflammrohrkessel, auf dessen vom Wasser theilweise entblösste und in rothglühenden Zustand versetzte Flammenrohre kaltes Wasser gepumpt wurde, Versuche anstellen, welche nach Industries, 1890 S. 609, auch gleichzeitig auf verschiedene andere hier nicht miterwähnte Gesichtspunkte ausgedehnt wurden. Der Versuchskessel hatte bei 2135 mm Durchmesser eine Länge von 8460 mm und die vollständig glatten, nicht versteiften Flammenrohre von je 915 mm Durchmesser zeigten, ebenso wie auch der Kesselmantel eine Blechdicke von 11 mm. Die 14 mm dicken Stirnböden des Kessels hatten Blechanker, und zwar der vordere Boden vier, der hintere zwei solcher Ankerdreiecke über den Flammenrohren und letzterer noch einen Blechanker unter denselben; sämmtliche Bleche waren durch einfache Nietung mit einander verbunden. Textabbildung Bd. 280, S. 246Versuche mit rothglühenden Flammenrohren. Die beiden Speiseventile an der vorderen Stirnwand führten, wie in Fig. 1 und 2 ersichtlich, das Speisewasser in zwei etwa 150 mm über den Flammenrohren liegende Vertheilungsrohre, von denen das eine von 3,960 m Länge in gewöhnlicher Weise gerade fortgeführt und nur auf der hinteren Hälfte CD auf der Innenseite mit Löchern zum Ausfliessen des Wassers versehen war, so dass dasselbe erst hinter der Feuerbrücke ausströmen konnte, das andere Rohr von 2,060 mm Länge dagegen so gebogen war, dass es direct über die Mitte des einen Flammenrohres zu liegen kam, und das durch die auf der Länge EF desselben angebrachten Löcher spritzende Wasser direct auf den glühenden Scheitel dieses Flammenrohres wirken konnte. Die in den Rohren liegenden Roste hatten 1828 mm Länge bei je 915 mm Breite, und an Kesselgarnituren waren ausser den beiden Speiseventilen von je 63 mm Oeffnung noch zwei Wasserstandsgläser zu beiden Seiten des Mantels, ein Manometer und zwei Sicherheitsventile von 76 und 101 mm Durchmesser angebracht. Textabbildung Bd. 280, S. 246Fig. 3.Versuche mit rothglühenden Flammenrohren. Um etwaige Durchbiegungen der Flammenrohre und ferner die Temperatur des Wassers im Kessel am Boden, sowie am Wasserspiegel messen zu können, waren auf dem Scheitel eines jeden Flammenrohres in Entfernungen von 1245,2057 und 3657 mm von der vorderen Stirnwand eiserne Stäbe befestigt (Fig. 3), die mittels Stopfbüchsen im oberen Kesselmantel geführt und mit Drahtseilen verbunden waren, die über Rollen laufend an ihrem herabhängenden Ende je einen Zeiger trugen, dessen Stellung an einem getheilten Massbrettchen beobachtet werden konnte; an der vorderen Stirnwand waren ferner zwei Hähne eingeschraubt, der obere 150 mm über dem Scheitel der Flammenrohre, der untere 75 mm über dem Boden des Mantels und jeder Hahn war mit einem wagerechten Einsteckrohr von 3,6 m Länge versehen. Um die Umgebung der Versuchsstation zu sichern, war vor und hinter dem Kessel ein starker Schutzwall aufgeworfen und eine aus starken Bohlen erbaute kleine Hütte in 10 m Entfernung seitwärts vom Kessel diente als Beobachtungsposten für die Sachverständigen, weshalb hier auch ein zweites Manometer, sowie ein drittes Wasserstandsglas zum Ablesen untergebracht waren. Auch die Speiseröhren, sowie das Abdampfrohr führten, mit den nöthigen Ventilen versehen, durch diese Beobachtungsstation und ferner konnten von hier aus die Sicherheitsventile mittels Schnüren gelüftet werden. Bei dem ersten, ohne Dampfspannung vorgenommenen Versuche wurde zunächst bei hellem Feuer und geöffneten Sicherheitsventilen das Wasser bis auf 400 mm unter den Scheitel der Flammenrohre abgelassen, hierauf das grössere Sicherheitsventil geschlossen (das kleinere Sicherheitsventil blieb durch ein Versehen offen) und die Speisepumpe, welche 155 l Wasser in der Minute liefert, angestellt. Die Spannung stieg hierbei in 11/4 Minute von 0,43 auf 0,86 at, um dann nach 1 Minute wieder auf 0,07 at zu sinken. Eine Wiederholung dieses Versuches ergab, nachdem der Verschluss beider Sicherheitsventile bewirkt und die Speisepumpe angestellt worden war, innerhalb einer Zeit von ¾ Minuten ein Steigen der Spannung im Kessel von 0,43 auf 1,90 at; nachdem ging diese allmählich wieder herunter, bis sie nach 13½ Minuten 0,43 at betrug. Nachdem das Wasser innerhalb 20 Minuten die Rohre wieder vollständig bedeckte, betrug die Dampfspannung noch 0,36 at. Die vorgenommenen Untersuchungen zeigten, dass sich auf beiden Rohren zwei Blasen (Abschälungen) gebildet hatten; das rechte Flammenrohr war dabei oval geworden, und zwar betrug der Unterschied der Durchmesser desselben in 2300 mm Entfernung von vorn 89 mm. Die beiden der Erhitzung am stärksten ausgesetzten Nähte hatten sich etwas geöffnet, waren aber trotzdem nicht eingerissen. Die beschädigten Platten wurden nun herausgenommen und durch Walzen in ihre ursprüngliche Form zurückgebracht, hierauf wieder eingebaut, sorgfältig verstemmt und vernietet, so dass sie einer Wasserdruckprobe von 8,3 at widerstanden, ohne undicht zu werden, und die weiteren Versuche nunmehr unter Dampfspannung vorgenommen. Um den Zeitpunkt des Erglühens der Flammenrohre in der Beobachtungsstation genau erkennen und rechtzeitig Wasser mit der Speisepumpe auf die erhitzten Bleche bringen zu können, wurde jetzt auf den Scheitel eines jeden Rohres eine Scheibe von leicht schmelzbarem Metall befestigt und in diese ein durch den Mantel geführter Stab eingeschraubt, dessen Bewegung wieder an einem getheilten Massbrettchen abgelesen werden konnte. Trotzdem wurde beim ersten Versuch das Schmelzen dieser Scheibe nicht rechtzeitig genug erkannt, da die Bewegung des Stabes jedenfalls durch Klemmen in der Stopfbüchse beeinträchtigt wurde; unmittelbar vor dem Beginne des Speisens, 10 Minuten nach Freilegung der Flammenrohrscheitel und 6 Minuten nach Senkung des Wasserspiegels auf 76 mm unter Rohrscheitel klappte das rechte Flammenrohr zusammen. Die erste Rundnaht desselben zeigte einen 900 mm langen Riss, welcher 300 mm weit aufklaffte; das linke Flammenrohr wurde um 25 mm eingedrückt. Ein eingesetzter Schmelzpfropfen und einige Bleistreifen auf dem rechten Rohre waren geschmolzen, was jedenfalls als sicheres Zeichen angesehen werden kann, dass die Bleche rothglühend gewesen sind. Um das Festklemmen der Messstangen zu verhüten, wurde bei den weiteren Versuchen ihre Verbindung mit der Metallscheibe von 130 mm Durchmesser durch eine Kette bewerkstelligt, so dass die Beweglichkeit der Stange jederzeit geprüft werden konnte, und während bisher das Niedergehen des Wasserstandes durch Ausblasen von Wasser aus dem Ablasshahn erreicht wurde, passte man dieses jetzt mehr den wirklichen Vorgängen im Betriebe an und überliess das Sinken des Wasserspiegels vom Scheitel der Flammenrohre an ausschliesslich der Verdampfung; die Dampfspannung wurde so hoch gehalten, dass die Sicherheitsventile, welche für 1,7 at Spannung belastet waren, lebhaft abbliesen. Die nun folgenden 9 Versuche ergaben ähnliche Resultate wie die früheren; namentlich stellte sich heraus, dass die geringe Wärme, welche den glühend gewordenen Platten innewohnt, nicht im Stande ist, eine erhebliche Dampfmenge zu erzeugen – eine Steigerung der Dampfspannung durch das Einspeisen von kaltem Wasser konnte niemals beobachtet werden. Textabbildung Bd. 280, S. 247Fig. 4.Versuche mit rothglühenden Flammenrohren. Die Zeit des Anstellens der Speisepumpe auf die rothglühenden Flammenrohre wurde schliesslich bei einem letzten Versuch dadurch bestimmt, dass jedes Flammenrohr, wie in Fig. 4 ersichtlich, 1420 bezieh. 1305 mm von vorn mit einer Zinkscheibe, 1780 bezieh. 1675 mm von vorn mit einem Bleipfropfen und 2185 bezieh. 2095 mm von vorn mit einem Zinnpfropfen versehen wurde, welche sämmtlich in der früher beschriebenen Weise mit Stäben und Massbrettchen verbunden waren. Es hatte sich nämlich durch besonders vorgenommene Versuche herausgestellt, dass bei den gewählten Befestigungen Zinn bereits schmilzt, wenn das Kesselblech noch nicht sichtbar erhitzt ist, Blei bei dunkelrother Hitze und Zink erst bei Kirschrothglühhitze des Bleches schmilzt, weshalb mit Hilfe dieser verschiedenen Metalle die Erhitzung der Flammenrohre stufenweise verfolgt werden konnte; ferner war quer über die ersten 8 Bunde eines jeden Flammenrohres je ein Bleistreifen von 1250 mm Länge, 38 mm Breite und 1,5 mm Dicke gelegt, um auch die Ausdehnung der Erhitzung verfolgen zu können. Es wurde nun beobachtet, dass nach dem Abblasen des Wassers bis zum Scheitel der Flammenrohre der Bleipfropfen des linken Rohres nach 8 Minuten, nach weiteren 3 Minuten ein Zinnpfropfen und nach noch weiteren 2½ Minuten auch ein Zinkpfropfen geschmolzen war. Der Wasserspiegel lag am Ende dieser Zeit 92 mm unter dem Rohrscheitel und die Dampfspannung betrug 1,9 at Ueberdruck. Trotzdem nun durch das Versuchsrohr Wasser mit einer Temperatur von 16° unmittelbar auf das rothglühende Flammenrohr gespritzt wurde, trat keine Erhöhung der Dampfspannung ein, sondern diese fiel nach 2½ Minuten von 1,9 at auf 1,8 at. Die Untersuchung zeigte, dass die Scheitel beider Flammenrohre auf 2420 bezieh. 3655 mm Länge und im Mittel 300 mm Breite die Farbe geglühten Eisens angenommen hatten (Fig. 4) und nur die ersten 7 Ringnähte eines jeden Flammenrohres aufgegangen und im Scheitel undicht geworden waren; im Uebrigen hatte sich die Form der Flammenrohre nicht verändert. Von den quer gelegten Bleistreifen waren die ersten 5 bezieh. 6, d.h. bis zu einer Entfernung von 4300 mm von der vorderen Stirnwand und ebenso auch die sämmtlichen Pfropfen geschmolzen. Es kann demnach nach Fletscher aus allen diesen Versuchen die nachstehende Schlussfolgerung gezogen werden: Kaltes Wasser, auf rothglühende Flammenrohre geleitet, hat durch plötzliche Zusammenziehung derselben weder Längs- noch Querrisse im Gefolge; ferner kann dadurch keine derartige stürmische Entwickelung von Dampf bezieh. keine solche Erhöhung der Dampfspannung hervorgerufen werden, dass die Sicherheitsventile dieselbe nicht vollständig zu bewältigen vermöchten und welcher der Kesselmantel nicht Widerstand leisten könnte. Dies Ergebniss der Versuche von Fletscher wird, wie Cl. Haage in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1891 S. 312, ausführlicher nachweist, durch die Erfahrungen im Kesselbetriebe vollständig bestätigt, da nach dem Genannten wohl in den meisten Fällen bei eingetretenem Wassermangel ein sofortiges Anstellen der Speisevorrichtung seitens des meist nachlässig gewesenen Wärters erfolgt, ohne dass Risse in den Blechen und Nietungen als Folge der Aufspeisung von Wasser bei überhitzten Blechen, welches sich hier nicht einmal auf den Scheitel der Feuerplatten ergiesst, sondern beim Steigen des Wasserspiegels die glühenden Bleche nur allmählich abkühlt, zu beobachten gewesen wären. Trotzdem ist jedenfalls anzurathen, einen Wassermangel im Kessel überhaupt nicht eintreten zu lassen, denn in Anbetracht der Verschiedenheit der Verhältnisse in jedem einzelnen Falle werden Kessel mit glühenden Blechen doch stets äusserst gefährliche Gegenstände bleiben. Fr.